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Bellis-Perennis
Wohnort: 
Wien

Bewertungen

Insgesamt 901 Bewertungen
Bewertung vom 23.03.2024
Und Großvater atmete mit den Wellen
Teige, Trude

Und Großvater atmete mit den Wellen


ausgezeichnet

Wer „Als Großmutter im Regen tanzte“ gelesen hat und sich mit der Familiengeschichte von Konrad und Tekla weiter beschäftigten will, kommt an diesem Buch nicht vorbei, denn diesmal erzählt Trude Teige Konrads Geschichte.

Konrad und Sverre, zwei norwegische Brüder fahren während des Zweiten Weltkrieges auf einem Handelsschiff im Pazifik, als ein japanischer Torpedo das Schiff trifft. Nur wenige Männer, darunter Konrad können sich in ein Beiboot retten, während Sverre im Meer verschwindet.

Wenig später trifft der völlig entkräftete Konrad in einem Krankenhaus auf die Krankenschwester Sigrid, eine junge Frau, deren Familie seit längerer Zeit auf Java Geschäfte macht. Als die Japaner Java besetzen werden alle Ausländer in Internierungslagern festgehalten. Obwohl Teile Norwegens nun zum Deutschen Reich, das mit Japan verbündet ist, zählen, werden auch die Norweger als „friendly enemies“ in den Lagern festgehalten. Die Bedingunen sind katastrophal. Der einzige Lichtblick ist, dass sich nun Sverre und Konrad wieder treffen. Doch die Freude währt nicht lange, denn Sverre übernimmt als älterer Bruder die Verantwortung über ein Vergehen des jüngeren Bruders und wird dafür schwer bestraft.

Als nach fast zwei Jahren Internierungslager endlich die Freiheit zu winken scheint, beginnt der Aufstand der indonesischen Bevölkerung, um sich an den europäischen wie japanischen Besatzern zu rächen ....

Meine Meinung:

Ähnlich wie in "Als Großmutter im Regen tanzte" schildert Trude Teige das Leben eines Norwegers, der durch die Umstände zum Außenseiter geworden ist, eines Mannes, der mit der „Schuld“ überlebt zu haben, hadert. Erst das zufällige Zusammentreffen mit Tekla in England, wird ihm neuen Lebensmut geben.

Wie wir es von Trude Teige gewöhnt sind, ist auch dieses Buch mitreißend erzählt. Die historischen Details wie die gerade zu unanständige Selbstverständlichkeit mit der sich die Europäer in fremden Ländern breit machen und auf deren Bevölkerung herabsehen, ist sehr gut gelungen. Sigrids Mutter Henny ist das Symbol dafür: alkoholkrank, selbstsüchtig und sehr unsympathisch. Doch die Lagerhaft wird sie läutern.

Vermutlich werden viele Leser nur die Gräuel aus den KZs der Nazis kennen, doch die Internierungslager der Japaner stehen ihnen in ihrer Grausamkeit nur wenig nach.

Fazit:

Gerne gebe ich dieser mitreißend erzählten Geschichte von Konrad 5 Sterne.

Bewertung vom 17.03.2024
Südbahn nach Triest
Neuwirth, Günter

Südbahn nach Triest


ausgezeichnet

Dieser historische Krimi ist schon der vierte der Reihe rund um den sympathischen Inspecteur Bruno Zabini aus Triest. Durch die Rückblicke, die sehr übersichtlich in das aktuelle Geschehen eingebettet sind, werden auch Neueinsteigerinnen und Neueinsteiger in diese Serie, über die Vorgeschichte zu Bruno Zabini und Luise von Callenhof informiert. Trotzdem empfehle ich, die gesamte Reihe zu lesen.

Bruno Zabini begleitet Luise von Callenhof und ihren Sohn Gerwin nach Wien, um dort drei Wochen Urlaub zu machen, denn obwohl Brunos Mutter aus dem ehemaligen Wiener Vorort Gumpendorf stammt, war Zabini noch nie in der Hauptstadt der Donaumonarchie. Zwar sind Bruno und Luise (noch?) nicht verheiratet, scheinen aber einen gemütlichen Familienurlaub zu machen. Man logiert in einer Suite im Hotel Sacher, besucht Museen und vergnügt sich im Prater als Bruno der polizeiliche Alltag ereilt: Die überaus wohlhabende Witwe Henriette Hohenau wird ermordet. Wie heute, sondiert die Wiener Polizei in der Person von Inspecteur Conrad Speyer das persönliche Umfeld der Toten und entdeckt, dass drei der Erben, Meinhard, Eduard und Joseph Kestranek in Triest bzw. in Pola leben. Also, was liegt näher, den Triestiner Kollegen Zabini, um Amtshilfe zu ersuchen.

Die erste Gelegenheit, sich einen Eindruck der Geschwister zu machen, ergibt sich für Zabini gleich auf der Heimreise, denn man fährt im selben Zug, speist im Speisewagen der Südbahngesellschaft und vertreibt sich Zeit mit Kartenspielen. Allerdings lässt Zabini die Gebrüder Kestranek über seinen wahren Beruf in Unkenntnis. Doch nicht nur die Kestraneks und Zabini befinden sich im Zug, sondern auch der Kammerdiener und die Zofe der Toten. Als der Zug in Triest ankommt, gibt es eine weitere Leiche und auch die wird nicht die letzte bleiben.

