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Benutzername: 
Lunamonique
Wohnort: 
Bremen

Bewertungen

Insgesamt 414 Bewertungen
Bewertung vom 17.06.2018
Stille Feinde / Isaiah Quintabe Bd.2
Ide, Joe

Stille Feinde / Isaiah Quintabe Bd.2


sehr gut

„Stille Feinde“ ist nach „IQ“ der zweite Band der Thriller-Reihe um Privatdetektiv Isaiah Quintabe von Autor Joe Ide. I.Q. hat gleich zwei kniffelige Fälle zu lösen.

Der Tod seines geliebten Bruders Marcus lässt Isaiah nicht mehr los. Es tauchen Spuren auf, die alles in einem anderen Licht erscheinen lassen. Marcus' damalige Freundin Sarita beauftragt Isaiah mit einem heiklen Fall. Ihre Halbschwester Janine und deren Freund Benny haben sich mit Spielschulden in eine gefährliche Lage manövriert.

Eine Entdeckung wühlt alte Wunden auf. Der Prolog stellt das Emotionale und Rätselhafte in den Vordergrund und zeigt Isaiahs Hartnäckigkeit. Er wird nicht eher ruhen, bis er den Tod seines Bruder aufgeklärt hat. Warum musste Marcus vor acht Jahren sterben? Die innige Beziehung der beiden Brüder berührt. Mit Saritas Auftrag steigt die Gefahr für Isaiah und seinen Freund Dodson. Auf Janine und Benny hat es nicht nur eine Gang abgesehen. Frauen im Thriller wie Sarita, Deronda und Cherise haben Persönlichkeit und Köpfchen. Sie sind alles Andere als blasse Nebenfiguren. IQ's Intelligenz, Kombinationsgabe, Mut und Entschlossenheit sind gefordert. Janine und Benny aus dem Schlamassel zu holen erweist sich als Höllenaufgabe. Streitigkeiten mit Dodson machen es nicht einfacher. IQ als einsamer Wolf, der sich langsam einer Einsicht nähert, überzeugt. Die Übermacht der Feinde, Kampfszenen und ausweglose Situationen, Pulp Fiction-Flair kommt mit der Unberechenbarkeit einiger Protagonisten auf. Das Rätsel um Marcus' Tod zieht sich wie ein roter Faden durch den Thriller. Lange bleibt das Motiv undurchsichtig. Explosive Stimmungen, hochkochende Gefühle, alles läuft mehr und mehr aus dem Ruder. Hass und Rache, auch Isaiahs gnadenlose Seite wird deutlich. Die Anzahl der Feinde steigt. Wer wird überleben, wer bleibt auf der Strecke? IQ ist immer wieder für Überraschungen gut. Das Himmelfahrtskommando steuert auf einen packenden Showdown zu. Gibt es einen Ausweg? Alles scheint verloren. Überraschende Wendungen zum Schluss, eine Portion Humor darf nicht fehlen. Im letzten Buchdrittel dreht die Geschichte noch einmal voll auf. Die Auflösung zum Tod des Bruders ist gut platziert. Auch ohne Cliffhanger weckt der Ausklang auf ganz eigene Art die Neugierde auf den nächsten Band.

Der Titel fasst den Inhalt treffend zusammen. Das Cover erregt mit seiner kreativen Gestaltung Aufmerksamkeit. „Stille Feinde“ erfüllt die Erwartungen. Ein filmreifer Thriller, der sich schnell zum Pageturner entwickelt. Etwas verwirrend sind manchmal die abrupten Handlungswechsel und der Einschub zum Prolog. Die Vielzahl an gelungenen, sehr unterschiedlichen Charakteren lässt die Story realitätsnah und lebendig wirken. Ein fesselnder Roadmovie.

Bewertung vom 11.06.2018
Dunkles Arles / Capitaine Roger Blanc ermittelt Bd.5
Rademacher, Cay

Dunkles Arles / Capitaine Roger Blanc ermittelt Bd.5


sehr gut

„Dunkles Arles“ ist nach „Mörderischer Mistral“, „Tödliche Camargue“, „Brennender Midi“ und „Gefährliche Côte Bleue“ Band 5 der Captaine Roger Blanc-Krimireihe von Autor Cay Rademacher. An einem historischen Ort überschlagen sich die Ereignisse.

Captaine Roger Blanc trifft sich heimlich mit Untersuchungsrichterin Aveline Vialaron-Allègre in Arles. Ihr Ehemann soll keinen Verdacht schöpfen. In die trügerische Sicherheit platzt ein Mord. Aveline ist Zeugin und schwebt in ständiger Gefahr, vom Täter aufgespürt zu werden.

