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Bellis-Perennis
Wohnort: 
Wien

Bewertungen

Insgesamt 869 Bewertungen
Bewertung vom 03.03.2024
Die Gefallenen von St. Katharine¿s
Harris, C. S.

Die Gefallenen von St. Katharine¿s


ausgezeichnet

In diesem 9. Fall für Sebastian St. Cyr tauchen wir in das Jahr 1813 ein. Napoleon ist geschlagen von seinem Russlandfeldzug zurück und einige der französischen Emigranten in London halten die Zeit reif, den Krieg zu beenden. Allerdings gibt auch einige, die das wieder hintertreiben, ist doch bei einem Krieg eine Menge zu verdienen. Zu der französischen Delegation, die die Lage in London sondiert, gehört auch ein Arzt, der brutal ermordet wird: Er wird hinterrücks erstochen und anschließend wird ihm das Herz entfernt.

Sebastian St. Cyr, der integre englische Lord mit Mut, Gerechtigkeitssinn und Kombinationsgabe, beginnt entgegen jede Vernunft zu ermitteln. Dabei lernt er unter den Emigrées auch Marié-Thérés, die Tochter von Louis XVI. und Marie Antoinette, die bekanntlich 1793 geköpft worden sind, und ihre Entourage kennen. Anders als die mit der britischen Krone, die ja nur eine konstitutionelle Monarchie ist, glaubt Marié-Thérés an das Gottesgnadentum ihrer Abstammung und arbeitet auf die Rückkehr der Bourbonen auf den französischen Thron hin. Eine große Rolle spielen dabei die Gerüchte, der Dauphin, ihr kleiner Bruder Louis Charles, sei 1795 nicht im Gefängnis gestorben, sondern vom behandelnden Arzt Philippe Jean Pelletan ausgetauscht und an Sohnes Statt erzogen worden.

In diesem spannenden und todbringenden Umfeld stochert St. Cyr herum und muss sich nebenbei mit zahlreichen finsteren und rachsüchtigen Gestalten herumschlagen, die es auf ihn und seine Gemahlin Hero abgesehen haben. Daneben ist er in höchster Sorge um Hero, die kurz vor der Geburt des gemeinsamen Kindes steht und die Aderlässe sowie Diätkost und Einläufe, seinerzeit übliche Behandlungsmethoden für Schwangere kategorisch ablehnt.

Meine Meinung:

C.S. Harris ist mit diesem 9. Band der Reihe wieder ein fesselnder historischer Krimi gelungen. Wir erfahren einiges über die Vergangenheit von Sebastian St. Cyr während der Iberischen Feldzüge.

Geschickt sind die historischen Details in den Krimi eingearbeitet. Langsam haben die Menschen die dauernden Kriege satt und nach dem misslungenen Russlandfeldzug, scheinen jene die Gegner Napoleons Oberwasser zu bekommen. Doch so wirklich einig ist man sich nicht. Republik oder doch wieder die Bourbonen? Und wenn wieder eine Monarchie, wer soll der König werden? Der Wunschtraum, der Dauphin hätte die Gefangenschaft überlebt, befeuert allerlei Verschwörungstheorien, denen rücksichtslos Menschen geopfert werden.

Sehr gut sind die Unterschiede zwischen den Monarchien Englands und Kontinentaleuropas herausgearbeitet. Mich wundert nur, dass St. Cyr die Jahrhunderte alte Gepflogenheit der Bourbonen und auch der Habsburger, die Körper und Herzen ihrer verstorbenen Mitglieder getrennt zu bestatten, nicht kennt. Er weiß ja sonst auch alles. Während die Körper der verstorbenen Habsburger in der Wiener Kapuzinergruft bestattet sind, werden die silbernen Urnen mit deren Herzen in der sogenannten „Herzerlgruft“ der Augustinerkirche aufbewahrt.

Fazit:

Diesem fesselnden 9. Fall für Sebstian St. Cyr gebe ich gerne 5 Sterne.

Bewertung vom 03.03.2024
Lügendorf (eBook, ePUB)
Reichl, Eva

Lügendorf (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Als an einem Bach spielende Kinder menschliche Knochen finden, ist Diana Heller in unmittelbare Nähe und verständigt die Polizei. Das hätte sie tunlichst unterlassen sollen, denn sofort beginnt der gerade eben zu Ende geglaubte Albtraum von vorne, denn die Knochen sind jene von Steffi, einer Freundin, von der alle Welt glaubt, vor 14 Jahren weggelaufen zu ein. Als dann noch Steffis Tagebuch auftaucht, wird Diana, neben Nora, verdächtigt, Steffi ermordet zu haben.