Meine Meinung:

Ich genieße die Lektüre rund um Bruno Zabini seit dem ersten Fall („Dampfer ab Triest“), denn ich mag das monarchistische, etwas morbide Flair, das man auch heute noch in Triest antreffen kann. Es scheint, als ob Zabini nun endlich sein etwas unstetes Liebesleben abgelegt hätte und mit Luise von Callenhof eine feste Beziehung eingeht. Er hat jedenfalls das Zeug zu einem aufmerksamen Partner und guten (Stief)Vater. Gerwin, Luises Sohn, der ohne seine Mutter bei der strengen Großmutter aufwachsen musste, hängt an den Lippen des technikverliebten und belesenen Zabini.

Besonders geschickt eingeflochten und sehr interessant, sind die Einblicke in die Welt der Dampflokomotiven und deren Zugkraft. Dass in über den Semmering entweder eine zweite Lok oder eine besonders starke vorgespannt werden muss(te), kenne ich auch noch (allerdings nicht mehr mit Dampf). Die Details die Zabini seinen interessierten Zuhörern erklärt, gehen über das 08/15-Wissen von Eisenbahnfreunden hinaus, wirken aber nicht besserwisserisch. Man glaubt ihm, dass in die vielen Details selbst faszinieren. So mag ich das, wenn unterschwellig Wissen vermittelt wird, ohne dass der Leser mit „Infodump“ überschüttet wird.

Die Charaktere sind, wie bei Günter Neuwirth üblich, sehr gut ausgearbeitet.

Es ist recht bald klar, dass einer der Krestanek-Brüder der Täter sein muss, nur wer? Der Leser darf ein wenig spekulieren, während Bruno Zabini, die ihm zur Verfügung stehende Technik der Kriminologie ausnützt. So arbeiten Bruno und seine Mannschaft nach dem von Professor Dr. Hans Gross (1847-1915) 1893 herausgegebenen „Handbuch für Untersuchungsrichter als System der Kriminalistik.“. Professor Gross ist der erste Kriminologe und hat einen Lehrstuhl an der Uni Graz begründet. Ab ca. 1900 finden sowohl die Daktyloskopie, Fotografie als auch der „Tatortkoffer“ in der Donaumonarchie ihre Anwendung. Die Daktyloskopie wird ihren Durchbruch und Höhenflug mit der Erfindung von Rudolf Schneider, der die sogenannte „Wiener Folie“ zum Patent angemeldet hat, erringen.

Bruno Zabini wird von seiner Mannschaft perfekt unterstützt und darf noch auf Conrad Speyer aus Wien zählen, der mit einem Koffer voll Akten an die Obere Adria reist.

Jedenfalls wird der nunmehrige Dreifachmörder auf Grund der akribischen Spurensuche und schlüssigen Argumentation überführt.

Autor Günter Neuwirth gelingt es immer wieder, das Flair der untergehende Donaumonarchie darzustellen. Diesmal haben die italienischen Irredentisten Pause. Ich gehe davon aus, dass sie in einem der nächsten Bände Bruno Zabini und seine Mannschaft beschäftigen werden.

Fazit:

Sehr gerne bin ich wieder mit Bruno Zabini im Hafen von Triest spazieren gegangen, habe den Schiffen beim An- und Ablegen zugesehen und gleichzeitig Ermittlungen angestellt, um den Täter zu überführen. Dieser 4. Fall für Bruno Zabini hat mir wieder sehr gut gefallen, weshalb er wieder 5 Sterne und eine Leseempfehlung erhält.

Bewertung vom 17.03.2024
Der Donauradweg für Genießer
Holzer, Florian

Der Donauradweg für Genießer


ausgezeichnet

Florian Holzer nimmt seine Leserinnen und Leser in diesem Buch auf den 400 km langen Radweg entlang der Donau, der in Deutschland beginnt, durch Österreich führt und der Slowakei endet, mit.

Dabei liegt der Fokus nicht auf dem Abspulen des Weges in Rekordzeit, sondern auf dem Genießen. Dazu tragen rund 150 Gasthöfe bei, die die Radtouristen zu köstlichen Speisen und erfrischenden Getränken einladen.

Die Strecke von 400 km ist in folgende zwölf Touren eingeteilt.

Passau
Donauengtal, Schlögener Schlinge
Eferdinger Becken
Linz
Machland
Strudengau
Nibelungengau, Ybbs - Emmersdorf
Wachau
Tullnerfeld
Wien/Donaukanal
Nationalpark Donauauen
Bratislava

Zu jeder Etappe gibt es technische und organisatorische Angaben wie Landkarte, Länge, Höhenmeter, Schwierigkeitsgrad, Beschaffenheit der Radwege sowie Ein- und Ausstiegsmöglichkeiten. Die Gasthäuser und ihre kulinarischen Köstlichkeiten werden ebenso beschrieben, wie das historische Ambiente und Sehenswürdigkeiten von Städten wie z.B. Passau, Linz, Wien oder Bratislava. Wer will, kann an einem Ort etwas länger verweilen und erst am nächsten Tag weiterradeln.

