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solveig

Bewertungen

Insgesamt 472 Bewertungen
Bewertung vom 13.01.2017
Die Geschichte eines neuen Namens / Neapolitanische Saga Bd.2
Ferrante, Elena

Die Geschichte eines neuen Namens / Neapolitanische Saga Bd.2


sehr gut

Jugendjahre in einer bewegten Zeit


Ein neuer Name und seine Konsequenzen: in Band zwei der „Neapolitanischen Saga“ erlebt die 16jährige Lila Cerullo - nun Signora Carracci - die Auswirkungen ihrer früh eingegangenen Ehe. Sie und ihre Freundin Lenú, die sich bereits als kleine Mädchen fest vorgenommen haben, dem Elend des Armenviertels Rione zu entfliehen, gehen unterschiedliche Wege, um ihr Ziel zu erreichen. Lila erhofft sich eine bessere Zukunft, indem sie (ganz traditionell) den aufstrebenden jungen Lebensmittelhändler Stefano heiratet. Die weniger selbstbewusste Lenú will sich durch Fleiß und gute Noten in Schule und Studium hoch arbeiten; durchaus nicht selbstverständlich für ein Mädchen aus ärmlichen Verhältnissen.
Die unterschiedlichen Lebenswege der ehemals besten Freundinnen im Neapel Mitte des letzten Jahrhunderts laufen eine Weile parallel nebeneinander her, trennen sich, treffen aber immer wieder zusammen. Welches der Mädchen kann mit seiner Entscheidung den erhofften Ausbruch aus der Armut erreichen?
In schlichter, einprägsamer Sprache, aber sehr eindrucksvoll in farbig, teils drastisch beschriebenen Episoden lässt Ferrante in der Fantasie des Lesers eine Zeit wiedererstehen, in der das Leben von Mädchen und Frauen noch sehr eingeschränkt und vom Willen der Väter und Ehemänner dominiert war, ihre Rolle festgelegt auf die der zukünftigen Ehefrau und Mutter, dem (Ehe-)Mann untergeben. Die Autorin erschafft lebendige, authentische Charaktere, in die sich der Leser leicht einfühlen kann, und erzählt packend von den Schwierigkeiten, mit denen sich Lila und auch Lenú auseinandersetzen müssen, weil sich beide auf ihre Weise über gesellschaftliche Tabus hinwegsetzen. Eindrücklich und ohne zu beschönigen schildert sie eine Zeit wirtschaftlicher und sozialer Probleme, mafiöse Gesellschaftsstrukturen und den Aufstieg der Camorra, mit denen die Schicksale der Freundinnen verflochten sind.
Um den Einstieg zu erleichtern, gibt Ferrante zu Beginn des Buches einen Überblick in der Art „Was bisher geschah“, eine Personen- und Handlungsbeschreibung der wichtigsten Charaktere ihres Romans, wie man es von Fernsehserien her kennt.
Schaffen es die beiden Mädchen, jede auf ihre eigene Weise, das Leben zu führen, das sie sich als Kinder erträumt haben?

1 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 20.12.2016
Geheimnis in Weiß
Farjeon, J. Jefferson