Der Spießrutenlauf von Diana im Dorf beginnt von Neuem. Dazu trägt auch bei, dass sie ihre Vergewaltigung durch mehrere Männer aus dem Dorf angezeigt und vor Gericht gebracht hat. Die Täter sind zu Haftstrafen verurteilt worden. Schnell machen Gerüchte, Halbwahrheiten und Lügen die Runde.

Als Diana versucht, Beweise für Noras Unschuld zu finden, kommt sie dem wahren Täter so nahe, dass dieser sich genötigt fühlt, auch Diana zu töten, nicht ohne vorher noch falsche Spuren zu legen.

Meine Meinung:

Dieser Abschluss der Trilogie rund um Diana Heller hat es in sich!

Die eingeschworene, hinterhältige Dorfgemeinschaft macht Diana das Leben, seit ihr Mann Oliver ermordet worden ist, zur Hölle. Der Standardsatz, den sie häufig zu hören bekommt ist: „Seit du hier bist, sterben die Leute.“. So, als ob Diana für die jeden unnatürlichen Tod (deren gibt es in der Trilogie einige) verantwortlich ist. Doch weglaufen ist für Diana keine Option, wie sich im Vorgänger herausgestellt hat.

Eva Reichl gelingt es vortrefflich, die Strukturen der dörflichen Gemeinschaft darzustellen. Dazu gehört, dass in dieser patriarchalisch-archaischen Welt, Frauen an ihrer Vergewaltigung selbst schuld sind. Die „armen“ Täter sind ja provoziert und „eingeladen worden“, den Frauen, in diesen Fall Diana, Gewalt anzutun. Unrechtsbewusstsein bei den Tätern und ihren Familien ist nicht vorhanden.

Fazit:

Diesem Thriller, der Diana Heller im Albtraum des heimatlichen Dorfes gefangen hält, gebe ich gerne 5 Sterne.

Bewertung vom 03.03.2024
Schattenorte
Boschner, Anna;Pinwinkler, Simona

Schattenorte


sehr gut

Die meisten Reiseführer zeigen ihren Lesern nur sogenannte schöne Orte, Orte an denen Berühmtheiten gelebt und gewirkt haben, Orte, die auf Grund ihrer Lage, Umgebung oder Baulichkeiten bekannt sind sowie Orte die ein besonderes, oft historisches Flair verströmen. Vor allem Stadt und Land Salzburg können mit einer Vielzahl „schöner“ Ort aufwarten.

Das Autorinnen-Duo Anna Boschner & Simona Pinnwinkler geht einen anderen Weg. Es deckt in diesem Buch zahlreiche Orte in Salzburg Stadt und Land auf, an denen Gewalt sowie Verbrechen geschehen sind. Dabei sparen sie Verbrechen, die im Namen der Staatsgewalt und der Kirche verübt worden sind, nicht aus. Auch Krankheiten und (Natur)Katastrophen finden hier Platz.

Die Orte des Schreckens und der Geheimnisse sind in fünf Kategorien zusammengefasst:

Hexen, Zauber und Legenden
Verbrechen, Strafe und Tod
Krankheiten und Katastrophen
Gewalt, Kampf und Vertreibung
Zweiter Weltkrieg und Nationalsozialismus

Meine Meinung:

Als Tourist und schon gar nicht als Einheimischer darf man an Schattenorten vorüber gehen. Sie bewusst wahrzunehmen, das versuchen die Autorinnen mit diesem etwas anderen Reiseführer. Aus zahlreichen historischen Quellen, die im Anhang angeführt sind, haben sie dreißig dieser Schattenorte oder Lost Places zusammengesucht. Um sie leicht zu finden, gibt es auf den Vorsatz- und Nachsatzblättern jeweils eine Landkarte, auf der die Orte eingezeichnet sind.

Natürlich können weder alle Details noch alle Schattenorte genannt werden. Als Denkanstoß, bei einem Besuch der Stadt Salzburg nicht nur die Schokoladenseite, sondern auch deren Schattenorte zu betrachten, ist dieses Buch vorzüglich geeignet.

Fans von True Crime und Lost Places werden einige Anregungen für den Urlaub finden.

Fazit:

Gerne gebe ich diesem Reiseführer, des sich mit den weniger schönen Seite von sehenswerten Orten Salzburgs beschäftigt 4 Sterne.

