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Europeantravelgirl

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Insgesamt 327 Bewertungen
Bewertung vom 12.02.2023
Die Ladys von Somerset - Ein Lord, die rebellische Frances und die Ballsaison
Marsh, Julie

Die Ladys von Somerset - Ein Lord, die rebellische Frances und die Ballsaison


ausgezeichnet

Zauberhafte Regency-Romance

Vorbei die unbeschwerte Zeit im Mädchen-Pensionat! Die drei Freundinnen Frances, Rose und Pru sollen sich als Debütantinnen auf die Suche nach einem geeigneten Ehemann machen. Im Falle von Frances bedeutet dies, wenn es nach ihrer verschuldeten und äußerst ambitionierten Mutter geht, dass mindestens ein Lord her muss. Die rebellische junge Dame hingegen hat ganz andere Vorstellungen von ihrem Leben und der Liebe. Vor allem geht ihr Daniel, der Bruder von Rose, hartnäckig nicht aus dem Kopf, obwohl dieser bald wieder in den Krieg ziehen muss, aber da gibt es ja auch noch den charismatischen Lord Felton.

Das Setting im London des Regency-Zeitalters ist zauberhaft und in liebevollen Details geschildert. Die drei jungen Damen sind in ihren ganz eigenen Charakterausformungen ganz wunderbar geschildert, so dass man sich rasch mit ihnen im Bunde fühlt. Köstlich waren die Szenen mit der egozentrischen Lady Darlington, Frances´ herrlich überspannter Mutter, und deren Mops Muzzle. Die Handlung begleitet die drei so unterschiedlichen Freundinnen auf prunkvolle Bälle, aber ebenso auf nächtliche Abenteuer mit Sherry und verbotenen Büchern. Was sie sich aus so einem Buch versprechen? Natürlich Erleuchtung in der großen Frage nach der Hochzeitsnacht! Denn das ist schließlich das einzige Ziel einer jungen Lady: unter die Haube zu kommen und damit finanziell ausgesorgt zu haben. Zumindest behaupten das alle, aber Frances und Rose wünschen sich eigentlich mehr für ihr Leben.

Die Story ist reizend erzählt, man fliegt nur so durch die Seiten und immer wieder gibt es humorvolle Episoden. Bis in die Nebenrollen ist jeder Charakter liebevoll und detailgetreu ausgeformt, wobei mir eindeutig Frances am besten gefiel. Sie ist eine erfrischend rebellische Protagonistin, die zudem eine bemerkenswerte Entwicklung vom störrischen jungen Mädchen zur selbstbewussten jungen Frau unterläuft und ihr Leben selbst in die Hand nimmt. Und natürlich dreht sich immer wieder alles um die Liebe, wobei mir gut gefiel, dass diese hier in nahezu sämtlichen Farben des Regenbogens erstrahlen darf!

Ein wunderbares Lesevergnügen!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 06.02.2023
Aufblattelt
Parker, Martina

Aufblattelt


ausgezeichnet

Es wird wieder gegartelt und gestorben im Südburgenland

Dieses Mal verwebt sich das Schicksal der adligen Hohenfelsen auf geheimnisvolle Weise mit dem Gartenclub: Ferdi, der jüngste Grafenspross, heiratet Isabella aus dem „Klub der grünen Daumen“, während sich Oma Hilda den alten Grafen angelt und ihn zum Pensionist:innentreffen mitschleppt. Und Veras Tochter Letta schließt Freundschaft mit dem geheimnisvollen brasilianischen Au-pair Delphina, die der Familie vom Fritzgoli unter die Arme greift. Wobei sich die Frage stellt, wen sich der Fritzgoli da eigentlich greift. Bis nicht nur ein Todesfall passiert, sondern sich die Unglücksfälle auf rätselhafte Weise zu häufen beginnen.

Die Gartenkrimis von Martina Parker sind eine herrliche Mischung aus wahnsinnig interessantem Garten- und Kräuterwissen und einer herrlich skurrilen Bevölkerung des Südburgenlands. Treue Leser:innen treffen hier auf bekannte Gesichter und neue Skandale. Es ist durchaus möglich, hier neu in die Reihe einzusteigen, wobei einem dann so manches Schmankerl vielleicht entgehen mag.

