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Benutzername: 
Igelmanu
Wohnort: 
Mülheim

Bewertungen

Insgesamt 989 Bewertungen
Bewertung vom 13.04.2021
Tod im Koog
Nygaard, Hannes

Tod im Koog


sehr gut

»Das ist Schwester Heike. Die arbeitet bei uns in der Medizin.« Christoph und Große Jäger wechselten einen raschen Blick. Das war nach Schwester Elena, die im Husumer Krankenhaus lag, die zweite Frau, der vermutlich etwas bei der Eröffnungsfeier der Klinik zugestoßen war.

Die große Eröffnungsfeier der neuen „Kurklinik am Wattenmeer“ mit zahlreichen hochgestellten Persönlichkeiten aus Kirche, Politik und Wirtschaft endet in einem Fiasko. Eine der Krankenschwestern wurde vergewaltigt, das verletzte und schwer traumatisierte Opfer kann keine Aussage machen. Das zweite Opfer erst recht nicht, Schwester Heike wurde nahe der Klinik ermordet aufgefunden.

Hauptkommissar Christoph Johannes, Leiter der Husumer Polizeidirektion und sein Team machen sich bei den Ermittlungen schnell unbeliebt, müssen sie doch die genannten (und empörten) Persönlichkeiten nach ihren Alibis fragen und um eine DNA-Probe bitten. Von den ebenfalls anwesenden Handwerkern waren einzelne stark alkoholisiert und äußerten sich den Krankenschwestern gegenüber anzüglich. Aber daraus folgt nicht automatisch eine Vergewaltigung und erst recht kein Mordmotiv. Und wie passen die Hinweise einer Schamanin ins Bild?

Auch der 7. Fall für die Kripo Husum hat mich nicht enttäuscht. Die Reihe steht für reichlich Küstenatmosphäre und flotte Sprüche. Action darf man nicht erwarten, dafür aber solide und realistisch wirkende Ermittlungsarbeit. Mir gefällt das, ich konnte miträtseln und zumindest im Buch ein wenig Nordsee genießen. Christoph Johannes gibt mir zwar als Charakter nicht viel, sein Kollege Wilderich Große Jäger (ja, der heißt wirklich so) ist dafür umso kultiger. Persönlich freue mich immer besonders über die Auftritte des Kollegen von der Spurensicherung aus Flensburg. Wenn der nicht meckern und frotzeln würde, wäre er krank ;-)

Fazit: Viel Küstenatmosphäre und flotte Sprüche, dieser Krimi machte wieder Spaß!

»Wir lassen euch den Bericht zukommen. Per Brieftaube. Oder habt ihr Schlickrutscher schon andere Möglichkeiten?«

Bewertung vom 09.04.2021
Der Mann, der sich in Luft auflöste
Sjöwall, Maj;Wahlöö, Per

Der Mann, der sich in Luft auflöste


sehr gut

»Alf Matsson ist verschwunden«, sagte der Mann theatralisch.
»Aha. Und die Suchmeldungen brachten kein Ergebnis?«
»Es gibt keine Suchmeldung. Und es wird auch keine geben.«

Kommissar Martin Beck will gerade seinen ersten Urlaubstag genießen, als ihn ein dringender Auftrag aus der beginnenden Erholung reißt. Zu Becks Überraschung erhält er seine Instruktionen nicht von seinem Vorgesetzten, sondern vom Außenministerium. Ein schwedischer Journalist ist in Budapest spurlos verschwunden, die Umstände werden als „delikat“ beschrieben.

