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Bücherfreundin

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Insgesamt 300 Bewertungen
Bewertung vom 14.08.2022
Fischers Frau
Kalisa, Karin

Fischers Frau


gut

Geschichte über zwei Frauen und einen Fischerteppich
Der Droemer Knaur Verlag hat "Fischers Frau" veröffentlicht, den neuen Roman von Karin Kalisa.
 
Die Kuratorin Mia Sund ist Faserarchäologin in Greifswald und analysiert alte Gewebespuren. Als ihr Kollege Holger Berends ihr einen Wandteppich mit den Worten "Nicht, dass es eine Fälschung ist" auf den Tisch legt, ist sie zunächst wenig begeistert. Bei näherer Betrachtung des Teppichs ist sie jedoch fasziniert von den unterschiedlichen Grüntönen, die sie in diesen Changierungen auf einem Teppich nie zuvor gesehen hat. Nach intensiver Prüfung und Recherche erkennt sie, dass es sich um einen Fischerteppich aus Pommern handeln muss. Ende der Zwanziger Jahre des vorigen Jahrtausends wurde wegen Überfischung der südlichen Ostsee ein dreijähriges Fangverbot verhängt. Um ihren Lebensunterhalt zu sichern, begannen die Fischer, Teppiche mit maritimen Motiven zu knüpfen, die sich sehr gut verkauften.
 
Mia glaubt, in der Bordüre des Teppichs den Frauennamen "Nina" zu erkennen. Obwohl sie durch ihre Vergangenheit sehr belastet ist und ein zurückgezogenes Leben führt, verlässt sie ihre gewohnte Umgebung und begibt sich auf Spurensuche. Diese führt sie nach Zagreb, wo sie hofft, das Rätsel um Nina zu entschlüsseln. Sie ahnt nicht, dass diese Reise ihr Leben verändern wird.
 
Die Geschichte ist in sehr kunstvoller Sprache geschrieben, die ich recht gewöhnungsbedürftig fand. Am besten hat mit der Teil gefallen, der in Zagreb spielt. In diese Handlung konnte ich sehr gut eintauchen und Mias Begeisterung nachempfinden. Hochinteressant und faszinierend fand ich die Historie der pommerschen Fischerteppiche und die Schilderung diverser Knüpf- und Färbetechniken. Der Roman spielt auf zwei verschiedenen Zeitebenen und enthüllt nach und nach Ninas, aber auch Mias Geschichte.

Das Buch begann recht zäh, und es brauchte etliche Seiten, bis ich mich an den eher ungewöhnlichen Schreibstil mit den langen Sätzen gewöhnt hatte. Der zweite Teil - die Reise nach Zagreb - las sich angenehm flüssig. Im dritten und letzten Teil finden sich dann wieder vermehrt diese verschachtelten Sätze, die für mich nicht immer einen Sinn ergaben.
Ich fand den Roman leider stellenweise etwas langatmig und wenig fesselnd. Mir fehlten die Emotionen, dadurch sind mir die Figuren fremd geblieben.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 09.08.2022
Die Köchinnen von Fenley
Ryan, Jennifer

Die Köchinnen von Fenley


gut

Warmherziger Roman mit Schwächen
Die englische Autorin Jennifer Ryan war mir bislang kein Begriff, aber der Klappentext ihres neuen Buches "Die Köchinnen von Fenley" machte mich sehr neugierig. Es geht in dem Roman um vier englische Köchinnen, die zwei Jahre nach Beginn des Zweiten Weltkriegs an einem Kochwettbewerb des Radiosenders BBC teilnehmen, um ihre persönlichen Lebensumstände zu verbessern. Ich hoffte auf gute und interessante Unterhaltung, aber ich wurde leider nicht glücklich mit dem Buch.
 
