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rewa
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wien

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Insgesamt 348 Bewertungen
Bewertung vom 27.05.2020
Der Katzenfänger und andere Grenzgänger (eBook, ePUB)
Samuel, Sarah

Der Katzenfänger und andere Grenzgänger (eBook, ePUB)


sehr gut

,, Der Katzenfänger und andere Grenzgänger“ ist eine Sammlung von 9 Kurzgeschichten. Hinter dem Autoren Pseudonym Sarah Samuel steckt ein österreichisches Autorenpaar, das in vielen Ländern der Erde gelebt hat und nun aus diesen vielfältigen Eindrücken und Erlebnissen literarische Geschichten zu Papier gebracht haben. Der Leser erhält dabei einen Einblick in Länder wie z. B. Indien oder Saudi Arabien. Dabei biete die Autorin viele Hintergrundinformationen über Land und Leute, wo man als Leser eindringen kann in Länder, die ob ihrer Bräuche, der Lebensumstände oder religiösen Gedanken völlig konträr den unseren sind. Die Kurzgeschichten beginnen zumeist wie eine langsame Einführung in ein gewisses Thema, wo man diverse Einblicke über die Protagonisten oder dem jeweiligen Land erhält. Mit der Zeit merkt man aber, dass sich eine besondere Geschichte dahinter verbirgt, die meist einen ernsten oder traurigen Hintergrund hat. Es werden viele Themen erwähnt wie scheinheilige Moral ob seiner Mitmenschen, Armut, Lebensmittelknappheit.... Dabei bedient sich die Autorin einer wohl geschliffener Sprache, die zeitweise schon einer ,,vornehmen“ Ausdrucksweise gleich kommt. Während man bei der Geschichte ,, Die Woge“ sprichwörtlich mit einem Tsunami in den Abgrund gerissen wird, wird in Saudi Arabien ,, Mein viel geliebter Freund“ der Alkohol eine nicht unbedeutende Rolle spielen . Manche Geschichten zeigen aber auch eine andere Seite der Autorin auf, wenn sie pointenreich und zugleich auch mit einem manchmal leicht zynischen Humor ihre Botschaft rüber bringen möchte. In Wien darf man beim ,,Konzert der Nächstenliebe“ bildhaft miterleben, wie der Dirigent die Zuschauer auf seine besondere Art und Weise unterhält und in einem kleinen Dorf bringt ,,Die Künschtlerei“ einen Autor mit seiner erhofften Lesereise fast schon zur Verzweiflung.
Es sind sehr abwechslungsreiche Kurzgeschichten, die exotischen Flair versprühen, die eine Botschaft auf humorvolle Art und Weise rüber bringen, die über menschliche Tragödien berichten aber auch immer wieder der Menschheit einen Spiegel vorhalten, ohne belehrend zu wirken.

Bewertung vom 23.05.2020
Der Junge aus dem Trümmerland
Bergmann, Sarah

Der Junge aus dem Trümmerland


ausgezeichnet

Eigentlich könnte es für die 6 Kinder- und Jugendlichen nichts schöneres geben, als den ganzen Tag als ,,Bande“ herumzustreifen und wilde Abenteuer zu erleben. Aber es ist das Jahr 1947 und Berlin ist zerbombt, der Lebensmittelschwarzmarkt boomt und der 13 jährige Paul hat noch immer nicht die Hoffnung aufgegeben, dass sein Vater lebend aus dem Krieg zurückkommt. Anders denkt aber seine Mutter, die mit dem afroamerikanischen Bill eine Beziehung eingegangen ist und somit eine Verräterin ist. Die 16 jährige Falke, die die Anführerin der ,,Bande“ ist lässt Paul spüren, was sie von dieser Beziehung hält und Paul setzt alles daran, notfalls auch mit Gewalt, dass seine Mutter sich von dem ,,Feind“ trennt. Er fühlt sich für seine Mutter verantwortlich und er merkt dabei gar nicht, wie sehr diese unter der angespannten Situation leidet und auch seine Freunde haben alle mit ihren eigenen traumatischen Erlebnissen zu kämpfen. Während Bill geduldig versucht Paul dazu zu bringen, dass er für die Beziehung zwischen ihm und seiner Mutter Verständnis aufbringt, ahnt noch keiner, welch dramatische Ereignisse noch auf alle zukommen werden.