Bewertung vom 03.03.2024
Mein magischer Sommer mit Shakespeare
Gutiérrez, Mónica

Mein magischer Sommer mit Shakespeare


sehr gut

Dieser Roman führt uns in die Welt des Theaters, genauer gesagt in die Welt einer kleinen, aber feinen exzentrischen Theatergruppe in Barcelona, unter der Leitung des renommierten Intendanten Max Borges Stücke von William Shakespeare aufführt. Sein größter Traum ist es, einmal Shakespears „Hamlet“ zu inszenieren, und das am besten an einem der Originalschauplätze. Doch im Moment rauft er sich die Haare und steht kurz vor einem Nervenzusammenbruch, denn er soll „Macbeth“ auf die Bühne bringen. Beinahe alles geht schief: Die Krone von König Duncan ist zerbrochen, der Darsteller des Macbeth liebt den schottischen Whisky mehr als seinen Text und die Hexen sind nicht nur viel zu schön (dagegen kämpft die Maskenbildnerin mit wechselndem Erfolg) sondern auch noch schwanger (hier hilft nur abwarten). Eine ziemliche Katastrophe, denn vom Gelingen der Inszenierung hängt die Zukunft der Truppe ab.

Allerdings gibt es noch Elsa, jene rothaarige, elfenhafte junge Frau, die Borges immer wieder daran erinnert, dass, egal was passiert, das Leben weitergeht. Elsa ist aus dem Leben von Max nicht wegzudenken, ist sie doch diejenige, im Hintergrund alles am Laufen hält.

Wider Erwarten ist die Aufführung von „Macbeth“ ein voller Erfolg und die Truppe wird eingeladen, am berühmten Edinburgh Fringe Festival teilzunehmen. Man übersiedelt in die schottische Stadt, probt, kämpft mit den Tücken der Krone (also der von Duncan und nicht der von Schottland), die abermals zerbricht und plötzlich, am Vorabend der Premiere ist Elsa verschwunden. Panik breitet sich aus. Was niemand weiß, Elsa hat einen Vertrag für das weitere Engagement der Schauspieltruppe entdeckt, in der ausgerechnet ihr Name fehlt.

Was dann folgt, könnte aus der Feder von William Shakespeare höchst persönlich stammen.

Meine Meinung:

Ich bin ja kein Fan von Liebesgeschichten, aber mich hat das Flair im Umfeld von William Shakespeare und seinen Theaterstücken interessiert, habe ich doch vor gefühlten hundert Jahren zu meiner mündlichen Englisch-Matura ausgerechnet seinen „Hamlet“ als Thema ausgesucht.

Dieser Roman ist ähnlich wie ein Shakespeare-Drama gestaltet. Zahlreiche Missgeschicke, Konkurrenzdenken zwischen Regisseuren, Verwechslungen, Nicht-miteinander-sprechen und natürlich Liebe, die Mann und Frau sich nicht eingestehen wollen/können, wechseln einander ab.

Die Geschichte ist sehr leicht und flüssig erzählt. Der Geist von William Shakespeare schwebt mit Wortwitz und Drama durch diesen gelungener Roman.

Fazit:

Gerne gebe ich diesem, einem Shakespeare’schen Drama nachempfundenen Roman, 4 Sterne.

Bewertung vom 03.03.2024
Mitleidloses Kreta
Vertidi, Nikola

Mitleidloses Kreta


sehr gut

In seinem 6. Fall wird Kommissar Hyeronimos Galavakis vor die größten Herausforderungen seines Lebens gestellt. Obwohl er eigentlich viel lieber den Feierabend genießen und über die Ereignisse aus dem letzten Fall nachdenken möchte, die das Leben in der kretischen Mordkommission zahlreiche Veränderungen verursacht haben, wird er von der neuen Chefin zu einem Sondereinsatz abkommandiert: Seine heimliche Geliebte Kassia und ihr Mann, Thanasis Petropoulos, ein einflussreicher Politiker reisen auf die Insel und Galavakis muss ausgerechnet für Kassia den Bodygard spielen. Es kommt wie es kommen muss, auf der Fahrt ins Landesinnere wird das Auto, in dem Kassia und Hyeronimos sitzen von Rest des Konvois getrennt, der Fahrer getötet, Galavakis angeschossen und Kassia entführt. Eigenartig ist einerseits, dass zunächst keine Forderungen der Entführer gestellt werden und andererseits der Ehemann völlig ungerührt zu scheint.