Beck fliegt nach Ungarn und setzt sich auf die Spuren des verschwundenen Alf Matsson. Davon gibt es allerdings herzlich wenige. Über Matsson findet sich zwar ein Bericht vom Staatsschutz, der Inhalt der Geheimpapiere lässt aber auf einen „selten uninteressanten Menschen“ schließen. So irrt Beck tagelang mehr oder weniger planlos durch die Gegend und muss plötzlich feststellen, dass er selbst zum Gejagten geworden ist…

Auch dieser zweite Fall für Martin Beck konnte mich begeistern. Die Ausgangslage ist wunderbar rätselhaft. Wieso ist Matsson verschwunden, was ist ihm zugestoßen? Und warum bloß soll keine offizielle Suche nach ihm eingeleitet werden? Bei Becks Besuch im Außenministerium fällt das Stichwort Wallenberg-Affäre, die unbedingt vermieden werden muss. (Wallenberg war ein schwedischer Diplomat, der gegen Ende des 2. Weltkriegs in Budapest spurlos verschwand, bis heute ist dieser Fall unaufgeklärt.) Gibt es also womöglich einen politischen Hintergrund? Zur Zeit der Handlung liegt Ungarn ja noch hinter dem berühmten Eisernen Vorhang. Und wer will unbedingt verhindern, dass Beck etwas herausfindet?

Beck nähert sich Schritt für Schritt der Auflösung, die ich als schlüssig und wirklich gelungen empfand. Bis dahin bewegt sich der Leser mit ihm durch einen ruhigen, intelligenten Polizeiroman. Detailreich werden Einzelheiten beschrieben, Beck kann gar nicht anders, als fortwährend zu beobachten und zu analysieren. Eine Berufskrankheit wohl ;-) Wer viel Action mag, kommt hier vermutlich zu kurz, dafür wirkt aber alles sehr realistisch.

Fazit: Rätselhafte Ausgangssituation und eine ruhige, intelligente und realistische Handlung. Wieder ein gelungener Polizeiroman.

Bewertung vom 06.04.2021
Das Versprechen
Dürrenmatt, Friedrich

Das Versprechen


sehr gut

»Wer ist der Mörder?« fragte sie mit einer Stimme, die so ruhig und sachlich war, daß Matthäi erschrak.
»Das werde ich schon herausfinden, Frau Moser.«
Die Frau schaute ihn nun an, drohend, gebietend. »Versprechen Sie das?«
»Ich verspreche es, Frau Moser«, sagte der Kommissär, auf einmal nur vom Wunsche bestimmt, den Ort zu verlassen.
»Bei Ihrer Seligkeit?«
Der Kommissär stutzte. »Bei meiner Seligkeit«, sagte er endlich.

Mägendorf, ein kleiner Ort in der Nähe von Zürich. Frau Moser ist das Schlimmste zugestoßen, was einer Mutter passieren kann. Ihre kleine Tochter Gritli fiel einem Mörder zum Opfer, die kleine Leiche wurde grausam zugerichtet im nahen Wald gefunden. Kommissär Matthäi steht kurz vor seinem Abflug nach Jordanien, wo ein hohes Amt auf den Top-Ermittler wartet. Obwohl er ahnt, dass er es womöglich nicht halten kann, gibt er der verzweifelten Mutter das verlangte Versprechen.

Sexualmorde an Kindern lassen wohl niemanden kalt. In dem kleinen Ort Mägendorf kocht die Volksseele, ein Hausierer ist kurz davor, gelyncht zu werden. Obwohl einiges gegen ihn spricht, glaubt Matthäi nicht an seine Schuld. Der wahre Täter, davon ist er überzeugt, ist noch auf freiem Fuß. Vor Gritli, das weiß er mittlerweile, ermordete er bereits zwei andere kleine Mädchen und wenn ihn niemand stoppt, werden weitere folgen. Der Kommissär entschließt sich zu einem ungewöhnlichen und fragwürdigen Schritt…