,,Der Junge aus dem Trümmerland“ von Sarah Bergmann ist ein eindrucksvoller Jugendroman, der auf sehr emotionaler Art und Weise, das Leben der Kinder und Jugendlichen in der Nachkriegszeit schildert. Ich habe selten so ein zugleich herzliches und doch brutal erschreckend bildhaftes Buch gelesen. Auch wenn der Roman aus der Sicht der Kinder geschildert wird, war es für mich als Erwachsene ein Eintauchen in eine Zeit, die man nicht mehr erleben möchte. Die Autorin beschreibt sehr emotional, wie die Menschen damals in dem zerbombten Berlin zurecht kommen mussten. Wenn man sich die Szenen vor Augen hält wo die Kinder in den einsturzgefährdeten Ruinen herumtollen, wo sie Kriegsutensilien finden, mit denen sie furchtlos und völlig unbedarft damit spielen, kann man sich das heutzutage gar nicht mehr vorstellen. Dass es sogar immer wieder zu herzlichen und kleinen humorvollen Szenen kommt, verdankt der Leser der kleinen 8 jährigen Wally, die im Berliner Dialekt ihre frechen Sprüche klopft. Ihr gegenüber stehen hingegen die älteren Kinder, allen voran die Anführerin Falke, die sich rühmt im Volkssturm tatkräftig mitgewirkt zu haben. Dabei lässt die Autorin sehr intensiv die Protagonisten zu Wort kommen, die im Nazi Regime aufgewachsen sind und von Kindheit an dazu erzogen wurden, dass ihre Rasse über die der anderen steht und man den ,,Feind“ mit allen Mitteln vernichten muss, dass diese aber ebenso wie sie Menschen sind, ist dabei nicht wichtig. Es war erschütternd zu lesen, wie diese Kinder verlernt haben selbst zu denken und einfach willige Mitläufer waren. Es passiert vieles in dem Roman, wo Paul mit der Zeit merkt, dass man selbst denken und handeln muss und dass es nicht immer gut ist, wenn man ,,blind“ einem Führer folgt. Der Magellan Verlag hat mit seinem auf Nachhaltigkeit bedachten Hardcover Roman und dank der Autorin Sarah Bergmann eine wunderschöne und wirklich beeindruckende Geschichte aus der Nachkriegszeit herausgebracht. Ich war wirklich begeistert ob der einfühlsamen, emotionalen und auch traurigen Geschichte, wo mich die Autorin immer wieder überraschen konnte und jede Seite war ein Genuss, diese zu lesen.

Bewertung vom 10.05.2020
Fatale Folgen (eBook, ePUB)
Puffpaff, Ellen

Fatale Folgen (eBook, ePUB)


sehr gut

Eigentlich könnte Alexandra Zipres jetzt mit ihrem Leben zufrieden sein. Getrennt von ihrem Mann Marc lebt sie mit ihrem kleinen Sohn Jonas in Hamburg und gerade hat sie ihren Debütroman veröffentlicht. Doch der Frieden dauert nicht lange an, denn plötzlich erhält sie mitten in der Nacht Anrufe, geheimnisvolle und unschöne Dinge passieren und ihr Arbeitskollege Nils zeigt sich sehr um sie bemüht, fast schon aufdringlich. Als Alex merkt, dass die grausame Dinge die geschehen, Ähnlichkeiten aufweisen wie in ihrem Roman beschrieben, ist ihr klar, dass sie es mit einem Stalker zu hat. Da ihr Ex Mann Marc sie für verrückt hält und ihr sogar droht das Sorgerecht für Jonas zu entziehen weiß Alex, dass sie unbedingt Hilfe braucht, die sie plötzlich von ihrem ehemaligen Schulkollegen Sebastian der jetzt Kommissar ist ,bekommt. Doch trotz polizeilicher Ermittlungen gibt es keinen Hinweis auf den geheimnisvollen Stalker, im Gegenteil, er schlägt noch brutaler zu und Alexandra weiß plötzlich nicht mehr, wem sie überhaupt noch trauen kann.

