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Benutzername: 
Hennie
Wohnort: 
Chemnitz

Bewertungen

Insgesamt 268 Bewertungen
Bewertung vom 01.09.2016
Die Wahrheit
Raabe, Melanie

Die Wahrheit


ausgezeichnet

Schon die Leseprobe nahm mich gefangen. Der Spannungsbogen wurde bereits sehr weit aufgezogen. Es entstanden sofort Bilder in meinem Kopf und ich stellte mir einige Fragen. Beide Protagonisten, sowohl Sarah, als auch ihr verschwundener Ehemann Philipp haben, hatten Geheimnisse. Führen diese am Ende ins Chaos?
Nach dem Lesen des gesamten Buches kamen noch viele Fragen hinzu, die ich mir aber alle beantworten konnte.

Melanie Raabe versteht es, von Anfang an mit ihrem angenehmen Schreibstil zu fesseln. Wunderbar formuliert, dieser Schmerz, diese Einsamkeit, die Ungewißheit, die die junge Frau verspürt über den langen Zeitraum und dann kommt ein Mann zurück, der der ihre sein soll?

Der Ausgangspunkt:
Sarah Petersen, eine 37jährige Lehrerin, bewohnt mit ihrem 8jährigen Sohn Leo eine schöne Villa in Hamburg. Seit 7 Jahren ist ihr Mann Philipp, der wichtigste Teilhaber eines milliardenschweren Konzerns, von einer Geschäftsreise nicht zurückgekehrt. Seit 7 Jahren lebt sie allein mit ihrem kleinen Jungen. Gerade hatte sie begonnen, sich auf ein neues Leben einzurichten. Sarah läßt sich die langen Haare abschneiden, lädt sich Gäste nach Hause ein, bereitet ein Essen für sie zu...
Da plötzlich kommt der Anruf vom Auswärtigen Amt – PHILIPP LEBT - !
Doch der Mann, der aus dem Flugzeug steigt, ist nicht ihr Mann. Sie möchte das sofort an Ort und Stelle klären, jedoch keiner schenkt ihr Gehör. Das Geschehen nimmt seinen Lauf. Für die Öffentlichkeit ist Philipp wieder da...

Meine Meinung:
„Die Wahrheit“ - Dieses Buch ist ein ganz besonderer Thriller, ein Thriller der Extraklasse, einer von der Sorte, wie ich sie liebe. Ich habe die Geschichte in einem Rutsch durchgelesen, weil ich unbedingt wissen wollte, wie es weitergeht und wie es endet. Atemlos spannend, und das vollkommen ohne Leichen oder aufgesetzten Gruselfaktor.
Nur eins, verstand ich nicht, liebe Melanie Raabe, warum mußten die Wiederholungen sein?

Erzählt wird auf der Ich-Ebene, einmal von Sarah, einmal vom Fremden.
Der Fremde verfolgt einen Plan, von dem er sich nicht abbringen lassen will. Er behauptet Philipp zu sein, ist eiskalt und unerschütterlich. Sarah hat es mit einem vollkommen unberechenbaren Mann zu tun. Auf S. 134 sagt er z. B. „Du kapierst es tatsächlich nicht, ... Du hast keine Ahnung, was los ist...“ Der Fremde und Sarah haben beide ein Geheimnis. Sind es zwei Geheimnisse oder haben sie ein gemeinsames?
Der Fremde: S. 139: „Die Schuld steht der Frau ins Gesicht geschrieben.“ Oder auf S. 203 ...manche Menschen denken eben, sie kommen mit allem davon...“ Was meint er nur damit? Er spricht in Rätseln. Nichts ist so, wie es scheint. Nichts scheint so, wie es ist!
Als Leser habe ich mich gefühlt wie Sarah: „Ein Alptraum in einem Alptraum.“ Die Handlung trägt streckenweise surreale, verstörende Züge, aber am Ende der Geschichte löst sich alles auf und der Leser blickt durch...
Man darf sich selbst ein optimistisches Finale „stricken“.

Fazit:
Das schlichte Cover paßt gut, hat einen gewissen Symbolcharakter. Eine neue Frisur, für viele Frauen ist das tatsächlich ein radikaler Schritt.
„Sie kennt ihn nicht. Doch er weiß alles über sie“ - Mich hat „Die Wahrheit“ sehr zum Nachdenken angeregt!

Ich vergebe meine Leseempfehlung mit fünf Sternen!