Dieses Buch las ich nicht zum ersten Mal, den Film „Es geschah am hellichten Tag“ habe ich schon sehr oft gesehen. Das Thema geht mir immer neu ans Herz, die Umsetzungen sind genial, spannend und machen nachdenklich. Mehr noch als im Film steht hier der Ermittler im Mittelpunkt, seine Vorgehensweise, sein Versprechen. Ich kann nicht behaupten, dass ich ihn sonderlich sympathisch fand. Mir drängte sich der Eindruck auf, dass der Grund, weshalb er sich so in den Fall verbeißt, im Wesentlichen darauf beruht, dass er sein Versagen nicht erträgt. Dazu kommt das Versprechen… wie oft sagt man leichtfertig oder vorschnell etwas zu. Bei Matthäi siegen das Gewissen und der eigene innere Druck. Und ob fragwürdig oder nicht, er zieht alle Register, die zu der damaligen Zeit möglich waren. Das Ende im Roman weicht vom Film ab und ist sehr dramatisch, weil realistischer.

Fazit: Ein Klassiker, der auch beim wiederholten Lesen nicht kalt lässt. Spannend und intensiv.

Bewertung vom 03.04.2021
Burn Case - Geruch des Teufels / Pendergast Bd.5
Preston, Douglas;Child, Lincoln

Burn Case - Geruch des Teufels / Pendergast Bd.5


sehr gut

»Das Opfer trug das Kreuz um den Hals, auf der bloßen Haut. Wie Sie sehen, wurde es bis zum Schmelzpunkt erhitzt und hat sich da, wo es auflag, tief ins Fleisch eingebrannt. Die angrenzenden Hautpartien waren jedoch weder versengt noch gerötet. Es ist mir unerklärlich, wie so etwas möglich ist, zumal das Kreuz selbst stellenweise geschmolzen ist.«

Zwei grausame Morde beschäftigen Special Agent Pendergast und seinen Kollegen D’Agosta. Die Opfer wurden auf höchst ungewöhnliche Weise verbrannt, nämlich von innen nach außen. Und das in einem Szenario, als wäre der Leibhaftige persönlich dafür verantwortlich. Gibt es für so etwas überhaupt eine vernünftige Erklärung? Während sich in New York bereits Menschen um einen Endzeitprediger herum scharen, setzen sich die Ermittler auf die Fersen des teuflischen Verbrechers…

Es war mal wieder Zeit für einen Thriller mit Agent Pendergast. Die ersten vier Bände der Reihe gefielen mir sehr und auch dieser fünfte Band bescherte mir vergnügliche Stunden. Pendergast ist ein echtes Original, cool, hochintelligent, dem Gegner irgendwie immer einen Schritt voraus und mit einem Anzug, dessen Taschen ein unermessliches Fassungsvermögen zu haben scheinen. Was er alles daraus hervorzaubert, kann man nur als Running Gag bezeichnen. Ich habe mich jedenfalls köstlich amüsiert und hatte damit einen angenehmen Gegenpol zu der wirklich ordentlichen Spannung und der stellenweise gruseligen Atmosphäre.

Die Auflösung lässt einen lange rätseln, wissenschaftliche Ausführungen und Mystisches wechseln sich ab. Gleiches gilt übrigens auch für Aspekte aus Pendergasts Privatleben und Umfeld, hier gibt es offenbar in jedem Band ein paar Häppchen und Hinweise. Dieser Bereich baut aufeinander auf, ich würde daher raten, die Reihenfolge der Bände einzuhalten.

Fazit: Flott zu lesender Thriller mit charismatischem Ermittler, Spannung und einem Hauch Mystik.

Bewertung vom 29.03.2021
Sandner, Carolin

"Hauen Sie sich auf die Flöte und singen Sie!" Einblicke in den Alltag einer Logopädin


sehr gut

»Die Frau kämmt die Suppe.«

Einblicke in den Alltag einer Logopädin… auf dieses Buch war ich sehr neugierig! Bevor ich mit dem Lesen begann, dachte ich, dass dieser Alltag im Wesentlichen darin bestehen würde, Kindern das Lispeln abzugewöhnen und Schlaganfallpatienten zu helfen, wieder Sprechen zu lernen. Jetzt, nach einer ausgesprochen kurzweiligen Lektüre, bin ich um einiges schlauer.