Ein römisches Amphitheater als Kulisse. Der ungewöhnliche Ort sorgt für Atmosphäre. Zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt werden Roger und Aveline in einen undurchsichtigen Fall verwickelt. Die überraschenden Wendungen und ein anziehendes Tempo reißen mit. Welches Motiv hat der Täter? Ein übermächtiger Gegner, der immer einen Schritt voraus zu sein scheint. Für Roger und Aveline zieht sich die Schlinge immer mehr zu. Auch die Police National hat die beiden im Visier. Es bleibt ihnen nichts Anderes übrig als den Fall selbst zu lösen. Die Zeit drängt. Detaillierte Beschreibungen verstärken die Eindrücke von den wechselnden Handlungsorten. Arles erweist sich als perfekte Kulisse für einen rasanten Krimi. Die ständig lauernde Gefahr sorgt für anhaltende Spannung. Was verheimlicht Aveline? Die Untersuchungsrichterin bleibt undurchsichtig. Ihr Geheimnis entwickelt sich zum roten Faden der Geschichte. Hat Roger Blanc noch etwas unter Kontrolle oder ist er längst nur ein Spielball der Akteure und Ereignisse? Eine weitere rätselhafte Rolle spielt sein Kollege Marius. Hohe Erwartungen auf einen rasanten, spektakulären Showdown und eine überraschende Auflösung werden geschürt. Filmreife Verfolgungsjagden, ein bisschen erinnert der Krimi an „The Da Vinci Code – Sakrileg“ mit Tom Hanks. Ausgerechnet zum Ende nimmt der Plot an Raffinesse ab. Roger und Aveline haben in brenzligen Situationen zu oft zu viel Glück oder eine Situation löst sich zu harmlos auf. Es wird immer wieder unnötig der Dampf raus genommen. Das letzte Buchdrittel enttäuscht mit zu wenig Tempo, einem viel zu kurzen Showdown und eher langatmigen Erklärungen. Auf den letzten Buchseiten wird unnötig haufenweise Potential verschenkt. Das Mitfiebern mit Roger und Aveline gerät ins Stocken. Ein ausschlaggebendes Geheimnis wird nicht aufgelöst, und es gibt auch keinen Cliffhanger. Auch wenn sich erahnen lässt, dass es vielleicht im nächsten Band mehr Infos zu Aveline und weiterreichende Erklärungen gibt. Das reicht nicht aus, um zufriedenzustellen. Sehr schade! Der Provence-Krimi hat über lange Strecken überzeugt und mit Haupt- und Nebenfiguren gefesselt.

Der Titel hinterlässt Eindruck. Die Kulisse passt zum Inhalt und stimmt auf tolle Handlungsorte ein. Auch die Farben sind gut gewählt. „Dunkles Arles“ ist bis aufs Ende ein gelungener Provence-Krimi. Roger Blanc lässt sich ein bisschen zu oft ausbooten, kaltstellen oder manipulieren. Trotzdem bleibt er ein sympathischer Ermittler mit Persönlichkeit. Das Siezen zwischen Roger und Aveline wirkt störend. Auch wenn es darum geht, eine Fassade zu bewahren, zu oft ist das Siezen fehl am Platz und sorgt für eine anhaltende, kaum nachzuvollziehende Distanz. Das Positive wiegt das Negative größtenteils auf. „Dunkles Arles“ eignet sich gut als Urlaubslektüre.

Bewertung vom 31.05.2018
Fake
Rayburn, James

Fake


sehr gut

James Rayburn ist das Pseudonym des südafrikanischen Schriftstellers, Drehbuchautors, Regisseurs und Produzenten Roger Smith. In seinem neuesten Thriller „Fake“ läuft ein Täuschungsmanöver aus dem Ruder.

Die 33jährige Catherine Finch arbeitet als freiwillige Ärztin in Syrien. Sie gerät in die Fänge des IS und wird für Propaganda-Videos missbraucht, die sie aber für ihre Zwecke nutzen kann. Ein Drohnen-Angriff erfolgt ausgerechnet zu dem Zeitpunkt, als sie sich im Versteck des Chefpropagandisten des Kalifats Ahmed Assir aufhält. Der Tod von Catherine torpediert die Friedensverhandlungen.