Bewertung vom 30.05.2016
Die Sommer mit Lulu
Nichols, Peter

Die Sommer mit Lulu


gut

dem furiosen Beginn des Buches, der versehentliche gemeinsame Sturz von Gerald und Lulu von den Klippen in den Tod, hatte ich wirklich mehr erwartet. Wo sind die gewaltigen Gefühle? Wo das ganze romantische Drum und Dran, was eine große Liebe ausmacht? Nichts dergleichen! Ich bin sehr enttäuscht!
Der Autor Peter Nichols lässt sich fast das ganze Buch über Zeit, aufzuklären, was so Gravierendes zwischen Gerald und Lulu vorgefallen ist.
Der Anlaß für den Haß, für die Trennung und für die unversöhnliche, sture Haltung Lulus gegenüber Gerald hat mich befremdet.

Meine anfängliche, große Sympathie für die Figur der Lulu schlug recht bald um. Sie ist eine eigenwillige, egozentrische, selbstverliebte Person, vermutlich auch „einfach gestrickt“ und oberflächlich. Obwohl des öfteren im Buch betont wird, wie gut sie aussieht, steht das Äußere im krassen Gegensatz zu ihrem sonstigen Verhalten. Lulu scheint an einem Zusammenleben mit einem Mann nie interessiert gewesen zu sein. Ihre Ehemänner wurden ihr jeweils recht bald überdrüssig. Der arme Gerald, der bedauernswerte Bernard! Zwei liebenswerte Männer, aber wahrscheinlich zu zahm für Lulu. Die Frau weiß um ihre große sexuelle Anziehungskraft und nutzt sie dementsprechend, wie es ihr in den Kram paßt. Männer sind für sie nur Lustobjekte. Dafür gibt es viele Beispiele, besonders schockierte mich der liebestolle Übergriff auf Geralds minderjährigen Enkelsohn Charlie.

Der Umschlagtext des Romans setzte in mir Erwartungen, die ich in den mehr als 500 Seiten so nicht wiederfinden konnte (Familiensaga? Definitiv:NEIN; tragische Liebesgeschichte(n)? auch NEIN). Einen wesentlichen Grund, dass das Buch beides nicht ist, sehe ich darin, dass die Hauptfiguren Lulu und Gerald nur am Anfang und am Ende des Romans sehr präsent sind. Ansonsten gehen sie in der rückwärts erzählten Handlung in der Vielzahl der auftretenden Personen unter.
Eine Liebesgeschichte ist „Die Sommer mit Lulu“ also nicht. Es ist allenfalls die Geschichte zweier Engländer, die auf der Insel Mallorca heimisch geworden sind, sich eingerichtet haben. Gut erzählt, mit spannenden Momenten!

Glaubhaft nachvollziehbar ist am ehesten die Liebesgeschichte zwischen Luc (Lulus Sohn) und Aegina (die Tochter Geralds). Am Ende sieht es für die Beiden hoffnungsvoll aus. Vielleicht gelingt es ihnen mit Mitte Fünfzig nun doch noch ein glückliches, gemeinsames Leben zu führen. Das bleibt der Fantasie der Leser überlassen.

Zusammengefaßt:
Bei über 500 Seiten hätte ich gern mehr über Lulu und Gerald erfahren. Die Nebenfiguren nehmen zu viel Raum ein. Das Cover passt nicht. Wann waren sie dieses traute Pärchen? Wurde der Titel verfehlt in deutscher Sprache? In englischer Sprache ist er passender „The Rocks“ (Felsen).
DIE Sommer mit Lulu? Es war doch nur EIN Sommer!
Hat man den Roman von Peter Nichols richtig interpretiert? (siehe Einbandtext)

Ein großes Plus:
Wer erfahren möchte, wie rasant die Entwicklung der Insel Mallorca vom unbekannten, unentdeckten Flecken Erde zur absoluten Touristenhochburg vonstatten ging, dem kann ich dieses Buch empfehlen.
Der Autor beschreibt die traumhaft schöne Insel sehr detailreich. Die Ostküste Mallorcas mit ihrer einzigartigen Landschaft, den felsigen Küsten und den wunderbaren Höhlen sind ein Erlebnis für sich.