In dem Roman ,,Fatale Folgen“ nimmt die Autorin Ellen Puffpaff den Leser mit auf eine abenteuerliche und nervenaufreibende Reise in der ein Stalker ein perfides Katz- und Mausspiel mit der Protagonistin Alexandra spielt. Die Autorin lässt dabei dem Leser kaum die Möglichkeit einmal richtig Luft zu holen, weil ständig etwas passiert. Als Leser schwankt man ständig zwischen den Verdächtigen hin und her, weil es scheinbar immer Indizien gibt, die auf den einen und dann gleich wieder auf den anderen Protagonisten hinweisen. Die Ich- Erzählerin Alex lebt dabei ständig in Angst, da ihr Stalker ,,nette“ gruselige und auch blutige Geschenke für sie parat hat. Die Autorin Ellen Puffpaff schreibt flüssig und erzeugt an den richtigen Stellen Spannung. Trotzdem muss ich einen Stern abziehen, da mich Alex und Marc genervt haben. Alex hat fast bis zum Ende ständig weiche Knie gehabt, wenn ihr Ex vor ihr gestanden ist und selbst wenn er ekelhaft zu ihr war, spürte sie trotzdem noch immer Herzklopfen wegen ihm. Marc selbst war ein richtiges Ekelpaket und sogar als bereits die Polizei ermittelt hat und es Beweise für einen Stalker gegeben hat, hat er Alexandra immer noch als verrückt angesehen. Deshalb haben mich die beiden immer wieder an den Rand eines ,,Nervenzusammenbruches“ gebracht. Die Geschichte selbst ist gut aufgebaut und es gibt immer wieder Überraschungselemente. Die Auflösung ist gut gelungen und selbst das etwas traurige Ende ist sogar passend. Alles in allem ist es ein spannender und gut unterhaltender Roman, wo man als Leser bei dem Psychothriller voll auf seine Kosten kommt.

Bewertung vom 06.05.2020
Tod im Kontinuum
Achenbach, Edgar

Tod im Kontinuum


sehr gut

Eigentlich hat sich Alina den ersten Schultag an ihrer neuen Schule ganz anders vorgestellt. Niemand hätte ahnen können, dass brutale, bewaffnete Männer ihre Klasse als Geisel nehmen werden. Doch das Schlimmste ist, dass scheinbar durch ihre Schuld ihre Mitschülerin Sarah erschossen wird. Selbst ein Jahr später kann sich Alina immer noch nicht mit dem Gedanken anfreunden, dass es an ihr gelegen ist, dass Sarah getötet wurde. Dass sie sich nicht mehr bei Sarah entschuldigen kann, weiß Alina, als es aber zu brutalen Morden in ihrem Freunden – und Bekanntenkreis kommt spürt sie, dass der Täter ein perfides Katz- und Mausspiel mit ihr spielt. Und plötzlich muss Alina unschöne Situationen immer und immer wieder erleben die sie oft an ihre Grenzen bringen wird und die man mit seinem Verstand im Grunde gar nicht wirklich erfassen kann.

In dem Roman ,, Tod im Kontinuum“ von Edgar Achenbach, wird der Leser in einen besondere Strudel des Horrors hineingezogen, in dem die jugendlichen Protagonisten einiges an seelischen und körperlichen Schmerzen erleiden müssen. Der Plot Twist überrascht den Leser ständig und man weiß nie wirklich, was auf einen zukommt. Die Jugendliche bedienen sich immer wieder einer leicht flapsigen Ausdrucksweise, trotzdem ist der Roman flüssig zu lesen. Man ist als Leser teilweise ein wenig geschockt, ob der Tötungsarten, die die Protagonisten erleiden müssen. Wie der Autor das umgesetzt hat war originell und spannend und der Leser wird dabei gefordert, nicht den Überblick zu verlieren, wenn Alina ihren Schicksalstag immer wieder auf eine andere Art und Weise erleben muss. Spannung von Beginn bis zum Ende ist garantiert.