Die Geschichte spielt im dritten Jahr des Zweiten Weltkriegs in Fenley, einem kleinen englischen Dorf in der Nähe von London. Vier Frauen stehen im Mittelpunkt:
Zu Beginn lernen wir Audrey Landon kennen. Die 40jährige zieht ihre 3 Söhne allein groß, da ihr Ehemann Matthew kurz nach Kriegsbeginn gefallen ist. Trotz ihrer Witwenrente ist sie auf ein Zubrot angewiesen, das sie sich mit dem Verkauf ihrer selbstgebackenen Kuchen verdient. 
Lady Gwendoline Strickland, Audreys 38jährige ehrgeizige Schwester, hat einen wohlhabenden Ehemann. Sie zeigt Hausfrauen in Kochvorführungen, wie sie aus den wenigen rationierten Lebensmitteln schmackhafte und gesunde Gerichte kochen können. Gwendoline ist nicht glücklich in ihrer Ehe, und das Verhältnis zu Audrey ist zerrüttet.
Die schüchterne und ängstliche Nell Brown ist 19 Jahre alt und arbeitet als Küchenmädchen bei Lady Strickland. Sie unterstützt dort die Köchin, Mrs. Quince. Nell hofft auf ein selbstbestimmtes Leben in Freiheit.
Die vierte im Bunde ist die 32jährige Zelda Dupont, die kriegsbedingt als Küchenchefin in der Betriebskantine der Fenley Pie Factory arbeitet. Sie war zuvor Restaurantchefin in London und ist schwanger.
 
Die Radiosendung "The Kitchen Front" des BBC veranstaltet einen Kochwettbewerb, um den britischen Hausfrauen beim Kochen mit rationierten Lebensmitteln Tipps zu geben. Die Siegerin wird die erste Co-Moderatorin neben Ambrose Hart. Die vier Köchinnen stellen nun jeden Monat ihre Vor-, Haupt- und Nachspeisen vor. Jede Teilnehmerin gibt alles, um zu gewinnen.
 
Der Roman ist in sehr schlichtem Sprachstil erzählt, er liest sich flüssig. 
Sehr interessant fand ich die Beschreibung der Vorbereitungen des Wettbewerbs, des Ausprobierens und des Vorstellens der endgültigen Speisen vor Publikum. Hier lief mir manches Mal das Wasser im Mund zusammen, vor allem bei den Desserts. Auch die Schilderung der damaligen Lebensumstände hat mir gefallen. Die Autorin hat sehr gut beschrieben, welche Probleme die Frauen während des Kriegs hatten, mit den rationierten Lebensmitteln klarzukommen.
An fast jedes Kapitel schließt sich ein Rezept für eine Speise an, die vorgestellt wurde - eine schöne Idee.
 
Die Handlung des Romans erstreckt sich über einen Zeitraum von nur wenigen Monaten. In diesen wenigen Monaten passiert sehr viel, zu viel, wie ich finde. Es geht nicht nur um den Kochwettbewerb, sondern auch um Liebe und Freundschaft, Familie, Tod und Trauer, um Rivalität und Kriminalität. Die Charaktere, anfangs teilweise noch mit Ecken und Kanten, werden immer flacher. Im Verlaufe des Buches werden die Handlungsstränge zunehmend unglaubwürdiger und vorhersehbarer. Schon sehr früh wird jeder sich denken können, wer den Wettbewerb gewinnen wird. Das Ende habe ich als recht kitschig empfunden.

Es gab sachliche Fehler, die mich gestört haben. An einer Stelle ist vom Kauf eines Fernsehers die Rede - Anfang der vierziger Jahre gab es in England noch keine Fernseher, sie hielten dort erst in den fünfziger Jahren Einzug. Dass Audrey ein Telefon besitzt, ist für mich nicht glaubwürdig. In der Zivilbevölkerung gab es damals mit Sicherheit kaum Telefone, eher in privilegierten Haushalten, öffentlichen Einrichtungen und Geschäften.

Schade, dass die wirklich interessante Grundidee nicht authentisch umgesetzt wurde!

Bewertung vom 01.08.2022
Lügen über meine Mutter
Dröscher, Daniela

Lügen über meine Mutter


ausgezeichnet

Aufwühlende Familiengeschichte
In ihrem neuen Roman schildert Daniela Dröscher die Geschichte ihrer Familie in den achtziger Jahren.

