Benutzer
Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
Bücherfreundin

Bewertungen

Insgesamt 302 Bewertungen
Bewertung vom 18.07.2022
Susanna
Capus, Alex

Susanna


ausgezeichnet

Spannender Roman über eine engagierte Frau
Der Hanser-Verlag hat das neue Buch "Susanna" von Alex Capus veröffentlicht. Ich kenne bisher noch keine Werke des Autors und war daher sehr neugierig auf den Roman.

"Susanna" beginnt mit der spektakulären Ankunft des "Wilden Mannes" am 13. Januar 1849 im Hafen von Basel. Einmal im Jahr kommt dieser auf seinem Floß an, und alle Bewohner der Stadt strömen herbei, um dem traditionellen Ereignis beizuwohnen. Auch die fünfjährige Susanna Faesch gehört mit ihrer Familie zu den Schaulustigen. Seit 6 Jahren verkörpert der Kutscherknecht Anton Morgenthaler den Wilden Mann. Als er ans Ufer springt, bemerkt er, dass ein kleines Mädchen am Boden liegt. Er will das anscheinend gestürzte Kind hochheben. Susanna erschrickt, in ihrer Angst wehrt sie sich und sticht dabei dem Mann mit ihrem Zeigefinger ein Auge aus. Am Nachmittag unterzieht der Vater, Lukas Faesch, das Kind einem väterlichen Strafprozess, in dem er abwechselnd die Rolle des Anklägers und die des Verteidigers übernimmt. Die ganze Familie muss den Monologen des Vaters beiwohnen, ebenso der seit einigen Wochen bei der Familie weilende Freund des Vaters, der Arzt Karl Valentiny. Die Männer kennen sich seit der Zeit, als sie gemeinsam im algerisch-marokkanischen Grenzgebiet dienten.

Als Karl fünf Jahre zuvor aus der Fremdenlegion nach Dortmund heimkehrt, überredet ihn sein Vater, seinen Freund, einen Hausarzt ohne eigene Praxis, nach dessen Schlaganfall zu vertreten. Karl übernimmt die Tätigkeit für einige Jahre und gerät in Schwierigkeiten, nachdem er Schusswaffen seiner Patienten reinigte und reparierte. Er ahnt nicht, zu welchem Zweck die Waffen eingesetzt werden und flüchtet nach Basel zu seinem Freund Lukas. Als seine Besuchserlaubnis abläuft, wandert er nach Amerika aus. Ein Jahr später folgt ihm Maria, Susannas Mutter, gemeinsam mit ihrer Tochter. Die Söhne bleiben beim Vater. Maria hatte sich während Karls Aufenthalt in Basel in ihn verliebt, sich ihm allerdings nie offenbart. Ihr Ehemann lässt sie gehen, nimmt ihr aber das Versprechen ab, niemals zurückzukommen.

Der zweite Teil des Buches schildert das Leben von Karl, Maria und Susanna in Brooklyn. Karl praktiziert als Arzt, Maria unterstützt ihn, und Susanna betätigt sich ab dem 14. Lebensjahr als erfolgreiche Porträtmalerin, was ihr früh zu einem eigenen Einkommen verhilft. Jahre später heiratet sie den jungen Arzt Claude. Nach Erhalt einer größeren Erbschaft macht sich Susanna mit ihrem 13jährigen Sohn Christie auf den beschwerlichen Weg in das Dakota-Territorium, um den dort lebenden Häuptling Sitting Bull vor den drohenden Gefahren durch amerikanische Soldaten zu warnen.

Das Buch basiert auf der Lebensgeschichte von Caroline Weldon geb. Susanna Caroline Faesch, einer schweizerisch-amerikanischen Bürgerrechtlerin und Künstlerin des späten 19. Jahrhunderts und Aktivistin in der National Indian Defense Association. Dem Autor ist es hervorragend gelungen, Fakten und Fiktion zu einer spannenden Geschichte zu verbinden.

