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Insgesamt 577 Bewertungen
Bewertung vom 09.03.2008
Urquhart, Jane
Urquhart, Jane

Urquhart, Jane


sehr gut

Wie ambivalent das Verhältnis zwischen Maler und Modell ist, wissen wir nicht erst aus dem Film Die schöne Querulantin. Jane Urquart beschreibt das Leben mit einer zu spät, wenn überhaupt empfundenen Liebe. Austin Fraser mußte achtzig werden, um sein Leben zu würdigen, sich den Fehlentscheidungen zu stellen, sich den Preis einzugestehen, die sein Werk ihn gekostet hat. War es das Wert? War die Einsamkeit nicht immer schon so vorhanden? Wurde sie nicht durch die Konzentration spielerisch verdrängt? Und jetzt zum Schreckensgespenst, weil das Ende naht, die Kraft ausgeht? Urquhart weist aber auch den Verlust nach, den Sara erleidet, indem sie sich dem Maler zur Verfügung stellt. Als durch Frasers Egoismus sein einziger Freund in eine Tragödie gestürzt wird, will der Maler ein Leben ändern, dass er als vergeudet betrachtet, sucht Sara auf und kommt zu spät. Ein einfühlsamer Künstlerroman, der sich dem Spannungsaufbau des 19. Jh. bedient, um seine Geschichte aufzurollen.
Polar aus Aachen

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 09.03.2008
Beute
Crichton, Michael

Beute


sehr gut

Auch wenn der Roman, je weiter er fortschreitet, zum Hollywood-Klischee anwächst, indem einsame Helden, die Retter der Welt mimen, bleibt er im Kern, in der Auseinandersetzung mit der Nanotechnologie lesenswert. Eine so komplizierte Thematik mainstreammmäßig aufzupolieren, so dass sich auch nicht Wissenschaftsfreaks für künstliche Intelligenz und Leben zu interessieren beginnen, ist ein Verdienst des Autors. Wahrscheinlich läßt sich diese abseitige Gefährdung der Welt nur so verpacken, um genügend Aufmerksamkeit zu erregen. In jedem Fall fragt man sich, was wohl in all den abgeschotteten Labors dieser Welt als Fortschritt für die Menschheit betrachtet und wie blind sie vorangetrieben wird, um einen Nobelpreis einzusacken. Diese Art von Kriminalität wird sogar staatlich bezuschusst und mit dem Etikett aller möglichen Heilsbotschaften versehen. Der Fortschritt läßt sich nicht aufhalten und tritt Monster los. Wie immer gründlich recherchiert läßt dieser Thriller einen beunruhigt zurück.
Polar aus Aachen

Bewertung vom 09.03.2008
Die Maske des Dimitrios
Ambler, Eric

Die Maske des Dimitrios


ausgezeichnet

Das wünscht sich jeder Autor. Einmal aus dem Gefängnis seines Schreibtisches in die Welt ausbrechen, Abenteuer, Verbrechern auf die Spur kommen, ihnen eins zu eins gegenüberstehen. Ambler ist darüber hinaus der Grand Seigneur des Polit-Thrillers, zeichnet die Verhältnisse am Bosporus genauso fasziniert ab, wie er den Kolorit in Athen, Izmir, Sofia findet. Eine hübsche Variante, das ausgerechnet der Chef der türkischen Geheimpolizei, in seiner Freizeit an einem Kriminalroman schreibt, in dessen Mittelpunkt einer der meist gesuchten Verbrecher der Region steht. Dieser Oberst überreicht Charles Latimer sein Skript, womit der Anfang einer furiosen Fahndung nach dem scheinbar Toten beginnt. Latimer folgt einem Mörder, einem Drogenhändler, einem Schlepper in sein Leben und muß die Umkehrung dessen erleben, was einen Schriftsteller normalerweise ausmacht: Die Fiktion erweist sich nicht länger stärker als die Realität, das wirkliche Leben draußen diktiert die bessre Geschichte. Die politischen Hintergründe erscheinen von heute aus betrachtet visionär. Allem haftet eine Maske an, hinter der wir mehr vermuten, deren Enthüllung uns erschreckt, deren Ambler sich durch überraschende Wendungen bedient, um die Spannung auf den Höhepunkt zu treiben. Manche Tote, selbst wenn sie noch leben sollten, läßt man lieber tot bleiben, wenn sie einem das Leben nicht schwer machen sollen. Mit Die Maske des Dimitrios schob sich Ambler in die erste Reihe seines Genres. Nach ihm gab es nicht viele, die das Niveau erreichten.
Polar aus Aachen

