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Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
Curin
Wohnort: 
Bielefeld

Bewertungen

Insgesamt 346 Bewertungen
Bewertung vom 16.09.2017
Ein Gentleman in Moskau
Towles, Amor

Ein Gentleman in Moskau


ausgezeichnet

1922: Graf Alexander Iljitsch Rostov wird vom kommunistischen Volkskommissariat für innere Angelegenheiten zu lebenslangem Hausarrest im Hotel Metropol in Moskau verurteilt. Der ehemalige Aristokrat, der sonst in diesem erstklassigen Haus in seiner eigenen Suite residiert hat, muss nun in einer alten Dachkammer leben und sich mit dem begnügen, was sich innerhalb der sonst sehr luxuriösen Gefängnismauern abspielt... .
Amor Towles hat hier eine wunderbare Handlung entworfen, die innerhalb eines politisch schwierigen Regimes einen außergewöhnlichen Mann zeigt, der trotz aller Widrigkeiten immer gutes Benehmen an den Tag legt und stets den idealen Gentleman verkörpert.
Als ich anfing zu lesen, war ich sofort dem unglaublichen Charme, den die Erzählung ausstrahlt, erlegen. Auch wenn im Mittelpunkt der Handlung stets Graf Rostov selbst steht, übernehmen auch die vielen Nebenfiguren tragende Rollen. So begegnet man zum Beispiel Michail Fjodorowitsch, einem Freund des Grafen aus Zeiten des Studiums, der für ihn wie ein Bruder ist und gegen ihn ein wenig ungehobelt erscheint, aber trotzdem fest zu ihm steht. Eine besondere Position nimmt auch die kleine Nina ein. Wenn der Graf mit ihr oder in späteren Jahren mit ihrer Tochter zusammen ist, merkt man, dass er wirklich ein großes Herz hat und auch gut mit Kindern umgehen kann. Mir hat unglaublich gut gefallen, wie er mit Nina debattiert, ihren Wunsch,einmal Prinzessin zu sein, ernst nimmt und ihr Geschichten aus der adeligen Welt erzählt.
Amor Towles schreibt sehr feinsinnig und mit sehr viel Gefühl. Manchmal hat ich beim lesen sogar den Eindruck, ein Werk von Tolstoi vor mir liegen zu haben. Auch ist das Buch spannend, hält Überraschungen bereit und führt auch in die Welt der russischen Gepflogenheiten ein.
Insgesamt hat mich ,,Ein Gentleman in Moskau" gut unterhalten und oft zum schmunzeln gebracht. Der Autor hat es wirklich verstanden, aus dem Hotel Metropol eine Art Mikrokosmos zu machen, indem der Graf lebt und dem Regime statt Rache gutes Benehmen entgegen setzt. Für mich ist dieses Buch eines meiner Jahreshighlights und ein absolutes Muss für alle, die gerne feinsinnige und gut geschriebene Romane lesen. Gerne empfehle ich das Buch hier weiter.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 15.09.2017
Vintage
Hervier, Grégoire