Alex Capus beherrscht die Kunst des Erzählens, das Buch ist in wunderschönem, lebendigem Sprachstil geschrieben und hat mich bis zum Ende gefesselt. Der Autor hat die einzelnen Charaktere sehr authentisch gezeichnet. Die Protagonisten waren mir äußerst sympathisch, und es hat mir sehr viel Freude gemacht, in diese Zeit des 19. Jahrhunderts einzutauchen. Egal, ob es um die Begegnungen mit dem Kutscherknecht, die Schilderung der Jahre in der Fremdenlegion oder die Zeit in Amerika ging - ich habe mich keine Sekunde gelangweilt und mich sehr gut unterhalten gefühlt!

Von mir unbedingte Leseempfehlung und wohlverdiente 5 Sterne!

Bewertung vom 12.07.2022
Jahre mit Martha
Kordic, Martin

Jahre mit Martha


ausgezeichnet

Beeindruckender und berührender Roman mit Tiefgang
Der Fischer Verlag hat nach "Wie ich mir das Glück vorstelle", dem ersten, mehrfach ausgezeichneten Roman von Martin Kordic, nun dessen zweites Buch "Jahre mit Martha" veröffentlicht.

Der Roman erzählt die Geschichte des zu Beginn des Buches 15jährigen Schülers Zeljko, der mit seiner Familie, die aus Herzegowina stammt, in einer Zweizimmerwohnung in Ludwigshafen lebt. Der Vater ist Bauarbeiter und während der Woche auf Montage, die Mutter hat mehrere Putzstellen. Zeljko hat einen älteren Bruder, Krudo, und eine kleine Schwester namens Ljuba. Auf dem 40. Geburtstag seiner Mutter lernt Zeljko Martha Gruber kennen. Martha ist Professorin für Literatur und lebt in Heidelberg. Regelmäßig fährt Zeljkos Mutter nach Heidelberg, um Marthas Haus zu putzen. Während eines mehrwöchigen Ferienjobs bei Martha lernt Zeljko diese näher kennen. Er ist fasziniert von ihrer Bildung und ihrem Leben und verliebt sich in sie. Martha gewährt ihm Zugang zu ihrer umfangreichen Bibliothek, und Zeljko kann seinen literarischen Hunger stillen. Während der letzten Woche seiner Tätigkeit bei Martha kommen sie sich nach einem Opernbesuch näher, an einem Badesee kommt es zum ersten Kuss. Danach trennen sich ihre Wege.

Zeljko ist ein hervorragender Schüler, der dank des Einsatzes einer Lehrerin von der Realschule auf das Gymnasium wechselt. Nach dem Abitur erhält er ein Stipendium der Universität München. Martha, die er seit Jahren nicht gesehen hat, verhilft ihm durch eine Bürgschaft zu einer Unterkunft. An der Universität lernt er den angesehenen Literaturprofessor Alex Donelli kennen, der ihm eine Stelle als persönlicher Assistent verschafft. Es kommt zum Zerwürfnis, nachdem Donelli Zeljko die Zustimmung zur Prüfung seiner Abschlussarbeit verweigert. 

Martha und Zeljkos Liebe entwickelt sich sehr langsam, zwischen ihren Begegnungen liegen manchmal Jahre. Es ist Martha, die ihn zur Feier seines Studienabschlusses begleitet und die ihm beim Tod eines Familienmitglieds zur Seite steht.
Der Eintritt ins Berufsleben gestaltet sich schwierig, und nach Jahren der Suche findet Zeljko endlich berufliche Erfüllung ....

Das Buch ist in der Ich-Form aus der Perspektive Zeljkos geschrieben. Der intelligente Erzählstil ist ganz wunderbar, das Buch hat mich von der ersten Seite an gefesselt. Der Autor beschreibt sehr liebevoll die Verbindung zwischen Zeljko und Martha, aber schildert auch auf sehr eindrucksvolle Weise die Schwierigkeiten, die sich für Zeljko aus seiner Herkunft ergeben und das damit verbundene Gefühl, nicht wirklich dazuzugehören in diesem Land, in dem er aufgewachsen ist. 

Der Roman, der mich zutiefst berührt hat, ist bereits jetzt für mich ein Lesehighlight dieses Jahres, und ich freue mich schon auf den nächsten Roman von Martin Kordic. Unbedingte Leseempfehlung von mir für diesen wunderbaren und beeindruckenden Roman mit Tiefgang und wohlverdiente 5 Sterne!