Geheimnis in Weiß


ausgezeichnet

Klassischer Krimi in bester englischer Tradition


„Na, jedenfalls gingen wir durch die Hölle, und es war Weihnachten, wenn also der eine oder andere ein bisschen komisch war, na, wer konnte ihm das verdenken?“
Mit diesem Resumee endet ein ganz spezielles Weihnachtsabenteuer. Joseph Jefferson Farjeons Krimi, der erstmals im Jahr 1937 erschien, versetzt den Leser in die dreißiger Jahre des 20. Jahrhunderts. Am Vortag des Weihnachtsfestes sind etliche Menschen in der Eisenbahn Euston – Manchester unterwegs, als der Zug plötzlich auf freier Strecke hält und die Fahrgäste mit der Ankündigung konfrontiert werden, dass die Reise aufgrund der ungünstigen Wetterlage erst am nächsten Tag fortgesetzt werden könne.
Um nicht die Nacht in dem kalten Zug verbringen zu müssen, beschließen einige der Reisenden, sich durch den Schneesturm zu kämpfen und in der einige Kilometer entfernt gelegenen Ortschaft Hemmersby Zuflucht zu suchen. Doch anstelle der erhofften Bahnstation stoßen sie auf ein Landhaus: Hell erleuchtete Zimmer, wärmende Kaminfeuer und ein gedeckter Tisch wirken auf die zusammen gewürfelte Gesellschaft durchaus einladend - allerdings ist weit und breit kein Hausbewohner zu entdecken…
Bereits die reizvolle Zusammensetzung der Gruppe, die hier zwangsweise gemeinsam die Nacht in dem merkwürdigen Haus verbringt, abgeschnitten von der Umwelt, verspricht Spannung; denn die kleine Gesellschaft besteht aus Vertretern unterschiedlicher Gesellschaftsschichten, die aus ebenso unterschiedlichen Motiven am Heiligabend unterwegs sind. Sehr subtil arbeitet Farjeon die gegensätzlichen Charaktere heraus. Nicht so sehr „Action“ dominiert in dem Roman als vielmehr der Einsatz von Dialogen, Gedanken und Tagebucheintragungen.
Farjeon (1883 – 1955) lässt eine gespannte, beinahe unheimliche Atmosphäre erstehen und gibt dem Leser reichlich Gelegenheit, zu spekulieren und selbst seine Schlüsse zu ziehen.
Doch bei aller Dramatik blitzen immer wieder viel (englischer) Humor und Ironie auf und entspannen die Situation ein wenig. Ein klassischer englischer Kriminalroman in bester Tradition, verpackt in einer wirklich ansprechenden, handlichen Leinenausgabe!

Bewertung vom 08.12.2016
Die Schattensurfer (eBook, ePUB)
Wiest, Hubert

Die Schattensurfer (eBook, ePUB)


sehr gut

Geheimnisse und ihre Bedeutung


Eigentlich wünscht sich der begabte 14jährige Waisenjunge Luan nichts sehnlicher, als Programmierer zu werden. Doch sein Traum zerplatzt, als er von der „Kristallfeier“ ausgeschlossen wird; denn Voraussetzung für eine verantwortungsvolle Tätigkeit in Luans Gesellschaft ist, dass die Menschen mittels eines Kristalls ihre Gedanken „zum Wohle der Allgemeinheit“ zur Verfügung stellen. RUHL heißt das System, dessen Zentralcomputer mit Hilfe menschlicher Gedanken existiert und die Gesellschaft beeinflusst. Luan gibt jedoch nicht auf und versucht, sich auf illegalem Weg durchzuschlagen. Dabei trifft er auf Sansibar, die ebenfalls die Kristallprüfung nicht ablegt, allerdings aus anderen Motiven heraus. Seit ihrer Kindheit trägt das Mädchen nämlich ein Geheimnis mit sich herum, das sie auf gar keinen Fall mit anderen teilen will. Natürlich können RUHL und die Vertreter des Systems das nicht einfach zulassen, und so beginnt eine atemberaubende Jagd.
Hubert Wiest hat in seiner Dystopie ein ganz aktuelles Thema verarbeitet: wieviele geheime Gedanken bleiben dem Einzelnen? Wir leben in einer Zeit, in der die Medien massiv versuchen, Wünsche und Konsumverhalten der Nutzer zu ergründen, ja viele Menschen legen sogar freiwillig intime Geheimnisse in den sozialen Medien öffentlich dar. In seinem Zukunftsroman geht Wiest noch einen Schritt weiter und beschreibt sehr eindrücklich, wie eine Dauerüberwachung per Gedankenkontrolle möglich wird.
Immerhin ist es ein Privileg, seine Gedanken für sich zu behalten, Geheimnisse zu haben, die man (freiwillig!) an andere weitergeben kann - oder auch nicht. In einer klaren, jugendgerechten Sprache erzählt der Autor die Geschichte zweier junger Leute, die sich plötzlich am Rande einer Gesellschaft befinden, weil sie ihre Funktionsweise kritisch hinterfragen, und beschreibt temporeich, wie sie sich mutig diesem System entgegen stellen.
Eine packende Geschichte um Geheimnisse und deren Bedeutung!