Im Mittelpunkt des Geschehens steht wieder Journalistin Vera, stets investigativ tätig, Mitglied des Gartenclubs, und in ewiger Abhängigkeit vom Dunkel Tom. Veras Mutter Hilda schießt in den Romanen regelmäßig den Vogel ab mit ihrer forschen Art, da gibt es immer viel zu lachen. So skurril und lustig die Gartenkrimis daherkommen, steckt dahinter stets ein raffiniert konstruierter Kriminalfall. Unerwartete Wendungen und falsche Fährten lassen beim Lesen bis zum Schluss mitraten. Und nicht zuletzt habe ich alle Protagonist:innen mittlerweile sehr in mein Herz geschlossen und will auch beim nächsten Fall unbedingt wieder mit dabei sein!

Mein Fazit: Riesiges Lesevergnügen mit spannendem Krimi, Gartenwissen und dem großartigen „Klub der grünen Daumen“

Bewertung vom 02.02.2023
Der Tote von Wiltshire / Lockyer & Broad ermitteln Bd.1
Webb, Katherine

Der Tote von Wiltshire / Lockyer & Broad ermitteln Bd.1


ausgezeichnet

Waren es Pferde oder Zebras?

Ein Toter in einer Scheune, die Haushälterin Hedy Lambert mit einem blutverschmierten Messer daneben – der Fall ist klar, und so wandert Hedy hinter Gitter. Seit nunmehr 14 Jahren sitzt sie ihre Strafe ab, doch nun wendet sie sich an den damals ermittelnden Detective Inspector Lockyer wegen vermeintlicher neuer Hinweise.

Der englische Krimi bringt alle Zutaten eines klassischen Slow-burn mit. So werden wir behutsam in die Geschichte eingeführt, lernen Lockyers dienstliche und private Seite kennen und erhalten Einblicke nicht nur in den damaligen Fall, sondern auch wie es Lockyer selbst kürzlich ergangen ist. Keineswegs ist er der gefeierte Held, sondern nach einer äußerst grenzwertigen Aktion wurde er in die Abteilung für Cold Cases versetzt, wo er nun mit seiner Kollegin Constable Gemma Broad den neuen Hinweisen im Fall des Toten in der Scheune von Professor Ferris nachgeht. Dem Fall, in dem er damals maßgeblich beigetragen hat zur Verurteilung von Hedy Lambert, die schon damals seine Gefühle verwirrt hat.

Die Autorin nimmt sich viel Zeit, ein aussagekräftiges Bild der Sachlage und aller beteiligter Personen sowie der Gegend von Wiltshire zu entwerfen. Gerade die Landschaft und die Ortschaften tragen viel zur Atmosphäre der Geschichte bei, liefern sie doch den für England so typischen Regen, matschige Wege und baufälligen Charme. Dennoch ist bei aller Ausführlichkeit kein Satz zu viel, und ganz sicher treten in der Erzählung keine Längen auf. Viel mehr verdichten sich Atmosphäre und gleichermaßen die Hinweise nach und nach, was zu einer wohldosierten Spannungssteigerung führt. Die Schatten der Vergangenheit hängen düster über allen Beteiligten, die Frage nach Schuld und Verantwortung lastet schwer. Und nicht zuletzt sind es die verdeckten Gefühle, die maßgeblich zu den Entwicklungen beitragen.

Es ist ein klassischer Whodunit-Krimi zum Mitraten, nachdem das Feld der in Frage kommenden Personen kammerspielartig begrenzt ist. Mehrere Plot-Twists sorgen für Überraschungsmomente, und bis zum Schluss kann man sich nicht sicher sein, an was man bei Hufgetrappel denken soll: An Pferde oder Zebras? An das Nächstliegende oder das eher Unwahrscheinliche? Obwohl ich durchaus auf der richtigen Spur war, konnte mich die Autorin doch immer wieder auf eine falsche Fährte locken, ehe sich am Ende alle Puzzleteile auf wundersame Weise ineinanderfügen.

Für mich ein perfekter klassisch-englischer Kriminalroman!

Bewertung vom 29.01.2023
Bissle Spätzle, Habibi?
Alaoui, Abla

Bissle Spätzle, Habibi?


sehr gut

Couscous küsst Spätzle

Amaya ist dagegen. Schon aus Prinzip. Das Drängen ihrer marokkanischen Mutter, sich endlich einen heiratsfähigen Mann zuzulegen, stößt bei ihr auf taube Ohren. Nur um des lieben Friedens willen meldet sie sich schließlich auf Minder an, dem Tinder für Muslime. Wer hätte gedacht, dass dies letztendlich zu einem Volltreffer führt? Doch es ist nicht etwa der süße Ismael, der sich darauf meldet, der ihr Herz erobert, sondern dessen bester Freund Daniel. Damit steht Amaya vor einem riesigen Problem, denn wie soll sie das ihrer Familie beibringen?