Wer hat hier seine Hand im Spiel? Und wer oder was soll erpresst werden? Sind die Separatisten, die einen eigenen kretischen Staat wollen oder doch die albanische Mafia, die den kretischen Clans den Rang ablaufen wollen die Drahtzieher oder geht es hier um ganz etwas anderes?

Meine Meinung:

Zunächst einmal muss ich anmerken, dass es diesmal notwendig ist, den unmittelbaren Vorgänger („Unheilvolles Kreta“) zu lesen. Ich muss das auch nachholen.

Der aktuelle Krimi ist recht komplex und auf Grund einiger Unkenntnis der griechischen bzw. kretischen politischen Verhältnisse nicht ganz einfach zu lesen.

Hier sind Kräfte am Werk, die ziemlich unübersichtlich miteinander verstrickt sind. Manchmal ist nicht ganz klar, wer die Guten und wer die Bösen sind, welche Rolle Kassias Ehemann und sein Kollege in diesem Ränkespiel um Macht und Einfluss übernehmen.

Der Leser darf hier ziemlich lange um Kassia und Hyeronimos zittern. Ob es für die beiden im nächsten Band ein Happy End geben wird?

Fazit:

Ein komplexer Krimi, bei dem wenig so ist, wie es scheint. Gerne gebe ich hier 4 Sterne.

Bewertung vom 03.03.2024
Erlebtes Europa
Smolka, Timothy;Kohlenberger, Judith;Pattermann, Anna

Erlebtes Europa


sehr gut

Jede Generation hat ihren eigenen Blick auf Europa, der durch persönliche und familiäre Hintergründe höchst unterschiedlich und natürlich oft sehr subjektiv ausfällt. Dennoch ist es interessant zu lesen, wie andere Europa erlebt haben bzw. derzeit erleben.

Dazu hat Helmut Brandstätter hat mit 13 Personen aus drei Generationen darüber gesprochen- Sein eigener Beitrag darf auch nicht fehlen, ist er doch Abgeordneter der NEOS im Europäischen Parlament.

Zu Wort kommen (in alphabetischer Reihenfolge):

Hannes Androsch
Helmut Brandstätter
Christa Chorherr
Vedran Džihić
Koschka Hetzer-Molden
Othmar Karas
Judith Kohlenberger
Manfred Osten
Anna Pattermann
Fari Ramic
Anna Schor-Tschudnowskaja
Timothy Smolka
Anna Stürgkh
Martin Weiss

Jede Geschichte ist nach dem selben Muster aufgebaut:

Bilder
Erlebnisse
Persönlichkeiten
Geschichte
Vision
Zukunft

Die älteste Generation (Androsch, Brandstätter, Chorherr, Hetzer-Molden, Osten und Weiß) berichtet von Erinnerungen an den Zweiten Weltkrieg, dem Wiederaufbau im Westen und dem Eisernen Vorhang im Osten Europas. Mehrmals werden Bundeskanzler Kreisky und Helmuth Schmidt als hervorragende Persönlichkeiten hervorgehoben. Als Urheber der Vision der „Vereinigten Staaten von Europa“ wird Richard Coudenhove-Kalergi, der Gründer der Paneuopa-Union genannt- Leider ist diese Idee nur rudimentär umgesetzt worden. Hier fehlt mir ein Hinweis auf Otto von Habsburg, der dieser Idee ebenfalls viel abgewinnen konnte.

Die mittlere Generation (Karas, Džihic und Kohlenberger) erleben den EU-Beitritt Österreichs mit, freuen sich über die Möglichkeiten, die das grenzenlose Europa bietet.

Die dritte, sieht die EU in einigen Punkten auch durchaus kritisch, die Vorteile überwiegen, wie Anna Stürgkh erzählt, die in UK studiert hat und vom Brexit direkt betroffen war. Von einem Tag auf den anderen, so hat sie es empfunden, war sie „die Andere“, nämlich die vom Kontinent.

Meine Meinung:

Diese Ansammlung von Bildern des persönlichen Europas hat mir sehr gut gefallen. Ich persönlich vermisse Beiträge von Menschen, die weder eine universitäre Bildung haben noch Gremien und Parteien angehören. Ich glaube, dass diese Menschen durchaus EU-kritischer sein könnten als jene, die die entsprechenden Informationen und Kenntnisse haben. Je weniger objektive Information, desto kritischer die Meinung. Oft bleibt nur die viel zitierte Vorschrift bezüglich der Gurkenkrümmung übrig.