Vintage


sehr gut

Thomas Dupré liefert für seinen Chef eine teure Vintage-Gitarre nach Schottland aus. Dort trifft er auf Lord Winsley, der eine beträchtliche Sammlung an seltenen Gitarren besitzt. Er bietet dem jungen Musiker eine Million, wenn er für ihn die legendäre ,,Gibson Moderne" ausfindig macht. Für Thomas beginnt eine spannende Reise, die ihn bis nach Australien und in die USA tief in die Ursprünge des Blues führt... .
Grégoire Hervier hat hier einen fesselnden Roman geschrieben, indem er Fiktion und Wahrheit miteinander verschmelzen lässt und seine Handlung nach und nach zu einem echten Krimi verdichtet. Besonders ist auch, dass es im Buch keine Kapitel gibt, sondern ein Intro, verschiedene Strophen und auch einen Refrain.
Erzählt wird stets aus der Ich-Perspektive von Thomas. Er ist ein junger Musikjournalist, der auch in einer Band spielt, aber ansonsten kaum Erfolge vorweisen kann. Gleich am Anfang merkt man schnell, dass er wirklich Ahnung von Gitarren hat und diese wirklich mit Leidenschaft spielt. Während seiner Recherchen arbeitet er professionell, aber geht auch waghalsige Risiken ein. Manchmal kommt ihm allerdings auch der Zufall zur Hilfe, was der Geschichte nicht unbedingt gut tut.
Der Autor schafft es, durch seinen sehr detaillierten Schreibstil, die Musikstücke und die einzelnen Klänge so deutlich zu beschreiben, dass man fast meint, man könnte den Sound der Gitarren durch das Buch beim lesen hören. Auch wenn ich persönlich kaum Ahnung von den Ursprüngen des Rock und des Blues habe und mich sonst für Vintage-Gitarren gar nicht interessiere, hat mich die Handlung gepackt. Ab einem gewissen Zeitpunkt wird das Buch einfach ungalublich spannend und man fiebert richtig mit, ob Thomas die ,,Gibson Moderne" wirklich noch findet oder ob er letztendlich doch wieder nur auf eine Fälschung stößt.
Wichtig fand ich auch, dass der Autor ganz klar herausstellt, wie okkulte Einflüsse die Musik großer Stars geprägt haben. Obwohl ich davon schon einmal gehört habe, hat es mich doch erschreckt, wie starkt sich die Ideologie von Menschen wie Aleister Crowley darin wiederspiegelt.
Insgesamt hat mich ,,Vintage" mehr begeistert, als ich vorher gedacht hätte. Man erhält hier einen äußerst spannenden Roman und lernt gleichzeitig noch viel über Musik an sich. Gerne empfehle ich das Buch weiter.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 14.09.2017
Totenstarre / Kay Scarpetta Bd.24
Cornwell, Patricia

Totenstarre / Kay Scarpetta Bd.24


sehr gut

Dr. Kay Scarpetta sitzt gerade mit ihrem Mann beim Abendessen, als sie zu einem Tatort in den Stadtpark gerufen wird. Dort liegt eine tote Frau, die nicht nur seltsame Verletzungen aufweist, sondern deren Leichenstarre schon viel zu weit fortgeschritten ist. Zudem hat die Forensikerin erst vor einigen Stunden zufällig mit ihr gesprochen. Schnell wird bei den Ermittlungen klar, dass der Fall mehr mit Kay zu tun hat, als ihr lieb ist... .
Obwohl ,,Totenstarre" für mich der erste Thriller von Patricia Cornwell war, konnte ich mich schnell mit der Forensikerin Kay Scarpetta bekannt machen und hatte bis auf einen Handlungsstrang nicht das Gefühl, dass mir Vorwissen fehlt. Der Autorin gelingt es, auf eine subtile Art und Weise Spannung zu erzeugen und dabei auf der Erzählebene viele Dinge nebeneinander herlaufen zu lassen, ohne dass es hektisch wird und man beim lesen durcheinander kommt.
Die Protagonistin Kay Scarpetta, aus deren Ich-Perspektive auch stets erzählt wird, ist eine Figur, die auf mich anfangs eher kühl und distanziert wirkte. Erst im Laufe des Buches merkt man, wie sehr sie gerade innerlich mit sich selbst und mit den Gedanken um andere ringt. Mir hat gefallen, dass die Autorin hier keine perfekte Ermittlerin präsentiert, bei der alles stets makellos verläuft, sondern eine rastlose Frau, welche auch Fehler in der Vergangenheit begangen hat und alles dafür tut, damit ihre Fälle aufgeklärt werden.
Patricia Cornwell schreibt intelligent und schafft es, manchmal während der Handlung regelrecht die Zeit anzuhalten. Beim lesen bekommt man einen richtigen Einblick in die Arbeit eines forensischen Teams. Deutlich und anschaulich wird beschrieben, wie lange es dauert, einen Tatort vor Schaulustigen und vor fremden Einflüssen zu sichern, damit kein Beweisstück verloren geht. In keinem anderen Buch habe ich bisher durch das Erzähltempo und durch viele kleine Details einen solchen Eindruck davon bekommen, wie mühselig und schwierig die korrekte Spurensicherung
ist.
An einigen Stellen hat mir in der Handlung die Dynamik gefehlt. Man hat oft das Gefühl, die Ermittlungen gingen überhaupt nicht voran. Entschädigen tut dafür aber wieder die Aufklärung des seltsamen Falls, die für mich plausibel und auch nachvollziehbar war. Ich war regelrecht erschrocken, weil die Art und Weise, wie das Opfer stirbt, in unserer Zeit tatsächlich so geschehen könnte.
Insgesamt ist ,,Totenstarre" ein intelligent und spannend geschriebener Thriller, der mich vom Anfang bis zum Ende gut unterhalten hat. Gerne empfehle ich das Buch hier weiter.