Bewertung vom 30.05.2016
Der Fünfzigjährige, der den Hintern nicht hochbekam, bis ihm ein Tiger auf die Sprünge half / Der Fünfzigjährige-Trilogie Bd.2
Bergstrand, Mikael

Der Fünfzigjährige, der den Hintern nicht hochbekam, bis ihm ein Tiger auf die Sprünge half / Der Fünfzigjährige-Trilogie Bd.2


ausgezeichnet

Mikael Bergstrand legt hier einen weiteren Roman mit schrägem Titel vor, den er aber nur im Deutschen trägt. „Der 50jährige, der den Hintern nicht hochbekam, bis ihm ein Tiger auf die Sprünge half“ ist nicht der Originaltitel! Darauf komme ich noch zurück.
Die Hauptperson Göran Borg, ein Mittfünfziger, ist Schwede, lebt in Malmö, wo er Arbeit, Familie und Freunde hat. Zu Beginn des Buches lauscht Göran der beruhigenden Stimme einer Frau, der Therapeutin Karin Vallberg Torstensson. Seine 21-jährige Tochter hatte ihn dazu gebracht, diese Therapie zu beginnen. Er solle endlich anfangen sein Leben in die Hand zu nehmen. Sie schimpft ihn “alten Sauertopf“.
Sein langer Aufenthalt in Indien hinterließ bei ihm tiefe, bedeutungsvolle Eindrücke, die ihn zunächst mit Kraft erfüllt und neue Lebenseinsichten vermittelt hatten. Nun, wieder in der Heimat, war er nach kurzer Zeit wieder in alte Strukturen verfallen, die ihn nicht weiterbrachten. Er gibt sich weitgehend selbstzerstörerischen Gedanken hin. Ihn erfüllt eine innere, eisige Leere, die wehtut und ihn quält. Veränderungen in seinem Leben bereiten ihm große Mühe. Göran fühlt sich zudem von Perfektion bedroht. Bei ihm darf jeder einen kleinen „Schaden“ haben!
Nach einer weiteren Therapiesitzung hatte er ein AHA-Erlebnis: Plötzlich verstand er, was es bedeutete, in eingefahrenen Bahnen zu denken. Er beschließt zunächst nach langer Zeit seine sehr unterschiedlichen Freunde in der Stammkneipe zu besuchen. Dort trifft er auf Sven Grip. Das ist der Neue in der Herrenrunde. Sie verstehen sich auf Anhieb. Sven scheint auf seiner Wellenlänge zu liegen. Es gibt viele Übereinstimmungen, er ist belesen, Bierexperte, Weinkenner. Kurz gesagt: die Chemie stimmt zwischen den Beiden. Und doch „ Der Fall Sven Grip“ ist die Ursache zum abrupten, erneuten Aufbruch nach Indien. Er flieht regelrecht vor dem neuen Freund, spricht nicht Klartext mit ihm, sondern täuscht sich und ihn. Es kommt, wie mehrere Male im Roman zu skurillen, komischen Situationen, die Göran durch seinen verklemmten, gehemmten Charakter, durch seine Feigheit und Ignoranz der eigenen Gefühle verursacht. Er ist nicht der mutigste Mensch, drückt sich vor Entscheidungen, Aussprachen und ist kein Mann der klaren Worte. Seine Gedanken kreisen nur noch um die „magischen Monate in Indien“.

Göran reist also wieder in das „Land der Kontraste“ zu seinem besten Freund Yogenda, genannt Yogi, der jedoch selbst ganz gehörig in der Klemme steckt. Seine Hochzeit mit Lakshmi musste er verschieben. Die Gründe dafür werden sehr bald klar...
Wie sich der Schwede mit den „Yogischen Weisheiten als Leitlinie“ und der „KVT-Skala“ (Karin Vallberg Torstensson oder Kognitive Verhaltenstherapie zum Einteilen des Unbehagens auf der Skala von 1 bis 100) den Problemen und Aufgaben stellt, möchte ich nicht vorwegnehmen...
Fazit:
In 63 Kapiteln und auf 445 Seiten war dieses Buch für mich eine hervorragende Lektüre und ich vergebe meine uneingeschränkte Leseempfehlung!
Es war unterhaltsam zu lesen, wie Göran begann sich aus seiner inneren Isolation zu befreien und seine Sinnkrise überwand. Er befindet sich hier im Band 2 auf einer guten Spur des Lebens. Es fügt sich eins ins andere. Was er daraus macht, wird man ganz sicher in Band 3 erleben dürfen.
Der Tiger kommt erst sehr spät ins „Bild“, hat aber meiner Meinung nach im Titel nichts zu suchen (verkaufsfördernde Strategie?). Das Cover gefällt mir gut, das dicke Hinterteil des Elefanten und der Blick in die Weite der Landschaft bringt sehr gut die Eigenschaften und das äußere Erscheinungsbild Göran Borgs zum Ausdruck.
Mir gefällt der wortgewandte, witzige, humorvolle, sehr intelligente Schreibstil von Mikael Bergstrand.