Bewertung vom 30.11.2016
Schiefe Märchen und Schräge Geschichten
Maar, Paul

Schiefe Märchen und Schräge Geschichten


ausgezeichnet

Schräg, witzig, lehrreich


Alles ist wandelbar, auch traditionelle Märchen. Altmodisch oder vorhersehbar? Die Fassung, die Paul Maar einigen wohlbekannten Erzählungen hier angedeihen lässt, hält auch für ausgesprochene Märchenkenner einiges an Überraschungen bereit. Denn die Brüder Grimm haben schließlich nicht überliefert, was Frau Holle gerne macht, wenn sie die Betten nicht ausschüttelt und was vor Hänsel und Gretels Besuch am Knusperhaus passierte. Die Müllerstochter beim „Rumpelstilzchen“ ist jetzt eine emanzipierte junge Frau geworden. Mit der Bearbeitung alter Märchen und der Erfindung neuer märchenhafter Geschichten zeigt Maar wieder einmal, dass er ein Meister im Erzählen fantasievoller und witziger Geschichten ist, die sowohl bei Kindern als auch Erwachsenen beliebt sind. Bei genauerem Hinsehen wird deutlich, dass sie nicht einfach nur lustig sind, sondern sich ein tieferer Sinn, eine Moral in ihnen versteckt. Augenzwinkernd, nicht allzu offensichtlich, gibt Maar Anstoß zum Nach- und Weiterdenken.
In seiner schönen, gepflegten Sprache, die doch stets kindgerecht bleibt, formuliert er seine Aussagen, spielt mit den Worten und ihrem Sinn und zeigt dabei, dass der Umgang mit Sprache ein echtes Vergnügen sein kann.
Die herrlich farbigen, großzügig angelegten Illustrationen muten kindlich-naiv an. Sie stammen von Panajotis Dalianis, der „in der Welt zu Hause“ ist und bereits „20 845 Bleistifte angespitzt“ hat, wie wir in seiner Kurzbeschreibung erfahren. Seine Bilder spiegeln den ungetrübten Spaß am Fabulieren wider. Ebenso schräg wie Paul Maars Geschichten sind die Figuren dargestellt, witzige Details beanspruchen die Aufmerksamkeit der kleinen Leser und Zuhörer. Auf harmonische Art ergänzen sich Text und Illustrationen und machen das Buch zu einem Werk, das sicher nicht im Regal verstaubt, sondern des öfteren gelesen wird.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 14.11.2016
Kleiner Deutschland-Atlas / Meyers Kinderbibliothek Bd.73
Weller-Essers, Andrea

Kleiner Deutschland-Atlas / Meyers Kinderbibliothek Bd.73


sehr gut

Für die Kinderbibliothek

Einen sehr kurzen Überblick über die deutschen Bundesländer und ihre wichtigsten Merkmale gibt dieser „Kleine Deutschland-Atlas“ aus Meyers Sachbuchreihe für Kindergartenkinder. Kurz gefasst, in nur wenigen Sätzen, werden die hervorstechendsten Eigenheiten und Sehenswürdigkeiten der jeweiligen Gegend beschrieben. Im Mittelpunkt stehen fröhliche, meist ganzseitige Illustrationen, die den Kindern einen lebendigen Eindruck vermitteln sollen. Die knappen Informationen des Büchleins können beim gemeinsamen Lesen mit den Eltern weiter ergänzt und je nach Alter und Entwicklungsstand des Kindes mehr Details vermittelt werden. Die farbenfrohen Abbildungen sind teilweise mit einer (für Kinderhände empfindlichen) „Entdeckerfolie“ ausgestattet, die dem Betrachter einen Perspektivwechsel ermöglicht; so sehen wir etwa ein bayerisches Bergpanorama im Sommer und einmal im Winter, für die jungen Leser ein echtes Vergnügen. Einziger Wermutstropfen: von diesen Folien gibt es nur wenige in dem kleinen Buch, vermutlich, weil sie für ungeschickte kleine Hände doch sehr empfindlich sind. Ansonsten halten stabile Pappseiten dem eifrigen Leser stand. Mein Fazit: ein hübscher erster Deutschland-Atlas im Kleinformat für die Kinderbibliothek.

Bewertung vom 05.11.2016
Geschichten vom Herrn B.
Müller, André;Semmer, Gerd

Geschichten vom Herrn B.


sehr gut

Kurzweiliger Einblick in das Leben des B.B.