Das Buch gibt eine sehr gute Übersicht über den Donauradweg und lädt zum Genießen ein. Die gelungenen Fotos von Rupert Pessl sowie der ansprechender Text, machen Lust darauf, die Donau von Passau bis nach Bratislava entlangzuradeln. Das Buch ist im Styria-Verlag als Klappenbroschur erschienen. Ein skizzierte Plan des gesamten Donauradweges findet sich auf dem Vorsatzblatt.

Fazit:

Gerne gebe ich diesem ansprechenden Genuss-Rad-Guide 5 Sterne.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 17.03.2024
Das Opernhaus: Rot das Feuer / Die Dresden Reihe Bd.2
Stern, Anne

Das Opernhaus: Rot das Feuer / Die Dresden Reihe Bd.2


ausgezeichnet

Nach dem gelungenen Auftakt der Reihe rund um die Dresdner Oper mit „Das Opernhaus: Dunkel der Himmel, goldhell die Melodie“ liegt nun die fesselnde Fortsetzung mit dem Titel „Das Opernhaus: Rot das Feuer“vor.
Das Cover ist ähnlich gestaltet wie beim erste Band und hat daher einen hohen Wiedererkennungswert, auch wenn es mir nicht so ganz gefällt.

Wir schreiben inzwischen das Jahr 1849. In Dresden brodelt es. Viele sind mit den halbherzigen Reformen nach den Aufständen von 1848 nicht zufrieden.

Am Dirigentenpult der Semperoper steht seit einiger Zeit Richard Wagner. Zu seinem Leidwesen spielt man vor allem die Opern von Mozart. Dabei würde er gerne seine eigenen Ideen auf das Notenpapier bannen, was er in illustrer Runde auch dem Revolutionär Michael Bakunin, der unter falschem Namen in Dresden weilt, auch kundtut.

„...Alter Freund, ich arbeite gerade an einem neuen Stoff, den Nibelungen – die Komposition ist für mich das Wichtigste! Aber ich will die ganze Welt revolutionieren, die der Politik und die der Musik!...“

Daneben versuchen die Frauenvereine unter der Führung von Luise Otto, Rechte für sich einzufordern. Dazu ruft sie unzufriedene Frauen auf, Artikel für ihre Zeitung zu schreiben. Elises jüngste Schwester Barbara ist Feuer und Flamme für die Frauenbewegung und scheint sich auch nicht für Männer zu interessieren.

Elise hingegen ist in einer lieblosen Ehe mit Adam Jacobi gefangen. Zwar kann sie bei Konzerten auftreten und ist als Geigerin anerkannt, aber die Bewunderung der Zuhörer kann die fehlende Zuneigung in ihrer Ehe nicht ersetzen. Da die Ehe kinderlos bleibt, haben sie ein kleines Waisenmädchen adoptiert, dem sie ihre Liebe schenkt.

Als sie dann eines Tages Christian, der nun ein geachteter Kulissenmaler ist, wiedersieht, brechen bei beiden die alten Gefühle wieder auf. Als in der Stadt gekämpft und gestorben wird, überschattet die Sorge um Barbara, die sich mitten unter die Aufständischen mischt, Elises persönliche Gefühle.

Doch dann entdeckt Adam eine Nachricht von Christian, will seine Frau züchtigen und erleidet dabei einen Schlaganfall, den er als Pflegefall nur ganz knapp überlebt.

Elise übernimmt nun die Verantwortung für ihren Haushalt. Ihre Gedanken sind bei Christian, der aus Dresden, wie so viele andere, darunter Gottfried Semper und Richard Wagner, fliehen muss. Als dann Elise wenige Monate nach der Revolution ein Kind bekommt, darf der geneigte Leser über den Vater spekulieren.

Meine Meinung:

Die politische angespannte Situation, die nach der Niederschlagung der Kämpfen vom Frühjahr 1848 vor sich hingeköchelt hat, eskaliert, nachdem der König den Landtag überraschend aufgelöst hat. Der Volkszorn entfacht sich vor allem an den hohen Lebensmittelpreisen, während der Adel es sich an nichts fehlen lässt. Auch die abwartende und zögernde Haltung Preußens, dessen König man die Kaiserkrone für ein geeintes Deutschland angetragen hat, erzürnt die monarchistischen Aufständischen, während die anderen lieber gleich eine Republik ganz nach dem französischen Vorbild hätten.

Um die Situation für die Leser deutlich zu machen, bindet Anne Stern zeitgenössische Briefe und Dokumente in diesen zweiten Band ein. Daneben finden wir eine Karte von Dresden. Geschickt werden historische Fakten und Fiktion miteinander verquickt.

Im Nachwort erklärt die Autorin einiges zu den Ereignissen und bereitet die Leser auf einen dritten Band, der bereits in Arbeit ist, vor.

Fazit:

Eine gelungene Fortsetzung, die die Ereignisse während der Revolution von 1849 fesselnd erzählt. Gerne gebe ich hier 5 Sterne.

Bewertung vom 17.03.2024
Wendepunkt
Meinl-Reisinger, Beate

Wendepunkt


sehr gut

2024 ist für Österreich ein Superwahljahr mit Gemeinderatswahlen in Salzburg und Innsbruck, Landtagswahlen in der Steiermark und Vorarlberg, der Nationalratswahl sowie der EU-Wahl, die beiden letzteren jeweils im ganzen Land. Deshalb starten nun alle Parteien in den Wahlkampf. Weshalb die Präsentation dieses Buches auch diesem zugerechnet werden kann.

