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katikatharinenhof

Bewertungen

Insgesamt 998 Bewertungen
Bewertung vom 12.12.2023
Seegfrörne
Hamann, Christof

Seegfrörne


gut

Der Inhalt bleibt seltsam fremd

Das Auge kann sich einfach nicht satt sehen, wenn der Bodensee als eine Eisfläche erscheint. Doch dieses Naturschauspiel hat auch seine Tücken und so kommt es, dass das Jahr 1963 nicht nur positiv in Erinnerung bleibt. Robert Teiler kehrt von einem Ausflug auf der Eisfläche nicht zurück, bis heute ist sein Verschwinden ein Kuriosum. Erst Jahre später versucht Chronist Höfe ein wenig Licht ins Dunkel zu bringen. Doch wo immer er auch nachfragt, stößt er auf eine Wand des Schweigens. Es wird getuschelt und geredet, aber so richtig mit der Sprache rückt niemand heraus....


Was sich nach einem aufregenden Buch mir kriminalistischen Zügen anhört, wird im Verlauf der Kapitel zu einer echten Herausforderung. Nicht etwa, weil die Nerven vor Anspannung blank liegen, sondern weil sich die Handlung dreht und dreht und nicht wirklich zum Zug kommt.

Normalerweise liebe ich Dialekt im Sprachgebrauch, denn der melodische Singsang, die Eigenheiten und mitunter schrägen Wortschöpfungen sind Zeuge von regionaler Identität und machen die gesprochene Sprache zu etwas ganz Lebendigem. Den schwäbischen Bodensee-Dialekt nicht im Ohr, sondern als Schrift vor sich zu haben, ist schon eine große Herausforderung und wirkt für Leser;innen, die in diesem Dialekt nicht beheimatet sind, eher sperrig .

Selbst Höfe kann als "Held" insgesamt eher weniger überzeugen. Sein ganzes Auftreten vermittelt das Gefühl, ständig auf der Hut zu sein, um bloß keinen Fehler zu machen, damit die Bewohner:innen des Ortes ihm wohl gesonnen sind. Auch macht er es den Lesenden nicht immer einfach seinen Gedanken zu folgen, da oftmals Sätze von ihm nicht zu Ende gedacht werden und sinngebende Worte einfach fehlen.Der Dorftratsch blüht, aber dadurch wird die Handlung nicht lebendiger. Vielmehr entsteht das Gefühl, dass die feste Eisdecke von einst immer noch vorhanden ist und die Protagonist:innen von der Leserschaft abschirmt, da sie sich nicht wirklich freischwimmen können.

Alles wirkt kalt und seltsam fremd, sodass keine echte Verbindung zum Inhalt entsteht. Auch das mysteriöse Verschwinden von Robert Teiler erzeugt keinerlei Spannung, sodass das Aufdecken der Lösung niemanden vom Hocker haut. Vielmehr fühlen sich die Leser:innen in ihren Vermutungen bestätigt, dass es sich so und nicht anders zugetragen hat.

Bis zum Ende des Buches ist mir nicht ganz klar, welchen Weg der Autor hier beschreiten möchte. Die Mischung aus Ortschronik, dörflichem Zusammenhalt und vermeintlichem Krimi kann bei mir leider nicht punkten - 2,5 Sternchen

Bewertung vom 11.12.2023
Selma Merbaum - Ich habe keine Zeit gehabt zuende zu schreiben
Tauschwitz, Marion

Selma Merbaum - Ich habe keine Zeit gehabt zuende zu schreiben


ausgezeichnet

..wenn jetzt der Frost kommt - stirbt sie, stirbt und hat das Leben nicht gelebt (S.Merbaum)

Selmas Schicksal geht unter die Haut und hinterlässt tiefe Spuren, gerade weil die junge, lebensfrohe Frau nie die Gelegenheit bekommen hat, ihr Leben zu leben, ihre Jugend zu genießen und sich eine Zukunft aufzubauen, in der ihre Worte Flügel bekommen.

Zum 100.Geburtstag am 05.Februar 2024 erscheint eine überarbeitet Ausgabe der von Marion Tauschwitz zusammengetragenen Daten, Ereignisse und Fakten aus dem Leben der jungen Dichterin, die eine echte Wortzauberin ist und mit ihren Gedichten die Zuhörenden regelrecht zu bezirzen weiß.