Fazit:

Interessanter Einblick in persönliche Hoffnungen und Visionen zu Europa, die aus den eigenen Erlebnissen gespeist werden. Gerne gebe ich hier 4 Sterne.

Bewertung vom 03.03.2024
Schau nicht hin
Steinthaler, Evelyn

Schau nicht hin


ausgezeichnet

Evelyn Steinthaler untersucht in diesem Buch anhand von vier erfolgreichen Künstlerinnen, wie weit diese in der NS-Zeit bereit waren, für ihren Erfolg zu gehen. Wie weit mussten sie sich dem Regime anbiedern, beugen, sich zu willigen Helferinnen machen lassen oder haben sie sich freiwillig vor den Karren spannen lassen?

Die vier Diven, die die Autorin unter die Lupe nimmt sind:

Lída Baarová
Zarah Leander
Marika Rökk
Kristina Söderbaum

Nachdem Kunst nicht im luftleeren Raum entsteht, muss das Umfeld genau betrachtet werden. Kann man Werk und Künstlerin trennen? Oder muss man das sogar? Diese Frage stellt sich heute mehr als je zuvor, wenn sich die Diskussion auch in Richtung der Aspekte der „#MeToo-Bewegung“ verlagert haben.

Sollen Filme oder Theaterstücke nicht mehr gesehen werden, weil Schauspieler, Regisseure oder andere Involvierte sich sexueller Übergriffe schuldig gemacht haben? Gilt für das politische Statements so mancher Künstler zu Putins Angriffskrieg auf die Ukraine nicht Ähnliches? Gibt es hier Parallelen zur NS-Diktatur? Womit ich wieder bei diesem Buch bin.

Der Titel des Buches „Schau nicht hin“ hat für mich zweierlei Bedeutung: Zum einen, dass die Künstler selbst nicht auf die Verbrechen des Regimes geschaut haben, und zum anderen die Aufforderung an das Publikum deren Werke nicht anzusehen. Denn worum geht’s bei den Darstellern? Vorrangig um den eigenen Erfolg. Eine Anbiederung mit dem jeweiligen Regime ist da natürlich förderlich.

Dazu passt das Zitat aus Bertold Brechts „Die Dreigroschenoper“ perfekt: „Erst kommt das Fressen, dann die Moral.“.

Evelyn Steinthaler untersucht penibel die Biografien der vier Diven. Keine ist vom Regime „gezwungen“ worden. Alle vier haben sich FÜR ihre Karriere in der NS-Zeit entschieden. Andere wie Marlene Dietrich emigrierten oder wurden boykottiert und von der Gestapo überwacht wie Renate Müller (1906-1937), deren Sturz aus dem Fenster ihrer Villa bis heute für diverse Spekulationen sorgt.

„Gefeiert, gefallen, verehrt“ oder müsste es eher „Gefeiert, verehrt, gefallen“ heißen? Doch wie die Autorin feststellt, ist die Verehrung vor allem bei Marika Röck und Zarah Leander auch nach dem Ende des NS-Terrors ungebrochen. Ich kann mich an Samstagnachmittage oder Abende erinnern, an denen die Röck über den Bildschirm steppte.

In ihrem letzten Abschnitt beleuchtet Evelyn Steinthaler den Aspekt der Kunst als Stütze der Macht bis in die Gegenwart. Kann Kunst überhaupt „unpolitisch“ sein? Ich erinnere an die McCarthy-Ära in den USA in der zahlreiche Künstler de facto mit einem Arbeitsverbot belegt waren, weil man sie verdächtigte, den kommunistischen Ideen nahe zu stehen.

Die vier Schauspielerinnen Lída Baarová, Zarah Leander, Marika Rökk und Kristina Söderbaum dienen in diesem Buch als Paradebeispiel für das perfekt-perfide Zusammenspiel von Kunst und Macht.

Fazit:

Gerne gebe ich diesem Buch, das den Bogen von einer Karriere in der NS-Zeit bis hin zur aktuellen Diskussion um die Trennung Werk und Künstler spannt, 5 Sterne und eine Leseempfehlung.

Bewertung vom 03.03.2024
Die Schwabengängerin
Lampert, Regina

Die Schwabengängerin


ausgezeichnet

Regina Lampert (1854-1942) hat mit diesen sehr persönlichen Aufzeichnungen ein beeindruckendes Zeitzeugnis eines sogenannten „Schwabenkindes“ verfasst.