Catherine Finchs Lage erscheint hoffnungslos, bis Ahmed Assir sie zu einem Gespräch einbestellt. Die Wendungen der Ereignisse sind effektvoll in Szene gesetzt. Der Thriller wird in verschiedenen Handlungssträngen erzählt. Zur Schlüsselfigur entwickelt sich der ehemalige CIA-Führungsoffizier Pete Town. Eigentlich schon im Ruhestand erhält Pete einen heiklen Auftrag. Der Tod von Catherine Finch, die zum Friedenssymbol geworden ist, droht alles zu verändern. Pete soll auf spezielle Weise Schadensbegrenzung betreiben. Wird es ihm gelingen, Zeit zu schinden? Kurze Kapitel sorgen für ein gutes Erzähltempo. Die Gefahr für Pete und alle anderen Beteiligten steigt. Erst langsam laufen die Fäden zusammen. Auf der Seite der Gegner agiert ein skrupelloser, kaltblütiger Killer. Mit seinem Auftauchen nehmen Gewalt und Brutalität zu. Unterschiedliche Interessen sorgen für Chaos. Manches wirkt einleuchtend, anderes überzeichnet. Die Grenze zwischen Gut und Böse verschwimmt. Kaum einer ist frei von Schuld. Wer als Nebenfigur zwischen die Fronten gerät wird zum Spielball. Ein Großteil der Charaktere hat etwas Abgedroschenes, Austauschbares. Pete und ein Helfershelfer heben sich ab. Es fällt leicht mit ihnen mitzufiebern. Winkelzüge sind gut gedacht. Schicksale enttäuschen. Nicht jede Handlung, Unvorsichtigkeit ist nachzuvollziehen. Die Geschichte wirkt etwas zu heroisch und amerikanisch. Mit sich überschlagenden Ereignissen pendelt sich die Spannung auf einem hohen Niveau ein. Wer bleibt auf der Strecke, wer überlebt? Schockmomente wechseln sich ab. Einiges ist nicht vorhersehbar. Nicht jede 180 Grad-Wendung hätte sein müssen. Das letzte Buchdrittel steuert auf eine Art Showdown zu. Wer zieht an welchen Strippen? Erst zum Schluss wird die Wahrheit deutlich. Es bleibt Unerklärliches. Nicht alle Fragen werden beantwortet.

Der prägnant kurze Titel und eine düstere Szene ziehen die Aufmerksamkeit aufs Buch. Das Cover passt gut zum wendungsreichen Thriller. „Fake“ erfüllt die Erwartungen. Ein packend erzählter Thriller, der sich schnell zum Pageturner entwickelt. Nicht alle Entwicklungen stellen zufrieden. Zu viel Gewalt und Zerstörung, Abgeklärtheit und Kaltblütigkeit, zu viele Tote. Beängstigend ist die durchscheinende Realität.

Bewertung vom 20.05.2018
Alicia verschwindet
Sachau, Matthias

Alicia verschwindet


ausgezeichnet

„Alicia verschwindet“ ist das neueste Werk von Autor Matthias Sachau. Seit seinem Debütroman „Schief gewickelt: ein Paparoman“ von 2007 hat er fast ein Dutzend Romane veröffentlicht. Zuletzt „Mit Flipflops ins Glück“.

Robert Arlington-Stockwell macht sich Sorgen um seine beste Freundin Alicia. Sie ist seit fast einer Woche verschwunden und geht nicht ans Handy. Aus dem Zwei-Zeilen-Brief von ihr wird er nicht schlau. Um das Rätsel zu lösen, macht er sich auf die Suche nach weiteren Hinweisen.

Der Einstieg mit dem Gespräch im altehrwürdigen Londoner Gentleman´s Club lässt die passend gediegene englische Atmosphäre aufkommen. Robert kennt Dr. Heathcliff kaum, vertraut ihm aber die Geschichte um Alicias Verschwinden an. Was steckt dahinter? Von Anfang an wirkt die Hauptfigur sympathisch. Er erzählt auf detaillierte Weise von seiner abenteuerlichen Suche und zieht damit nicht nur den Psychiater Heathcliff in seinen Bann. Alicia gibt Robert ein Rätsel auf, das schwer zu knacken ist. Jedes Puzzlestück setzt neue Spekulationen in Gang. Nichts ist eindeutig. Die Palette der Möglichkeiten setzt Robert in Zugzwang. Was kann Alicia gemeint haben? Ein feines Gespür und Kombinationsgabe sind gefragt. Die Geschichte um Roberts Spontanreise, unter anderem in seine Vergangenheit, hat einen hohen Unterhaltungswert. Ist er auf der richtigen Spur oder verfranzt er sich mit jeder neuen Interpretation? Das Rätselspiel bringt Robert mehr Lebenserfahrung als die letzten Jahrzehnte. Als Upperclass-Söhnchen fehlte es ihm immer an Zielstrebigkeit. Davon ist plötzlich nichts mehr zu spüren. Auf einer seiner Reisestationen wird Robert mit dem Thema „Demenz“ konfrontiert. Warmherzige und berührende Szenen. Beide Handlungsstränge, das Männer-Gespräch und die Suche, sorgen für eine mitreißende Atmosphäre. Auch der Humor kommt nicht zu kurz. „Mein innerer Gentleman und mein innerer Angsthase duellierten sich über mehrere Runden. Zuvor hatten sie es noch nie miteinander zu tun gehabt.“ Roberts Verwandlung wird immer greifbarer. Was ist ihm wirklich wichtig? Perspektivwechsel, überraschende Wende und erneutes Rätsel. Ein charmanter, liebevoll konstruierter Plot, der zu Herzen geht. Von Anfang bis Ende stimmig, emotionsgeladen mit einer Prise Spannung. Ein Buch zum Dahinschmelzen.