Grundsätzlich bringen die NEOS mit ihrer Parteichefin und nunmehrigen Buchautorin frischen Wind in die von Männern dominierte österreichische Parteienlandschaft. Manchmal scheinen die Analysen und Forderungen berechtigt, klug durchdacht oder aber auch ein wenig überzogen.

Beate Meinl-Reisinger geht unter anderem der Frage nach, warum sich so viele Menschen enttäuscht von der aktuellen Politik abwenden und dadurch den Populisten eine Bühne bieten. Einfache Antworten gibt es darauf nicht, schnelle Lösungen auch nicht. Der Populismus in der Politik hat sich langsam, aber sicher eingeschlichen. Damit verhält es sich wie mit dem Übergewicht: Über viele Jahre aufgebaut, gelingt es den wenigsten, die überschüssigen Kilos schnell wieder loszuwerden. In einer Zeit, in der es üblich ist, Parteifreunden mit Subventionen unter die Arme zu greifen, während an anderen Stellen (z.B. Bildung und Pflege) das Geld fehlt, ist es kein Wunder, dass sich nun auch der sogenannte Mittelstand, der durch seine Abgaben und Steuer, die Hauptlast der Ausgaben trägt, von den aktuellen Politikern abwendet und laut tönenden Heilsbringern ihre Ohren leiht.

Getreulich ihrem Motto „Es muss anders werden, wenn es besser werden soll.“ zieht sie im ersten Teil des Buches Bilanz über die Politik der letzten Jahre, um im zweiten Teil ihre Ideen, „wie wir das wieder hinkriegen“ präsentiert. Hierzu hat sie einen „Pakt des Vertrauens“ skizziert, der Folgendes umfasst:

Ein neues Regieren auf Basis von Vertrauen durch Transparenz, Augenhöhe und Nachvollziehbarkeit
Bereitschaft, auch mit Unklarheit umzugehen
Auf konstruktiven Dialog setzen und sich mit ehrlicher Neugier auf Beteiligung einlassen
Das Verbindende suchen und nicht das Trennende
Vergesst nicht auf die Jungen!
Unser Glaube heißt Demokratie
Demokratie muss wehrhaft sein
Auch Heilige Kühe sind schlachtbar
Die Mitte stärken, politisch wie wirtschaftlich
Bei uns selbst anfangen

Die Autorin beschwört die Eigenverantwortlichkeit und widerspricht sich sogleich, wenn sie für alle 18-jährigen die Einrichtung eines „Chancenkontos“ in der Höhe von 25.000 Euro fordert. Mit der Eigenverantwortlichkeit der Jugendlichen ist es leider nicht (mehr) weit her. Viele Angehörige der Generation Z haben eine etwas eigenwillige Einstellung zu Arbeit und Leistung, weshalb es für Arbeitgeber derzeit recht schwer ist, ausreichend Personal zu finden.
Viele sind gewöhnt, vom Staat und/oder den Eltern umsorgt zu werden, ohne darüber nachzudenken, wer dies bezahlt. Aber, das ist eine andere Geschichte.

Einigen Ideen dieses „Pakt des Vertrauens“ kann mit „Ja, eh“ zugestimmt werden, andere sollten präzisiert werden. Am besten davon gefällt mir „Das Verbindende suchen und nicht das Trennende“, denn gemeinsam sind wir stärker.

„Statt jammernder Selbstanklage sollten wir also stolz sein, gerade auf Österreich. Um unsere Freiheit und unsere Demokratie müssen wir ringen, aber sie nicht abschreiben. Gerade dann, wenn die Zeiten schwer sind und die Nachrichten aus aller Welt kaum zu ertragen, müssen wir alle aktiv werden. Ein Neo-Biedermeier, in dem wir es uns vor Streaming-Diensten gemütlich machen und uns ins Private zurückziehen, hilft genau denen, die unsere Freiheit und unsere Demokratie unterwandern wollen. Die Zukunft geht uns alle an. Und Politik braucht Öffentlichkeit.“

Fazit:

Diesem Plädoyer für eine lebendige Demokratie, die wir alle mitgestalten können und müssen, gebe ich gerne 4 Sterne.

Bewertung vom 17.03.2024
Sehnsucht Weitwandern
Schallauer, Claudia

Sehnsucht Weitwandern


ausgezeichnet

Claudia Schallauer stellt uns in diesem Buch das Weitwandern vor. Dazu begeben wir uns mit ihr auf die vier folgenden Weitwanderwege:

Johannesweg (ca. 84 km/3-5 Tagesetappen)
Luchstrail (Ca. 220 km/11-12 Tagesetappen)
Lebensweg (Ca. 270 km/13-14 Tagesetappen)
Hohe Tauern Panorama Trail (Ca. 275 km/17 Tagesetappen)

Wir erwachen mit der Sonne, laben uns an einem stärkenden Frühstück und gehen einfach los! Doch bevor wir uns auf diese Mehrtages- und Weitwandertouren begeben können, ist exakte Planung nötig.

Keine Angst davor! Die erfahrene Wanderführerin und Buchautorin erzählt alles über Planung und Organisation.
Die ersten dreißig Seiten beschäftigen sich mit wertvollen Tipps zur Streckenplanung sowie Packliste, Etappenziele usw..