Bewertung vom 12.09.2017
Fliegende Hunde
Christe, Julia

Fliegende Hunde


sehr gut

Was passiert, wenn man einen Hund während eines Sprungs fotografiert? Bei Julia Christe entstehen ganz tolle, aber auch wirklich witzige Bilder, die man sich in diesem Fotoband anschauen kann.
Julia Christe sind hier sehr schöne Aufnahmen gelungen, die man sich einfach gerne ansieht. Beim durchblättern musste ich immer wieder schmunzeln und habe mich über diese besondere Darstellungsweise der Hunde gefreut.
Besonders gefallen hat mir, dass hier wirklich die Vielfalt der Hunderassen gezeigt wird und die Bilder qualitativ sehr hochwertig sind.
Etwas schade fand ich dagegen die jeweils neben jedem Hundefoto freigelassene Seite, die außer dem Namen und der Rasse des Tieres keine weiteren Informationen liefert.
Insgesamt ist ,,Fliegende Hunde" ein sehr schöner Bildband, der sicherlich nicht nur Hundehaltern eine Freude macht. Ich schaue mir noch immer ab und zu gerne die Fotos an und kann dabei nur dieses kreative Projekt von Julia Christi bewundern. Gerne empfehle ich das Buch hier weiter.

Bewertung vom 09.09.2017
Der Vater, der vom Himmel fiel
Henderson, J. Paul

Der Vater, der vom Himmel fiel


gut

Als Lyle Bowman unerwartet zu Tode kommt, kehrt sein Sohn Greg aus den USA anlässlich der Beerdigung zurück nach England. Dort trifft er nicht nur auf seinen Bruder Billy, mit dem er seit einem Streit jahrelang kaum Kontakt hatte, sondern auch im Hause seines Vaters auf eine Überraschung. Der Tote selbst erscheint ihm dort und bittet seinen Sohn, in der Familie wieder für Ordnung zu sorgen und sich mit Billy zu versöhnen... .
In diesem Roman dreht sich alles um die Familie Bowman, die zwar etwas skurril und chaotisch rüber kommt, aber mich gerade dadurch immer wieder zum schmunzeln gebracht hat. Dennoch gab es in der Handlung einige Punkte, die mir nicht gefallen haben und die die Geschichte aus meiner Sicht auch nicht gebraucht hätte.
Zum einen ist das die Figur Lyle, die aus dem Jenseits zurückkehrt und Greg dazu anleitet, die Bowmans einander wieder näher zu bringen. Wenn man das Buch liest, merkt man schnell, dass auch ohne den Vater die beiden Brüder auch wieder versöhnt hätten und auch ein Geheimnis, welches am Ende herauskommt, ohne Lyle aufgedeckt worden wäre.
Lyle, aber auch andere Figuren, wirkten auf mich nicht immer ganz stimmig. Der Vater, der am Anfang des Buches eher tollpatschig und ein wenig verplant vorgestellt wird, erscheint nachher als unglaublich fürsorglicher Mensch. Ebenso auch Greg, der vor seiner Rückkehr nach England keine Verantwortung übernehmen wollte, kümmert sich auf einmal auf eine sehr fürsorgliche und rücksichtsvolle Art und Weise um Billy und um seinen Onkel Frank.
Der Autor J. Paul Henderson schreibt flüssig und hat es geschafft, bis auf kleinere Schwächen eine besondere Handlung zu entwerfen. Beim lesen wird man gut unterhalten und muss an einigen Stellen unweigerlich lächeln, auch wenn der Humor manchmal etwas gewöhnungsbedürftig für mich war.
Insgesamt hat mich ,,Der Vater, der vom Himmel fiel" gut unterhalten. Auch wenn der Roman oft sehr ins Komische abdriftet, erkennt man doch eine Botschaft in der Handlung. Gerne empfehle ich dieses Buch weiter.