Die Coverszene führt etwas in die Irre, lässt aber die richtigen Fragen aufkommen. Warum verschwindet Alicia? Was steckt hinter dem Rätsel? Der Titel in blutrot fällt ins Auge. „Alicia verschwindet“ ist eine filmreife Erzählung, die noch lange nach dem Zuklappen des Buches nachklingt. Auch die Charaktere bleiben im Gedächtnis. Ein sehr empfehlenswerter Roman, für alle, die die kleinen Geschichten des Lebens lieben, mit dem Gedanken spielen, aus dem Gewohnten auszubrechen oder einen Anstoß für eine mutige Entscheidung brauchen.

Bewertung vom 15.05.2018
Auf zerbrochenem Glas / Nik Pohl Bd.1
Hartung, Alexander

Auf zerbrochenem Glas / Nik Pohl Bd.1


sehr gut

„Auf zerbrochenem Glas“ von Autor Alexander Hartung bildet den Auftakt zur Thriller-Serie um Kriminalkommissar Nik Pohl. Ein Vermisstenfall entpuppt sich als Spitze vom Eisberg.

Bei seinem Vorgesetztem und Partner hat Nik Pohl kein Stein im Brett. Er ist aufbrausend, unbeherrscht und bedient sich gerne unkonventioneller Mittel. Computer-Hacker Jon macht Niks Schwachstelle aus und erpresst ihn, den Vermisstenfall Viola Rohe neu aufzurollen. Nik ahnt nicht, in welches Wespennest er sich mit seinen heimlichen Ermittlungen setzt.

Der Prolog mit beklemmenden Szenen ist ein guter Einstieg in die Geschichte und lässt Fragen aufkommen. Ungewöhnlich, dass nicht der Täter selbst am Werk ist. Handlungswechsel, Nik entspricht nicht dem Bild eines in sich ruhenden, beliebten Kommissars. Er überschreitet unsichtbare Grenzen. Der Anti-Held wirkt besonders im ersten Buchdrittel zu überzeichnet. Überzeugend sind seine Beobachtungs- und Kombinationsgabe und später auch Tricks und Raffinesse. Mit Jon ändert sich das Blatt für Nik. Er hat nicht mehr alles in der Hand. Sein Gegenspieler zieht an den Fäden. Wer ist für das Verschwinden von Viola verantwortlich? Mit seinen Recherchen steigt die Gefahr für Nik. Überraschungseffekte werden gut inszeniert. Das Undurchsichtige sorgt für Spannung. Es gibt keine unnötigen Abschweifungen. Das Tempo bleibt auf einem mittleren Niveau. Die Herausforderungen für Nik wachsen. Nicht ganz nachvollziehbar, dass er auch bei schwereren Verletzungen einsatzfähig bleibt und Schmerzen und Beeinträchtigungen ausblenden kann. Nebenfigur Balthasar bringt Humor ins Spiel. Szenen mit ihm lockern die Geschichte auf. Auch Jon entpuppt sich immer mehr als interessante Persönlichkeit. Niks Feind bleibt bis zum Schluss im Dunkeln. Wer steckt hinter allem? Spekulationen führen ins Nichts. Es gibt lange keine Anhaltspunkte, nur ein Schattenprofil. Bei der Auflösung wird nicht wie erhofft ein packender Überraschungseffekt ausgespielt. Der viel zu kurz geratene Showdown kann die hohen Erwartungen nicht erfüllen. Das Böse ist zu überzeichnet und klischeebelastet. Eine ungewöhnlicher, trickreicher Gegner hätte besser gepasst. Dem Ende wurden viel zu wenig Seiten gewidmet. Gelungen ist der Epilog als Ausklang.

Der Titel fällt mit wenigen Mitteln ins Auge. Eine Fluchtszene aus dem Buch hätte das Cover aufgepeppt. „Auf zerbrochenem Glas“ bietet gute Thriller-Unterhaltung. Ganz wurde das Potential nicht ausgeschöpft. Der Epilog weckt die Neugierde auf Band 2. Nicht nur ein Wiedersehen scheint garantiert.

Bewertung vom 11.05.2018
Das korsische Begräbnis / Korsika-Krimi Bd.1
Falconi, Vitu

Das korsische Begräbnis / Korsika-Krimi Bd.1


gut

„Das korsische Begräbnis“ von Autor Vitu Falconi bildet den Auftakt zur Krimireihe um Chefinspektor Mahmoud Clément und Lieutnant Philippe Renard.