3 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 06.07.2022
Freundin bleibst du immer
Obaro, Tomi

Freundin bleibst du immer


sehr gut

Schöner Debütroman über drei Freundinnen und eine nigerianische Hochzeit
Der Hanser Verlag hat den Debütroman "Freundin bleibst du immer" der in Brooklyn lebenden Kulturredakteurin Tomi Obaro veröffentlicht.

Der Roman erzählt die Geschichte der drei nigerianischen Freundinnen Funmi, Enitan und Zainab. Sie haben sich in den Achtziger Jahren an der Universität kennengelernt und teilten sich  zeitweise ein Zimmer im Studentenwohnheim. Nach dem Studium trennten sich ihre Wege. Nach 30 Jahren treffen sich die Frauen anlässlich der Hochzeit von Funmis Tochter Destiny mit Dele in Lagos wieder. 

Das Buch gliedert sich in drei Teile: der erste spielt im Hier und Jetzt. Im Vordergrund stehen Anreise und Vorbereitungen für die mehrere Tage andauernden Hochzeitsfeierlichkeiten. Im zweiten Teil beschreibt die Autorin die gemeinsame Zeit der Protagonistinnen in den achtziger Jahren sowie im Rückblick deren Kindheit und Jugend. Schließlich geht es im letzten Teil wieder um die Gegenwart, hier ganz speziell um die Hochzeit.

Die Freundinnen sind sehr verschieden, sowohl vom familiären wie auch religiösen Hintergrund.
Funmi ist die Schöne, die früh ihre Mutter verlor und nach dem tragischen Ende ihrer Beziehung zu einem Studenten den Geschäftsmann Yinka heiratete, an dessen Seite sie ein Luxusleben führt. Das Verhältnis zu ihrer einzigen Tochter Destiny ist ein schwieriges.
Enitan ist die eher Unscheinbare, jedoch die Intelligenteste von allen, die sich von ihrer strengreligiösen Mutter löst, um mit einem Amerikaner in dessen Heimat ein neues Leben zu führen. Sie ist mittlerweile von ihrem Mann Charles getrennt und reist gemeinsam mit ihrer Tochter Remi zur Hochzeit nach Lagos.
Zainab ist die Patin der Braut. Sie hat Englische Literatur studiert und Ahmed geheiratet, den Protegé ihres wohlhabenden Vaters, und vier Kinder bekommen. Ahmed hat bereits mehrere Schlaganfälle erlitten und ist auf Zainabs Pflege und Unterstützung angewiesen.

Funmi, Enitan und Zainab verbindet keine reine Bilderbuchfreundschaft, es gab auch schwierige Zeiten. Mir hat sehr gut gefallen, wie die Autorin die Höhen und Tiefen ihrer Freundschaft beschreibt und wie authentisch die unterschiedlichen Charaktere der drei Frauen und ihrer Töchter gezeichnet werden.  

Der Roman über Freundschaft und Liebe, schmerzliche Verluste, aber auch Enttäuschungen und Generationskonflikte hat mir gut gefallen. Ich habe mich gerne nach Nigeria, ein Land mit vielen Traditionen, entführen lassen. Auch das überraschende Ende fand ich stimmig. Der schöne Schreibstil der Autorin ist flüssig und anspruchsvoll. Das Cover finde ich außergewöhnlich schön und sehr edel mit der goldenen Schrift.

Leseempfehlung von mir und 4 Sterne!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 04.07.2022
Alles über den Straßenverkehr / Wieso? Weshalb? Warum? Bd.50
Erne, Andrea

Alles über den Straßenverkehr / Wieso? Weshalb? Warum? Bd.50


ausgezeichnet

Lehrreiches und wunderschön gestaltetes Kinderbuch über den Straßenverkehr
Der Kinderbuchverlag Ravensburger hat in seiner beliebten Reihe "Wieso, weshalb, warum" das Buch "Alles über den Straßenverkehr" veröffentlicht. Es wurde von Andrea Erne geschrieben und richtet sich an Kinder ab etwa 4 Jahren. Es ist somit in erster Linie ein Vorlesebuch, aber ich kann mir vorstellen, dass auch kleine Erstleser noch viel Freude an den lehrreichen Texten und schönen Bildern haben.