Carolin Sandner hat einen sehr angenehmen Stil, leicht verständlich und unterhaltsam. In kurzen Episoden schildert sie ihre Erlebnisse mit einer ganzen Reihe von Patienten unterschiedlichsten Alters und unterschiedlichster Krankheitsbilder. Sehr komplizierte sind dabei, die aber trotzdem mit einfachen Worten erklärt werden. Ich kam aus dem Staunen nicht mehr raus, was es über Lispeln und Schlaganfall hinaus alles gibt! Schon nach wenigen Kapiteln wuchs meine eh schon vorhandene Hochachtung vor diesem Beruf, Frau Sandners eingestreute Berichte über das Logopädie Examen untermauerten das noch zusätzlich.

Wie unglaublich wichtig ihre Aufgabe ist, erschließt sich unmittelbar, die Episoden zeigen die ganze Bandbreite menschlicher Dramen. Entsprechend hatte ich einige Male beim Lesen vor Betroffenheit einen Kloß im Hals, an anderer Stelle konnte ich aber auch herzhaft lachen oder mich über das glückliche und erfolgreiche Ende einer Therapie freuen. Und dann gab es noch die Fälle, bei denen man eigentlich lachen möchte (siehe Eingangszitat), aber realisiert, dass der Hintergrund ein sehr trauriger ist.

Fazit: Ich bin schwer beeindruckt und hatte einiges zum Nachdenken. Tolle Einblicke in einen immens wichtigen Beruf, bei dem Traurigkeit und Lachen zum Alltag gehören.

Bewertung vom 25.03.2021
Verlorenes Land
Sturm, Andreas M.

Verlorenes Land


ausgezeichnet

»Der Fall Rost ist uns entzogen worden. Ab sofort übernimmt die Staatssicherheit. Ihr packt sämtliche Akten zusammen und bringt sie ins Sekretariat.«

Dresden, im Februar 1982. So einfach und schnell kann eine gut laufende Ermittlung in sich zusammenstürzen. Gerade noch freute sich Leutnant Uwe Friedrich, ein Volkspolizist, über die heiße Spur, die ihn womöglich zum Mörder von Siegfried Rost führen könnte, der in der Äußeren Neustadt erschossen aufgefunden wurde. Nun soll er sich stattdessen um einen Stapel ungelöster Altfälle kümmern, doch Uwe will sich damit nicht abfinden und ermittelt heimlich allein weiter. Ohne jedoch zu ahnen, in welches Wespennest er stechen wird…

Die meisten Krimis, die ich lese, empfinde ich als nette und spannende Unterhaltung. Hin und wieder begegnet mir aber einer, der mich zusätzlich aufwühlt und auch noch nach dem Zuklappen des Buchs beschäftigt. Dieser DDR-Krimi ist so einer.
Natürlich habe ich viel über die Stasi gehört, zahlreiche Geschichten über Bespitzelungen und deren oft schreckliche Folgen gelesen, aber wie ein Leben unter solchen Bedingungen sein muss, kann man nur erahnen, wenn man wie ich im Westen geboren wurde. Das Buch, geschrieben von einem gebürtigen Dresdner, vermittelt jedoch eine sehr dichte und intensiv bedrückende Atmosphäre, die mich manches Mal richtig wütend werden ließ. Einfach furchtbar, dieses ständige Misstrauen, diese Ungerechtigkeiten! Wie bringt man bloß in einem solchen Klima den Mut auf, jemandem zu vertrauen? Die üble Frage, was ich selbst in bestimmten Situationen tun würde, nagte an mir.

Die Protagonisten wirken sehr glaubwürdig, vermitteln dem Leser einen ordentlichen Eindruck über das damalige tägliche Leben, seine Schwierigkeiten aber auch schöne Momente. Das Privatleben der Charaktere hat einen viel größeren Umfang, als ich normalerweise mag, aber hier macht es schließlich auch Sinn. Ein Glossar im Anhang erklärt zahlreiche DDR-typische Begriffe und Abkürzungen.