Ela ist zu Beginn des Buches 6 Jahre alt und lebt zusammen mit ihren Eltern und Großeltern in einem Haus im Hunsrück. Ihr Vater ist besessen von dem Gedanken, dass seine Frau zu dick ist. Ständig thematisiert er ihr angebliches Übergewicht und fordert sie zur Gewichtsreduzierung auf. Auf seinen Wunsch hin tritt Elas Mutter eine Kur an und kehrt zu seiner Freude sichtbar schlanker nach Hause zurück. Doch ihr Erfolg ist von kurzer Dauer, und die alte Problematik ist wieder da. Das schöne Gesicht seiner Frau genügt dem Vater nicht, Schönheit ist für ihn untrennbar verbunden mit Schlankheit. Auch in anderen Lebensbereichen ist ihm eine schöne Optik wichtig. Er fährt schöne Autos, baut ein schönes Haus. Er möchte eine schöne, schlanke Frau zum Vorzeigen an seiner Seite, und er schämt sich nicht nur für sie wegen ihres Übergewichts, sondern gibt ihr auch die Schuld an seinen beruflichen Misserfolgen. Es bleibt nicht aus, dass sich die Scham des Vaters auch auf Ela überträgt, die unter den häuslichen Problemen sehr leidet.

Die Mutter unternimmt immer wieder alles, um dem Schönheitsideal ihres Mannes zu entsprechen und nimmt dafür sogar einen operativen Eingriff auf sich. Auf der einen Seite kämpft sie für ihre Ziele, gibt aber auf der anderen Seite vieles auf, um allen gerecht zu werden. 

Es hat mich erschüttert, dass das Familienleben derart vom Thema Übergewicht bestimmt wurde. Elas Mutter hatte keinen leichten Stand in der Familie, da nicht nur ihr Ehemann, sondern auch ihre Schwiegermutter ihr das Leben schwer machte. 

Die Geschichte, die in der Ich-Form aus Elas Perspektive geschrieben ist, liest sich sehr flüssig, der intelligente Erzählstil hat mir sehr gut gefallen. Die Autorin erzählt fesselnd aus ihrer Erinnerung, hinterfragt aber auch in den kurzen Zwischenkapiteln kritisch die Themen Abnehmen und Diäten. In diesen Zwischenkapiteln hat sie nicht nur ihre Gedanken aus heutiger Sicht festgehalten, sondern auch ihre Mutter im Hier und Heute befragt.

Das Buch hat mich gefesselt, wütend auf den egoistischen Vater, gleichzeitig aber auch sehr betroffen und nachdenklich gemacht. Ich habe mich oft gefragt, warum Elas Mutter nicht aus ihrer Ehe geflohen ist, zumal die Geschichte nicht in den fünfziger Jahren spielt, als die Frauen weniger Rechte und Möglichkeiten hatten als in den achtziger Jahren. Ich habe mitgelitten und ständig gehofft, dass diese starke und empathische Frau bald einen Weg in ein selbstbestimmtes Leben findet. 

Ich kann den Roman sehr empfehlen - 5 Sterne von mir!

3 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 30.07.2022
Dachs und Rakete. Ein Haus voller Freunde
Isermeyer, Jörg;Schüttler, Kai

Dachs und Rakete. Ein Haus voller Freunde


ausgezeichnet

Gelungene Fortsetzung mit Herrn Dachs und der Schnecke Rakete
Wie schön, dass es weitergeht mit Herrn Dachs, dem Tüftler, und seiner Freundin, der süßen Schnecke Rakete! Jörg Isermeyer hat eine unterhaltsame Fortsetzung über die beiden liebenswerten Freunde geschrieben. 
 
Im ersten Band wurden Herr Dachs und Rakete aus ihrem Bau auf dem Land vertrieben, damit ein Freizeitpark mit Naturerlebnisqualität errichtet werden konnte. Die beiden mussten sich ein neues Zuhause in der Stadt suchen und haben sich nach anfänglichen Schwierigkeiten und Herausforderungen gut eingelebt.
 