Ihre Lebensgeschichte ist geprägt von der hässlichen Fratze der Judenverfolgung und der Schreckensherrschaft der Nazis, aber trotzdem, oder vielleicht gerade deswegen, sprudeln die Worte aufs Papier und fügen sich zu Gedichten, die einfühlsam, faszinierend und poetisch sind. Merbaum legt eine Wortgewandtheit aufs Papier, die beim (Vor-)Lesen einen eigenen Rhythmus befolgt und mit vielen Metaphern und Symbolen versehen ist.

Selma Merbaum bekommt durch Tauschwitz eine Stimme, obwohl ihre eigene längst verstummt ist. Dabei gelingt es Tauschwitz, einfühlsam und eindringlich zugleich die Biografie zu erzählen, um der Lyrikerin eine Bühne zu bieten, die sie zu Lebzeiten nicht betreten konnte.

Worte, die lange nachhallen, nachdenklich stimmen und auch betroffen machen. Worte, die sich ins Herz schleichen, manchmal weh tun und oft voller Hoffnung sind. Worte, mit Leidenschaft niedergeschrieben und bis zum letzten Atemzug ständiger Begleiter in einem Leben, das nur Angst, Hass und Hetze kennt.

Sehr lesenswert und aktueller denn je,

Bewertung vom 10.12.2023
Verborgenes Potsdam
Roy, Manuel

Verborgenes Potsdam


sehr gut

Ecken und Winkel, Herz und Charme

Ganz egal, ob es ein Kurztrip oder ein etwas längerer Aufenthalt sein soll - wer nach Potsdam reist, grast oft nur die allseits bekannten Sehenswürdigkeiten ab und lernt nicht wirklich viel Neues kennen. Die sozialen Medien und und die Digitalisierung sorgen schon lange vor dem Urlaub dafür, dass sich Listen mit den Topsehenswürdigkeiten Zuhause stapeln, die sogenannten Insidertipps entpuppen sich im Nachhinein doch als überlaufene Hotspots und so wirklich glücklich macht das niemanden.

"Verborgenes Potsdam" ist ein Reiseführer, der dazu anregt, es einmal wie "Hans-guck-in-die Luft" oder "Puck, die Stubenfliege" zu machen und einfach mal genauer hinzusehen. Nämlich entlang der Häuserfassaden nach oben, mal an die Decke, auf die Gehwege und auch gerne mal den zweiten oder dritten Blick bei Stauten und Büsten zu riskieren.

Was dabei herauskommt: kleine und große Überraschungen und ein Potsdam, dass es wirklich in sich hat. Zu finden sind der Sternenhimmel aus Mozarts "Zauberflöte", Elefanten im Blättergewand, Ringe für den roten Teppich, geheime Gärten, goldene Spinnennetze und vieles mehr, das sich nur denjenigen offenbart, die sich auf das Abenteuer einlassen und neue Wege gehen, die abseits der bereits breitgetretenen Touri-Pfade liegen.
Potsdam präsentiert sich als kleines Schatzkästchen, das viele glitzernde Juwelen und schimmernde Perlen beheimatet, wenn man nur genau hinschaut.

Die Begleittexte sind verständlich verfasst und machen direkt Lust auf einen Städtetrip der besonderen Art. Allerdings stelle ich mir auf Seite 120 die Frage, wessen Soldaten gemeint sind, denn hier bleibt der Satz unvollendet.

Ansonsten ein wirklich schöner Reiseführer im Handtaschen- bzw Rucksackformat, der definitiv anders ist und jede Menge Abwechslung, Ecken und Winkel, Herz und Charme bietet.