Bewertung vom 08.09.2017
Kalte Seele, dunkles Herz
Walker, Wendy

Kalte Seele, dunkles Herz


ausgezeichnet

Nachdem Cass seit drei Jahren als vermisst gilt, steht sie plötzlich wieder vor der Haustür ihrer Familie. Allerdings ohne ihre ältere Schwester Emma, die damals mit ihr spurlos verschwand. Während das Mädchen den Ermittlern vom FBI eine verstörende Geschichte erzählt, hat die forensische Psychologin Dr. Abby Winter den Eindruck, dass Cass etwas verschweigt. Schnell wird ihr klar, dass Emma nur gefunden werden kann, wenn sie dahinter kommt, was damals wirklich passiert ist... .
Wendy Walker hat hier einen unglaublich spannenden Thriller geschrieben, der mich bis zum Schluss gefesselt und am Ende geradezu umgehauen hat. Sie versteht es, den Leser immer wieder in die Irre zu führen und und in alle möglichen Richtungen spekulieren zu lassen.
Die Protagonistin Cass war für mich sehr schwer zu durchschauen. Man merkt zwar schnell, dass sie nicht aus Boshaftigkeit etwas bei ihrer Geschichte weglässt, aber man versteht bis zur Auflösung nicht, warum sie nicht die ganze Wahrheit preisgibt.
Erst nach und nach erkennt man, dass in der Familie schon vor dem Verschwinden der Mädchen vieles nicht in Ordnung war. Durch die Psychologin Abby Winter kommt hier sogar der Gedanke auf, dass jemand an einer narzisstischen Störung leidet.
Die Autorin Wendy Walker schreibt flüssig und versteht es, die Spannung durchgängig ganz weit oben zu halten. Ihre Figur Cass und deren kaputte Familie geben dem Leser ständig Rätsel auf und obwohl man meint, man hätte eigentlich alle Informationen, um zu verstehen, was wirklich passiert ist, kommt man bis zum Ende nicht dahinter.
Insgesamt hat mich ,,Kalte Seele, dunkles Herz" sehr beeindruckt. Ich habe schon lange keinen Thriller mehr gelesen, der so undurchschaubar war, aber dennoch am Ende ohne logische Fehler zufriedenstellend aufgeklärt wurde. Wer wirklich Spannung von der ersten bis zur letzen Seite will, sollte dieses Buch unbedingt lesen. Gerne empfehle ich es hier weiter.

Bewertung vom 05.09.2017
Niemand verschwindet einfach so
Lacey, Catherine

Niemand verschwindet einfach so


gut

Als Elyria ihr Leben einfach zu viel wird, reist sie nach Neuseeland, ohne jemanden davon in Kenntnis zu setzen. Auf zahlreichen Fahrten auf dem Beifahrersitz von fremden Leuten und während verschiedener Erlebnisse, denkt sie immer wieder intensiv über die Vergangenheit nach. Besonders ihren Ehemann und ihre Adoptivschwester, die sich selbst umgebracht hat, kriegt sie nicht aus ihrem Kopf... .
In diesem Roman steht eine Protagonistin mit einer sehr lebendigen Gedankenwelt im Mittelpunkt. Beim lesen bekommt man den Eindruck, dass man weniger eine Reise nach Neuseeland miterlebt und vielmehr Elyria in den Kopf schaut bzw. in den Kopf schauen muss, weil fast die gesamte Handlung nur aus ihren eigenen Gedanken besteht.
So überrascht es auch nicht, dass die Geschichte aus der Ich-Perspektive von Elyria geschildert wird. Sie ist eine Figur, die für mich nur schwer zu fassen war und mit der ich anfangs auch nicht richtig warm wurde. Erst nach und nach, als man mehr über ihre Vergangenheit erfährt, begreift man, warum ihr Kopf nicht zur Ruhe kommt.
Cathrine Lacey hat einen guten und verständlichen Schreibstil, aber gerade die vielen Passagen, in der sich die Gedanken von Elyria geradezu überschlagen, sind doch manchmal etwas anstrengt zu lesen. Auch wird dadurch das Buch etwas eintönig. Leider merkt man bis auf wenige Ausnahmen auch gar nicht, dass die Geschichte in Neuseeland spielt.
Insgesamt hat mich ,,Niemand verschwindet einfach so" manchmal ein wenig ratlos zurückgelassen. Dennoch war es für mich eine besondere Leseerfahrung, so tief in die Gedankenwelt einer besonderen Figur einzutauchen. Gerne empfehle ich das Buch weiter.