Man kann nicht früh genug mit der Verkehrserziehung beginnen. Auf 16 stabilen Seiten wird den Kindern in verständlicher Sprache spielerisch und auf spannende Weise erklärt, was im Straßenverkehr wichtig ist und welche Regeln es zu beachten gibt. Die liebevollen und farbenfrohen Zeichnungen von Peter Friedl ergänzen die Texte ganz wunderbar. Es gibt sehr viele interessante Details - fast wie in einem Wimmelbuch. Sehr schön finde ich auch die bei den Kindern so beliebten Klappen, hinter denen viele weitere Einzelheiten entdeckt werden können. Auf der letzten Seite befindet sich ein kleines Würfelspiel.

Ich finde das Buch ganz wunderbar gestaltet, es ist lehrreich und wird Jungen wie Mädchen gleichermaßen begeistern.
Ganz besonders hervorheben möchte ich die robuste Spiralbindung, die eine lange Lebensdauer des Buches garantiert.

Die Deutsche Verkehrswacht empfiehlt das qualitativ äußerst hochwertige und sehr lehrreiche Kinderbuch - dem schließe ich mich gerne an und vergebe 5 wohlverdiente Sterne!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 03.07.2022
Die Hennakünstlerin / Jaipur Bd.1
Joshi, Alka

Die Hennakünstlerin / Jaipur Bd.1


sehr gut

Spannender Roman über das Leben einer starken Frau in Indien
Der Verlag Harper Collins Germany hat mit "Die Hennakünstlerin" den Debütroman der 62jährigen Alka Joshi veröffentlicht. Es handelt sich um den ersten Band der Jaipur-Trilogie. Nachdem ich las, dass die amerikanische Schauspielerin Reese Witherspoon das Buch in ihrem monatlich erscheinenden Lesezirkel sehr gelobt hatte, war ich bereits seit neugierig auf den Roman.

Die faszinierende und fesselnde Geschichte, aus der Perspektive der Ich-Erzählerin Lakshmi Shastri geschrieben, spielt in der Mitte der fünfziger Jahre des letzten Jahrtausends in Indien, kurz nach der Unabhängigkeit von den Briten. Lakshmi, bereits mit 15 Jahren in einer von ihren Eltern arrangierten Ehe gefangen, flieht nach zwei Jahren aus dieser unglücklichen und missbräuchlichen Verbindung. Mittlerweile ist sie 30 Jahre alt und hat sich in der Großstadt Jaipur ein vollkommen neues Leben aufgebaut. Im Laufe der Jahre hat sie sich mit viel Fleiß und Ehrgeiz einen guten Ruf als Hennakünstlerin erworben. Ihre Kundinnen sind die Damen der Oberschicht, die ihr auch ihre gesundheitlichen Probleme anvertrauen. Lakshmi hat bei ihrer Schwiegermutter alles über die Heilkräfte der Kräuter gelernt und wendet auch diese Kunst bei ihren reichen Damen an. Durch ihre regelmäßigen Einkünfte kann sie sich ihren Traum von einem eigenen Haus erfüllen.

Ihr Leben ändert sich, als nach vielen Jahren ihr Ehemann Hari erscheint, zusammen mit ihrer 13jährigen Schwester Radha, von deren Existenz sie bisher nichts wusste. Radha lebt fortan bei Lakshmi. Sie erweist sich als geschickte Helferin und darf Lakshmi zu deren Terminen begleiten. Das nicht ganz einfache Verhältnis der Schwestern wird schwer belastet, als Lakshmi feststellen muss, dass ihre kleine Schwester schwanger ist ......

Sehr gern habe ich mich in die mir bisher vollkommen fremde Welt Indiens entführen lassen. Ich fand es sehr interessant, so viel über die indische Gesellschaft, Kultur, das Kastensystem, Rituale und ganz besonders die Stellung der Frau in der damaligen Zeit zu erfahren und in das Leben der Protagonisten einzutauchen. Sehr beeindruckend fand ich neben der detailreichen Schilderung der Hennakunst auch die Beschreibung der unterschiedlichen Heilkräuter und ihrer Anwendungsgebiete.