Bewertung vom 10.12.2023
Fast verschwundene Fabelwesen. Die sagenhafte Expedition des Konstantin O. Boldt
Schäfer, Florian

Fast verschwundene Fabelwesen. Die sagenhafte Expedition des Konstantin O. Boldt


ausgezeichnet

Eine aufregende Reise ins Land der Fantasie

Eine Welt ohne Einhörner, Tatzelwürmer, Kelpie oder Feuervögel wäre trüb und leer, doch immer mehr dieser sagenhaften Fabelwesen verschwinden aus dem Reich der Fantasie. Konstantin O. Boldt startet mit seinen Gefährten eine Expedition, um dem mysteriösen Verschwinden auf den Grund zu gehen. Mit von der Partie sind u. a eine Draculogin, ein Magier und ein Mythoethnologe, denn sie alle bringen Fachwissen auf ihrem Gebiet mit. Wird es gelingen, Drachen, Wichtel und Einhörner zu retten ?


Es gibt Bücher, die wie ein fliegender Teppich der Fantasie gewebt sind und in das Reich der Sagen, Mythen und Märchen entführen. Genau so ein Buch ist "Fast verschwundene Fabelwesen" , das schon mit der goldglitzernden Covergestaltung neugierig auf den Inhalt zwischen den Buchdeckeln macht.

Es ist eine aufregende Reise, die faszinierend, spannend und mitreißend geschildert ist und anhand von Reiserouten, Kartenmaterial, Zeichnungen und Briefen für die Leser;innen erlebbar wird. Das leichte Kratzen des Federkiels auf dem Papier ist zu hören, wenn die handschriftlichen Notizen verfasst werden. Die Tinte verteilt sich durch die wunderschön geschwungenen Buchstaben der Handschrift gleichmäßig auf dem Papier und flüstert leise von den Abenteuern, die die Expeditionsteilnehmer:innen durchlebt haben. Auch das Klappern der Schreibmaschine ist zu vernehmen und so können die Lesenden immer direkt mit dabei sein, wenn die Gedanken und Gefühle zu Papier fließen.

Steckbriefe, Zeichnungen und sepiafarbene Fotografien vervollständigen den eindrucksvollen Reisebericht, der die Fantasie beflügelt und so manches Fabelwesen zum Leben erweckt. Grandios sind die Panoramaseiten, die sich ausklappen lassen und so ein noch intensiveres Erleben möglich machen.

Die Erzählung selbst ist ein Fest für die Sinne - die Leser:innen sehen die Expedition mit den Augen der Teilnehmer:innen, sind somit hautnah mit dabei und können dadurch das Tor zur Fabelwelt durchschreiten. Viele widersprüchliche Emotionen begleiten sie auf der Reise und lassen sie nachdenklich werden. Ist es wirklich angebracht, ein Fabelwesen zu fangen und einzusperren, um es somit vor dem Verschwinden aus dem Reich der Fantasie zu retten ?

Mit jeder Seite und jeder Zeichnung, jedem Wort und jedem Fabelwesen öffnet das Buch mehr und mehr die Zauberpforte, um seine Leser;innen innerhalb weniger Sekunden alle Emotionen, Erkenntnisse und Erfahrungen der Expeditionsteilnehmenden zu vermitteln. Es ist, als würde jemand einen Zauberstab schwingen und eine Wolke aus Glitzerstaub entstehen lassen, die die Lesenden in die Welt der Fabelwesen trägt.

Leider muss ich einen halben Stern abziehen, da die handschriftlichen Bemerkungen extrem klein verfasst und somit nur schwer zu entziffern sind. Hier wäre eine andere Schriftgröße wünschenswert, um den Lesegenuss nicht zu trüben.

Bewertung vom 09.12.2023
Biblioteca Obscura: Frankenstein
Shelley, Mary

Biblioteca Obscura: Frankenstein


ausgezeichnet

Klassiker mit exzellenten Illustrationen

Victor Frankenstein ist fasziniert von den Möglichkeiten, die ihm Wissenschaft und Forschung bieten. In ihm wächst der Wunsch, etwas zu erschaffen, das einmalig und Mensch gleich ist. Eine Kreatur aus Leichenteilen, die zum Leben erweckt wird. Allein dieser Gedanke beflügelt den jungen Wissenschaftler und er setzt alles daran, um seine Idee zu verwirklichen. Doch das Ergebnis ist schrecklicher und hässlicher, als alles bisher dagewesene. Getrieben von dem Wunsch nach Nähe, Liebe und Akzeptanz stößt das Wesen auf immer mehr Ablehnung und Ekel. Die ablehnende Haltung produziert immer mehr Einsamkeit und treibt das Geschöpf fast in den Wahnsinn. Es hinterlässt eine blutige Spur und schwört Rache...