Ich warte mit Spannung auf die Fortsetzung der Göran-Borg-Trilogie.

Bewertung vom 30.05.2016
Schwarzer Lavendel / Leon Ritter Bd.2
Eyssen, Remy

Schwarzer Lavendel / Leon Ritter Bd.2


ausgezeichnet

Nach „Tödlicher Lavendel“ stellt Remy Eyssen mit „Schwarzer Lavendel“ den zweiten Fall für den deutschen Rechtsmediziner Dr. Leon Ritter vor.

Die Geschichte beginnt schon im Prolog spannend. Susan, eine junge Biologiestudentin aus Deutschland befindet sich geknebelt, gefesselt an Händen und Füßen auf einem harten, kalten Resopaltisch liegend, in einem fensterlosen, schmutzigen Verlies. Das Atmen fällt ihr schwer und sie hat rasende Kopfschmerzen. Jemand hat ihr einen Zugang in die Vene ihres linken Armes gelegt. Wofür? Infusion? Warum? Sie gerät in Panik und denkt an ihre Schwester, die ihr in einer gefährlichen, vergangenen Situation zur Besonnenheit riet. Sie überlegt angestrengt, wie sie in diese Lage geraten konnte. Dann entdeckt sie den Mann, der sie aus kalten, empfindungslosen Augen beobachtet...

Im Weiteren lernt man Dr. Leon Ritter, einen Rechtsmediziner aus Frankfurt kennen, der mit Lilou, Tochter der stellvertretenden Polizeichefin von Le Lavandou durch die schöne französische Gegend fährt. Leon will zu seiner Tante Odette nach Nizza, um etwas Wichtiges mit der alten Dame zu besprechen...

Anna Winter, die eineiige Zwillingsschwester von Susan, meldet inzwischen ihre Schwester bei Capitaine Isabelle Morell (Mutter von Lilou) als vermisst. Sie wollten beide zur Weinlese in die Provence, berichtet sie ihr. Anna ist später angereist und es gibt nun keine Spur von Susan. Was ist mit ihr passiert?

Dr. Leon hat seinen Arbeitsplatz im kleinen, idyllischen Städtchen Le Lavandou gefunden und auch ein angenehmes Plätzchen zum Wohnen bei Capitaine Isabelle Morell und deren Tochter Lilou. Leon beginnt sich langsam in der Provence einzugewöhnen.

Dank seiner französischen Tante Odette wird er vollkommen überraschend Besitzer eines Weinbergs unweit des kleinen Küstenortes. Doch die Freude darüber währt nicht lange. Ausgerechnet in der Nähe seines Grundstücks wird in einem Schuppen eine mumifizierte, weibliche Leiche gefunden. Der perfekte, scheinbar unversehrte Zustand des toten Körpers fasziniert den Arzt. Seine wissenschaftliche Neugier ist geweckt.

Die Geschichte nimmt schnell Fahrt auf und ich bin mit Begeisterung drangeblieben.

Nachdem man weiß, dass Remy Eyssen für viele Fernsehproduktionen Drehbücher geschrieben hat, wird einem der dramaturgische Aufbau der Geschichte deutlich. Ich kann mir lebhaft eine Verfilmung vorstellen, mit den interessant und recht unterschiedlich gezeichneten Charakteren und der schönen Landschaft.

Der Autor schildert nicht nur die Handlung, sondern für mich ist es auch ein bisschen wie ein Reise(ver)führer. Er beschreibt die Flora der Provence anschaulich und wie beiläufig.
Beispielsweise spricht er vom Efeu, der wie „flüssiges Grün“ hervorquillt oder von den Geckos, „die kleinen Drachen der Provence“ sowie von Landschaften, die sind wie die „Gemälde von Cezanne“.

Für mich war das Buch ein herrlicher Krimigenuss mit einem unerwarteten Ende. Remy Eyssen ist ein Schöngeist, da er selbst die „Bösen“ nicht verteufelt, sondern ihnen ihre Menschlichkeit lässt.

Mein Fazit: Ein sehr unterhaltsamer Kriminalroman, der von mir fünf Sterne erhält und eine uneingeschränkte Leseempfehlung.