Das Buch enthält in Kursivschrift sehr viele indische Begriffe. Auf den letzten 8 Seiten sind diese alphabetisch aufgeführt und erklärt. Dieses Glossar habe ich einerseits als sehr nützlich empfunden, aber auch als zeitaufwändig, da ich häufig nach hinten blättern und suchen musste.

Im letzten Teil des Romans überschlagen sich die Ereignisse, so dass die Geschichte für mich nicht mehr ganz glaubwürdig ist. 
Dennoch hat mir das Buch gut gefallen, es hat mich gleichermaßen gefesselt und berührt. Der Schreibstil der Autorin ist leicht und flüssig, und die einzelnen Charaktere sind gut beschrieben. Lediglich die Darstellung des kleinen Malik fand ich unglaubwürdig. Die Sätze, die Malik in den Mund gelegt werden, und wie er agiert - so redet und handelt kein 8jähriges Kind. 

Das Ende des Buches lässt auf eine spannende Fortsetzung hoffen - von mir 4 Sterne!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 01.07.2022
Was ich nie gesagt habe / Gretchen Bd.2
Abel, Susanne

Was ich nie gesagt habe / Gretchen Bd.2


sehr gut

Emotionale und fesselnde Fortsetzung
Der dtv Verlag hat den Roman "Was ich nie gesagt habe - Gretchens Schicksalsfamilie" von Susanne Abel veröffentlicht. Das Buch schließt sich handlungsmäßig an den ersten Band "Stay away from Gretchen" an, und es ist sicherlich hilfreich, diesen ersten Band zu kennen. Wem dieses Basiswissen fehlt, dürfte sich aber auch zurechtfinden, da die relevanten Ereignisse des ersten Buches als Erinnerungen in den zweiten Band einfließen.
Bei der Geschichte, die auf zwei sich abwechselnden Zeitebenen erzählt wird, geht es wiederum um das Leben der Familie Monderath.
Neben Gretas Ehemann Konrad, genannt Conny, steht Gretas Sohn Tom im Mittelpunkt des Geschehens. 

Connys Geschichte beginnt 1933 in Köln. Als er fünf Jahre alt ist, stirbt sein Vater, und seine Mutter zieht ihn, seinen älteren Bruder Franz und die kleine Schwester Lizzy, die am Down-Syndrom leidet und später ein grausames und trauriges Schicksal erleidet, allein groß. Ein Schwerpunkt der Handlung liegt auf der Zeit des Nationalsozialismus. Conny wächst heran und erleidet kriegsbedingt weitere schwere familiäre Verluste. 1944 gerät er in amerikanische Gefangenschaft und muss auf Baumwollplantagen in Mississippi Schwerstarbeit verrichten. Als er nach zwei Jahren entlassen wird, geht er zurück in die Heimat. Durch Vermittlung eines Onkels, der sich in Kriegsgefangenschaft befindet, eröffnet sich ihm die Möglichkeit eines Medizinstudiums in Heidelberg. Dort verliebt er sich in Greta, sie heiraten, und gemeinsam ziehen sie nach Köln, wo er mit seinem Onkel eine gynäkologische Praxis führt. Doch die junge Ehe ist belastet durch Gretas Vergangenheit und ihre dunklen Geheimnisse sowie ihre daraus resultierenden Depressionen ...

Im Hier und Jetzt - 2016 bis 2018 - steht Gretas Sohn Tom im Vordergrund. Der 47jährige populäre Nachrichtensprecher ist frisch verliebt in seine ehemalige Kollegin Jenny und in ihr 14 Wochen altes Baby Carl. Er genießt sein neues und glückliches  Familienleben. Sein Leben gerät allerdings aus den Fugen, als er eine Email über ein Ahnenforschungsinstitut von dem ihm unbekannten Henk aus den Niederlanden erhält, in der dieser ihm mitteilt, dass sie anscheinend denselben Vater haben. Kurze Zeit später treffen sich die beiden, die sich fast wie Zwillinge ähneln. Tom möchte herausfinden, was damals geschehen ist. Warum war seine Mutter nicht immer für ihn da, und warum hat sein Vater nie mit ihm über seine Vergangenheit gesprochen? Seine Mutter Greta, die an Alzheimer leidet, kann ihm seine Fragen nicht beantworten, sein Vater ist schon lange tot. Durch einen Gentest stellt sich heraus, dass es noch weitere Halbgeschwister gibt. Tom geht davon aus, dass sein Vater seiner Greta untreu war und begibt sich auf Spurensuche. Im Keller seines Elternhauses wird er fündig, und er stößt auf eine Wahrheit, die ihn zutiefst erschüttert.