Der zweite Band der Reihe schildert ihre Erlebnisse mit der Hausgemeinschaft. Herr Dachs steht den Bewohnern mit Rat und Tat zur Seite und ist daher oft mit seinem Werkzeugkoffer im Haus unterwegs. Im ersten Kapitel werden sie von Oma Käthe zu einem Besuch auf dem Rummelplatz eingeladen. Es wird ein schwindelerregender Ausflug für die beiden Freunde. Am nächsten Tag repariert Herr Dachs in der Wohnung der Eichhörnchen eine durchlöcherte Wand. Dabei kommt ihm eine Idee: man könnte doch eine Murmelbahn quer durchs ganze Haus bauen. Gesagt, getan, das ist aber nicht das einzige Abenteuer der beiden. Beim Hüten der 8 Meerschweinchenkinder erleben alle einen gruseligen Abend, sie erhalten zum ersten Mal Post und erleben einen aufregenden Theaterabend.

Das sehr hochwertig gestaltete Buch ist auf 123 Seiten in 14 auch unabhängig voneinander zu lesende Kapitel unterteilt. Es richtet sich an Kinder ab etwa 5 Jahren. Die warmherzige und mit viel Humor geschriebene Geschichte eignet sich ganz wunderbar zum Vorlesen, aber auch Erstleser werden an dem schönen Buch ihre Freude haben. Der Schreibstil ist kindgerecht, die Schrift groß und sehr gut lesbar. Die zauberhaften und detaillierten Illustrationen von Kai Schüttler ergänzen die Kapitel. Herr Dachs und seine kleine Freundin Rakete sind einfach zum Verlieben und werden die kleinen Leser wieder total begeistern. Ich hoffe auf weitere Leseabenteuer von Herrn Dachs und Rakete!
 
Auch für den zweiten Band über Herrn Dachs und Rakete  gibt es von mir eine unbedingte Vorlese- und Leseempfehlung sowie 5 Sterne!

Bewertung vom 23.07.2022
Tiefes, dunkles Blau
Kobler, Seraina

Tiefes, dunkles Blau


sehr gut

Gelungener Auftakt einer neuen Krimireihe
Der Diogenes Verlag hat den ersten Band der neuen Zürich-Krimireihe von Seraina Kobler veröffentlicht.
Im Mittelpunkt des Geschehens steht die 37jährige Seepolizistin Rosa Zambrano. Da sie sich von ihrem Freund Leo getrennt hat und bisher keine neue Partnerschaft eingegangen ist, lässt sie sich in der Kinderwunschpraxis von Dr. Moritz Jansen Eizellen entnehmen und einfrieren, um sicherzustellen, dass sich ein späterer Kinderwunsch erfüllen wird. Kurze Zeit nach dem Eingriff wird die Leiche des Arztes aus dem Zürichsee geborgen.

Der Tote führte nicht nur seine Kinderwunschpraxis, er war außerdem Teilhaber eines Biotech-Unternehmens mit dem Schwerpunkt Genforschung, dessen Chefin ein Motiv für die Tat zu haben scheint. Dr. Jansen lebte in Scheidung, seine Noch-Ehefrau gerät unter Verdacht, ebenso die neue Frau an seiner Seite. Darüber hinaus gab es regelmäßíge Kontakte zu Damen eines Escort-Services. Rosa wird beauftragt, gemeinsam mit dem Kriminalpolizisten Martin den Fall aufzuklären.

Der eigentliche Kriminalfall steht hier nicht im Vordergrund - das muss man mögen. Die Autorin, selbst in Zürich lebend und ihre Stadt liebend, nimmt uns mit auf eine interessante Stadtführung. Die Beschreibungen der Orte nehmen teilweise sehr viel Raum ein, auch das muss man mögen. Mir hat es gefallen, so viel über Zürich zu erfahren. Des weiteren erfährt der Leser viel über das Privatleben der äußerst sympathischen Rosa: ihre Familie und Freunde, ihre Vorliebe für den kleinen Garten und ganz besonders ihre Kochkünste.