Bewertung vom 29.08.2017
Kukolka
Lux, Lana

Kukolka


sehr gut

In den 90er Jahren lebt die kleine Samira in einem ukrainischen Kinderheim, doch als ihre einzige Freundin Marina von einem deutschen Ehepaar adoptiert wird, will sie selbst auch nach Deutschland reisen. Mit sieben Jahren haut sie eines Nachts ab und trifft am Bahnhof auf Rocky, der sie mit nach Hause nimmt und sie mit anderen Kindern auf die Straße zum klauen und betteln schickt. Er verspricht Samira, ihr erbeutetes Geld für ein Ticket nach Deutschland zu sparen... .
Dieses Buch und vor allem seine Protagonistin Samira haben mich von Anfang an für sich eingenommen. Während der gesamten Handlung möchte man sie am liebsten aus der Geschichte retten und sie vor dem ganzen Unheil, das ihr widerfährt, bewahren.
Samira ist ein kleines Mädchen, welches niemals erlebt hat, wie es ist geborgen zu sein und ein richtiges Zuhause zu haben. Genau deshalb hat sie auch nie gelernt, welchen Menschen man vertrauen und welche man lieber meiden sollte. Dieses fehlende Urteilsvermögen und auch die Tatsache, dass sie ein außergewöhnlich hübsches Kind, eine richtige ,,Kukolka", also vom Aussehen ein Püppchen ist, werden ihr immer wieder zum Verhängnis.
Die gesamte Handlung wird immer aus ihrer Perspektive erzählt und gerade, weil sie so arglos ist und immer glaubt, dass Menschen, die ihr Zuneigung, in welcher Form auch immer, schenken, es gut mit ihr meinen, werden einige Situationen eher milder geschildert, als sie in Wirklichkeit sind. Sie ist einfach kindlich naiv und hat niemanden, der auf sie aufpasst und sie beschützt. So wird sie im Roman leider auf verschiedenste Weise ausgebeutet.
Lana Lux schreibt richtig gut und hat es hinbekommen, dass die Geschichte sich so liest, als würde wirklich ein junges Mädchen ihre Erlebnisse erzählen. Manchmal ging die Autorin mir mit ihren sehr detailreichen Beschreibungen, besonders bei sexuellen Handlungen, zu weit. Dennoch hat sie es geschafft, dass die stattfindende Gewalt und die Ausbeutung lesbar geblieben sind, was wiederum daran liegt, dass Samira viele schreckliche Dinge gar nicht als solche interpretiert.
Insgesamt hat mich dieser Roman sehr beeindruckt und das Schicksal von Samira sehr betroffen gemacht. Beim lesen vergisst man fast, dass dies nur eine fiktionale Geschichte ist und es das Mädchen gar nicht gibt. Mich hat das Buch von der ersten bis zur letzten Seite gefesselt und lässt mich auch nach dem lesen nicht los. Gerne empfehle ich das Buch hier weiter.