Anschließend wird jede Weitwanderung beschrieben: Länge, Höhenunterschiede, Schwierigkeiten, Wegbeschaffenheit, beste Jahreszeit und besondere Highlights. Danach werden die täglichen Etappen im Detail beschrieben.

Zahlreiche tolle Fotos ergänzen dieses Buch zum Entschleunigen. Es ist möglich, einzelne Teile eines Weitwanderweges auch als Tagesausflug zu absolvieren. wer will, kann auch den einen oder anderen Package-Service in Anspruch nehmen. Die örtlichen Gasthäuser haben sich auf Weitwandergäste eingestellt. Hier ist es besonders wichtig, die Tour genau zu planen und vorab Zimmer zu reservieren.

„Weitwandern ist für mich die erfüllendste und auch ehrlichste Art, eine Region, ihre Natur und Menschen kennenzulernen. Ich wünsche meinen Leserinnen und Lesern, dass sie die Magie dieser besonderen Form des Wanderns für sich entdecken - als wertvolle Ich-Zeit oder in vertrauter Begleitung!“

Statt den überfüllten Jakobsweg zu gehen, kann hier Ruhe und Entschleunigung gefunden werden.

Fazit:

Gerne gebe ich diesem Wanderführer, der einlädt das hektische Alltagsleben für ein paar Tage hinter sich zu lassen, 5 Sterne.

Bewertung vom 14.03.2024
Eine Fingerkuppe Freiheit (eBook, ePUB)
Zwerina, Thomas

Eine Fingerkuppe Freiheit (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Dieser historische Roman, der sich mit Louis Braille und seiner Erfindung der 6-Punkt-Blindenschrift beschäftigt, hat mir sehr gut gefallen. Zum einem, weil Thomas Zwerina als Späterblindeter quasi ein Vermittler zwischen den beiden Welten ist und zum anderen, weil er Louis Brailles Verdienst würdigt.

Louis Braille ist 1809 in der Zeit der Napoleonischen Kriege als jüngster Sohn eines Sattler geboren. Der neugierige Dreijährige sticht sich mit einer Ahle in sein rechtes Auge und die darauffolgende Infektion lässt sowohl das verletzte rechte als auch das linke Auge erblinden. Das hält ihn aber nicht auf, weiter wissbegierig zu sein. Er besucht zunächst die Dorfschule, wo er durch seine Intelligenz und sein phänomenales Gedächtnis auffällt. Von seinem Lehrer und den Eltern gefördert, wechselt er 1819 nach Paris in das Blindeninstitut in der Rue Saint-Victor Nr. 68.

Gemeinsam mit zwei weiteren blinden Zöglingen, Philippe Coltant und Gabriel Gauthier, treibt Louis neben ernsthaften Studien auch allerlei Unfug, und wird von so mancher sehenden Lehrkraft nahezu gehasst, weil er mehr weiß und wesentlich schneller Zusammenhänge begreift.

Als der ehemalige Artilleriehauptmann Charles Barbier, seine eigentlich für das Militär entwickelte Geheimschrift in der vorstellt, ist Louis Braille fasziniert. Allerdings ist diese „Nachtschrift“ genannt, zu kompliziert für den täglichen Gebrauch der Blinden. Louis erstellt ein vereinfachtes System aus sechs Punkten, das zu der später bekannten Brailleschrift führen wird. Er entwickelt auch eine Notenschrift für blinde Musiker.

„Ich lese, ich schreibe, also bin ich.“ wird bis an das Lebensende, Louis Brailles Credo sein.

Doch bis diese, mit den Fingerkuppen tastbare Schrift den Blinden ihre Freiheit beim Lesen und Schreiben bringen wird, vergeht noch geraume Zeit, in der Louis Braille allerlei Anfechtungen durch Mitarbeiter des Blindeninstituts ausgesetzt ist. Vor allem die sehenden Lehrkräfte sind eifrig bemüht, Louis Brailles Errungenschaft zu desavouieren.
Sie fürchten um ihre Anstellung in der Blindenschule. Vor allem sein messerscharfer Verstand ist einigen Lehrkräften ein Dorn im Auge. So sieht er das Scheitern des Experiment mit Barbiers Nachtschrift voraus, weil der Schüler, der dafür ausersehen ist, Chello spielt und deswegen Hornhaut auf den Fingerkuppen hat, und die feinen Erhebungen nicht spüren kann.

Louis Braille wird den weltweiten Siegeszug seiner Erfindung nicht mehr erleben. Er stirbt 1852 an Tuberkulose.

Meine Meinung:

Beim Lesen dieses historischen Romans habe ich das Gefühl, ein Déjà-vu-Erlebnis zu haben. Einige Passagen sind mir sehr bekannt vorgekommen, als ob ich das oder ein ähnliches Buch schon vor Jahren gelesen hätte. Leider habe ich keine Ahnung mehr, welches das gewesen sein könnte.

Der Schreibstil ist fast schon poetisch zu nennen, passt er sich doch dem 19. Jahrhundert an. Das kann viele Leser verwirren oder sogar abschrecken. Mir hat diese Art zu formulieren sehr gut gefallen, lese ich doch manchmal auch Schriften aus dieser Zeit, die gar nicht an die heutige Schreibweise angeglichen sind. Der Autor springt ein wenig in der Zeit, so dass hier achtsam gelesen werden sollte.