Es gibt Erzählungen, die zeitlos, fesselnd und hochspannend sind. Mary Shelleys "Frankenstein" hat von ihrer Faszination nichts eingebüßt und treibt immer und immer wieder die Gänsehaut auf die Arme. Aus der obskuren Idee, einen künstlichen Menschen zu erschaffen, ist im 21.Jahrhundert die KI geworden und genau hier wird deutlich, wie aktuell Shelleys Buch tatsächlich ist.

Frankenstein brennt für seine Idee, wird zum Sklaven seiner Obsession, sieht sich Gott geich und ahnt dabei nicht, dass aus seinem genialen Plan ein nicht steuer- und kontrollierbares Wesen wird, das selbst seinem Schöpfer den Tod an Hals wünscht. Hass ist ein schlechter Ratgeber und nimmt immer mehr Besitz vom eigentlich friedlichen Wesen der Kreatur. Die negativen Gefühle fressen es von innen heraus auf und zwingen es dazu, sich anderweitig Respekt und Ansehen zu verschaffen. Je mehr Unverständnis, Ablehnung und Ausgrenzung dem Geschöpf entgegenschlägt, desto mehr wird sein Wunsch nach Vergeltung und Zerstörung angefeuert.

Frankenstein wird vom lebensfrohen Wissenschaftler zum Jäger und alles, was ihn jemals aufrecht gehalten hat, schwindet durch die Hand seines zum Leben erweckten Monsters. Auch hier können die Leser:innen wieder Parallelen zur heutigen Zeit ziehen und es kommt unweigerlich die Frage auf, wie weit eine KI kontrollierbar ist und bleibt.

Insofern hat das Buch nichts an Aktualität eingebüßt, ist vielleicht sogar mehr am Puls der Zeit, als sich es die Autorin hätte jemals vorstellen können. Eindringliche Worte, die im Brief- & Erzählstil verfasst sind, gehen unter die Haut.Doch erst die grandiosen Illustrationen lassen die Bilder aus dem Kopfkino richtig lebendig werden. Die Schauergeschichte erhält durch die exzellenten Zeichnungen einen ganz besonderen Schliff und wird dank dieser Schmuckausgabe zu einem Horrortrip mit ungeahnter Intensität.

Bewertung vom 08.12.2023
Blütenrausch
StadtSpionin, Die

Blütenrausch


ausgezeichnet

Blütenstaubgeflüster und Farbenmeer

"Blütenrausch" ist ein wahres Fest für die Sinne, verzaubert mit farbenprächtiger Opulenz, einem bunten Strauß an außergewöhnlichen Ideen und hüllt die Leser:innen in ein üppiges Kleid aus filigranen Blüten, Gräsern und Blättern. Es verwandelt die Leserschaft in magische Fabelwesen, die die märchenhafte Welt betreten dürfen.

Schon die ersten Seiten sind ein Blütenparadies, aber der Streifzug durch die unterschiedlichen Blumenwelten in Kunst, Mode, Botanik, Lifestyle und Reisen ist so viel mehr. Im schwebenden Blumengarten wird ein Märchen aus abertausend Orchideenblüten wahr und die Poesie, die in diesem Kunstwerk mitschwingt, umhüllt die Betrachtenden wie ein kunstvoll gewebtes Seidentuch.

Wenn sich der feine Nebel über die uralten Baumfarne legt und die Hängebrücke wie ein mystisches Bauwerk erscheinen lässt, dann ist es Zeit für ein kleines großes Abenteuer in den Lost Gardens of Heligan. Das Murmeln der Wasserläufe lässt Sagen und Mythen wieder lebendig werden, während sanft der Wind durch die Tunnel aus Bambus streicht.

Wiesenzaubermomente und Blätterrauschträumerei, Eisblumenpracht und Lavendelduft - in den Reportagen und Interviews spiegelt sich die geheimnisvolle, romantische, verspielte und zauberhafte Welt der Blumen und Pflanzen wieder, die zu immer neuen Kreationen und Ideen inspiriert. Tipps zum Einkehren und Verweilen, Kochen und Kreieren, Genießen und ein wenig Magie im Alltag vervollständigen diesen wundervollen Ausflug.