Bewertung vom 02.05.2020
Coming Home (eBook, ePUB)
Trofusha, Tetiana

Coming Home (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Ji weiß nicht, was plötzlich mit ihr los ist. Seit sie als Model vor einem Jahr auf dem Laufsteg gestürzt ist und sie sich seither nicht mehr aus dem Haus traut, hört sie Stimmen in ihrem Kopf und das Schlimmste ist, sie hat Schnittverletzungen, ohne dass sie sich daran erinnern kann wie sie dazu gekommen ist. Ihr Mann Adan, der in einem Neurotechnologie- Unternehmen arbeitet, weiß langsam aber sicher auch nicht mehr, wie er ihr helfen kann. Aber zum Glück gibt es Lani, die Kollegin von Adan, die Ji die Augen öffnet. Doch was Ji dabei erfährt, hätte sie im Traum nie vermutet.
Die Novelle ,, Coming Home“ ist die erste Veröffentlichung der Autorin Tetiana Trofusha und ich kann zu dem kleinen Büchlein mit den 112 einfach nur – Bravo- sagen.
Ein tolles, düsteres und auf die Geschichte abgestimmtes Cover macht den Leser schon einmal auf den Inhalt neugierig. Die 12 Kapitel fliegen nur so dahin und man ist als Leser von Beginn weg in der Geschichte gefangen. Da die Autorin ihren Roman selbst als ,,Einstiegshilfe“ für SF bezeichnet, kann ich dem gerne beipflichten. Sie hat eine interessante Story rund um Ji entwickelt, wo ihre Agoraphobie, in viele Szenen seht bildhaft und intensiv beschrieben wird. Tetiana Trofusha hat es auch geschafft, mich immer wieder zu überraschen und meine Antipathie und Sympathie zu den Protagonisten um 180° drehen zu lassen. Ein gut gelungenes Erstlingswerk, das mich nicht enttäuscht hat.

Bewertung vom 27.04.2020
Riesen sind nur große Menschen
Frauchiger, René

Riesen sind nur große Menschen


gut

Der Pizzabäcker Achilles, der mit einer witzigen und besonderen Gabe ausgestattet ist, lernt Lulu kennen, die aber von einem Tag auf den anderen verschwindet, weil sie entführt wurde. Die Spur führt nach Runzlingen, wo der Lehrer Paul lebt und schon bald, ohne es zu bemerken, von seinen Schülern ob seiner Gutmütigkeit missbraucht wird, da er ihnen den richtigen Weg für eine angebliche Bärenjagd zeigen soll. Auch wenn Achilles nicht mehr daran glaubt Lulu zu finden, macht er sich auf die Suche nach ihr. Gemeinsam mit Paul macht er dabei die Bekanntschaft mit der Grenzwacht, die ihre eigenen Ziele verfolgen und dabei auch auf Gewalt zurückgreifen.