Das Buch ist sehr gut recherchiert und vermittelt dem Leser die Zeit des Nationalsozialismus sowie die Nachkriegsjahre auf eindrucksvolle Weise. Es ist spannend und fesselnd geschrieben. Die Charaktere sind sehr authentisch und lebendig gezeichnet. Der Schreibstil ist flüssig, aber leider sehr schlicht. Etwas genervt hat mich der zu häufig vorkommende Satz: "Sie gab ihm ein Küsschen" bzw. "Er gab ihr ein Küsschen". 
Sehr gut hat mir gefallen, wie die Autorin den Zeitgeist in ihren Roman hat einfließen lassen. Da ich Porz gut kenne, hat mich das Lokalkolorit des Buches natürlich begeistert.

Der emotionale Roman hat mir gut gefallen, er hat mich gleichermaßen gefesselt und berührt - 4 Sterne!

8 von 11 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 16.06.2022
Ein französischer Sommer
Reece, Francesca

Ein französischer Sommer


ausgezeichnet

Intelligenter und wortgewaltiger Roman
Die gebürtige Waliserin Francesca Reece erzählt in ihrem Debütroman die Geschichten zweier Protagonisten im Jahr 2016: die von Leah, einer jungen Britin, die in Paris lebt, und die des britischen Schriftstellers Michael Young.

Leah lebt mit ihren 24 Jahren recht plan- und ziellos in den Tag hinein. Sie hat ihr in England begonnenes Studium nicht beendet und ist ohne beruflichen Ehrgeiz. Um ihren Lebensunterhalt zu sichern, arbeitet sie in einem Café als Bedienung und gelegentlich als Englischlehrerin. Zufällig entdeckt sie in einem Pariser Stadtmagazin eine interessante Anzeige. In dieser wird von einem Autor eine Assistentin zur Unterstützung und Recherche für einen neuen Roman gesucht. Gegen den Rat ihrer Freunde bewirbt Leah sich auf die Anzeige und bekommt die Stelle - allerdings durch eine zufällige Begegnung erst im zweiten Anlauf. Ihr Arbeitgeber für das befristete Arbeitsverhältnis ist Michael Young. Er ist seit den siebziger Jahren erfolgreicher Autor, hat allerdings seit fast 20 Jahren kein Buch mehr veröffentlicht. 

Während der ersten Wochen erledigt Leah kleinere Aufträge für Michael, später begleitet sie ihn und seine Familie nach Südfrankreich, wo die Familie eine Ferienvilla besitzt. Leahs dortige Aufgabe ist es, Michaels Tagebücher aus den Jahren 1968-1970 zu ordnen und zu digitalisieren.
In Saint-Luc geht Leah nicht nur ihrer Tätigkeit nach, sie lernt die Bewohner und Gäste des Hauses näher kennen, genießt den unbeschwerten und komfortablen Lebensstil -  und sie verliebt sich ...

Ebenso wie die Geschichte von Leah wird auch die von Michael aus der Ich-Perspektive erzählt. Er ist fasziniert von Leah, die seiner großen Liebe Astrid so sehr ähnelt, und widmet sich mit Elan seinem neuen Buchprojekt.
Nach und nach werden Michaels Vergangenheit und sein dunkles, schockierendes Geheimnis aufgeblättert.

Der schöne und intelligente Schreibstil hat mich von der ersten Seite an begeistert. Das Buch, anfangs eher in ruhigem Tempo erzählt, wird in der zweiten Hälfte immer spannender, und ich konnte es bis zum Ende kaum aus der Hand legen. Francesca Reece ist es gelungen, die Charaktere der Haupt- und Nebenfiguren authentisch aufzuzeichnen.
Obwohl mir weder Leah noch Michael wirklich sympathisch waren, hat der anspruchsvolle Roman mich sofort in seinen Bann gezogen und mir sehr viel Lesefreude bereitet. 