Die korsische Mafia rechnet mit einem Verräter ab. Haben sie ihn zu früh beseitigt? Ein Terroranschlag lässt Fragen aufkommen. Steht ein Bandenkrieg bevor? Nicht das einzige Problem des Santini-Clans. Schriftsteller Eric Marchand taucht im Ort auf und sorgt mit einer Provokation und Behauptung für Unruhe.

Der Einstieg mit einer ausweglosen Situation ist gelungen. Was hat es mit den Andeutungen auf sich? Die Geschichte wird in mehreren Handlungssträngen erzählt, die langsam zusammenlaufen. Das Thema „Schriftsteller mit Schreibblockade“ wirkt anfangs etwas abgedroschen. Entscheidend sind die Entwicklungen um Eric. Was hat es mit seiner Familiengeschichte und dem Nachlass seiner Mutter auf sich? Pensionswirtin Madame Borghetti bringt mit ihrer speziellen Art zum Schmunzeln. Es fällt auf, dass alle wichtigen Frauen in diesem Krimi besondere Persönlichkeiten mit Ausstrahlung sind und eine taffe Art an sich haben. Sie laufen den eigentlichen Hauptfiguren den Rang ab. Nicht alles ist schlüssig. Warum offenbart sich Eric ausgerechnet seinem Erzfeind? Ein Medaillon ist mal aus Silber, mal aus Gold. Obwohl ausgebuffter Profiler begeht Eric nicht nur einen entscheidenden Fehler. Nicht ganz so fließend in die Geschichte integriert wirken oft die Details zu Korsika, Historisches und Traditionen. Auch die Dialoge haben öfters etwas Holpriges.
Für Spannung sorgen eine Verfolgungsjagd und ein rätselhafter Gegner. Wer legt sich mit dem Santini-Clan an? Das Undurchsichtige und die Frage nach dem Motiv erweist sich als fesselnder roter Faden. Spekulationen werden in Gang gesetzt, die aber keine greifbare Richtung finden. Das Geheimnis um Erics Familiengeschichte dagegen wird etwas zu sehr in die Länge gezogen. Es fällt schwer ihm abzunehmen, dass er nicht konsequenter nachfragt und wissen will, was los ist. Allein Neugierde und die seltsamen Vorkommnisse müssten ihn abtreiben, das Rätsel schnellst möglich zu lüften. Streckenweise gelungen undurchsichtig, nimmt ausgerechnet zum Showdown das Tempo ab. Das Thema „Rituale“ wird etwas überstrapaziert. Erzählstil und Vergleiche überzeugen nicht, und die Entscheidungen der Gegenspieler sind immer weniger nachvollziehbar. Besonders im letzten Buchdrittel wurde Potential verschenkt. Eine erhoffte Auflösung wird als unzufriedenstellender Cliffhanger genutzt. Es fehlen entscheidende Seiten, die dem Krimi viel an Energie und packenden Szenen hätten bringen können. Sehr schade.

Titel und Coverszene mit dem Mausoleum wecken die Neugierde. Der ungewöhnliche Handlungsort hat ebenfalls Anziehungskraft. „Das korsische Begräbnis“ trumpft einerseits mit originellen Ideen und gelungenen Spannungsmomenten auf, kann aber andererseits die sich auftürmenden Erwartungen nicht erfüllen. Ein durchwachsener Krimi der aber als Urlaubslektüre nicht nur auf Korsika funktionieren könnte.

Bewertung vom 06.05.2018
Barbarentage
Finnegan, William

Barbarentage


ausgezeichnet

„Barbarentage“ von Journalist und Autor William Finnegan wurde 2016 mit dem Pulitzerpreis im Bereich Biografie / Autobiografie ausgezeichnet. Die Leidenschaft zum Surfen bestimmt William Finnegans Leben.

„Ich surfte schon seit drei Jahren, als mein Vater die Stelle bekam, die uns nach Hawaii führte.“ William Finnegan ist 13 Jahre alt, als die Familie nach Honolulu umzieht. An der Junior Highschool Kaimuki Intermediate wird William in die Rolle eines Außenseiters gedrängt. Raufereien sind an der Tagesordnung. Schultyrannen, Rassenprobleme, Einsamkeit, beim Surfen überwindet William Angstgrenzen und findet Augenblicke des Glücks.