Bewertung vom 26.08.2017
Der Totensucher
Karlden, Chris

Der Totensucher


sehr gut

Kriminalhauptkommissar Speer ist Ermittler einer frisch gegründeten Abteilung für Gewaltverbrechen. Gemeinsam mit seinem Vorgesetzten Bogner wird er zu einem verlassenen Fabrikgebäude gerufen, indem jemand über Kopf aufgehangen und grausam ermordet worden ist. Bald stellt sich heraus, dass es sich bei dem Täter um einen Serienmörder handelt, der seinen ganz eigenen Racheplan umsetzt. Doch dieser kennt auch den Aufenthaltsort von Speers Tochter Lucy, die vor zwei Jahren entführt worden und seitdem spurlos verschwunden ist... .
Der Autor Chris Karlden hat es geschafft, bereits durch den Prolog Spannung aufzubauen und im Verlauf des Buches kontinuierlich zu steigern. Neben den Mordermittlungen steht auch immer wieder Lucys Verschwinden im Vordergrund, was dem Thriller eine zusätzliche Erzählebene verleiht.
Anfangs habe ich ein wenig gebraucht, um mit den Figuren warm zu werden. Gerade der Ermittlungsleiter Bogner war mir erst unsympathisch und erst nach und nach konnte ich mich mit ihm anfreunden. Speer dagegen wirkte gleich sehr authentisch und glaubhaft auf mich. Trotz oder vielleicht gerade wegen der starken Ungewissheit und der Belastung, die er aufgrund der Entführung seiner Tochter aushalten muss, behält er die Nerven und achtet auf wichtige Details. Die Schlüsse, welche er zieht und sein ganzes Vorgehen waren für mich die meiste Zeit über nachvollziehbar. Während des Lesens habe ich ihm richtig gewünscht, dass er endlich Lucy wiederfindet.
Ein bisschen gestört haben mich die offensichtlich falschen Verdächtigen und Fährten, die leider nicht ganz geschickt platziert werden. Überraschen konnte mich der Autor erst gegen Ende des Buches, aber vorher waren viele Dinge leicht durchschaubar.
Chris Karlden schreibt gut lesbar und versteht es, auch komplexe Details einer Mordermittlung anschaulich darzustellen. Er schafft es auch, die Spannung kontinuierlich zu steigern, nur mit unvorhersehbaren Wendungen klappt es nicht so richtig.
Insgesamt erhält man mit ,,Der Totensucher" einen soliden Thriller, der mich gut unterhalten hat. Bis auf ein paar Kleinigkeiten hat Chris Carlden mich mit authentischen Ermittlungen und einer interessanten Handlung überzeugen können. Gerne empfehle ich das Buch weiter.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 25.08.2017
Und es schmilzt
Spit, Lize

Und es schmilzt


weniger gut

Als Eva eine Einladung aus ihrem Heimatdorf erhält, macht sie sich mit einem Eisblock im Kofferraum auf den Weg dorthin. Lange hat sie diesen Ort gemieden, doch auf der Fahrt kommen langsam wieder die Erinnerungen aus ihrer Kindheit hoch. Insbesondere an den Sommer 2002, indem ihre jahrelange Freundschaft zu zwei Nachbarsjungen außer Kontrolle gerät... .
Lize Spit hat hier einen sehr bedrückenden Roman geschrieben, der mich beim lesen an vielen Stellen schockiert hat, weil es oft an die Grenzen des Erträglichen geht und diese gerade zum Ende des Buches um Meilen überschritten werden. Man kann gar nicht anders, als mit der Protagonistin Eva mitzufühlen, was mich ehrlich gesagt schon sehr belastet hat.
In der Handlung wird relativ schnell deutlich, dass die Kindheit in dem kleinen Dorf für Eva alles andere als leicht war. In ihrem Elternhaus erlebt sie statt Geborgenheit, überforderte und resignierte Eltern, die selbstmordgefährdet sind und das Wohl ihrer Kinder nicht immer im Blick haben. Die einzigen Freunde, die Eva hat, sind die gleichaltrigen Jungs Pim und Laurens. Als die ,,drei Musketiere" halten sie immer zusammen, bis zu dem besagten Sommer 2002, indem ihre immer mehr sexualisierten Spiele eines Tages eskalieren.
Lize Spit ist eine überaus großartige Schriftstellerin, die eine bemerkenswerte sprachliche Ausdrucksfähigkeit hat und es versteht, den Leser mit in das Geschehen hineinzunehmen. Erzähltechnisch gesehen, ist der Roman nahezu perfekt. Für mich persönlich war es jedoch ein Problem, dass man beim lesen nach und nach die Distanz zum Geschehen verliert und sich selbst involviert und betroffen fühlt. Bereits in der Mitte des Buches will man in die Handlung eingreifen, weil man schon langsam ahnen kann, wohin das Ganze führt. Das Ende jedoch ist so brutal und schonungslos geschildert, dass es alles, worauf man sich gefasst gemacht hat, übertroffen wird und man einfach nur geschockt zurück bleibt.
Insgesamt hat mich ,,Und es schmilzt" sehr betroffen gemacht. Selten war ich nach dem lesen so deprimiert und fassungslos von einer fiktiven Geschichte. Dieses Buch muss man aushalten können.