Regina wird 1854 in eine kinderreiche Familie in Schnifis/Vorarlberg hineingeboren, in eine Gesellschaft in der es üblich ist, Kinder als Dienstboten in wohlhabende Gegenden z.B. nach Oberschwaben zu verdingen. Die Aufzeichnungen, die Regina Lampert mit 75 Jahren zu verfassen beginnt, beschreiben die zehn Jahre von 1864 bis 1874 ihres Lebens.

Sie erzählt in einfachen, aber fast poetischen Worten von Heimweh, vom Gänse rupfen (zunächst schafft sie statt der zehn Stück pro Tag nur zwei) und ihrem Arbeitsalltag auf einem Gut nahe Friedrichshafen. Sie wechselt, wie das damals so üblich ist, mehrmals die Arbeitsstelle. In Feldkirch arbeitet sie bei der Familie Frei und muss feststellen, dass das Leben in der Stadt nicht gleichbedeutend mit Reichtum ist. Frau Frei betreibt ein gut gehendes Hutmachergeschäft und braucht deshalb Hilfe im Haushalt und bei den Kinder. Regina, die mit dem Kindern spazieren geht, geniert sich für den altmodischen Kinderwagen, der, wie sie erfährt, schon 50 Jahre auf dem Buckel hat und der von allen nur als das „Zigeunerwägele“ verspottet wird. Als dann für die kleine Ida ein funkelnagelneuer Kinderwagen ins Haus kommt, ist auch Regina stolz.

Die Arbeit bei der Familie Frei endet, als Reginas Mutter stirbt und sie nach Schnifis zurückkehren muss. Wenig später reist sie zu ihrem Bruder Jakob in die Nähe von St. Gallen. Damit enden die von ihrer Enkelin Berta Augustina Bernet transkribierten Aufzeichnungen, die Regina Lampert in zehn Schulheften verfasst hat.

Meine Meinung:

Diese Aufzeichnungen sind aus mehreren Gründen beachtenswert.
Sie sind von einer Frau verfasst, die nur wenige Jahre Schulbildung erhalten hat. Sie geben ein farbenprächtiges Bild dieser Zeit des mühseligen Alltags ab, der vor allem Frauen und Mädchen einiges abverlangt. Wie stark diese Erfahrungen von der Erinnerung geschönt, um nicht zu sagen verklärt sind, lässt sich wohl nicht (mehr) feststellen.
Trotzdem sind diese Aufzeichnungen ein beredtes Zeugnis einer harten bergbäuerlichen Gesellschaft, die, um über die Runden zu kommen, die eigenen Kinder in die Fremde „in Dienst“ gehen lassen mussten, da die karge Landwirtschaft kaum Erträge brachte. Jeder Esser, der nicht selbst durchgefüttert werden musste, hat zum Überleben der anderen Familienmitglieder beigetragen.

Nach einer ausführlichen Einleitung, die auch Abbildungen aus den handschriftlichen Aufzeichnungen beinhaltet, können wir acht von zehn - behutsam redigierten - Hefte lesen. Zahlreiche Abbildungen bereichern dieses Zeitdokument.

Neben den persönlichen Erleben erhalten wir auch Eindrücke vom gesellschaftlichen Leben, der Mode und ortsüblichen Bräuchen. Dies ist wir in der Einleitung angemerkt, eine Fundgrube für Ethnologen und Heimatforscher.

Fazit:

Gerne gebe ich diesem beeindruckenden Memoire einer ehemaligen Schwabengängerin 5 Sterne.

Bewertung vom 03.03.2024
Mostviertler Kaiserin
Scharner, Helmut

Mostviertler Kaiserin


sehr gut

Die Schallaburg, in der Nähe von Melk gelegen, ist eine im 11. Jahrhundert errichtete Burg, die sich nach mehreren Um- und Zubauten sich nun als Renaissanceschloss mit einem entsprechenden Garten präsentiert, ist diesmal Schauplatz eines Mordes.

Simone Schnell, überall im Land als Skikaiserin bekannt, hat nach dem Ende ihrer Sportkarriere, gemeinsam mit zwei Freundinnen das Modelabel „Schnell & Chic“ gegründet. Die Aufgaben sind klar verteilt: Simone ist das Aushängeschild, Martina Herzog ist die Kreative ist, die die modernen Trachten entwirft und Alexandra Lanz ist die Geschäftsführerin.

Nun nach dem Ende der umjubelten Modeschau liegt Simone tot im Burggarten: Erdrosselt mit dem Band einer Dirndlschürze.