Dass das Buch ganz ohne Gewaltbeschreibungen auskommt, hat mir sehr gut gefallen, da ich leise Krimis liebe. Leider blieb die eigentliche Krimihandlung etwas zu sehr im Hintergrund. Erst im letzten Drittel des Buches nimmt die Geschichte Fahrt auf. Dennoch hat mir der Roman von Seraina Kobler viel Lesefreude bereitet, und ich habe mich sehr gern in die schöne Stadt Zürich entführen lassen.

Der Auftakt der neuen Krimireihe ist unterhaltsam, den ruhigen und schönen Schreibstil der Autorin fand ich großartig. 

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 20.07.2022
Dienstmädel in Bella Italia
Peer, Sabine

Dienstmädel in Bella Italia


sehr gut

Von Südtirol nach Italien
Sabine Peer erzählt in ihrem lesenswerten Buch "Dienstmädel in Bella Italia" die Geschichten von 5 jungen Frauen aus Südtirol in den fünfziger und sechziger Jahren. Die Bauerntöchter sind zwischen 17 und 20 Jahre alt, stammen aus eher ärmlichen Verhältnissen und haben den Mut und die Entschlossenheit, ihre Heimat zu verlassen, um nach Italien zu gehen. Sie hoffen, in dem fremden Land dessen Sprache zu erlernen und ihr eigenes Geld zu verdienen. 

Auf 198 Seiten begleiten wir Maria, Herta, Helene, Othilde und Edeltraud. Sie treffen es bei ihren italienischen Dienstherren ganz unterschiedlich an. Während Maria als Gesellschafterin der Hausherrin eingestellt wird und nur wenige Pflichten hat, stellt der Aufenthalt in Rom Herta wegen ihrer verschwiegenen Schwangerschaft vor große Probleme. Helene, die nach Genua geht, um als Kindermädchen zu arbeiten, verlässt nach 2 Jahren das Land und arbeitet später für ein Jahr bei einer Londoner Familie, die sie herzlich aufnimmt. Othilde ist für 8 Jahre in Mailand. Von der ersten Familie wird sie ausgenutzt und muss für einen freien Sonntag Vormittag kämpfen, mit der zweiten Familie hat sie dann mehr Glück. Edeltraud verbringt sogar 10 Jahre in Mailand und Portofino. Sie findet als Köchin Anerkennung.

Jedes der fünf Kapitel beginnt mit einem großen Schwarz-Weiß-Foto der jeweiligen Protagonistin - eine schöne Idee.
Die biografischen Geschichten basieren auf Gesprächen mit den Protagonistinnen bzw. deren Kindern. Sie sind in einfacher Sprache und dennoch beeindruckend erzählt. Ich konnte mich sehr gut in die 5 Frauen hineinversetzen und habe ihren Mut, ihr Glück in der Fremde zu suchen, bewundert. Die Lebensumstände der jungen Frauen werden sehr präzise beschrieben. 

Sehr gut hat mir gefallen, dass die Autorin die damalige politische Situation Südtirols sowie die geschichtlichen Hintergründe ausführlich erläutert hat. 

Bewertung vom 19.07.2022
Frühling, Sommer, Herbst und Zesel / Grimm und Möhrchen Bd.2
Schneider, Stephanie

Frühling, Sommer, Herbst und Zesel / Grimm und Möhrchen Bd.2


ausgezeichnet

Wie schön - es geht weiter mit Grimm und Möhrchen!
Der Verlag DTV Junior hat Stephanie Schneiders Fortsetzung von "Grimm und Möhrchen" veröffentlicht. In dem wunderbar gestalteten und sehr hochwertigen Kinderbuch dreht sich wieder alles um den liebenswerten Buchhändler Grimm und das süße Möhrchen, den kleinen Zesel. Seit der kleine Zesel in das Haus mit der schiefen Sieben eingezogen ist, ist Grimm nicht mehr einsam, denn der pfiffige Zesel hat neuen Schwung in sein Leben gebracht. Gemeinsam haben die beiden schon viele Abenteuer erlebt. 