Üppiger, prunkvoller und fantastischer Lesegenuss !

Bewertung vom 08.12.2023
Wollwut / Der Handarbeitsclub ermittelt Bd.2
Kramer, Leonie

Wollwut / Der Handarbeitsclub ermittelt Bd.2


sehr gut

Wellness Tod-Schick

So eine kleine Auszeit in Bad Kohlgrub ist schon etwas Feines: Entspannung im Moorband, damit die Ideen für neue Farben zum Stricken fließen. Aber irgendjemand hat etwas dagegen, denn statt blauer Wolle liegt eine Leiche mit indigoblauem Kopf in der Wanne. Die Madlfinger Madln sind zunächst schockiert, aber das hält sie nicht davon ab, "ihrem" Kommissar Wallenstein wieder hilfreich unter die Arme zu greifen - und das im doppeldeutigen Sinn. Denn Tim ist durch einen Sportunfall teilweise ausser Gefecht gesetzt und auch sonst braucht er ein bisschen Anschub....


Im zweiten bestrickenden Krimi von Leonie Kramer treiben es die Mitglieder des MKHC wieder ordentlich bunt und kreieren neue Wollschöpfungen, dass es eine wahre Freude ist, ohne beim Stricken und Häkeln zuzusehen. Genauso flink wie die Finger ist auch die Goschn und so bekommt der ein oder die andere ihr Fett weg.

Mit dem Fund der Leiche in der Moorbadewanne sitzt der Schock erst einmal ganz tief, aber schon bald steht für die MKHClerinnen fest, dass sie Tim Wallenstein bei der Ermittlungsarbeit helfen müssen. Es kann ja nicht angehen, dass die Polizei im Trüben fischt und so fliegen die Nachrichten in der WhatsApp-Gruppe hin und her.

Tim muss sich zunächst mit überraschendem Besuch auseinandersetzen und der macht es ihm nicht wirklich leicht. Arne ist ein sehr gewöhnungsbedürftiger Zeitgenosse, entwickelt sich aber im Verlauf der Handlung zu einem liebenswerten Zeitgenossen. Seine Ecken und Kanten schrumpfen nämlich ordentlich zusammen und hinter seinem großspurigen Getue sitzt ein richtig dufter Kerl, der das Herz auf dem rechten Fleck hat.

Zwischen Nachtgeheimnisblau und rosaroten Wolken strickt Kramer wieder einen abwechslungsreichen Regio-Krimi, der nicht nur das Blaue Land mit seiner schönen Landschaft in Szene setzt, sondern auch ein wenig Kunstgeschichte erzählt. Ein bisschen Münter, ein bisschen Kunstdiebstahl und zwischendrin ganz viel Herz und Strick - fertig ist gute Unterhaltung mit bayerischem Charme. Wolle und Herz.

Die liebgewonnenen Charaktere aus dem ersten Band bereichern wieder die Seiten und es ist ein bisschen wie Heimkommen, wenn zischen übereifrigen Strickerinnen, mafiösen Methoden und nicht nur treffsicheren Pointen, sondern auch Projektilen die Ermittlungen auf Hochtouren laufen.

Es knistert und knuspert, häkelt und räkelt ...und mittendrin der MKHC, der komme was Wolle sich nicht von den Ermittlungen abhalten lässt.

Bewertung vom 06.12.2023
Nur Hilde küsste wilder
Wood, Dany R.

Nur Hilde küsste wilder


ausgezeichnet

Ich find' Schlager toll (Gildo Horn)

Es ist die Sensationsmeldung des Jahres: Schlagerstar Hilde Kaiser kommt nach Hirschweiler und wird wieder als Stern am Schlagerhimmel leuchten. Jupp Backes kann so gar nichts mit dem Gesäusel anfangen, aber die treue Fangemeinde ist vollkommen aus dem Häuschen. Doch Hildes Comeback wird von einer grausamen Tat überschattet. Ausgerechnet die Schlagerqueen soll ihre Eltern erschossen haben. Jupp kann und will das nicht glauben, kennt er doch eine ganz andere, wilde Seite von Hilde...