Recht bald ist klar, die Schürze stammt nicht aus der eigenen Kollektion, sondern muss von einem der beiden andern Modehäuser stammen. Nur von welchem? Und was ist dran an dem Gerücht um Simones Rückkehr in den Skizirkus?

Major Leopold Brandner und seine Kollegin Inspektorin Annika Lindner sehen sich nicht nur einer Menge Arbeit gegenüber, sondern spüren auch den Druck von Direktor Böck, ihres gemeinsamen Chefs, der nur das Sprachrohr der Landeshauptfrau und des Innenministers ist.

Je mehr sie das Umfeld von Simone Schnell betrachten, desto klarer wird, dass das Opfer zahlreiche Neider hatte. Die sind nicht nur unter der modischen Konkurrenz, sondern auch innerhalb der eigenen Familie sowie unter den ehemaligen Sportkolleginnen zu finden.

Als dann noch Alexandra Lanz ermordet wird, überlegt Böck andere Ermittler einzusetzen. Nur mit Mühe kann Brandner seinen Chef davon abhalten, denn er und Lindner sind der festen Überzeugung, die beiden Morden hängen zusammen.

Meine Meinung:

Gleich auf den ersten Seiten, im Kapitel 3, habe ich einen blöden Fehler entdeckt: Hier ist von einer „goldgelben Fahne Niederösterreichs, die im Wind weht“ die Rede, doch die niederösterreichischen Landesfarben sind blau-gelb und daher sind es die Hahnen auch.

Der Krimi ist komplex und geschickt geschrieben. Verdächtige und mögliche Mordmotive gibt es viele. Die Ermittlungen laufen auf Hochtouren, so dass die Auflösung innerhalb von acht Tagen erfolgen kann.

Allerdings halte ich es für ungewöhnlich, dass das Lindner alleine zur Familie Schnell fahren darf. Da wundert es nicht, dass sie in diese unangenehme Situation mit Andreas Schnell und der Familie gerät. Dass die Mutter die Annikas Tätowierung und Frisur anspricht, ist ziemlich entbehrlich. Nebenbei gesagt, auffällige Tätowierungen sind bei der Polizei nach wie vor nicht erlaubt. Das sollte die Lindner eigentlich wissen. Auch die sexistische Anmache von Andreas Schnell sowie sein Duzen von Annika wäre in Brandners Beisein nicht passiert.

Lindners Verhalten bei der Befragung von Ricarda Sonnleitner ist wenig professionell. Da hat Bandner schon recht, sie zu tadeln, auch wenn er nicht so genau weiß wie nahe sich die beiden gekommen sind.

Direktor Böck ist unsympathischer Charakter, weil er nur an seine Karriere denkt. Statt für mehr Ressourcen zu sorgen, will er die Ermittlungen nach dem zweiten Mord an andere abgeben, dabei sieht doch ein Blinder, dass die beiden Morde zusammenhängen. Aber, vielleicht ist der Böck ja auch auf Grund seines guten Verhältnisses zu einem Sektionschef oder dem Minister zu seinem Posten gekommen und nicht wegen seiner Qualifikation Mitarbeiter führen zu können, die augenscheinlich nicht so herausragend ist.

Der Schreibstil ist wie immer flüssig, manchmal flapsig und durch die kursiven Sätze erfährt man, was sich so mancher denkt. Die Idee gefällt mir, wird aber dann zuletzt ein wenig inflationär eingesetzt.

Lindners Tätowierung, ihre Frisur und generell ihr Outfit spielen mir eine etwas zu große Rolle. Das müsste in meinen Augen nicht sein. Ebenso wird ihre Beziehung zu einer Frau ein wenig zu oft erwähnt. Wir Leser können uns das merken, dass Annika und Nina gleichgeschlechtlich Liebende sind.

Fazit:

Die Summe von vielen unstimmigen Kleinigkeiten veranlassen mich, einen Stern abzuziehen, daher nur 4 Sterne.

Bewertung vom 29.02.2024
Lieber Gurken auf dem Dach als Tomaten auf den Augen! / Die Stadtgärtnerin Bd.1
Mayer, Gina

Lieber Gurken auf dem Dach als Tomaten auf den Augen! / Die Stadtgärtnerin Bd.1


ausgezeichnet

Dieses Kinderbuch ist eine wahre Augenweide und hat, neben witzigen Dialogen, auch den einen oder anderen ernsten Gedanken.

Worum geht’s?