Bewertung vom 09.03.2008
Wem die Stunde schlägt, Sonderausgabe
Hemingway, Ernest

Wem die Stunde schlägt, Sonderausgabe


sehr gut

Aus heutiger Sicht weht einem der Roman mit einem Hauch Sozialromantik entgegen, bei dem die Guten eindeutig auf der eine Seite ausmachen sind, die Schlechten die Fratze des Verbrechers trifft und die Liebe an den schlechten Zeiten leidet. Hemingway verarbeitet in ihm seine Erfahrungen und die Berichte anderer aus dem spanischen Bürgerkrieg. Eine Brücke soll zerstört, der Nachschub abgeschnitten, der Kontakt zu einer Guerillaeinheit aufgenommen werden. All das ist ausgezeichnet beschrieben, die Hintergründe bestens recherchiert und trotzdem erscheint einem vielleicht wegen der Liebesgeschichte zwischen Maria und Jordan alles vor den Sittengemälden schrecklicher Verbrechen weichgespült. Das Genre hat sich seitdem weiter entwickelt. Heutzutage würde ein Autor weniger die Liebe in die Mittelpunkt rücken, sich vielmehr ausführlich der Schilderung des Gemetzels widmen, die Sprengkraft beschreiben, das Technische ausführen, es gebe keine Helden mehr, sondern nur Verlierer und alle hätten sich irgendwie schuldig gemacht. Vier Tage bleiben. Vier Tage, in denen die Zerrissenheit der Guerillaeinheit den Plan fast vereiteln läßt. Die einen sind dafür, die anderen dagegen, aber der Amerikaner richtet es. Wem die Stunde schlägt, ergeht es, wie vielen Romanen, die in ihrer Zeit Aufsehen erregt haben. Mit gehörigem Abstand wieder gelesen, fallen die Schwachpunkte stärker ins Gewicht. Das ändert nichts an der Tatsache, dass Hemingway ein ausgezeichneter Autor war, der schwer mit seinen Worten und seiner Geschichte gerungen hat. Dass der Roman überlebt hat, liegt nicht nur an der faszinierenden Vita des Autors, sondern an der Geschichte selbst.
Polar aus Aachen

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Bewertung vom 06.03.2008
Stille Zeile sechs
Maron, Monika

Stille Zeile sechs


ausgezeichnet

Dass dieser Roman nicht linear erzählt wird, hat sicher auch damit zu tun, dass der Aufbau einer Annäherung gleichkommt. Monika Maron macht es sich nicht leicht, indem sie ein Urteil über die DDR fällt. Sie spürt den Verwerfungen in einer Gesellschaft nach, die mit hohen Idealen gegründet wurde und in eine bleierne Existenz mündete. Geschickt erschafft sie eine Heldin, die sich andient, die Memoiren eines Funktionärs aufzuschreiben, so wie die Autorin selbst sich als Chronisten ihres Landes versteht. Sprachlich auf hohem Niveau führt sie westdeutsche Leser, für die die DDR abseits dessen, was sie darüber zu wissen glauben, wie in ein fremdes Land wie Island ein. Von Schnee bedeckt, weit draußen auf dem Meer geht jeder doch davon aus, dass man es kennt, dass ein schnelles Urteil durchaus angemessen ist. Wie schwer es selbst für Bürger der ehemaligen DDR ist, sich der Vergangenheit zu stellen, ohne sie zu verdammen oder zu verklären, davon erzählt Stille Zeile Sechs. Und es ist zwischen den Zeilen eine Menge Liebe und Wut zu verspüren.
Polar aus Aachen

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Bewertung vom 06.03.2008
Verführungen.
Streeruwitz, Marlene

Verführungen.


sehr gut

Alleinerziehende Mütter zeichnen sich dadurch aus, dass ihnen außer von ihren Ex-Ehemänner jeder am liebsten einen Orden verleihen würde. Sie reiben sich im Alltag wie im Innern auf, müssen sich der Erziehung ihrer Kinder ebenso stellen, wie den Zweifeln, ob sie selbst überhaupt beziehungsfähig sind. Und dazwischen taucht immer wieder die Verführung auf, dass es doch alles anders sein könnte, diesmal. Oder beim nächsten Mal? Frau nutzt sich am Mann ab. Mit dem Untergang des Arbeiterromans der 70er, zeichnete sich in der Literatur plötzlich ein weites neues Feld ab, das sich dem Scheitern jenes gutbürgerlichen Mittelstands zuwandte, der in früheren Zeiten in Ehe-Erstarrung miteinander alt geworden wäre. Man bleibt nicht mehr zusammen. Plötzlich reißen wirtschaftliche Nöte auf, die gemeinsam eher zu bewältigen gewesen wären. Die Wunden, die man sich selbst zufügt oder von anderen zugefügt bekommt, die man selbst austeilt und sich gleich dafür begnadigt, zeichnet Marlene Streeruwitz faszinierend nach. Man muss nicht allein erziehend sein, um ihr an vielen Stellen zuzustimmen. Man muss auch nicht gegen die Autorin eingestellt sein, um ihr das ein oder andere vorzuhalten, was aus dem Zorn erwächst. Der Roman läßt einen jedenfalls nicht gleichgültig zurück, was ihn nicht nur wegen seines sprachlichen Niveaus lesenswert macht. Er zieht einen auch in das Bemühen zu verstehen hinein. Etwas, das nicht endet, wenn man dieses Buch zuschlägt. Und eine Portion Wut tut jeder Beziehung gut.
Polar aus Aachen