Dany R. Wood nimmt mit dem 7. Fall von Jupp Backes die Schlagerwelt ordentlich aufs Korn und schickt seinen liebenswerten Ermittler in die zuckersüße Welt von Herzschmerz, Augenklimpern und großen Gefühlen. Während er "Atemlos durch die Nacht" eilt, um die feiernde Dorfbevölkerung in Schach zu halten, erfährt Oma Käthe, dass "Eine neue Liebe ist wie ein neues Leben" und schmachtet ihren neuen Pensionsgast liebestrunken an.

Der Tathergang scheint zunächst vollkommen klar zu sein, schießt sich doch alles im wahrsten Sinne des Wortes auf Hilde ein. Doch Jupp gibt nicht auf und ermittelt, was das Zeug hält. Ganz nach dem Motto "Drah die net um, der Kommissar geht um" dreht er alle Hinweise und Puzzlestücke so lange, bis sie ihm die Lösung quasi vor der Nase präsentieren.

Dabei gelingt es dem Autor, diverse Schlagertitel immer wieder mit in die Handlung einfließen zu lassen und aberwitzige Szenen zu kreieren. Ein Mops namens Kaiser Franz Josef stakst auf kurzen Beinchen durch die Seiten und sorgt zudem noch für einen gewissen Niedlichkeitsfaktor. Selbst der Presley- Günther denkt sich, "Wenn nicht jetzt, wann dann" und will die Chance beim Schopfe packen, um seine Karriere endlich voran zu treiben.

Hier zündet wieder jede Pointe, jeder Schlagabtausch endet in gepfefferten Dialogen, die für Lachmuskelkater am laufenden Band sorgen. Die Lösung des Falles ist bis zum Schluss gut versteckt und wartet mit einer echten Überraschung auf. "Wunder gibt es immer wieder" und so sorgt Jupp wieder für Recht und Ordnung. Für Oma Käthe heißt es "Liebeskummer lohnt sich nicht, my Darling" und es bleibt zu hoffen, dass die Erholungskur auf Sylt mit mehr Erfolg gekrönt ist und mehr hinterlässt als "Deine Spuren im Sand"

Ein absoluter Krimi-Kracher, der von der ersten bis zur letzten Seite gut unterhält. Bitte mehr davon !

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 05.12.2023
Von Natur aus wild
List, Heidi

Von Natur aus wild


ausgezeichnet

Von der Idee zur größten Naturschutzorganisation Österreichs

Wir alle kennen den Panadabären im kreisrunden Logo des WWF, aber die wenigsten wissen, welche bahnbrechenden Ideen, unzählige Ellenbogeneinsätze und Visionen dahinter stecken, um aus der bedrohten Artenvielfalt eine friedliche Koexistenz werden zu lassen. Heidi List blickt auf 60 Jahre WWF in Österreich zurück und zeigt, was es heißt, auch mit Nachdruck und Widerstand gegen die Großkopferten vorzugehen, um dem Raubbau an Flora und Fauna Einhalt zu gebieten.

Es sind Bilder, die für sich sprechen und Worte, die auf- & wachrütteln, um den Leser:inne zu zeigen, dass Biodiversität ein Spiel mit komplexen Regeln ist, das keine faulen Kompromisse eingeht, sondern nur ein Ziel kennt: Schutz und Erhalt der Artenvielfalt.

Das Buch ist Rückschau, Gegenwartsbetrachtung und Zukunftsvision in einem, denn nur wenn es gelingt, die Geschichte des WWF in seiner Gesamtheit zu betrachten, kann auch ein Umdenken im Hier und Jetzt erfolgen, um Gefährdungslagen rechtzeitig zu erkennen und Chancen dann zu nutzen, wenn sie sich bieten.

Nationaler und internationaler Naturschutz hat sich der WWF auf die Fahne geschrieben und die Erfolge, mögen sie manchmal auch noch so klein sein, geben den großen Visionären recht. Statt dem Bau eines Kraftwerks hat das Ausfahren der Ellenbogen ein Umdenken erreicht und Naturparadiese geschaffen bzw. erhalten, die das empfindliche ökologische Gleichgewicht stützen.