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Bewertung vom 30.05.2016
Tödlicher Tanz (eBook, ePUB)
Richmond, Sophie

Tödlicher Tanz (eBook, ePUB)


gut

So schrieb ich nach der Lektüre der Leseprobe:

Mein Kompliment - ich bin beeindruckt von der Leistung der sehr jungen Autorin! Sie schreibt schon auffallend reif für ihr Alter. Ein bemerkenswertes Talent!!!!

Nach dem Lesen des gesamten Buches hat sich mein Eindruck ihrer Fähigkeit zum Schreiben nicht wesentlich geändert. Sophie Richmond schrieb eine Geschichte über junge Menschen im Milieu des Tanzens, das sie gut zu kennen scheint.
Die BASE ist die Welt der jungen Tänzerinnen und Tänzer, die alle eine große Begabung zu anmutigen Bewegungen haben. Es dreht sich für sie im wesentlichen nur um eines, den Tanz. Ihr Alltag ist sehr eingeengt. Sie pendeln zwischen Tanzsaal, Speise- und Schlafraum.

Die Autorin beschreibt den Konkurrenzkampf der jungen Mädchen für die Hauptrolle. Sie wählt für ihren Thriller die „Ichform“ und lässt Ida erzählen, die Zwillingsschwester von Mara. Das hat nach meinem Empfinden den Nachteil, dass die anderen Personen nur aus der Sicht Idas agieren. Sie bleiben blass und sind lediglich Statisten. Die Verhaltensweisen der anderen von ihrem Gesichtspunkt aus sind weit überzogen. Zum Beispiel Empörung, Verachtung, Ablehnung, Tuschelei, Schweigen wegen dem Austausch von Küssen mit dem anderen? Ida wird deswegen von allen „geschnitten“ ! Die Reaktion des „Betrogenen“ hätte hier vollkommen ausgereicht.
Einen oder eine Favoriten/in für die Taten hatte ich nicht. Wie schon erwähnt, die Charaktere sind zu vage angelegt, zeigen kein eigenes Profil.

Im letzten Kapitel auf der letzten Seite wird vollkommen überraschend und „Holter di Polter“ der Täter präsentiert. Ich zitiere:

»Ich kann es einfach nicht fassen, ich hätte niemals mit ... gerechnet!« Langsam schüttelte ich den Kopf und verbarg ihn in meinen Händen. Jemand, der die ganze Zeit um mich herum gewesen war, hatte mich in Angst und Schrecken versetzt. Jemand, dem ich vertraut und den ich ... genannt hatte..."

Das Buch als Thriller zu bezeichnen erscheint mir unpassend. Dafür hat es zu wenig Spannung, zu wenig Tiefgang. Es erzeugt bei mir kein Gänsehautgefühl. Für mich als absolute Liebhaberin von dem Genre ist es nicht mehr und nicht weniger als ein Jugendbuch, eine Erzählung für Teenager. Von einem Thriller meilenweit entfernt!!!!

Trotz allem bin ich der Meinung, dass Sophie Richmond eine Zukunft in der schreibenden Zunft haben wird.

Bewertung vom 30.05.2016
Die Reise der Amy Snow
Rees, Tracy

Die Reise der Amy Snow


ausgezeichnet

Das Motto des Romans könnte lauten: „Nimm dein Leben in die eigene Hand und mache das Beste daraus!“
Ich habe das Buch von Kapitel zu Kapitel sehr gern und flott gelesen. Tracy Rees verfügt über einen flüssigen Schreibstil. Sie hat für einen „Erstling“ einen beachtlichen Roman vorgelegt. Die Autorin zeichnet eine schön zu lesende Geschichte über den menschlichen Charakter, über seine Schwächen und Stärken, über Frauenschicksale im viktorianischen England. Also, zu einer Zeit, in der die industrielle Revolution ihren Aufschwung nahm und das Eisenbahnnetz im Land ausgebaut wurde.

