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yellowdog

Bewertungen

Insgesamt 1899 Bewertungen
Bewertung vom 27.07.2023
Augustblau
Levy, Deborah

Augustblau


ausgezeichnet

Deborah Levys Romane sind außergewöhnlich und zeigen in der Regel Frauen in einem Zustand des Wandels. Das gilt auch für Augustblau, in der die Protagonistin Elsa eine Konzertpianistin ist, die an einem Konzertabend plötzlich etwas anderes spielt als erwartet. Sie bricht das Konzert dann abrupt ab.Sie ist seelisch aus dem Gleichgewicht.
Elsa ist auf Identitätssuche. Sie wurde als Kind, ein musikalisches Wunderkind sogar, adoptiert.
Die Handlung führt einen von Griechenland nach London und Paris bis nach Sardinien, wo jetzt ihr Adoptivvater Arthur im Sterben liegt,

Es ist ein sehr zeitgemäßes Buch. Der Zeitpunkt der Handlung ist 2021, die Pandemie herrscht vor und die Figuren tragen Masken.

Es gibt viele ausgezeichnet gemachte Formulierungen und Beobachtungen.
Deborah Levys Stil ist etwas besonderes. Dicht, metaphernreich, mit Doppelgängermotiven, ausdrucksvoll und intensiv.
Trotz der von der geringen Seitenanzahl des Buches, ist es inhaltlich wie stilistisch sehr verdichtet, rätselhaft, voller Atmosphäre und faszinierend.

Bewertung vom 27.07.2023
Schönwald
Oehmke, Philipp

Schönwald


gut

Gleichförmig erzählt

Philpp Oehmkes Buch Schöntal ist ein dichter, komplex angelegter Familien- und Gesellschaftsroman, der sich dem Thema Vergangenheitsbewältigung nähert.
Sprachlich und stilistisch ist der Roman handwerklich gut, aber doch ziemlich konventionell gemacht.
Das führt dazu, dass der Roman nicht aus der Masse ähnlicher Bücher herausragt.
Schon das Cover, welches wirklich schön gezeichnet ist, lässt den Leser im unklaren. Man denkt, der Roman spielt in einer anderen Zeit. Dem ist aber nicht so. Die Handlung zeigt eine Familie und spielt sich heutzutage ab. Leider blieb mir das ganze überwiegend fremd. Es spielt sich alles in einer erstaunlichen Gleichförmigkeit ab. Höhepunkte oder Spannungsmomente gibt es kaum. Auch eine Leistung des Autors, einen Leser auf über 500 Seiten so auf Distanz zu halten.
Die Figurenentwicklung und -führung ist auch eher durchschnittlich und so fällt auch meine Gesamtbewertung des Buches aus.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 26.07.2023
Gespräch über die Trauer
Martynova, Olga

Gespräch über die Trauer


ausgezeichnet

Tagebuch mit Essays und Lyrik

Gespräch über die Trauer ist von sprachlicher Brillanz und ein exzellent ausgearbeiteter Text,
Aufgebaut ist es als Tagebuch, mit lyrischen Passagen. Es sind z.B. auch Gedichte von Martynovas verstorbenen Mann, dem Dichter Oleg Jurjew, enthalten, eins davon sogar von Elke Erb übersetzt.

Es ist nicht nur ein Tagebuch, denn es gibt auch immer wieder längere, stark essayistische Einwürfe. Manches davon kann einen auch überfordern, z.B. wenn es um griechische Mythologie geht. Olga Martynova ist eine kluge Autorin, de viel weiß und es bleibt daher doch sehr viel, mit dem ich auch viel anfangen kann.

Immer wieder stellt Olga Martynova Zusammenhänge mit bekannten Texten über Trauer her und bringt Zitate von wichtigen Autoren. Das sind z.B. Julian Barnes, Roland Barthes, Joan Didion, Novalis …

Es ist ein ausdrucksstarker Text! Ein Buch, das man wohl nicht so schnell vergisst! Vielleicht eins, das bleibt!