Antonia „Toni“ und ihre Mutter Lise müssen sich eine neue Wohnung suchen, weil Tonis Papa nun mit einem Mann verheiratet ist, Auf Grund der finanziellen Lage es nicht so ganz einfach, eine passende Bleibe zu finden. Auf der einen Seite wollen die beiden die Stadt nicht verlassen, auf der anderen Seite ist die angebotene und finanzierbare Wohnung nicht unbedingt das Gelbe vom Ei. Doch noch weniger sagt den beiden die Vorstellung bei Tonis Großeltern auf dem Land, Oberhoppenhagen (was für ein Name!), wohnen zu müssen zu, zumal sie kein besonders liebevolles Verhältnis zueinander haben .

Nun wird einmal in den sprichwörtlich sauren Apfel gebissen und die Wohnung mit dem winzigen Balkon in der Försterstraße, in der bereits Schulkolleginnen und Schulkollegen von Toni wohnen, vorerst einmal gemietet, bis sich etwas anderes ergibt.

Dabei lernt Toni, dass es auch in anderen Familien nicht alles Gold ist, was glänzt. So erfahren die Leser, warum Elif, die dritte Tochter einer türkischen Familie Geige spielen lernen muss und mit dem lauten Gekratze alle anderen Bewohner nervt, obwohl sie viel lieber Fußball spielen würde. Oder, dass Silans Mutter häufig ihre Lebenspartner wechselt, die leider weder ihr noch ihrem Sohn gut tun. Ja, und dann wäre noch Frau Block mit ihrem Dackel, der von den Kids nur Gurke genannt wird, die über alles und jedes meckert und die sich vermutlich selbst nicht leiden kann.

Um Lise eine Freude zu machen zu machen, schmieden die Kinder einen tollen Plan: Sie wollen heimlich auf dem Flachdach des Hauses einen Dachgarten anlegen und Obst und Gemüse selber ziehen. Also machen sie sich hurtig ans Werk, fragen beim Gärtner nach, finden auf dem Komposthaufen des Friedhofs brauchbare Hornveilchen und helfen zusammen.

Die größte Überraschung, nein, die verrate ich euch jetzt nicht.

Meine Meinung:

Mir hat diese Geschichte und Zusammenhalten sehr gut gefallen. Der Schreibstil von Gina Mayer ist leicht und locker. Die ernsten Themen werden kindgerecht - das empfohlene Lesealter ist 7-8 Jahre - dargestellt. Die Figuren sind liebevoll und individuell beschrieben. Jedes Kind hat seinen ganz besonderen Charakter und seinen persönlichen Kleidungsstil. Da ist zum Beispiel Cora-Lee, die alle Tiere liebt, sogar Blattläuse oder eben Elif, die sowie ihre Schwestern, den Traum ihrer Mutter, eine gefeierte Künstlerin zu sein, leben muss.

Meisterlich gelungen sind das Cover und die Illustrationen im Inneren des Buches von Daniela Kohl. Die Zeichnerinnen werden für mein Gefühl immer viel zu wenig erwähnt. Also, einen extra Blumenstrauß für Daniela Kohl!
Witzig finde ich, dass manches Gemüse, das auf den Vorsatzblättern zu sehen ist, schon angeknabbert ist.

Gut gefallen mir auch die Arbeitsanleitungen für die Aufzuchtshilfen (Eierkartons statt Plastiktöpfchen) der Pflanzen. Ja, man muss nicht immer vorgezogene Ware aus der Gärtnerei kaufen. Selbst ziehen funktioniert auch, leider zwar nicht immer. Dass zum Garteln, wie wir in Österreich sagen, auch Konsequenz, Durchhaltevermögen und Geduld nötig sind, wird auch erwähnt.

Ein bisschen ist bei mir die Sicherheitstechnikerin durchgekommen. Bei der Vorstellung, ein Dutzend oder mehr Personen sind auf einem Flachdach ohne Absturzsicherung (Geländer) unterwegs und die Pflanzgefäße sind nicht gegen Sturm gesichert, hat mir ein wenig die Grausbirnen aufsteigen lassen. Immerhin, das Thema Baustatik ist geklärt worden.

Ich bin schon auf Band 2 „Ich glaub, mich tritt ein Natternkopf“ gespannt, der im Oktober 2024 erscheinen soll.

Fazit:

Dieser schönen Geschichte über Freundschaft, einem friedlichen Miteinander auch in schwierigen Situationen, die mit zahlreichen Gartentipps und Illustrationen punktet, gebe ich 5 Blumentöpfe und eine Leseempfehlung.