Die Geschichte beginnt 1966 auf Honolulu. Williams Eltern ahnen nichts von seinen Schwierigkeiten an der Schule. Er macht alles mit sich alleine aus, hält sich an den Ehrenkodex unter Jungs. Wie kann William aus dem Kreislauf von Schlägen und Misshandlungen entkommen? Der Surfclub „Southern Unit“ wird zum Rettungsanker. Ein Junge, der unbeirrt seiner Leidenschaft nach geht und eine immer größere Faszination für den Surfsport entwickelt. Williams Jagd nach der besten Welle, die detaillierten Beschreibungen des ungestümen Meeres und der Herausforderungen jedes einzelnen Spots reißen mit. Selbst Fachbegriffe werden nicht zum Hindernis und erklären sich aufgrund von Meeresszenen-Wiederholungen schnell von selbst. Aus Mitgefühl für William wird bald Bewunderung. Er geht trotz aller Hindernisse seinen Weg und bewahrt sein unbändiges Freiheitsgefühl. Aus Mister Zuverlässig wird ein Aussteiger und Lebenskünstler, der aber nie Ausbildung und Studium ganz aus dem Blick verliert. Hawaii, Los Angeles, Südsee, Australien, William lebt als junger Mann seinen Traum und löst Fernweh beim Leser aus. Durch ihn erscheint es so leicht, die Welt zu erobern. „Ich schloss die Augen. Ich spürte das Gewicht unerschlossener Welten, ungeborener Sprachen. Das war es, wonach ich suchte: nicht Exotik, sondern eine breite, stabile Einsicht, wie die Dinge lagen.“ Lebensphasen und Stationen, Reise- und Surfpartner, die Liebe, von Anfang bis Ende reißt die Biografie mit, das Surffieber als stets köchelnde Flamme. Eine ungebrochene Neugier und jungenhafte Forschheit bis ins Alter. „Darum ging es: All dieser Schönheit nahe zu sein – mehr als nur nahe, in ihr aufzugehen, von ihr durchdrungen zu sein. Die körperlichen Gefahren waren nur Beiwerk.“ Eine unglaubliche Reise mit dem Autor in seine persönliche Welt. Journalist, Kriegsreporter, Familienmensch, Erinnerungen voller Leidenschaft und Herzenswärme. Wandel und Veränderung und doch eine wesentliche treibende Kraft, die nie versiegt. Nicht nur eine Hommage ans Surfen.

Das Cover entführt in eine andere Zeit und hält einen besonderen Moment fest. Passend und eindringlich ist der Titel. Der Blick des Jungen fesselt. Eine tolles Cover, das keine auffälligen Farben braucht, sondern von der Fotoperspektive lebt. „Barbarentage“ steht für Freiheit, Abenteuer und Lebenslust. Es macht Mut, unbeirrt seinen eigenen Weg zu gehen. Stolpersteine wie Zweifel gehören dazu. Nicht nur für Biografie- und Surffans sehr empfehlenswert. Das Glossar typischer Surfbegriffe am Ende des Buches lädt Neulinge zum Stöbern und Nachlesen ein.

Bewertung vom 28.04.2018
Das Mädchen, das in der Metro las
Féret-Fleury, Christine

Das Mädchen, das in der Metro las


gut

Nach „Dornröschentod“ ist „Das Mädchen, das in der Metro las“ das neueste Werk in deutscher Übersetzung von Autorin Christine Féret-Fleury. Juilette ist von der Welt der Bücher fasziniert.

Die lesenden Menschen in der Metro sind Juilettes liebste Beobachtungsobjekte. Ihre Arbeit in der Immobilienagentur ist nicht sehr abwechslungsreich. Eines Tages begegnet Juilette der 10jährigen Zaïde, die ihr spontan einen Kurierjob bei ihrem Vater Soliman vermittelt.

Die Geschichte beginnt mit Juilettes Beobachtungen in der Metro, den Gewohnheiten des Mannes mit dem grünen Hut. „Gewöhnliche Tage. An solchen Tagen hat man den Eindruck, Teil einer gut geölten Maschine zu sein, eines großen mechanischen Apparats, in dem jeder seinen Platz findet und sich einfügt.“ Für Juliette ist die Fahrt in der Metro zur Arbeit etwas Besonderes. Sie kann ihren Gedanken, Interpretationen freien Lauf lassen, trifft auf bekannte Gesichter. Was lesen die Menschen in der Metro? Darin unterscheidet sie die Charaktere, an der Wahl ihrer Lektüre. Seltsamerweise entsteht weder zur Hauptfigur noch zu den Nebenfiguren Nähe und doch hält Juilette den Lesern dieses Buches den Spiegel vor Augen. Ihr Leben ist eingefahren. Sie hat sich an das Alltägliche gewöhnt. Mit Zaïde tritt eine spontane und unabwendbare Veränderung ein. Das Bild mit den verrosteten Torflügeln, die nur von einem dazwischen geklemmten Buch abgehalten werden, schwer zu zufallen, ist gelungen. Zaïde und ihr Vater Soliman bringen Herzenswärme in die Geschichte. Originell ist die Idee der Bücherkuriere. Soliman schafft es, mit seiner speziellen Art Juilette an die Wand zu spielen. Er hat eine Aufgabe, ein Ziel und damit Juilette Einiges voraus und das, obwohl er ein sehr zurückgezogenes Leben führt. Kurze Kapitel unterstreichen die Skurrilität. Ist es wirklich möglich, mit einem Buch Kraft, Mut und Unbeschwertheit zu verschenken? Es geht um Nächstenliebe, Feingefühl. Wer ist heutzutage noch bereit, anderen Menschen ohne Gegenleistung etwas Gutes zu tun? Eine leise Geschichte mit Augenblicken, die erst im Nachhinein besonders erscheinen und Abenteuern, die eigentlich keine sind. „Die Landschaft eines Buches konnte einen dazu verführen, in sie einzutauchen, erinnerte sie sich jetzt. Dort zu verweilen und ein neues Leben zu beginnen.“ Das Ende ist originell, hat Charme und animiert dazu, selbst aktiv zu werden.