,,Riesen sind nur große Menschen“ ist der Debütroman von Rene Frauchinger, der dabei seinen Lesern einiges abverlangt. Man wird gleich zu Beginn in eine besondere Erzählperspektive entführt, die ich bisher noch nie gekannt habe. Am Anfang blickt man noch nicht ganz durch, wenn die Figuren, selbst wenn sie an einem anderen Ort und in einer anderen Zeit sind, plötzlich miteinander kommunizieren. Bis der ,,Erzähler“ auftaucht, der ebenfalls seine Ansichten kund tut. Es war ein humorvoller Einfall des Autors, wie sich alle miteinander unterhalten und merken, dass sie selbst Teil einer Geschichte sind und sich sogar über den Erzähler ärgern, wenn ihnen etwas nicht an der Handlung gefällt oder ihm interessiert zuhören, wenn er von den anderen Protagonisten berichtet. Auch war Achilles eine besondere Figur, die einen gewissen Unterhaltungswert geboten hat. Die Geschichte an sich entwickelt sich mit der Zeit zu einer Mischung aus skurrilen Szenen, originellen Handlungen und vielen Fragezeichen, die bei mir am Ende des Romans übergeblieben sind. Es hat eine Zeit gedauert bis klar wurde, dass sich die Geschichte auf und im Körper des liegenden Riesen Hephaistos abspielt. Dabei gibt es dann Andeutungen, wo sich jemand befindet, wenn von der Stirnstadt oder dem Schnauzwald erzählt wird. Die Handlungen im Körper selbst, sei es die Flucht durch die Speiseröhre oder in den Magen, wird so plastisch beschrieben, dass man dabei nicht unbedingt dabei sein möchte, wenn Körpersäfte und ähnliche Flüssigkeiten sich mit den Protagonisten verbinden. Der Autor greift in seiner Geschichte viele Themen auf, die humorvoll verpackt sind, aber doch einen ernsten Hintergrund haben. Es geht um Korruption, Macht oder Ausgrenzung andersartigen. Der Roman ist sicher nicht leicht zu lesen und den Durchblick zu behalten, wo sich gerade jemand befindet ist ebenfalls eine gewisse Herausforderung. Insgesamt ist es ein ungewöhnlicher Roman mit originellen Handlungen und auch die Erzählperspektive ist erfrischend anders. Für mich war es ein wenig zu verwirrend und anstrengend zu lesen, wo man sich einfach darauf einlassen muss auf eine Geschichte mit einem Riesen und vielen kleinen Menschen, die sich im und auf ihm befinden.

Bewertung vom 22.04.2020
Meine fremde Freundin
Bünnig, Jenny

Meine fremde Freundin


gut

Was gibt es schöneres, als eine tiefe Freundschaft von Kindheit an? So ist es mit Inken und Josephine, die stets zusammen waren und alles miteinander geteilt haben. Doch nun, mit Anfang 30, zieht Josephine nur mit ihrem Rucksack und einem Zelt umher. Sie wandert alleine, hofft, dass wildfremde Menschen sie in ihrem Garten kampieren lassen und denkt an die Zeit mit Inken nach und auch darüber, warum ihre Freundschaft nicht mehr besteht.
,, Meine fremde Freundin“ von Jenny Bünnig erzählt in einer emotionalen und ruhigen Art und Weise die Freundschaft zwischen Inken und Josephine, die, so wie es jeder gedacht hat, nichts und niemand auseinander bringen könnte. Es ist eine Geschichte die von der Zuneigung zweier Frauen berichtet, die von Kindheit an bestanden hat. Die Autorin hat dabei viele Szenen beschrieben wo man gespürt hat, wie sich die beiden bei Sorgen und Problemen gegenseitig unterstützt haben, wie sie fast schon wie Geschwister waren, die sich alles erzählen konnten und die auch gedacht haben, dass diese tiefe Verbundenheit für immer bestehen würde. Aber wie das Leben so spielt kommt vieles anders, als man denkt. Auf Josephines Reise trifft sie viele Menschen, die ihr helfen wollen, aber auch auf Menschen, die in ihrem Leben eine große Rolle gespielt haben. Mir sind dabei ein wenig zu viele Namen aufgetaucht, wo ich manchmal nicht mehr genau wusste, wo ich sie zuordnen soll. Der Roman ist zwar tiefsinnig, aber für mich auch zu sprunghaft aufgebaut. Die Szenen aus der Vergangenheit wechseln oft übergangslos in die Gegenwart und auch sonstige Zeitsprünge lassen dabei keinen roten Faden erkennen. Der Schreibstil ist flüssig und es sind schöne Gedankengänge dabei. Obwohl Inken und Josephine vom Charakter her völlig verschieden sind, haben beide zueinander gefunden. Dass man aber trotzdem nie sein Gegenüber wirklich kennen kann, hat Josephine in dem Roman erfahren müssen und der Leser hat sie bei ihrer Selbstfindungsreise begleiten können. Der Roman war zwar berührend, aber leider konnte bei mir der Funke nicht überspringen, weil mir der Handlungsaufbau einfach zu sprunghaft und teilweise auch verwirrend war ob der Personen, die plötzlich aufgetaucht und ebenso schnell wieder verschwunden waren.