Klare Leseempfehlung von mir und 5 Sterne!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 10.06.2022
1:0 für Paul! Eine Fußballgeschichte - Leserabe ab 2. Klasse - Erstlesebuch für Kinder ab 7 Jahren
Mai, Manfred

1:0 für Paul! Eine Fußballgeschichte - Leserabe ab 2. Klasse - Erstlesebuch für Kinder ab 7 Jahren


ausgezeichnet

Schöne Geschichte über Fußball und Freundschaft
Der Ravensburger Verlag hat im Rahmen seiner beliebten Leserabe-Reihe ein neues Buch des seit Jahrzehnten bekannten Kinderbuchautors Manfred Mai veröffentlicht. Im Mittelpunkt des Geschehens stehen die beiden Jungen Amir und Paul.
Paul beobachtet, dass eine junge Familie in das Nachbarhaus einzieht. Sie hat zwei Kinder, ein Mädchen und Amir, der nicht nur in Pauls Alter ist, sondern auch noch genau so fußballbegeistert ist wie er. Schnell freunden sich die beiden an, und schon bald melden die Eltern ihre Jungs beim Fußballverein an.

Die Geschichte ist sehr schön und altersgerecht erzählt. Es geht nicht nur um Fußball, sondern auch um Freundschaft, Selbstvertrauen und Integration.

Der Sprachstil ist altersgerecht und sehr ansprechend, die Schrift durch ihre Größe für Erstleser sehr gut lesbar. Die schönen Illustrationen von Markus Grolik ergänzen die Texte. Das Buch wird empfohlen für fortgeschrittene Erstleser der 2. Lesestufe ab 7 Jahren, aber es eignet sich auch sehr gut zum Vorlesen für jüngere Kinder.

Am Ende der Geschichte gibt es auf 4 Seiten unterschiedliche Rätsel zu lösen.
Das Buch wird von der Stiftung Lesen empfohlen. Dem schließe ich mich mit 5 Sternen sehr gern an.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 03.06.2022
Morgen kann kommen
Kürthy, Ildikó von

Morgen kann kommen


gut

Humorvolle Unterhaltung - leider ohne Tiefgang
Ich hatte bisher noch kein Buch von Ildikó von Kürthy gelesen und war nach dem Lesen des vielversprechenden Klappentextes sehr neugierig auf ihren neuen Roman "Morgen kann kommen", der kürzlich vom Wunderlich Verlag veröffentlicht wurde. 

Im Mittelpunkt der Geschichte steht die 51jährige Ruth Westphal. Es ist ihr Geburtstag und gleichzeitig ihr 15. Hochzeitstag. Ihr narzisstischer Ehemann Karl, ein bekannter Fernsehschauspieler und einst ihr absoluter Traummann, ist nach dem Tod seiner Mutter in eine Lebenskrise geraten und hat sich eine Auszeit genommen. Ruth fühlt sich einsam und legt sich eine Dogge namens Dagmar zu. Nachdem sie in einem Drogeriemarkt ein zerrissenes Foto findet und wieder zusammensetzt, bricht ihre Welt zusammen, und sie fährt spontan mit Dagmar 800 km nach Hamburg, zu der alten Villa, die einst ihrer vor 10 Jahren verstorbenen Großmutter Auguste gehörte. Inzwischen wird die Villa von ihrer 2 Jahre älteren Schwester Gloria bewohnt, zu der Ruth seit den folgenschweren Geschehnissen am Tag ihrer Hocnzeit keinen Kontakt mehr hatte.

Ruth begegnet in Hamburg nicht nur ihrer Schwester, sondern auch deren Mitbewohner Rudi, der an einer tödlichen Krankheit leidet und sein freiwilliges und vorzeitiges Ausscheiden aus dem Leben vorbereitet. Durch Erdal, einen Freund Glorias, lernt sie dessen Cousine Fatma kennen, mit der sie sich anfreundet und durch die sie unverhofft erkennen muss, dass sie ihr Leben neu ordnen muss ...