Es ist ein quirliger Culture Clash, der uns da serviert wird, eine witzige Melange aus Couscous und Käsespätzle. Denn während andere aus dieser Konstellation ein Drama schaffen würden, liest sich dieser Roman herrlich humorvoll und dennoch sehr einfühlsam. Beim Lesen musste ich mehrmals lauthals auflachen, einfach herrlich! Gleichzeitig wird die Zwickmühle, in der sich Amaya befindet, gründlich erläutert, und nicht einfach nur mit Klischees gespielt. Die Charaktere, besonders Amayas Geschwister und ihre beste Freundin, habe ich fest ins Herz geschlossen. Ausführlich erhalten wir Einblick in die marokkanische Familie und damit auch in Traditionen und Überzeugungen. Daniels Eltern steuern schwäbische Gemütlichkeit und schwäbische Sprachbesonderheiten bei, was zu witzigen Missverständnissen führt. So ist der Amaya angebotene „Teppich“ nicht etwa zum Gebet gedacht, sondern im Schwäbischen der Ausdruck für eine Wolldecke zum Zudecken! Der Humor des Buchs trifft voll und ganz meine Wellenlänge, ich habe mich mehrfach fortgeschmissen vor Lachen!

Mit der weiteren Zuspitzung der Ereignisse ändert sich der Tonfall; die eingangs so humorvolle und dennoch tiefgründige Erzählung verliert sich ein wenig in Amayas Ratlosigkeit und Planlosigkeit. Schade, dass der Roman seinen Einstieg auf höchstem Level nicht ganz durchhalten konnte. Dennoch habe ich mich sehr gut unterhalten gefühlt und kann eine klare Leseempfehlung aussprechen.

Bewertung vom 22.01.2023
Schneeflockengrab / Jensen ermittelt Bd.1
Amsinck, Heidi

Schneeflockengrab / Jensen ermittelt Bd.1


sehr gut

Eiskaltes Kopenhagen

Auf dem morgendlichen Weg zur Redaktion des Dagbladet findet Reporterin Jensen die eingeschneite Leiche eines jungen Mannes. Offensichtlich obdachlos. Der Anblick lässt sie nicht mehr los, und obwohl sie unter einer Schreibblockade leidet und längst von der Story abgezogen wurde, lässt ihr Instinkt sie weitere Nachforschungen betreiben. Denn es bleibt nicht der einzige Obdachlose, der mitten in Kopenhagen ermordet wird.

Das Buch beginnt rätselhaft, verliert sich anfangs in Eindrücken und Stimmungen, Streifzügen durch Kopenhagen, wie man es von anderen dänischen Schriftstellern kennt. Dann im Mittelteil jedoch nimmt die Geschichte schlagartig an Fahrt auf und wir finden uns in einem spannenden Thriller wieder. Das Erzähltempo zieht merklich an, es ergeben sich überraschende Sachverhalte und die Puzzleteile finden zueinander.

Während die Protagonisten und deren Verflechtungen mit Jensen anfangs wenig originell erscheinen, tauchen im Verlauf der Geschichte großartige Nebenfiguren wie Gustav, Aziz und Liron auf, die diesem Thriller eine Seele geben und einen wesentlichen Teil der Atmosphäre ausmachen. Kopenhagen selbst liefert mit eisigen, verschneiten Straßenzügen, finsteren Ecken und andererseits noblen Gegenden die passende Kulisse, die nicht nur die Kälte des Wetters, sondern auch das Frostige so mancher Persönlichkeiten fühlbar macht. Politische Bezüge und gesellschaftliche Probleme verleihen der Geschichte zudem Relevanz und Aktualität.

Ein gelungenes Debüt der Autorin, das seine Stärken im Verlauf der Geschichte ausspielen kann.