Wir treffen in der gelungenen Fortsetzung auch Feline wieder, die Feuerwehrfrau, in die Grimm heimlich verliebt ist, und auch Rudi, der Tankwart ist und Grimms Freund. Grimm und Möhrchen teilen ihren Alltag und erleben wieder so manches Abenteuer. In diesem Buch geht es um die Jahreszeiten und die damit verbundenen zahlreichen Traditionen. Die beiden verkleiden sich zu Karneval, verbringen einen Tag am Badesee, gehen auf Urlaubsreíse, schreiben dem Weihnachtsmann, und am Ende des ereignisreichen Jahres bekommen sie unerwarteten Besuch von Tante Camembert aus Paris. 

Das 144 Seiten umfassende Buch ist in 13 auch unabhängig voneinander zu lesende Kapitel gegliedert. Es richtet sich an Kinder ab etwa 5 Jahren. Die warmherzigen und mit viel Humor geschriebenen Geschichten eignen sich ganz wunderbar zum Vorlesen, werden aber auch kleine Erstleser zum Selberlesen animieren. Der Schreibstil ist kindgerecht, die Schrift groß und sehr gut lesbar. Die zauberhaften und detailreichen Illustrationen von Stefanie Scharnberg ergänzen die Geschichten. Sogar die beiden Lesebändchen sind wieder enthalten: eins in schwarz, eins in weiß, genau passend zum Zesel. 

Auch für den zweiten Band über Grimm und Möhrchen gibt es von mir eine unbedingte Vorlese- und Leseempfehlung sowie 5 Sterne!

Bewertung vom 19.07.2022
Die Ewigkeit ist ein guter Ort
Noort, Tamar

Die Ewigkeit ist ein guter Ort


sehr gut

Beeindruckender Roman über eine Lebenskrise
Der Kindler Verlag hat  mit "Die Ewigkeit ist ein guter Ort" den Debütroman der Niederländerin Tamar Noort veröffentlicht. 
 
Im Mittelpunkt der Geschichte steht die junge Theologin Elke aus Köln. Seit dem Abschluss ihres Studiums arbeitet sie ehrenamtlich als Seelsorgerin in einem Seniorenheim. Als Norddeutsche kann sie dem Kölner Karneval nichts abgewinnen und hat sich daher über die Tollen Tage freiwillig für den Seelsorge-Dienst gemeldet. Am Karnevalsdienstag wird sie zu Alma gerufen, die im Sterben liegt. Als sie am Bett der alten Dame das Vaterunser beten will, versagt ihr Gedächtnis - sie bringt das Gebet nicht über die Lippen. Ihr Gedächtnis lässt sie im Stich, sie hat nicht nur das Vaterunser vergessen, sie hat auch keine Erinnerung an alle anderen Gebete und Kirchenlieder.
 
Elke ist verzweifelt, sie glaubt, an einer Gottdemenz zu leiden und sucht vergeblich ärztlichen Rat. Auch ein gemeinsamer Urlaub mit ihrem Freund Jan auf Pellworm bringt keine Änderung der Situation. Seit zwei Jahren ist sie mit Jan zusammen, der Software-Entwickler mit eigener Firma, leidenschaftlicher Hobbykoch - und Atheist ist.

Elke befindet sich in einer Lebenskrise, die durch den Wunsch der Eltern, die Pastorenstelle ihres Vaters zu übernehmen, verstärkt wird. Sie reist in ihre alte Heimat und wird dort mit ihrer Vergangenheit konfrontiert. Endlich setzt sie sich mit dem tragischen Ereignis, das bereits 15 Jahre zurückliegt und Elke und ihre Eltern in tiefe Trauer stürzte, auseinander ... 
 
Die Geschichte wird in der Ich-Form aus Elkes Perspektive in ruhiger und schöner Sprache erzählt. Das Buch der Autorin, die bereits 2019 für einen Auszug dieses Romans mit dem Hamburger Literaturpreis ausgezeichnet wurde, hat mich sehr beeindruckt und nachdenklich gemacht. Es ist eine Geschichte über Sinnsuche, Verluste, Verdrängung und Sprachlosigkeit, aber auch über die Liebe und das Leben. Gern empfehle ich dieses Buch mit Tiefgang - 4 Sterne!