Die Nebenhandlungen wie die Eifersüchteleien um die Führung des Institutes werden ausführlich behandelt. Da tritt manchmal das Leben von Louis Braille in den Hintergrund. Allerdings scheint es auch nur wenige Quellen über ihn zu geben.

Autor und Musiker Thomas Zwerina beschreibt die Schwierigkeiten, denen Blinde im 19. Jahrhundert ausgesetzt waren anhand des Pariser Blindeninstituts. Doch gleichzeitig zaubert der Autor mit seiner außergewöhnlichen Sprache stimmungsvolle Bilder von Louis Umgebung. Louis, dessen andere Sinne in einem einzigartigen Spektrum geschärft sind, erlebt die Welt für sich viel intensiver, so als wüsste er, dass ihm nicht viel Lebenszeit bleibt.

Die Zöglinge erhielten eine rudimentäre Ausbildung als Korbflechter oder ähnliches. Viel besser geht es den Kriegsinvaliden aus den beiden Weltkriegen auch nicht. Erst zahlreiche technische Hilfsmittel können den Alltag von Blinden und Sehbehinderten erleichtern. Ich habe anlässlich eines Schulprojektes unserer Sohnes mit dem Bundesblindeninstitutes in Wien Kontakt gehabt. Beeindruckend, wie hier der Alltag gemeistert wird. Inzwischen gibt es „begreifbare“ also taktile Stadtpläne, die ihren Ursprung in der Neugier und dem Wissensdurst von Louis Braille haben.

Autor und Musiker Thomas Zwerina schreibt in seinem Nachwort:

»Eine Fingerkuppe Freiheit« habe ich mit tiefer Verneigung vor der Leistung Louis Brailles verfasst, der bereits im Alter von 12 Jahren mit seinen ersten Überlegungen für seine Schrift begann. Möge sein ungebrochener Erfindergeist der Welt Zuversicht und Hoffnung geben.“

Dem ist wohl wenig hinzuzufügen.

Fazit:

Gerne gebe ich dieser literarischen Hommage an Louis Braille 5 Sterne.

Bewertung vom 14.03.2024
Dickschädels Reisen
Sedmak, Florian

Dickschädels Reisen


ausgezeichnet

Anton Bruckner, dessen 200. Geburtstag in diesem Jahr vor allem im „Oberderennsischen“ ausgiebig gefeiert wird, war dem Vernehmen nach ein Dickschädel und viel auf Reisen. In wie weit die Bezeichnung Dickschädel passt, kann nicht so eindeutig festgestellt werden, denn Oberösterreicherinnen und Oberösterreichern sagt man im Allgemeinen ein Festhalten an einer vorgefassten Meinung und eine gewisse Beharrlichkeit nach. Viel herumgereist ist er definitiv und das in einer Zeit, als das Reisen ziemlich mühsam war und die Mehrzahl der Menschen in ihrem ganzen Leben nicht aus dem Wohnort herausgekommen sind.

Wir begeben uns mit Autor Florian Sedmark auf Spurensuche in 37 oberösterreichische Orte, von Ansfelden bis Wolfern, von denen der große Komponist Ansfelden und St. Florian mehrfach besucht hat. Wie der Autor im Vorwort anmerkt, sind die Orte nicht alphabetisch aufgelistet, sondern in der ungefähren chronologischen Reihenfolge des Besuchs. Natürlich ist Anton Bruckner nicht ausschließlich innerhalb Oberösterreichs oder im „Land ober der Enns“, wie das Gebiet damals hieß, herumgefahren oder viel mehr gewandert. Seine Reisen führen in nach Wien, wo er sich nicht recht heimisch gefühlt hat, oder nach Deutschland, der Schweiz und Frankreich. In diesem Buch sollen nur die oberderennsischen Reisen betrachtet werden.

Wir erfahren einiges zu Anton Bruckner himself, seinen Werken und zur historischen Stadtgeschichte (z.B. Steyr) sowie zu den gesellschaftspolitischen Ereignissen jener Zeit.

Die Stadt Linz hat ist in diesem Buch gleich zweimal vertreten: Ab S. 53 zieht Florian Sedmark Vergleiche zwischen Adolf Hitler und Anton Bruckner, die sich auf Grund ihrer Lebensdaten niemals begegnet sind. Beide haben ähnliche Vorlieben (Kunst und Richard Wagner) und Schwächen wie den Umgang mit dem weiblichen Geschlecht sowie eine schlechte Erfahrung mit der Hauptstadt Wien.

Während seines zweiten Linz-Aufenthalts wird er am 5. Mai 1868 Zeuge eines Unglücks, bei dem ein Schiff einen Pfeiler der hölzernen Brücke über die Donau rammt und diese einstürzt.

Meine Meinung:

Mir als gelernter Vermesserin gefällt besonders gut, dass jedem Ort eine Koordinate (also die geografische Länge bzw. Breite) zugeordnet ist und 37 Orte gleich einem Schnittmuster aufgezeichnet sind. Auch die oberösterreichische Aussprache des Ortsnamen wie Öwisbeag (für Ebelsberg) klingen in meinen Ohren vertraut.

Interessant sind die Bemerkungen zu Bruckners Werken, die man mittels angegebenen QR-Code auch nachhören kann.