Bewertung vom 19.01.2023
Astrid Lindgren / Mutige Frauen zwischen Kunst und Liebe Bd.24
Lieder, Susanne

Astrid Lindgren / Mutige Frauen zwischen Kunst und Liebe Bd.24


sehr gut

Die Frau hinter Pippi Langstrumpf

Um das Wesen und die Gedankenwelt von Astrid Lindgren zu erfassen, muss man vermutlich zunächst einmal ihr gesamtes Werk lesen. Doch selbst dann bleibt die Frau dahinter verborgen. Autorin Susanne Lieder hat sich einen Abschnitt aus dem Leben der schwedischen Schriftstellerin herausgegriffen, um deren Leben genauer zu beleuchten. Es ist ein herzzerreißender Einstieg im Jahr 1929, als die junge, ledige Astrid Ericsson ihren Sohn Lasse von der dänischen Ziehmutter zurückholt, in deren Obhut sie ihn nach ihrer Flucht aus ihrem Heimatort Vimmerby gegeben hatte. Nun erwarten die alleinerziehende Mutter ungewisse Zeiten in Stockholm mit einem kleinen Kind und großen Geldsorgen. Die Romanbiographie begleitet Astrid sozusagen über den Zeitraum ihres gemeinsamen Lebens mit ihren Kindern, also vom Zurückholen ihres Sohnes Lasse bis viele Jahre später zum Auszug ihrer Tochter Karin. Es sind ereignisreiche Jahre, in denen aus der kecken Sekretärin eine berühmte Schriftstellerin und Lektorin wird.

Der Roman liest sich wahnsinnig flüssig, man fliegt nur so durch die Seiten. Allerdings war der herzzerreißende Einstieg zugleich der emotionale Höhepunkt. Die weitere Erzählung lässt uns in vielen Einzelheiten am Leben Astrid Lindgrens und auch ihrer nicht ungetrübt glücklichen Ehe mit Sture Lindgren teilhaben, verbleibt gefühlsmäßig jedoch an der Oberfläche. Dies mag durchaus dem Wesen der Schwedin entsprochen haben, hinterlässt beim Lesen jedoch das Gefühl, einen informativen Text zu lesen, der jedoch nicht wirklich zu berühren vermag. Vieles wird angedeutet, nur wenig aber vertieft. Die Beschränkung auf das kindlich fröhliche Wesen der Smaländerin erscheint mir zu wenig. Da hätte ich mir mehr Tiefe gewünscht, wobei ich davon ausgehe, dass Susanne Lieder hier nicht allzu weit in den Bereich der Fiktion abdriften wollte.

Auf jeden Fall eröffnet die Erzählung vielfältige Einsichten in den Werdegang von Astrid Lindgren, die sogar für den Geheimdienst gearbeitet hat. Und nebenbei erfährt man die Entstehungsgeschichte vieler ihrer Bücher und vor allem, wie sehr ihr die eigenen Kinder, aber auch Kinder allgemein am Herzen lagen.

Bewertung vom 15.01.2023
Skandal & Vorurteil
Quain, Amanda

Skandal & Vorurteil


sehr gut

Ist der Ruf erst ruiniert

Das Leben von Georgie Darcy an der Pemberly Academy ist das reinste Minenfeld nach einem „Vorfall“ mit Bad Boy Wickham Foster. Ihr Bruder Fitz Darcy hält sie seitdem an der ganz kurzen Leine, und bei ihren Mitschülern ist sie unten durch. Sogar in der Marching Band, wo sie Posaune spielt, wird sie mit Nichtachtung gestraft. Einzig Tambourmajor Avery ist ein Lichtblick, denn ihr guter Freund ist der einzige, der überhaupt noch mit ihr spricht. Ganz klar, da muss ein Plan her, um sie zu revidieren. Immerhin ist sie eine echte Darcy.

Das Jane-Austen-Retelling hebt den Roman von 1813 in die Gegenwart. Ganz reibungslos gelingt dies nicht; gewisse Konstellationen wie etwa die Vormundschaft des Bruders lassen sich eben nur etwas holprig konstruieren und wirken erzwungen. Nachdem diese Hürde genommen ist, kann sich die Erzählung rund um die jüngere Darcy-Schwester entfalten. Natürlich tauchen auch all die Charaktere aus Jane Austens Roman auf, wobei etwa aus Charles Bingley der coole Partylöwe Charlie wird. Und natürlich zoffen sich Lizzie/Elizabeth Bennet und Fitz(william) Darcy ganz wunderbar. Und wenn schon Pemberly nicht der Sitz der Darcys ist, dann ist Fitz doch wenigstens eine Ecke der Bibliothek gewidmet. Dennoch liegt bei allen witzigen Anspielungen der Fokus des Romans auf anderen Handlungssträngen und Personen als bei Jane Austen, da ja schließlich Georgie Darcy von der Neben- zur Hauptfigur avanciert ist.