Bewertung vom 18.07.2022
Susanna
Capus, Alex

Susanna


ausgezeichnet

Spannender Roman über eine engagierte Frau
Der Hanser-Verlag hat das neue Buch "Susanna" von Alex Capus veröffentlicht. Ich kenne bisher noch keine Werke des Autors und war daher sehr neugierig auf den Roman.

"Susanna" beginnt mit der spektakulären Ankunft des "Wilden Mannes" am 13. Januar 1849 im Hafen von Basel. Einmal im Jahr kommt dieser auf seinem Floß an, und alle Bewohner der Stadt strömen herbei, um dem traditionellen Ereignis beizuwohnen. Auch die fünfjährige Susanna Faesch gehört mit ihrer Familie zu den Schaulustigen. Seit 6 Jahren verkörpert der Kutscherknecht Anton Morgenthaler den Wilden Mann. Als er ans Ufer springt, bemerkt er, dass ein kleines Mädchen am Boden liegt. Er will das anscheinend gestürzte Kind hochheben. Susanna erschrickt, in ihrer Angst wehrt sie sich und sticht dabei dem Mann mit ihrem Zeigefinger ein Auge aus. Am Nachmittag unterzieht der Vater, Lukas Faesch, das Kind einem väterlichen Strafprozess, in dem er abwechselnd die Rolle des Anklägers und die des Verteidigers übernimmt. Die ganze Familie muss den Monologen des Vaters beiwohnen, ebenso der seit einigen Wochen bei der Familie weilende Freund des Vaters, der Arzt Karl Valentiny. Die Männer kennen sich seit der Zeit, als sie gemeinsam im algerisch-marokkanischen Grenzgebiet dienten.

Als Karl fünf Jahre zuvor aus der Fremdenlegion nach Dortmund heimkehrt, überredet ihn sein Vater, seinen Freund, einen Hausarzt ohne eigene Praxis, nach dessen Schlaganfall zu vertreten. Karl übernimmt die Tätigkeit für einige Jahre und gerät in Schwierigkeiten, nachdem er Schusswaffen seiner Patienten reinigte und reparierte. Er ahnt nicht, zu welchem Zweck die Waffen eingesetzt werden und flüchtet nach Basel zu seinem Freund Lukas. Als seine Besuchserlaubnis abläuft, wandert er nach Amerika aus. Ein Jahr später folgt ihm Maria, Susannas Mutter, gemeinsam mit ihrer Tochter. Die Söhne bleiben beim Vater. Maria hatte sich während Karls Aufenthalt in Basel in ihn verliebt, sich ihm allerdings nie offenbart. Ihr Ehemann lässt sie gehen, nimmt ihr aber das Versprechen ab, niemals zurückzukommen.

Der zweite Teil des Buches schildert das Leben von Karl, Maria und Susanna in Brooklyn. Karl praktiziert als Arzt, Maria unterstützt ihn, und Susanna betätigt sich ab dem 14. Lebensjahr als erfolgreiche Porträtmalerin, was ihr früh zu einem eigenen Einkommen verhilft. Jahre später heiratet sie den jungen Arzt Claude. Nach Erhalt einer größeren Erbschaft macht sich Susanna mit ihrem 13jährigen Sohn Christie auf den beschwerlichen Weg in das Dakota-Territorium, um den dort lebenden Häuptling Sitting Bull vor den drohenden Gefahren durch amerikanische Soldaten zu warnen.

Das Buch basiert auf der Lebensgeschichte von Caroline Weldon geb. Susanna Caroline Faesch, einer schweizerisch-amerikanischen Bürgerrechtlerin und Künstlerin des späten 19. Jahrhunderts und Aktivistin in der National Indian Defense Association. Dem Autor ist es hervorragend gelungen, Fakten und Fiktion zu einer spannenden Geschichte zu verbinden.

Alex Capus beherrscht die Kunst des Erzählens, das Buch ist in wunderschönem, lebendigem Sprachstil geschrieben und hat mich bis zum Ende gefesselt. Der Autor hat die einzelnen Charaktere sehr authentisch gezeichnet. Die Protagonisten waren mir äußerst sympathisch, und es hat mir sehr viel Freude gemacht, in diese Zeit des 19. Jahrhunderts einzutauchen. Egal, ob es um die Begegnungen mit dem Kutscherknecht, die Schilderung der Jahre in der Fremdenlegion oder die Zeit in Amerika ging - ich habe mich keine Sekunde gelangweilt und mich sehr gut unterhalten gefühlt!