Bewertung vom 17.04.2020
Die Wahrheit der anderen
Zipfel, Daniel

Die Wahrheit der anderen


sehr gut

Pakistanische Flüchtlinge besetzen den Minoritenplatz, auf Transparenten steht der Name eines toten Pakistaners. Während die Polizei versucht deeskalierend zu handeln, macht der Journalist Uwe Tinnermans zufällig ein Foto von einer jungen Frau und einem Polizisten, nichts ahnend,dass aus einer harmlosen Situation noch eine reißerische Geschichte wird. Auf einmal wittert Uwe die Story seines Lebens. Da im Grunde die Geschichte nicht wirklich aufregend ist, beginnt er seine eigene Sicht der Dinge darzustellen und setzt die junge Pakistanerin Veena Shahida als Symbolfigur des Protests in Szene. Obwohl sie mitten in einem Asylverfahren steckt, wo ihre Anwältin Birgit Toth mit allen Mitteln versucht diesen durchzubringen, lässt sich Veena immer mehr von Uwe beeinflussen und die Flüchtlinge lassen sich dazu überreden, die Kirche zu besetzen. Veenas Asylantrag hat dadurch auch kaum noch Chancen auf Erfolg, da sie bei ihrer Anhörung vor dem Richter sich in Widersprüchen verwickelt und so ihre Glaubwürdigkeit immer weniger wird. Uwe ist in seinem Element und macht Fotos von armen und hungernden Flüchtlingen um die Auflagen der Zeitung zu steigern. Obwohl sein alter Chef Konrad Brandt, der es selbst nie so genau mit der Wahrheit genommen hat, zu Beginn noch Feuer und Flamme für die Geschichte war, merkt dieser nun, dass Uwe die ganze Situation nur mehr nach seinen Vorstellungen manipuliert und kaum mehr etwas der Wahrheit entspricht. Plötzlich sind die Asylanten keine Helden mehr, aber wer weiß, vielleicht sind die paar Flüchtlinge in der Kirche noch brauchbar für die Wahlen?

,,Die Wahrheit der anderen“ ist ein gesellschaftskritischer Roman des Autors Daniel Zipfel. Die Geschichte spielt in Wien, könnte aber überall auf der Welt ebenso passieren. Da es vor Jahren einen ähnlichen Fall in Wien gegeben hat, ist anzunehmen, dass einige Handlungen sich vielleicht tatsächlich so abgespielt haben. Das Thema der Asylpolitik wird vom Autor jetzt nicht direkt behandelt, sondern er lässt den Leser daran teilhaben, wie vor allem der Journalismus es schafft, Menschen zu manipulieren. Wie soll man dabei herausfinden, was wahr und was gelogen ist. Der Autor erwähnt hierbei auch den Begriff ,,kalt schreiben“, also etwas zu verfassen, ohne dabei gewesen zu sein. Dabei merkt man als Leser, wie leicht es sein kann, dass man manipuliert wird. Sein Protagonist Uwe durchläuft in dem Roman eine negative Wandlung. Von unscheinbar bis knallharter Journalist, der selbst auf Kosten der jungen Veena, die Menschen belügt und dazu bringt Dinge zu tun, die sie eigentlich gar nicht wollen. Der Roman ist nicht leicht zu lesen, da es erstens sehr viele unsympathische Protagonisten gibt und man zweitens selbst nicht mehr unterscheiden kann, wo die Grenze zwischen Wahrheit und Lüge liegt. Der Autor schafft es dabei immer wieder eine Wendung herbei zu führen, wo man sich selbst verunsichern lässt und man ständig schwankt, ob man Veena ihre tragische Geschichte abnimmt oder nicht. In dem Roman wird vieles inszeniert, manipuliert und die Wahrheit ständig an einer Lüge angepasst. Es gibt nur knallharte Fakten, wo Menschenschicksale im Grunde nebensächlich sind. Den Roman zu beurteilen fällt nicht leicht. Auf der einen Seite ist er spannend und tragisch und auf der anderen verwirrend. Wenn es dann auch noch so viele Protagonisten gibt, zu denen man nicht wirklich eine ,,Beziehung“ aufbauen kann, fällt das Lesen nicht immer leicht. Aber ich denke, dass es dem Autor nicht wichtig war, eine heile Welt darzustellen, sondern aufzuzeigen , wie die Wirklichkeit ist und das ist ihm dann doch gelungen.