Auch ohne den Klassiker gelesen zu haben, kann man die Story genießen. Dann liest es sich tatsächlich wie ein süßer Academy-Roman, wobei Georgies Liebe für eine englische Serie, die sie leidenschaftlich streamt und zu der sie sogar Fanfiction verfasst, der Geschichte dennoch einen Hauch von Regency verpasst.

Eine „gut schräge“ Transformation vom romantischen Klassiker zum frechen Jugendroman.

Bewertung vom 12.01.2023
Ginsterhöhe
Caspari, Anna-Maria

Ginsterhöhe


ausgezeichnet

Als das Grauen in die Eifel kam

Die Schrecken des 1. Weltkriegs trägt Albert Lintermann in der Seele und auf seinem entstellten Gesicht, als er 1919 in sein Heimatdorf in der Eifel zurückkehrt, auf den Hof der Familie. Während seine Eltern dankbar sind, dass er im Gegensatz zu seinem besten Freund überhaupt noch am Leben ist, wendet sich seine Ehefrau Bertha entsetzt von ihm ab. Doch in Wollseifen muss das Leben nach dem Krieg weitergehen. Das karge Leben in der Eifel mit ihren steinigen Böden bringt auch raue Charaktere hervor, doch wenn es darauf ankommt, hält die Dorfgemeinschaft zusammen.

Wir begleiten Albert und das ganze Dorf Wollseifen in drei Abschnitten durch den Roman, nämlich 1919 bis 1928, in dem sich das Dorf und die Familie vom Krieg erholen und heilen. Der Abschnitt von 1930 bis 1939 bringt den Schrecken der Nazis nach Wollseifen, und im letzten Abschnitt von 1939 bis 1949 wird letztendlich der Untergang besiegelt.

Das Leben und die rauen, aber herzlichen Dorfbewohner in Wollseifen fand ich hervorragend geschildert. Da sitzen doch einige Charakterköpfe im Wirtshaus bei Silvio beisammen. Keine Feingeister, sondern Eifelbauern und Handwerker, die allesamt zupacken müssen, um in dieser abgelegenen Gegend zu überleben. Da wird geboren und gestorben, wiederaufgebaut und fortgeführt. Einzig der Lehrer sorgt in eingeschobenen Auszügen aus seinem Tagebuch für differenziertere Betrachtungen. Schlagartig ändert sich alles, als Wollseifen in den Fokus der Nazis gerät. Die Stimmung im Dorf schlägt um, und die plötzliche Bedeutung der Region stellt sich alsbald als Fluch heraus.

Für mich war sehr anschaulich die Fassungslosigkeit herausgearbeitet, mit der der kriegsversehrte Albert einem neuen Krieg gegenübersteht, in dem nun plötzlich seine Söhne das gleiche Leid wie er durchleiden müssen. Das Eifeldorf und die Umgebung fand ich hervorragend geschildert. Auch die Charaktere empfand ich als authentisch für Region und Zeit. Den zurückhaltenden Schreibstil fand ich für dieses Setting genau richtig; er trug für mich wesentlich zur nüchternen Atmosphäre bei. Dass dem Roman eine wahre Begebenheit zugrunde liegt, habe ich erst aus dem Nachwort erfahren, und dies hat mich fassungslos zurückgelassen.

Klare Leseempfehlung für dieses Stück Zeitgeschichte!

Bewertung vom 09.01.2023
Caroline Märklin - Sie brachte Kinderaugen zum Leuchten, doch kämpfte um ihr eigenes Glück
Feyerabend, Charlotte von

Caroline Märklin - Sie brachte Kinderaugen zum Leuchten, doch kämpfte um ihr eigenes Glück


sehr gut

Von der Regenrinne zur Spielzeugeisenbahn

Das vermeintliche Buch über Spielzeugeisenbahnen entpuppt sich beim Lesen als interessante Zeitreise in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts. Caroline Hettich ist eine selbstbewusste junge Frau mit eigenen Ideen – und damit einfach in der falschen Zeit geboren. Denn im Königreich Württemberg hat sie als Frau kaum eigene Rechte. Ihren Ausweg und auch ihr Glück findet sie in der Heirat mit dem Flaschner Wilhelm Märklin. Mit ihm hat sie einen Partner zur Seite, der ihren Ideen zumindest teilweise aufgeschlossen gegenübersteht, wobei auch er letztendlich nicht ganz aus seiner Haut kann. Es ist sozusagen der Kampf „Regenrinne gegen Spielzeugherd“, also Bewährtes gegen Innovatives. Dennoch ermöglicht Wilhelm Caroline, mit dem Musterkoffer durch Süddeutschland und sogar bis in die Schweiz zu reisen, um so die Firma Märklin nicht nur zu erhalten, sondern auch voranzubringen und bekannt zu machen.