Muss es denn wirklich noch eine größere und modernere Skiliftanlage auf einem ohnehin von der Klimakrise bedrohten Gletscher sein ? Reicht es nicht, dass die fragile Welt im Eis durch Menschenhand und geschliffene Skikanten rabiat beschnitten wird ? Das Buch richtet ernste Worte, die zum Nachdenken anregen, an die Leserschaft, wirkt aber dabei nicht anprangernd oder oberlehrerhaft, sondern kann mit klugen und nachvollziehbaren Argumenten jede noch so diplomatisch verfasste Entgegnung entkräften.

Geschichten, die die Arbeit des WWF vom steinigen ersten Schritt bis zum beeindruckenden Erfolg erlebbar machen, die Gesichter hinter der Organisation vorstellt und Einblicke in die großartigen Visionen gibt, um die Klimakrise als Chance zu nutzen und der Natur wieder das Wilde, Ursprüngliche zurückzugeben

Bewertung vom 04.12.2023
Aenne und ihre Brüder
Beckmann, Reinhold

Aenne und ihre Brüder


ausgezeichnet

Der Geist der Erinnerung ist schön und schrecklich zugleich

Reinhold Beckmann erzählt in leisen, aber sehr eindringlich Worten seine Familiengeschichte und lässt die Generation der Nachkriegskinder und - Enkel:innen an schönen, aber auch sehr schmerzhaften Erinnerungen seiner Mutter teilhaben. Schon als Kind erlebt Aenne zwei Verluste, die erschütternd sind und doch verliert sie nie den Glauben an das Gute, hat Gottvertrauen und sieht positiv ihrer Zukunft entgegen.

Es ist schön, die Geschwister aufwachsen zu sehen und ihre Entwicklung miterleben zu dürfen und Beckmann findet auch hier jederzeit die richtigen Worte, um die Leser:innen nicht auf Distanz zu halten, sondern sie mit in eine Zeit zu nehmen, als sich in Deutschland der Wind dreht und von rechts weht.

Die Erinnerungen seiner Mutter gehen zu Herzen und bringen eine Saite zum Klingen, die voller Emotionen und Mitgefühl schwingt. Dabei drückt Beckmann nicht auf die Tränendrüse, sondern schreibt die Gedanken und Gefühle seiner Mutter nieder und veröffentlicht die Feldpost seiner Onkel. Es schwingt Empathie, Achtung und Respekt mit und die Leserschaft spürt deutlich das innige Band zwischen Mutter und Sohn, aber auch zwischen Aenne und ihren Brüdern, das viel erträgt, duldet und verarbeitet.

Es sind die Stimmen derer, die im Krieg geblieben sind, die hier wieder laut werden dürfen um zu erzählen, welche grausame Fratze das Nazi-Regime zeigt und was Krieg und Soldat sein wirklich bedeutet. Es sind Fragen, die in vielen Familien nie gestellt oder nicht beantwortet wurden, die hier ins Licht der Öffentlichkeit gerückt werden. Fragen, die uns Nachkommen ermöglichen, ein wenig zu verstehen, was sich ereignet hat und wie geliebte Menschen in den Herzen derer weiterleben, die sie allzu früh loslassen mussten.

Gerade weil das Buch auch einen näheren Bezug zu meiner unmittelbaren Umgebung hat, gehen mir gewisse Schilderungen unglaublich nah und lassen mich mehr als einmal das Buch aus der Hand legen. Bilder, die sich vor dem inneren Auge abspulen, wirken noch lange nach und machen betroffen.

Es gelingt Beckmann, seine Onkel als die Menschen darzustellen, die sie wirklich gewesen sind - mit all ihren Ecken, Kanten, Sorgen, Ängsten und Träumen. Menschen, die zum Dienst an der Waffe gegen ihren Willen gezwungen wurden und mit ihrem Leben bezahlt haben.

Gerade weil aktuell der Krieg in der Ukraine und am Gaza-Streifen wieder unschuldige Menschenleben fordert, geht dieses Buch unter die Haut und sendet eine unausgesprochene Botschaft aus, die wir alle im Herzen tragen sollten.

Eine sehr intensive und nachdenklich stimmende Lektüre