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Bewertung vom 05.03.2008
Der verwaiste Swimmingpool
Updike, John

Der verwaiste Swimmingpool


ausgezeichnet

Updikes Kunst der Kurzgeschichte ist oftmals gerühmt worden. Er hat sie in seiner Zeit beim New Yorker perfektioniert und in den Jahren danach bis heute weiter ständig an ihr gefeilt. Aus dem vorliegenden Band mit 25 Erzählungen ragt eine besonders heraus. Der verwaiste Swimmingpool führt die Kunst der Short Story auf höchstem Niveau vor, der nichts anderes bedarf als sich selbst, um anhand seiner Existenz vom Leben zu erzählen. Ein sprachliches Meisterwerk, das uns Lesern zeigt, mit wie wenig ein Autor auskommen kann, um uns in eine andere Welt zu ziehen, dem Leben einen Spiegel vorzuhalten, der nicht häßlich, sondern unausweichlich ist, solange die Zeit an uns nagt. Am Ende wird er eingezäunt und vor ihm gewarnt. Ein Begräbnis erster Klasse und das auf sieben Seiten. Gebe es diese Geschichte nur allein zu kaufen, müßte man jedem dazu raten. Mit diesem Band bekommt man jedoch noch weitere 24 dazu geschenkt. Was für eine Gelegenheit in Updikes Welt abzutauchen und ihr zu verfallen.
Polar aus Aachen

Bewertung vom 05.03.2008
Der Teufel von Chicago
Larson, Erik

Der Teufel von Chicago


ausgezeichnet

Geschickt verbindet Erik Larsson in seinem Roman Die Teufel von Chicago die Geschehnisse um die Weltausstellung in Chicago mit der Geschichte eines Serienkillers, der sich, um seine Perversionen zu frönen, eigens ein Hotel baut. Wer auf den üblich spannenden Aufbau eines Thrillers hofft, wird zwar enttäuscht werden. Es zeigt sich schnell, dass es Larson vor allem um die Weltausstellung geht, und er sich des Genres des Serienkillers bedient, um größere Käuferschichten anzulocken. Nicht jeder würde sonst vielleicht einen Roman über eine Weltausstellung lesen wollen. Das ist ein geschickter Schachzug, schadet dem Roman nicht und schafft Abwechslung im Erzählfluss. Zumal Larson im Stile von John Griesemers Rausch ein Zeittableau vorlegt, dass den nüchternen Stil des Beobachters, durch spannende Einzelgeschichten untermauert. Es geht die ganze Zeit ums Scheitern. Bekommt man das Projekt überhaupt nach Chicago? Wie wird es finanziert? Kann es mit Paris mithalten? Welche Architekten sollen beauftragt werden, hält die Ausstellung das, was man sich von ihr verspricht? Am Ende steht eine weiße Stadt da und eine Thrillergeschichte, die gedehnt wird, um mit der weitaus üppigeren Geschichte einer Weltausstellung mitzuhalten. Ein Architekt und ein Mörder, zwei Männer, die wie Larson im Vorwort vorhersagt, sich nie begegnen werden. Unter dieser losen Verbindung leidet die Konstruktion ein bißchen, was jedoch einen Leser nicht davon abhalten sollte, mehr über das Chicago jener Zeit erfahren zu wollen.
Polar aus Aachen

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Bewertung vom 04.03.2008
Das große Umlegen und andere Detektivstories
Hammett, Dashiell

Das große Umlegen und andere Detektivstories


ausgezeichnet

Heute vermag man sich kaum vorzustellen, wie die Welt des Kriminalromans vor Dashiell Hammett aussah. Zwar starben auch da Menschen einen unnatürlichen Tod, doch schien die Wirklichkeit abhanden gekommen sein. Die Täter kamen nicht unbedingt aus der Gosse, sie sprachen gewählt und bewiesen nicht gleich ihre schlechte Kinderstube. Hammett hat dem Verbrechen, das wiedergegeben, was es ausmacht. Wir finden uns auf der Straße wieder, in dreckigen Hinterzimmern, unter Verrückten, Verworrenen, Verkommenen, Verlierern, die an ihre Chance glauben. Gewinner zeigen sich hier in ihrem ganzen Scheitern. Glück hat der, der so gerade noch mal davon gekommen ist. Der Held einer Geschichte würde in den Zeiten zuvor, nicht gerade als solcher tituliert werden dürfen. Mitunter wäre er nicht mal vorzeigbar. Dieser Trinker, dieser Lügner, dieser Son of a Bitch. Die in diesem Band versammelten drei Geschichten bieten den ganzen Kosmos: die Nacht, die Liebe, selten kommt einer ohne Pistole aus. Die Dinge werden geklärt, auf die eine oder andere Art. Menschen verschwinden, tauchen auf und oft halt auch nicht mehr. Eines können sie alle brauchen: Geld. Davon gibt es leider nicht genug, um alle glücklich zu machen. Dashiell Hammett, der ehemalige Privatdetektiv, macht wenigstens seine Leser glücklich. Und das für kleines Geld.
Polar aus Aachen