Der Roman liefert wertvolle Einblicke in das Leben der damaligen Zeit und hält schmerzhaft vor Augen, wie wenig Rechte Frauen damals hatten. So bedurfte Caroline etwa einer schriftlichen Genehmigung ihres Mannes, um auf Reisen zu gehen. Auch die Begegnungen mit ausschließlich männlichen Geschäftspartnern sind äußerst aufschlussreich, weil der kompetenten und klugen Frau oft genug allein aufgrund ihres Geschlechts das Gespräch verweigert wird. Die schweren finanziellen Nöte und die weiteren gesellschaftlichen Zwänge sind eindringlich geschildert, doch vor allem Carolines Familie und deren Schicksal bildet den Dreh- und Angelpunkt der Geschichte. Sehr interessant war auch zu hören, wie viele Menschen damals ihr Glück in Amerika gesucht haben und ausgewandert sind. Das Buch enthält wahnsinnig viele Begebenheiten, Anekdoten und Informationen, die leider teilweise für Sprünge und Brüche sorgen. Da hätte ich mir ein wenig mehr Lesefluss gewünscht.

Insgesamt ist es ein sehr interessantes Porträt einer starken Frau, die ihr Leben selbst in die Hand nahm, als die Zeit dies eigentlich nicht vorsah.

Bewertung vom 05.01.2023
Korallenträume und Floridaliebe
Uhmann, Maggie

Korallenträume und Floridaliebe


ausgezeichnet

Bunt und wunderschön wie ein Korallenriff

Schwebend im warmen Wasser über bunten Korallen tauchen – das ist Julias Traum, den sie sich vor dem Antritt ihrer ersten Stelle als Lehrerin erfüllen will. So lässt sie ihre Heimatstadt Wien mit ihrer Mutter, den Geschwistern und ihrem langjährigen Freund hinter sich und stürzt sich ins Abenteuer. Das beginnt leider mit einem ziemlichen Schock, denn kaum angekommen, macht ihr Freund per Telefon Schluss mit ihr! So hatte sich Julia das nicht vorgestellt. Doch da gibt es Korallen, um deren Aufforstung sich Julia kümmern muss, und ihre Zimmergenossin Allie lässt ihr auch keine Zeit für schlechte Laune, und nicht zuletzt wäre da noch Greg mit den meeresblauen Augen, dessen Drohne im Korallenbecken abstürzt.

Julia ist eine vielschichtige Protagonistin. Weil sie nach dem Tod ihres Vaters für die jüngeren Geschwister sorgen musste, war sie in Wien gefangen in Verantwortung und vorgegebenen Bahnen und erlebt nun in Florida eine regelrechte Befreiung. Eine zuckersüße Liebesgeschichte bildet das Sahnehäubchen auf dem Palatschinken.

Der Roman sorgt beim Lesen für eine ordentliche Portion Fernweh: Landschaft und Menschen, Klima, Musik, Gerüche und Farben sind so lebendig geschildert, dass man sich beim Lesen unwillkürlich auf die Florida Keys versetzt fühlt. Das karibische Lebensgefühl und die Leichtigkeit werden hervorragend vermittelt. Dazu kommen wahnsinnig interessante Schilderungen des Korallenriffs und der Aufforstungsarbeit. Auch weitere Gegenden von Florida lernen wir mit Julia kennen bei einem Roadtrip nach Cape Canaveral. Auf dieser Reise fand ich es besonders schön, wie realistisch und nicht beschönigend alles geschildert wird. Hut ab an die Autorin, dass eben nicht alle Motels cleane Designerzimmer haben, und auch einmal ein Blick weg von der Touri-Route auf staubige Parkplätze geworfen wird! Das schenkt der Geschichte mehr Realität und Tiefe.

Für mich war dieser Roman der perfekte Start in das neue Lesejahr!