Der Roman wird in großen Teilen aus Ruths Sicht in der Ich-Form erzählt, die übrigen Kapitel in erster Linie aus der Perspektive von Gloria. Das Buch liest sich sehr leicht und locker, der Sprachstil ist angenehm flüssig. Die Geschichte ist äußerst humorvoll erzählt, leider ist sie aber auch sehr vorhersehbar und nicht nur am Beispiel von Rudi unrealistisch. Wer je einen Menschen mit einem Glioblastom kannte, wird dies bestätigen. 

Nach den positiven Äußerungen von Maria Furtwängler und Bettina Böttinger über das Buch hatte ich deutlich mehr erwartet und mir als "Befreiungsschlag" eine Geschichte mit Tiefgang gewünscht. Der fehlte mir leider trotz so interessanter Themen wie Liebe, Freundschaft, Abhängigkeiten, Krankheit, so dass das Buch mich zwar öfters schmunzeln ließ, aber darüber hinaus nicht in seinen Bann ziehen konnte. 

Hervorheben möchte ich die wunderschönen und kunstvollen Aquarellzeichnungen, mit denen Peter Pichler das Cover und viele Buchseiten so liebevoll gestaltet hat.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 27.05.2022
Wo die Wölfe sind
McConaghy, Charlotte

Wo die Wölfe sind


ausgezeichnet

Faszinierend und fesselnd - absolute Leseempfehlung!
Nach ihrem aufsehenerregenden und weltweit erfolgreichen Debütroman "Zugvögel" ist nun "Wo die Wölfe sind" der irisch-schottischen Autorin Charlotte McConaghy im Fischer Verlag erschienen.

Es handelt sich um die Geschichte der Wissenschaftlerin Inti Flynn, die mit ihrer Zwillingsschwester Aggie im Rahmen eines Projektes von Alaska nach Schottland kommt. Sie ist die Leiterin eines Teams von Biologen, das 14 graue Wölfe in den schottischen Highlands wieder ansiedelt. Der Wolf, ein natürlicher Räuber, der das Ökosystem im Gleichgewicht hält, ist in Schottland bereits vor vielen Jahren ausgerottet worden. Die Hoffnung ist, dass durch die Ansiedlung der Wölfe die Natur ihr natürliches Gleichgewicht zurückerlangt und sich die Auswirkungen des Klimawandels verlangsamen. Die Bauern und Schafhirten der Region reagieren sehr ablehnend und feindselig auf die drei importierten Wolfsrudel. Sie befürchten, dass die Wölfe ihre Tiere angreifen werden und damit ihren Lebensunterhalt gefährden. Als ein Bauer spurlos verschwindet, fällt der Verdacht der Dorfgemeinschaft auf die Wölfe ....

Inti ist eine außergewöhnliche und faszinierende Protagonistin. Sie leidet unter einer Besonderheit, die sich Mirror-Touch-Synästhesie nennt. Ihr Gehirn gibt ihrem Körper das Signal, alles, was sie sieht, auch zu spüren. Diese Erscheinung ist sehr selten, und Inti musste einen Weg finden, mit dieser Veranlagung zu leben. Ihre Mutter hat sie dabei unterstützt.

Die Geschichte wechselt zwischen Gegenwart und Vergangenheit, und langsam und behutsam werden die erlittenen Traumata und schmerzhaften Geheimnisse der unzertrennlichen Schwestern enthüllt. Die Leser erhalten einen Einblick in die Vergangenheit von Inti und Aggie, ihre Kindheit, in der sie zeitweise bei ihrer pragmatischen Mutter, einer Polizistin, in Australien und ihrem Vater, einem ehemaligen Holzfäller und fanatischen Umweltschützer, in Kanada lebten. 

Der Roman wird in der Ich-Form aus Intis Perspektive erzählt. Der anspruchsvolle Schreibstil ist wunderbar klar und flüssig. Die Geschichte hat mich von der ersten Seite an gefesselt und in ihren Bann gezogen. Ich fand es hochinteressant, so viel über die Bedeutung der Wölfe für die Umwelt und ihr Leben zu erfahren, und die faszinierenden Naturbeschreibungen haben mich tief beeindruckt. Die teilweise sehr speziellen Charaktere sind ganz wunderbar gezeichnet und authentisch.

Klare Leseempfehlung für diesen sprachgewaltigen, vielschichtigen Roman und hochverdiente 5 Sterne!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.