Natürlich muss auch noch ein Mord aufgeklärt werden. Uwe macht das mit viel Einsatz, guten Ideen und den bewährten Mitteln wie Spurensuche und Zeugenbefragungen. Nur halt alles heimlich und mit erheblichem Risiko, denn wie zu erwarten ist man auf ihn aufmerksam geworden. Mehr als einmal muss Uwe den Mut aufbringen, jemandem zu vertrauen. Der ganze Fall wird sehr spannend und trotz aller Schwierigkeiten schlüssig aufgeklärt. Ein Heile-Welt-Ende darf man nicht erwarten, sich aber über das gute Gefühl freuen, dass es auch in einem solchen Umfeld der Angst Menschen gibt, die sich mutig im Rahmen ihrer Möglichkeiten für ein Stückchen Gerechtigkeit einsetzen.

Fazit: Spannender Ausflug in eine Welt, die im Grunde noch so nah ist und doch gefühlt so weit weg.

»Damit das Böse siegen kann, müssen nur anständige Menschen wie du nichts tun.«

Bewertung vom 20.03.2021
Die Tote im Götakanal
Sjöwall, Maj;Wahlöö, Per

Die Tote im Götakanal


sehr gut

»Wir haben sie vor acht Tagen aus dem Wasser gezogen. Mehr wissen wir nicht. Wir wissen nicht, wer sie ist, wir haben keinen Tatort und keine Verdächtigen. Wir haben nicht den geringsten Anhaltspunkt, der in irgendeinem sinnvollen Zusammenhang mit ihr stehen könnte.«

Schweden, 1965. An einem herrlich sommerlichen Julinachmittag wird die Leiche einer Frau aus dem Kanal geborgen. Sie wurde grausam misshandelt, vergewaltigt und erwürgt. Über diese offensichtlichen Dinge hinaus wissen die Ermittler rund um Kommissar Martin Beck herzlich wenig. Die Tote kann nicht identifiziert werden, nirgends wird sie vermisst. Ein hartes Stück Arbeit…

Vor einiger Zeit erfuhr ich von einem lieben Menschen, dass ich eine Bildungslücke hätte, weil ich noch nie einen Krimi von Sjöwall und Wahlöö gelesen hatte. Mit diesem ersten Band der Reihe machte ich mich an die Behebung und war schon nach wenigen Seiten begeistert.

Die Schilderungen wirken in hohem Maß realistisch. Die Ermittlungen dauern, erstrecken sich über mehrere Monate, manchmal treten die Ermittler wochenlang auf der Stelle. Lange suchen sie nach den ersten Ansatzpunkten, immer wieder laufen sie in Sackgassen. Das zermürbt, Beck und seine Kollegen werden physisch und psychisch arg mitgenommen. Ich merkte beim Lesen, wie ich richtig mitlitt, während sie versuchten, ihr Puzzle zu lösen. Vernehmung reiht sich an Vernehmung, Beschattungen dauern gefühlt ewig… ich merkte, wie bei mir immer mehr die Spannung stieg. Wird dieses Mal der Durchbruch gelingen oder erfolgt eine erneute Enttäuschung?

Jede Kleinigkeit ist bei einem solchen Puzzle wichtig. Daher werden auch akribisch Details und einzelne Vorgänge beschrieben, diverse Verhöre gibt es als vollständige Protokolle. Alles recht nüchtern und düster, Privates findet nur am Rande statt, die Ermittlungen haben Priorität. Die Bedeutung der Teamarbeit wird auch ganz deutlich, Kommissar Beck ist clever, aber kein Superstar und hätte ohne sein Team keinen Erfolg erzielt.

Fazit: Ein klassischer Polizeikrimi. Hat mir sehr gefallen, hier lese ich weiter.