Das Cover passt zu Juilettes Bücherfaszination und dem feinsinnigen Stil der Geschichte. Der Titel weckt mit seiner Schlichtheit die Neugierde. Sehr gut sind die zurückhaltenden Farben gewählt. „Das Mädchen, das in der Metro las“ offenbart seine Botschaft erst im Laufe der Geschichte. Wer ungewöhnliche Bücher mag, die zum Nachdenken anregen, liegt mit diesem Werk richtig.

Bewertung vom 24.04.2018
Wahrheit gegen Wahrheit
Cleveland, Karen

Wahrheit gegen Wahrheit


ausgezeichnet

„Wahrheit gegen Wahrheit“ ist das Debüt von Autorin Karen Cleveland. Der Thriller wird mit Charlize Theron in der Hauptrolle verfilmt. Eine Entdeckung lässt das bisherige Leben von Viv wie ein Kartenhaus zusammenfallen.

CIA-Spionageabwehranalystin Vivian Miller will mit einem speziellen Algorithmus das Agentennetzwerk russischer Schläfer enttarnen. Das könnte ihre langersehnte Beförderung bedeuten. Zusammen mit Kollege Omar vom FBI fiebert sie auf den entscheidenden Tag hin. Viv gelingt der Zugriff auf den Computer eines russischen Agentenbetreuers. Als sie einen Ordner mit fünf Fotos öffnet, wird alles, an das sie bisher geglaubt hat, in Frage gestellt.

Die Geschichte wird in der Ich-Perspektive aus Sicht von Viv erzählt. Sie ist mit Software-Entwickler Matt 10 Jahre glücklich verheiratet und hat mit ihm vier Kinder. Der Einstieg mit dem Prolog weist auf eine ausweglose Situation hin. Was ist Viv gezwungen zu tun? Ein Rückblick, zwei Tage zuvor, lässt die Ereignisse Revue passieren. Von Anfang an baut sich Spannung auf. Vivs Recherchen steuern auf einen ersten Erfolg zu. Was wird sie finden? Die Wahrheit ist schockierend. Noch besteht Hoffnung auf eine Erklärung. Es fällt leicht, mit Viv mitzufühlen. Ehe, Familie, alles steht auf dem Spiel. Die Wende ist effektvoll inszeniert. War alles auf einer Lüge aufgebaut? Beide Hauptfiguren haben Persönlichkeit. Nicht ganz passen will zu Viv ihre Naivität. Sie besitzt Feingefühl, Intelligenz, eine gute Kombinationsgabe. Wie war es möglich, sie solange zu täuschen? Matt wird immer undurchsichtiger. Welche Rolle spielt er wirklich? Nicht nur für Viv lassen sich Lüge und Wahrheit schwer auseinander halten. Spekulationen werden in Gang gesetzt. Die Hoffnung kommt auf, dass Matt alles wieder gerade biegen wird. Bald wird klar, Viv ist die Stärkere von beiden. So richtig überzeugend wirken Matts Aktionen nicht. Ist seine Hilflosigkeit nur vorgegaukelt? Wer hat die Fäden wirklich in der Hand? Diese Frage zieht sich durch die Geschichte. Nichts scheint sicher. Das Undurchschaubare hält die Spannung bis zum Ende auf einem hohen Niveau. Ein bisschen rar geraten sind die Actionszenen. Eine Überraschung ändert wieder alles. Die Eiseskälte und Verschlagenheit eines Gegnern hätte überzeugender wirken können. Der Plot ist raffiniert gestrickt. Achterbahnemotionen bis zur letzter Seite und ein Ausklang, der es in sich hat.

Der Titel ist effektvoll in Szene gesetzt und zieht zusammen mit den wenigen Details die Blicke aufs Buch. Hohe Erwartungen werden geweckt. „Wahrheit gegen Wahrheit“ ist ein fesselndes Verwirrspiel. Gerne hätte der Thriller im letzten Drittel noch ein paar mehr Seiten haben können. Wird es eine Fortsetzung geben? Das Potential wäre da. Auch die Neugierde auf die Verfilmung ist geweckt.