„Der Mensch ist erst wirklich tot, wenn niemand mehr an ihn denkt“, lautet ein Zitat von Bertolt Brecht. An ihn als einen der bedeutendsten Dichter und Dramatiker des 20. Jahrhunderts wird man sich vermutlich immer erinnern. Aber auch ein schriftstellerisches Idol hat durchaus menschliche Seiten - das zeigen André Müller sen. und Gerd Semmer in ihren „Geschichten vom Herrn B.“ Die abwechslungsreiche Anekdotensammlung, zum ersten Mal bereits in den 60er Jahren veröffentlicht, ist nun in einer Neuauflage im Eulenspiegel Verlag erschienen. Schon auf dem (provokativ roten) Buchcover erkennt der Leser, um wen es sich bei „Herrn B.“ handelt, ohne dass es eines kompletten Porträts bedarf: markante, für Brecht typische Merkmale wie Kurzhaarfrisur, Brille und Zigarre deuten sein Bild an.
In Anlehnung an Brechts „Geschichten vom Herrn K.“ (seinem Alter Ego) präsentieren die Autoren kurze Geschichten um Brecht „live“: Sie geben Situationen wieder, in denen er sich bereits zu Schulzeiten als erfindungsreich erweist, später bei seiner Arbeit am Theater und im Gespräch mit Kollegen und Freunden. Die Schilderungen sprechen für sich und geben viel von Brechts Charakter preis, zeigen sowohl positive als auch negative Züge des großen Schriftstellers. Sie bezeugen seinen Sinn für Humor, aber auch sein überzeugtes, selbstbewusstes Auftreten, sein nicht immer umgängliches Wesen. Erläuternde Kommentare für den Betrachter sind überflüssig; die Anekdoten sprechen für sich. Sie betrachten den berühmten Mann nicht ehrfürchtig aufschauend, sondern rücken ihn näher an den Leser, sozusagen auf Augenhöhe.
Ergänzend zu Brechts Biografie geben die „Geschichten vom Herrn B.“ zusätzlich einen lebensnahen und kurzweiligen Einblick in sein Leben.

Bewertung vom 05.11.2016
Friedhof der Badeenten
Lauenthal, Hugo B.

Friedhof der Badeenten


sehr gut

Witzige Geschenkidee

Ungetrübtes Lesevergnügen beim Baden in der Wanne verspricht der „Friedhof der Badeenten“; denn auch ein intensiverer Kontakt mit Wasser kann dem Büchlein nichts anhaben. Anders als bei gewöhnlichen Büchern ist der Inhalt dieses Krimis nämlich auf weichen Kunststoff gedruckt, wie man es von Baby-Badebüchern her kennt, und kann daher nicht aufweichen.
Auch die Geduld des Krimilesers wird auf keine allzu harte Probe gestellt: Der Mörder ist entlarvt, noch bevor das Badewasser abgekühlt ist! Kommissar Willi Wolle und seine Assistenten leisten schnelle und effiziente Arbeit bei der Aufklärung eines mysteriösen Badewannenmordes, dem eine junge Frau zum Opfer gefallen ist. Zahlreiche Badeenten umgeben die Tote…
Das Badewannen-Büchlein - eine witzige Geschenkidee für Leute, die das Baderitual gerne etwas ausdehnen.

Bewertung vom 23.10.2016
Franziskus to go
Franziskus

Franziskus to go


sehr gut

Leichtgewicht mit gravierendem Inhalt


Der Titel dieses Büchleins - „Franziskus to go“ - suggeriert dem Leser eine einfache Lektüre, die er nebenbei, „im Vorbeigehen“ konsumieren kann. Weit gefehlt!
Beate Hellbach hat eine Auswahl an Zitaten von Papst Franziskus aus diversen Schriften, Predigten und Interviews zusammengetragen, die dem Leser einen tiefen Einblick in das Wesen und Denken des gegenwärtig amtierenden Pontifex Maximus gewähren. In unterschiedlich großen Lettern gedruckt, mal in Normaldruck, mal fett, ermuntern seine Worte zum Verweilen und Nachdenken. Franziskus prangert eine Zeit an, in der “die Gier nach Macht und Besitz… keine Grenzen“ kennt. „In diesem System, das dazu neigt, alles aufzusaugen, um den Nutzen zu steigern, ist alles Schwache wie die Umwelt wehrlos gegenüber den Interessen des vergötterten Marktes, die zur absoluten Regel werden“ , schreibt er im Evangelii Gaudium. Neben Umweltfragen gehören natürlich auch mitmenschliche Probleme und Konflikte in der ganzen Welt zu den ausgewählten Themen. Franziskus fordert zur Einhaltung der Menschenrechte auf, zu einem friedlichen Zusammenleben und (wirtschaftlicher und bildungsorientierter) Chancengleichheit - ganz im Sinne seines historischen Vorbilds. „Im Zentrum steht nicht mehr der Mensch, sondern das Geld“ erklärt er in einem Interview und spricht damit vielen Menschen aus der Seele.
Aufgrund seines beqemen Taschenformats kann das Büchlein „Franziskus to go“ den Leser mühelos auf allen Wegen begleiten: ein Leichtgewicht mit schwerwiegendem Inhalt.