Bewertung vom 14.03.2021
Hidden Figures - Unerkannte Heldinnen
Shetterly, Margot

Hidden Figures - Unerkannte Heldinnen


sehr gut

Februar 1962. John Glenn ist perfekt auf seine Mission vorbereitet. Aber kurz vor dem Countdown stellt er eine Bedingung. Er steigt erst ein, wenn Katherine Johnson die Berechnungen des IBM-Computers allesamt von Hand nachgerechnet hat.

Ich kenne die Aufnahmen aus dem Kontrollraum, die damals und in der Folgezeit in alle Welt übertragen wurden. Fasziniert starrte ich auf die konzentriert und wichtig aussehenden Männer und ahnte nicht, dass sich im Hintergrund, unbemerkt und von den Kameras unbeachtet, jemand so Wichtiges für die Mission aufhalten würde wie Katherine Johnson.
Sie und zahlreiche weitere Frauen arbeiteten über Jahrzehnte hinweg im Hintergrund und leisteten unverzichtbare Arbeit. In diesem Buch erzählt Margot Lee Shetterly ihre Geschichte.

Katherine Johnson war wie die Autorin Afroamerikanerin. Frauen im Allgemeinen hatten es schon schwer, sich im Beruf zu behaupten, aber mit einer nicht-weißen Hautfarbe waren die Probleme noch ungleich größer.

Die Frauen, zum Teil hochqualifizierte Mathematikerinnen, rechneten tagein tagaus. Sie führten die kompliziertesten Berechnungen durch – und sie waren dabei sehr gut. Besser als viele der Ingenieure. Doch erst Mitte der 50er Jahre erhielten Rechnerinnen mit einem Abschluss in Mathematik den Titel Mathematikerinnen, Männer mit derselben Ausbildung führten ihn ganz selbstverständlich. Langleys erste Ingenieurin hatte sich 1939 einen Studienplatz gerichtlich erstreiten müssen und eine Frau, die einem Ingenieur zuarbeitete, konnte nicht damit rechnen, ihren Namen irgendwo in der fertigen Forschungsarbeit vorzufinden.

Für viele Männer waren die Rechnerinnen nicht mehr als ein Stück „lebender Hardware“ und die afroamerikanischen mussten zusätzlich noch mit den Problemen leben, die die Rassentrennung mit sich brachte, zum Beispiel weit laufen, um die Toilette mit der Aufschrift „farbige Mädchen“ zu erreichen oder in der Cafeteria an dem Tisch mit der Kennzeichnung „farbige Computer“ sitzen.

Sich da zu behaupten ist schwer. Sehr schwer. Umso bewundernswerter die Geschichte von beispielsweise Katherine Johnson, die die Zeitfenster für die ersten Astronauten berechnete, von Dorothy Vaughan, der ersten afroamerikanischen Abteilungsleiterin, oder von Mary Winston Jackson, die sich bis zur Ingenieurin durchbiss und dann jahrelang auf Fachkonferenzen nicht nur die einzige Frau, sondern auch noch die einzige schwarze Person war.

Die Autorin hat ihr Buch randvoll mit Wissen gepackt. Wer den Film gesehen hat, zum Buch greift und normalerweise keine Sachbücher liest, könnte enttäuscht werden. Das hier ist kein Roman, auch eine Biografie darf man nicht erwarten. Im Wesentlichen wird die Geschichte der amerikanischen Luft- und Raumfahrt erzählt, mit einem Schwerpunkt auf der Mitarbeit der Frauen, die gleichzeitig unverzichtbar und immens wichtig war und doch fast immer nur im Hintergrund ablief.