Bewertung vom 21.04.2018
Ich wollte nur Geschichten erzählen
Schami, Rafik

Ich wollte nur Geschichten erzählen


ausgezeichnet

„Ich wollte nur Geschichten erzählen“ ist das neueste Werk vom vielfach ausgezeichneten Autor Rafik Schami. Ein sehr persönliches Buch mit einem besonderen Anliegen.

„Unser Leben ist keine stetige Linie. Es ähnelt eher einem Mosaikgemälde. Je näher man kommt, umso sichtbarer werden die Bruchlinien, umso charaktervoller die einzelnen Steine.“ Das Mosaik der Fremde beginnt am 19.3.1971 mit Rafik Schamis Ankunft in Frankfurt. Er erzählt, wie es ihm als Exilautor ergangen ist, von seiner Sehnsucht nach Damaskus und vielem mehr.

Der Papierschatz im Gepäck, Kurzgeschichten, moderne Märchen, Romane, sichert Rafik Schami das Überleben in Deutschland. Seine Werke in arabischen Verlagen veröffentlichen zu können, stellt sich über lange Zeit als Illusion heraus. Rafik Schami erzählt von seinem ungewöhnlichen Weg, Hindernissen und Herausforderungen, den ersten Schritten zum Erfolg. Er gewährt sehr persönliche Einblicke in sein Leben als Exilautor, den drohenden Verlust seiner neuen Heimat, Angst, Trauer, Verlust, Einsamkeit. Die Sehnsucht nach Damaskus, Freunden und Familie prägt sein Schreiben. Ihm ist es ein Anliegen, über die Lebensbedingungen in einer Diktatur, die Ereignisse und Veränderungen in Syrien aufzuklären. Personenkult, Korruption und Gehorsam, der Verlust von Würde und Freiheit. Es geht um das Verstehen, was vor sich geht und wie hilflos sich die Menschen fühlen, die in Sicherheit sind. Der Autor erzählt mit viel Herzenswärme aus seinem Leben, vom Entschluss, in einer anderen Sprache zu schreiben, um in einem deutschen Verlag zu veröffentlichen. „Im Exil zu schreiben, führt zu einer Metamorphose der Heimat – weg von einem geographisch definierten Land, das man verloren hat, hin zu einem geistigen Haus der Sprache und der Erinnerung.“ Die Vielschichtigkeit und der Reichtum an Informationen wird durch die unterschiedlichen Kapitellängen in Mosaikformen unterstrichen. Rafi Schami hat sich ein eigenes Damaskus-Archiv aufgebaut, von dem er zerrt. Die Hoffnung seiner Mutter, ihn wieder in seiner Heimat willkommen heißen zu können, erfüllt sich nicht. Es sind nicht nur die Schicksale, die berühren. Das Buch regt zum Nachdenken an. An Kritik wird nicht gespart. Gerne hätte es zusätzliche Kapitel über Wegbegleiter/ Begegnungen geben können. Auch das Thema „Swallow Editions“ kommt zu kurz. Sehr gelungen ist das Bild des purzelnden Puzzles. Die 25 persönlichen Ratschläge sind ein besonderes Highlight. Rafik Schami spricht einem aus der Seele. Seine Gedanken und Lebenserfahrungen bereichern. Es geht um Respekt, Menschlichkeit, ums Wachrütteln. „Durch den Roman versuche ich zurückzukehren. Und nur beim Erzählen fühle ich, dass ich die Stadt nie verlassen habe und sie mich auch nicht.“ Bewundernswert, dass der Autor seinen Erfolg nutzt, um Familien in Damaskus zu helfen. „Kultur der Völker“ als Schul(doppel)stunde, eine tolle Idee, die hoffentlich die Verantwortlichen erreicht. Gehässigkeiten, Feindseligkeiten, Missgunst und Neid, wichtig, dass auch unschöne Dinge zur Sprache kommen und mit viel Ehrlichkeit auf den Punkt gebracht werden. Gelungen ist auch der arabische Spruch als Ausklang: „Geduld und Humor sind zwei Kamele, mit denen du jede Wüste überqueren kannst...“

Das Cover hat etwas Märchenhaftes. Es entführt in eine andere Welt. Das Unnahbare ist plötzlich erreichbar. Die Mosaik-Details und Sehnsucht in Farben passen sehr gut zum Inhalt. Auch im Nachhinein rührend ist der Titel, der einen bedeutsamen Wunsch zusammenfasst. Ein sehr schönes, stilvolles Cover! „Ich wollte nur Geschichten zählen“ bringt nicht nur den Menschen Rafik Schami nahe sondern alles, was ihm am Herzen liegt.

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