Das Buch ist in gediegener Aufmachung in ungewöhnlichem Format und mit einem Lesebändchen versehen, im Verlag Anton Pustet erschienen. Es eignet sich als Präsent für Bruckner-Fans, die mit dem Komponisten durch das Oberderennsische reisen wollen und dabei auf diversen Orgelbänken Platz nehmen, sich in Gastwirtschaften den Bauch vollschlagen und Bruckner nahe sein wollen. Wahrscheinlich will man Bruckners Aufenthalt im Kerker oder der Nervenheilanstalt nicht teilen.

Fazit:

Eine kurzweilige Geschichte von Anton Bruckners Reisetätigkeiten im Oberderennsischen. Gerne gebe ich hier 5 Sterne.

Bewertung vom 13.03.2024
Im Schatten des Thronfolgers
Neumeyer, Christine

Im Schatten des Thronfolgers


gut

Dieser historische Krimi, der 1909 angesiedelt ist, ist der dritte in der Reihe rund um den sympathische Polizeiagenten Johann Pospischil und seinem technikaffinen Assistenten Dr. Leopold Frisch, Entomologe und Pathologe.

Wie schon im Krimi zuvor, wird im Umfeld des Thronfolgerpaares Erzherzog Franz Ferdinand und Herzogin Sophie ermittelt. Schauplatz ist diesmal das Schloss Artstetten in dessen Gärten der intrigante Baron von Wald, zum Vergnügen frisch nobilitierter Herren, aber auf Kosten von jungen Mädchen aus dem Dorf spezielle Jagden veranstaltet. Paradiesvögel werden die Mädchen genannt, die zur Belustigung leicht geschürzt durch Hecken laufen. Was die adeligen Herren erst später schmerzhaft erfahren werden: Sie werden mit Fotos, die sie in verfänglichen Situationen zeigen erpresst. Keiner traut sich gegen einen, im Schatten des Thronfolgers stehenden Hofschranzen Anzeige zu erstatten.

Doch das ist Pospischil und Frisch zunächst einmal unbekannt. Sie sollen mit der gebotenen Diskretion, aufklären, wie neugeborene Säugling in die Kypta der Habsburger gekommen ist. Recht schnell ist klar, dass das Baby lebensfähig war und man ihm, wie einem unerwünschten Kätzchen, das Genick gebrochen hat. Aus diskreten Ermittlungen wird nichts, denn die geschwätzige Pfarrersköchin Anna lauscht nicht nur an der Türe, sondern tratscht alles weiter. Annas einziger Pluspunkt ist ihre gute Küche, denn die beiden Polizeiagenten sind in den Gästezimmern des Pfarrhofes untergebracht.

Noch während sie den Spuren des toten Säuglings nachgehen, wird Pospischil nach Wien beordert, weil es eine Anzeige mit anschließendem Selbstmord gegen Baron von Wald wegen delikater Fotos gegeben hat. Gleichzeitig wird nahe des Schlosses die junge Hebamme des Dorfes, die sich geweigert hat, an der Paradiesvogeljagd teilzunehmen, erschlagen aufgefunden. Nun müssen sich Frisch und Pospischil mit drei Verbrechen, die vor dem Thronfolgerpaar geheim gehalten werden sollen, herumschlagen.

Dank der langjährigen Erfahrung Pospischils und dem Interesse Frischs für die neueste Technik wie kleine tragbare Fotoapparate mit Rollfilm, können sie die Verbrechen aufklären.

Meine Meinung:

Wie schon in den beiden Vorgängern versucht die Autorin die Atmosphäre der langsam untergehenden Habsburgermonarchie darzustellen. Pospischil symbolisiert die alte (kaiserliche) und Frisch die neue, moderne Welt. So brausen sie in der privaten Kraftdroschke von Leopold Frisch von Wien nach Artstetten. Man begegnet diversem Personal auf Schloss Artstetten und lernt die einerseits verschwiegene aber gleichzeitig tratschsüchtige Dorfbevölkerung kennen. Da werden allerlei Theorien über die Herkunft des toten Säuglings und auch Hinweise auf mögliche Täter am Wirtshaustisch diskutiert.

Ein besonders zwielichtiger Charakter neben dem Baron von Wald, der sich wichtiger nimmt als er tatsächlich ist, ist die Pfarrersköchin Anna. Hat sie wirklich so viel Pech, dass überall dort wo sie hinkommt, Menschen sterben? Nun ja, vielleicht wird man in einem nächsten Fall etwas drüber lesen. Jedenfalls, so scheint es, hat sie unserem wackeren Pospispil auf seine alten Tage noch ein wenig den Kopf verdreht und durch das Geschwätz sowie die köstlichen Speisen Ermittler und Leser ein wenig vom Fall bzw. den Fällen ablenken. Das ist schade, denn der Kriminalfall um den toten Säugling selbst, der sich als tragische Familiengeschichte entpuppt, bei der es nur Verlierer gibt, hätte durchaus Potential zu weitaus mehr gehabt..

Ein wahrer Lichtblick ist diesmal der kurze Auftritt von Rosi, der jungen Gemahlin von Leopold Frisch. Die will nämlich mindestens die Handelsschule abschließen und arbeiten gehen. Lieber würde sie ja Jus studieren, was um 1909 noch nicht erlaubt ist. Erst nach dem Ersten Weltkrieg, ab 1919 erhalten Frauen Zugang zur juridischen Fakultät. Die Vorstellung, ausschließlich Ehefrau und früher oder später Mutter zu sein, scheint sie etwas abzuschrecken. Na, schauen wir einmal, was daraus wird.