Bewertung vom 14.04.2020
Ich an meiner Seite
Birnbacher, Birgit

Ich an meiner Seite


sehr gut

Nach 26 Monaten im Gefängnis, steht der junge Arthur ohne Geld, Wohnung und Arbeit da. Einzig die Therapiesitzungen mit dem kauzigen Therapeuten Börd sollen ihm helfen zurück ins richtige Leben zu finden. Doch es ist für Arthur nicht leicht die zweite Chance in seinem Leben zu nützen, wenn man keine richtigen Papiere hat und kaum jemand einen Haftentlassenen eine Anstellung geben will. Die ehemalige Schauspielerin Grazetta, die er in einem Hospiz in Andalusien kennen gelernt hat und die ihm auch nach der Haftentlassung, im Gegensatz zu seiner Mutter zur Seite steht, helfen ihm auf seinem neuen Weg. Mit oft unkonventionellen Methoden versucht Börd Arthur auf die Sprünge zu helfen und auch sich selbst besser kennen zu lernen. Es ist ein harter Weg, wo Arthur viele Rückschritte erleben muss, wo er aber schlussendlich erkennt, dass nur er selbst sich helfen kann.
Der Roman ,, Ich an meiner Seite“ beschreibt in einer teils poetischen und dann wieder in ernüchternden Sprache das Leben des jungen Arthur nach seiner Haftentlassung. Die Autorin Birgit Birnbacher nimmt dabei den Leser auf eine Zeitreise aus dem Leben des Protagonisten mit, wo man immer wieder zwischen der Zeit- und Erzählebene hin und her wechselt.. Der Roman besticht durch seine ruhige Art, wo man sich zwar einlesen muss weil man das Gefühl hat, die Geschichte zieht sich einfach dahin, aber mit der Zeit merkt man, wie viel an tiefsinnigen und schönen Gedanken man darin findet. Da es eine reale Vorlage für die Hauptfigur dieses Romans gibt, kann man sich als Leser noch besser in Arthur hineinversetzen. Die Nebenfiguren sind ebenfalls gut dargestellt. Wie z.B Börd, der Therapeut von Arthur, der versucht in einer Studie zu beweisen, dass man einen ehemaligen Straftäter wieder in die Gesellschaft eingliedern kann. Dass es dabei viele Rückschläge gibt, wo Arthur selbst oft nicht weiß, wer er wirklich ist und wer er nun sein möchte, wird gut beschrieben. In Rückblenden erfährt der Leser von Arthurs schwieriger Kindheit, von einem Familienleben, das nicht immer leicht war und von einer Schuld, die ihn bis heute noch begleitet. Die Geschichte wird mit einer Mischung zwischen Tragik und Komik erzählt, wo man als Leser immer wieder schmunzeln muss, selbst wenn die Situation an sich eher traurig ist. Manche Ereignisse werden von der Autorin nicht aufgelöst und man hat das Gefühl, dass noch etwas kommen sollte. Also bleibt jedem seine eigene Interpretation der Geschichte, wo man selbst entscheiden kann, wie sie weitergehen könnte.