Ich muss gestehen, dass ich gerne noch mehr über die Frauen erfahren hätte. In Zwischenabschnitten stellt die Autorin einige von ihnen vor, erzählt etwas über ihr Leben, ihre Herkunft und die Probleme, mit denen sie zu kämpfen hatten. Allerdings führt sie gleichzeitig detailliert aus, woran gerade wie gearbeitet und geforscht wurde. Zudem beschreibt sie stets genau, wie sich die jeweils aktuelle Situation in der Problematik der Rassentrennung entwickelte. Das ist alles hochinteressant und wichtig, doch manches Mal wurden die Geschichten der Frauen so stark unterbrochen, dass sie in den Hintergrund gerieten. Das fand ich sehr schade, genau das sollte doch bei diesem Buch nicht geschehen. Ein wenig mehr Struktur wäre gut gewesen und vielleicht noch ein paar zusätzliche Seiten über die einzelnen Frauen, damit man ihnen beim Lesen noch näherkommen könnte. Diesen Frauen, die es schafften, Rassenschranken zu überwinden und die den Weg ebneten für unzählige weitere Frauen.

Fazit: Sehr beeindruckende Lektüre, die Geschichte dieser starken Frauen fasziniert und sollte unbedingt weiter

Bewertung vom 11.03.2021
Wisting und der Atem der Angst / William Wisting - Cold Cases Bd.3
Horst, Jørn Lier

Wisting und der Atem der Angst / William Wisting - Cold Cases Bd.3


ausgezeichnet

»Wir haben die Kontrolle über die Zielperson verloren. Er ist bewaffnet und bewegt sich zu Fuß in südöstlicher Richtung.«

Eine Ortsbegehung wird zum Desaster. Tom Kerr, ein zu 21 Jahren plus anschließender Sicherungsverwahrung verurteilter Serienmörder, hat angeboten, die Polizei zu der Stelle zu führen, an der er ein weiteres Opfer vergraben hat. Trotz umfangreicher Sicherheitsmaßnahmen gelingt Kerr eine spektakuläre Flucht. Eine brandgefährliche Situation, Kerr gilt als Raubtier, das mit Sicherheit weiter morden wird. Doch die Lage ist tatsächlich noch schlimmer, denn seit mittlerweile 5 Jahren fahnden die Ermittler schon nach „dem Anderen“. Kerr agierte nicht allein, sein Partner im Verbrechen gilt als hochintelligent, hat mit Sicherheit Kerrs aufsehenerregende Flucht geplant und auch bereits angefangen, die Serie allein fortzusetzen…

Auch dieser dritte Cold Case für Kommissar Wisting fesselte mich von der ersten Seite an. Der Autor hat es wirklich raus, die Handlung lief stetig wie ein Film vor meinem inneren Auge ab. Präzise werden die Flucht und die anschließende Jagd beschrieben, natürlich verschwindet innerhalb kurzer Zeit erneut eine junge Frau und an anderer Stelle wird eine Leiche gefunden, die eindeutig zu den Tätern passt. Das Ziel der Ermittler ist ganz klar: Kerr und den Anderen finden. So schnell es geht. Und möglichst natürlich, bevor die junge Frau ebenfalls zur Leiche wird.

Wisting, sein Kollege Stiller von der Cold Case Unit in Oslo und Wistings Tochter Line, eine freiberufliche Journalistin, sind zutiefst schockiert, als sie Details über die Praktiken der Mörder erfahren. Ein Horrortrip in die Tiefen der menschlichen Psyche. Der Fokus liegt auch bei diesem Krimi wieder klar bei der akribisch geschilderten Polizeiarbeit, Täter „bei der Arbeit“ erlebt man nicht. Trotzdem ist das, was aus Akten und Gesprächen hervorgeht, heftig und nicht für sensible Leser geeignet. Zudem wird es speziell zum Ende hin sehr spannend, bei mir wurde beinahe schon beim Lesen ein Fluchtreflex ausgelöst ;-)

Das Privatleben der Ermittler ist nur von untergeordnetem Interesse, es gibt weder persönliche Dramen, noch nettes Geplänkel oder gar Liebesgeschichten. Dafür aber stimmige, spannende und realistische Polizeiarbeit. Ich freue mich schon auf den nächsten Band, der kommenden Monat erscheint. Nach meiner Einschätzung (bislang drei gelesene Bände der Reihe) können alle unabhängig voneinander gelesen werden.