Fazit:

Ein netter Krimi, der trotz dreier Verbrechen wenig Spannung zu bieten hat, weil diese durch Brettljause, Schnitzel und Schweinsbraten sowie dem einen oder anderen Schnaps, ins Hintertreffen gerät. Das kostet den 4. Stern. Wer es sich gerne in der k. und k. Zeit gemütlich machen will, ist hier richtig. 3 Sterne.

Bewertung vom 13.03.2024
Orkantief / Himmel und Holle ermitteln Bd.2 (eBook, ePUB)
Bergstedt, Susanne

Orkantief / Himmel und Holle ermitteln Bd.2 (eBook, ePUB)


sehr gut

Als während einer Gewitternacht im Garten des leerstehenden Guthauses der Familie Holthusen eine uralte Eiche auseinander bricht, entdeckt die Nachbarin die mumifizierte Leiche des seit drei Jahren vermissten Kalli Holthusen. Das Kind ist damals verschwunden und trotz groß angelegter Suchaktionen nicht gefunden worden. Darüber ist die Ehe seine Eltern Anne und Clemens zerbrochen. Wenig später verreist Anne mit dem Familienhund, kommt in der neuen Wohnung nie an und niemand kennt ihren Aufenthaltsort. Für die Polizei in Kiel gilt, dass jeder erwachsene das Recht hat, seinen Wohnort (auch im Ausland) selbst zu bestimmen und den niemandem mitteilen muss.

Natürlich wittern Telse Himmel und Wanda Holle sofort Ungereimtheiten. Warum hat der Ehemann seine Frau nicht mittels Privatermittler suchen lassen, wenn er, wie behauptet wird so sehr an seinem Hund, wenn nicht an Anne, gehangen hat? Und warum hat man nach Kallis unerklärlichen Verschwinden keine Hundestaffel eingesetzt?

Nachdem Wandas Nachbar, KHK Olaf Wuttke sich hinter allerlei Vorschriften versteckt und untätig bleibt, beginnen die beiden Freundinnen eigenständig zu recherchieren. Da kommt ihnen die Gruppe Umweltschützer, die gegen das Bauvorhaben im Olympia-Hafen von 1972 demonstriert, in dem sie das Gelände besetzen, gerade recht. Telse schließt sich für kurze Zeit der Gruppe an, weil sich auch Anne für Naturschutz eingesetzt hat und dort bekannt gewesen ist.

Ein weiteres Ziel der Hobby-Detektivinnen ist das leerstehende Anwesen der Holthusen. Als sie dort unbefugt eindringen, machen sie die Bekanntschaft der Nachbarin Matilde Albers und deren Drohne. Matilde ist nicht mehr gut zu Fuß, aber als ehemalige Kartografin liebt sie es, ihre Drohen Aufnahmen der Umgebung zu lassen. In Matilde Wohnung, die mit Katasterplänen und Kartografischen Darstellungen aller Art gepflastert ist, haben Telse und Wanda eine zündende Idee.

Meine Meinung:

Dieser zweite Fall für Himmel & Hölle hat mir recht gut gefallen. Als gelernte Vermesserin liebe ich alte und neue Karten, Katasterpläne sowie Luftaufnahmen und Orthophotos. Da habe ich mich Matilde gleich tief verbunden gefühlt.

Neben den mehr oder wenig geschickt angestellten Nachforschungen der beiden Frauen, beschäftigt sich der Krimi mit gleich mehreren anderen Themen: Das eine ist Gewalt in der Familie, das auch in der Oberschicht anzutreffen ist. Ein weiteres sind Bauvorhaben auf den letzten naturbelassenen Grundstücken und die Aktivitäten dagegen. Telse, die sich den Umweltschützern anschließt, um Informationen rund um Annes Verschwinden zu erhalten, muss gleich mehrfach für ihr Engagement bezahlen: erstens, wird sie während der Nachtwache niedergeschlagen, zweitens wird sie zur Direktorin der Schule, in der sie als Aushilfslehrerin arbeitet zitiert und für ihren Protest gegen die Verbauung der Wiese gescholten und drittens entdeckt sie, dass die, ach so umweltbewussten Naturschützer die Wiese nach ihrem Abzug als Müllhalde hinterlassen haben.

Die Auflösung des Falles ist ziemlich aufgelegt und hat mich daher nicht wirklich überrascht. Zuerst streitet das Ehepaar Holthusen über den Verkauf des Anwesens. Anne will den Gutshof nicht hergeben und danach ist ein Verkauf für den charismatischen Arzt Clemens Holthusen kein Thema mehr. Da fällt es uns Lesern schwer, nicht doch einen Zusammenhang zu Annes Verschwinden zu vermuten.

Ein bisschen hat mich die Darstellung der Rolle der Polizei gestört. Kümmert es die sich wirklich so gar nicht, wenn eine erwachsene Person verschwindet? Also Olaf Wuttke hat noch ein wenig Potential zur Entwicklung.

Fazit:

Gerne gebe ich dieser gelungenen Fortsetzung 4 Sterne.