Bewertung vom 26.07.2023
Der Verschwundene (eBook, ePUB)
Vekemans, Lot

Der Verschwundene (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Simon ist vor Jahren nach Kanada ausgewandert. Jetzt schickt ihm seine Schwester ihren 16jährigen Sohn, der einige Probleme hat. Für den eigenbrötlerischen Simon ist es keine leichte Sache, sich um den verstockten Neffen zu kümmern, zumal er noch durch eine Verletzung am Bein gehandicapt ist. Beziehungsprobleme durchzieht die Familie schon seit langen.
Nach einem Streit verschwindet der Junge spurlos.
Simon fürchtet sogar eine Entführung und schaltet die Polizei ein.
Das Buch ist interessant, sogar spannend. Es ist aber kein Thriller, sondern ein intelligenter Roman um zwischenmenschliche Beziehungen und menschliches Verhalten.

Lot Vekemans ist eine erfahrene Dramatikerin und weiß einen Stoff zu gestalten. Daher ist auch dieser Roman in seiner Gesamtheit so gelungen.

Bewertung vom 26.07.2023
Laufendes Verfahren
Röggla, Kathrin

Laufendes Verfahren


gut

Kathrin Röggla hatte schon ein Theaterstück über den NSU-Prozess gemacht, jetzt folgt der Roman.
Über den Ablauf und Inhalt des NSU-Prozess erfährt man nicht so viel, da muss man Kenntnisse darüber schon mitbringen.
Röggla zeigt unabhängige Zuschauer aus der Mitte der Gesellschaft. Erzählt wird in einer Wir-Form. Daher haben die erzählenden Figuren kein eigenes Profil, aber ihr Blick auf das geschehen lässt einen allgemeinen Eindruck zu. Und es gibt die Figuren in der Zuschauerumgebung des Wir. Da ist z.B. Bloggerklaus, Omagegenrechts und ähnliche skurrile Figuren.
Durch die gediegene Erzählform gelingt es Kathrin Röggla Ironie und Leichtigkeit in den ernsten Stoff hinauszubringen. Teilweise finde ich das sehr interessant, streckenweise bleibe ich aber auch ratlos.
Immerhin bekommt man einen Eindruck, wie dieser entscheidende Prozess auf die Zuschauer wirkte.

0 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 26.07.2023
Samson und das gestohlene Herz
Kurkow, Andrej

Samson und das gestohlene Herz


sehr gut

Mit Samson und das gestohlene Herz setzt der ukrainische Schriftsteller Andrej Kurkow seinen Erfolgsroman Samson und Nadjeschda fort.
Es zeigt aber nicht nur einen Kriminalfall und die Beziehung des jungen Paares sondern auch ein Porträt einer Zeit, ca.1920 in der Ukraine und den damaligen Lebensbedingungen.
Das Buch besitzt ernste wie humorvolle Ansätze.
Samson bildet bei der Polizei ein Team mit Cholodny. Sie führen in Kiew Ermittlungen in einem Fall von Schwarzhandel durch.
Wichtig ist Samson auch seine Beziehung zu Nadjeschda.
Der Roman leidet ein wenig darunter, dass er Seriencharakter hat, ist also streckenweise solide Kost. Möglicherweise wird es auch noch weitere Fortsetzungen geben.
Es gibt immer wieder auch Passagen, die brillant gemacht sind und existenzielle Fragestellungen des Lebens behandeln. Es ist ein unterhaltsames Buch und wegen dem historischen Kontext ist es ganz klar mehr als nur ein Krimi.

Bewertung vom 26.07.2023
Der Diener des Philosophen
Heidenreich, Felix

Der Diener des Philosophen


ausgezeichnet

Der blaue Vogel mit dem breiten Schnabel

Das Buch lebt von der originellen Idee, das spannungsreiche Verhältnis zwischen dem Philosophen Immanuel Kant und seinem Diener Martin Lampe.40 Jahre lebten sie zusammen, obwohl sie sehr unterschiedliche Menschen sind und es eine latente Gegnerschaft gab.
Manche Szenen sind aus der Sicht von Martin Lampe, den es auch tatsächlich gab,. Andere, vor allen in späteren Passagen sind es die Gedankengänge von Kant. Als Beobachter dazwischen Waisinski, der spätere Biograf von Kant.
Der Autor Felix Heidenreich ist Philosophie- und Politikwissenschaftler. Vielleicht hat das dazu beigetragen, dass dieser Roman etwas anders gestaltet ist als die üblichen historischen Romanbiografien, von denen es zu viele gibt.
Der Diener des Philosophen dürfte länger im Gedächtnis des Lesers bleiben.