Fazit: Wer ist der Andere? Intelligenter Krimi, spannend und mit viel Realismus.

Bewertung vom 06.03.2021
Wisting und der fensterlose Raum / William Wisting - Cold Cases Bd.2
Horst, Jørn Lier

Wisting und der fensterlose Raum / William Wisting - Cold Cases Bd.2


ausgezeichnet

»Die Ermittlungen müssen vertraulich erfolgen. Der Fall hat große Sprengkraft. Clausen war vier Jahre Außenminister und hat eine zentrale Rolle im Verteidigungsausschuss gespielt. Hier können nationale Interessen auf dem Spiel stehen.«

Kommissar William Wisting hat in seiner bereits langen Zeit als Ermittler schon viel erlebt. Doch ein Besuch im Büro des norwegischen Generalstaatsanwalts war nicht dabei. Und nun erhält er von ihm auch noch einen Geheimauftrag, dessen Brisanz sich unmittelbar erschließt. Der norwegische Spitzenpolitiker Clausen verstarb an einem plötzlichen Herzinfarkt und hinterließ ein Wochenendhaus, in dem sich nicht nur die bei einem überraschenden Tod herumstehenden Essensreste befanden, sondern mehrere Kartons voller Geld. Dollar, Euro und Pfund im Gegenwert von über achtzig Millionen Kronen.
Korruption, heimliche Geldreserve eines Außenministers, abgezweigte Staatsgelder… oder womöglich ein ganz anderer Ansatz? Wisting und sein kleines Ermittlerteam, zu dem auch seine Tochter Line, eine Journalistin und Adrian Stiller von der Cold Case Unit gehören, sehen viel Arbeit auf sich zukommen. Bei der sie dann auf einen großen Raubüberfall stoßen, der zwanzig Jahre zurückliegt und nie aufgeklärt wurde. Aber wieso sollte das Geld zwei Jahrzehnte lang in einer Hütte herumstehen? Und was hat es mit dem anonymen Hinweis auf sich, der Clausen mit dem ebenfalls ungeklärten Verschwinden eines jungen Mannes in Verbindung bringt?

Mein zweiter Fall für Wisting und ich bin bereits ein großer Fan dieser Reihe. Akribisch und realistisch werden die Ermittlungsarbeiten beschrieben und es dauert, bis sich Stückchen für Stückchen alle Teile zusammenfügen. Immer wieder tauchen neue Ansatzpunkte auf, manche verlaufen sich, andere stellen sich als neue Aspekte heraus. Die Kreise ziehen sich immer weiter – unfassbar, wer so alles beteiligt ist! Mir machte es enormen Spaß, da mit zu ermitteln!

Auch die Spannung kam nicht zu kurz. Im Gegenteil. Je weiter die Ermittlungen fortschreiten, desto mehr wird auch die Gefahr klar, die sich daraus ergibt. Es steht viel auf dem Spiel und einige Beteiligte müssen das auf grausame Art erfahren. Speziell im letzten Drittel mochte ich das Buch gar nicht mehr aus der Hand legen.

Die Ermittlungen stehen bei dieser Reihe klar im Vordergrund. Über Wisting und seine Tochter Line erfährt man als Leser genug, um einen Zugang zu den Charakteren zu haben, darüber hinaus ist ihr Privatleben aber nur von untergeordnetem Interesse. Wer viel Wert auf Zwischenmenschliches legt, dem wird hier womöglich was fehlen. Auch witzige Wortgefechte finden nicht statt und die Ermittler erscheinen als ganz normale Menschen ohne traumatische Vergangenheit, Drogen- oder psychische Probleme. Für mich ist das super, ich kann mich mit ihnen identifizieren und mich so wie sie völlig auf die Ermittlungen konzentrieren. Perfekt, gerne mehr davon!

Fazit: Spannend, fesselnd, realistisch – perfekte Krimiunterhaltung. Ich stürze mich gleich auf den nächsten Band.