Von mir unbedingte Leseempfehlung und wohlverdiente 5 Sterne!

Bewertung vom 12.07.2022
Jahre mit Martha
Kordic, Martin

Jahre mit Martha


ausgezeichnet

Beeindruckender und berührender Roman mit Tiefgang
Der Fischer Verlag hat nach "Wie ich mir das Glück vorstelle", dem ersten, mehrfach ausgezeichneten Roman von Martin Kordic, nun dessen zweites Buch "Jahre mit Martha" veröffentlicht.

Der Roman erzählt die Geschichte des zu Beginn des Buches 15jährigen Schülers Zeljko, der mit seiner Familie, die aus Herzegowina stammt, in einer Zweizimmerwohnung in Ludwigshafen lebt. Der Vater ist Bauarbeiter und während der Woche auf Montage, die Mutter hat mehrere Putzstellen. Zeljko hat einen älteren Bruder, Krudo, und eine kleine Schwester namens Ljuba. Auf dem 40. Geburtstag seiner Mutter lernt Zeljko Martha Gruber kennen. Martha ist Professorin für Literatur und lebt in Heidelberg. Regelmäßig fährt Zeljkos Mutter nach Heidelberg, um Marthas Haus zu putzen. Während eines mehrwöchigen Ferienjobs bei Martha lernt Zeljko diese näher kennen. Er ist fasziniert von ihrer Bildung und ihrem Leben und verliebt sich in sie. Martha gewährt ihm Zugang zu ihrer umfangreichen Bibliothek, und Zeljko kann seinen literarischen Hunger stillen. Während der letzten Woche seiner Tätigkeit bei Martha kommen sie sich nach einem Opernbesuch näher, an einem Badesee kommt es zum ersten Kuss. Danach trennen sich ihre Wege.

Zeljko ist ein hervorragender Schüler, der dank des Einsatzes einer Lehrerin von der Realschule auf das Gymnasium wechselt. Nach dem Abitur erhält er ein Stipendium der Universität München. Martha, die er seit Jahren nicht gesehen hat, verhilft ihm durch eine Bürgschaft zu einer Unterkunft. An der Universität lernt er den angesehenen Literaturprofessor Alex Donelli kennen, der ihm eine Stelle als persönlicher Assistent verschafft. Es kommt zum Zerwürfnis, nachdem Donelli Zeljko die Zustimmung zur Prüfung seiner Abschlussarbeit verweigert. 

Martha und Zeljkos Liebe entwickelt sich sehr langsam, zwischen ihren Begegnungen liegen manchmal Jahre. Es ist Martha, die ihn zur Feier seines Studienabschlusses begleitet und die ihm beim Tod eines Familienmitglieds zur Seite steht.
Der Eintritt ins Berufsleben gestaltet sich schwierig, und nach Jahren der Suche findet Zeljko endlich berufliche Erfüllung ....

Das Buch ist in der Ich-Form aus der Perspektive Zeljkos geschrieben. Der intelligente Erzählstil ist ganz wunderbar, das Buch hat mich von der ersten Seite an gefesselt. Der Autor beschreibt sehr liebevoll die Verbindung zwischen Zeljko und Martha, aber schildert auch auf sehr eindrucksvolle Weise die Schwierigkeiten, die sich für Zeljko aus seiner Herkunft ergeben und das damit verbundene Gefühl, nicht wirklich dazuzugehören in diesem Land, in dem er aufgewachsen ist. 

Der Roman, der mich zutiefst berührt hat, ist bereits jetzt für mich ein Lesehighlight dieses Jahres, und ich freue mich schon auf den nächsten Roman von Martin Kordic. Unbedingte Leseempfehlung von mir für diesen wunderbaren und beeindruckenden Roman mit Tiefgang und wohlverdiente 5 Sterne!

3 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.