Bewertung vom 25.07.2023
Von Wegen und Umwegen - Betrachtungen über das Leben zu Fuß

Von Wegen und Umwegen - Betrachtungen über das Leben zu Fuß


gut

Von Wegen und Umwegen – Betrachtungen über das Leben zu Fuß
so der lange deutsche Titel. Der Originaltitel Where My Feet Fall
Going for a Walk in Twenty Stories erscheint mir geschmeidiger.
Themenanthologien haben die Gefahr, die Autoren einzuschränken, aber auch den Vorteil, ein breites Spektrum an Eindrücken über ein Thema zu versammeln.
Duncan Minshull, der auch das Vorwort geschrieben hat, wählte originell die Autoren aus. Von sehr großen Namen bis zu bei uns nicht ganz so bekannten.
Es geht los mit dem großen Richard Ford, gefolgt von Tim Parks.
Erster richtiger Höhepunkt ist für mich die Story Skiddaw von A.L.Kennedy. Ihre Prosa hat immer noch Frische und Ironie.
Dann kommen aber auch so einige langweilige Geschichten.
Ein spätes Highlight ist Kamila Shamsie mit Raus aus dem Käfig. Sie wandert mit Freundinnen in Karachi, Pakistan.
Es empfiehlt sich, die Geschichten dosiert zu lesen. Dann wirkt es am besten.

Bewertung vom 24.07.2023
Die Einladung
Cline, Emma

Die Einladung


sehr gut

5 Tage

An dem Buch ist das aufregende erben der ungewöhnlichen Hauptfigur und dem Setting sicherlich der bemerkenswerte Stil von Emma Cline.

Alex ist eine 22jährige Frau, ebenso haltlos wie skrupellos. Sie ist bereit zu lügen, zu täuschen und etwas zu riskieren und ihren Körper ei zusetzen.
5 Tage will sie auf Long Island überbrücken, um dann wieder mit ihrem Sugardaddy zusammen zu kommen. Gesucht wird sie aber auch von ihrem Ex, dem sie Geld gestohlen hat.

Der festgelegte zeitliche Rahmen bestimmt das Lesegefühl mit. Eine beklemmende Atmosphäre durchzieht das Buch.

Man ist nah an der getriebenen Figur dran und kann sie doch nicht ganz durchschauen. Alex entzieht sich jedem moralischen Halt. Sie erinnert an eine weibliche Version des talentierten Mr. Ripley, zweifellos ist das von der Autorin so gewollt.

Es ist ein ungewöhnlicher wie faszinierender Roman.

Bewertung vom 24.07.2023
October, October
Balen, Katya

October, October


ausgezeichnet

Wir leben im Wald, und wir sind wild

Die weite, wilde Welt wartet auf mich. So lautet der Untertitel dieses empfehlenswerten Jugendbuches. Für die 11jährige October, die mit ihrem Vater im Wald lebt, ist die wilde Welt die Großstadt, die Zivilisation.
Im Wald hatte sie ein unbeschwertes Leben geführt. Nach einem Unfall des Vaters muss sie aber zur Mutter nach London und auch zur Schule gehen. Für die anderen Schüler ist sie das wilde Mädchen, aber October ist intelligent. Dennoch ist ihr größter Wunsch, zurück in den Wald zu gehen.
Doch langsam gibt es eine kleine Annäherung mit der Frau, die ihre Mutter ist.

Es ist ein gefühlvolles Buch, wenn auch mit Ecken und Kanten, denn October ist zunächst natürlich unangepasst. Die Perspektive liegt konsequent bei October. Als Leser ist man nah an ihrer Gefühls- und Erlebniswelt.
Ich denke, es ist unmöglich, nicht mit ihr mitzufühlen, da die Autorin Katja Balen die emotionale Geschichte mit viel Einfühlungsvermögen und Empathie geschrieben hat.