Zum Inhalt:
Amy Snow ist ein junges Mädchen ohne Wurzeln, ohne Wissen um ihre Herkunft. Nackt und blaugefroren, dem Tode nahe findet die achtjährige Aurelia Vennaway das Mädchen als Baby im Schnee nahe ihres wohlhabenden Elternhauses. Sie setzt sich gegen den heftigen Widerstand der Eltern durch und behält die Kleine, selbst noch ein Kind, und sorgt für sie. Die kleine Amy wird von der Tochter sehr reicher Eltern im wahrsten Sinne des Wortes geprägt. Da das Mädchen nicht erfährt, woher sie stammt und die Lordschaft Vennaway sie verachtet, demütigt und schlecht behandelt, wird Aurelia für sie der Dreh- und Angelpunkt ihrer kleinen Welt, die Hatville Court heißt. Sie wird ihre Schwester, Gefährtin, Vertraute, liebste Freundin.
Nach dem sehr frühen Tod Aurelias muss Amy das Haus überstürzt verlassen. Doch postum lenkt und leitet die Freundin Amys Schicksal. Ihr Weg führt durch die von Aurelia gelegten Spuren durch England direkt ins Happy End. In den verschiedenen Aufenthaltsorten lernt sie die wichtigsten Personen ihrer Freundin kennen und zuletzt deren größtes Geheimnis!!!!
Auf dieser Reise findet sie zu sich selbst und dank ihrer geliebten Aurelia endlich zu einer eigenen Identität.

Wie die Autorin die Geschichte entwickelt, den Faden nicht verliert und immer wieder aufnimmt, ist bewundernswert und eine bemerkenswerte Leistung.

Allerdings hätten einige Längen vermieden werden können, z. B. die wiederholten Selbstzweifel Amy´s wegen ihrer Herkunft, vor allem zu einem Zeitpunkt, wo sie sich schon ziemlich unabhängig wähnte.
Auch das kaltherzige, maßlos überzogene Verhalten der Eltern von Aurelia ist mir unbegreiflich geblieben, irgendwie unmotiviert. Woher kam nur dieser grenzenlose Hass und die Verachtung gegen Amy? Die Erklärung der Mutter reicht mir nicht aus.

Bewertung vom 30.05.2016
A wie B und C
Kleeman, Alexandra

A wie B und C


sehr gut

Der Schreibstil von Alexandra Kleeman ist sehr gut. Die abstruse, sonderbare Geschichte um ihre „Hauptpersonen“ A, B, und C ist flüssig zu lesen, war für mich an manchen Stellen ungewöhnlich, bizarr und magisch. Es mutete wie Science Fiction an.

In einer Buchhandlung oder in einer Bibliothek hätte ich dieses Buch nie ausgewählt. Das Cover und die Goldbuchstaben verführen zwar in ihrer cleanen Ausstrahlung erst einmal danach zu greifen. Aber! Die Beschreibung des Klappentextes ist für mich nichtssagend und wird dem Roman nicht gerecht.

Nun habe ich mich auf dieses Buch eingelassen, es bis zum Ende gelesen und lange darüber nachgedacht. Nie ist mir etwas Ungewöhnlicheres untergekommen.
Jeder Mensch hat mehr oder weniger Macken, aber in so einer Dichte, so intensiv habe ich es noch nie gelesen.

Nun zum Inhalt, wie ich (!) ihn verstanden und interpretiert habe:

A erzählt aus ihrer Sicht, in der Ich-Form. Sie ist eine attraktive, junge Frau, die einem Beruf nachgeht. In ihrer Wohnung lebt sie mit B zusammen, die ihr aufs Haar gleicht.

A und B sind eine Person und C, der Freund von A existiert nicht wirklich, sondern nur mit Hilfe ihrer Vorstellungskraft.

A, B, C sind beliebig, ebenso die Geschichte, alles eine Metapher für das was uns umgibt.

A hat eine schwere Essstörung. Sie ernährt sich von Orangenspalten, Wassereis und Kandy Kakes (synthetischer Keks) und kann sich schwer entscheiden, wann sie was und wie viel davon essen soll.

A will sich unbedingt von B unterscheiden, von ihr trennen, sich von ihr abkapseln.
S. 91 „ Es gab keine Möglichkeit, sie zu ruinieren, ohne mich zu ruinieren.“

Alexandra Kleemann benutzt eine bildliche Sprache und einmalige, abenteuerliche Vergleiche. Hier ein Beispiel:
S. 87 „Es ist, als würde man einen Regenbogen aus Benzin essen. Wenn Benzin gut schmecken würde.“

In der Geschichte, welche die Autorin erzählt, fehlt für mich der rote Faden. Das liegt sicher an mir (Generationsfrage/Alter/Sozialisierung). Positiv zu werten ist, dass man angeregt wird, nachzudenken. Interpretationsmöglichkeiten ergeben sich mehrere. Geht es um den Sinn des Lebens? Dafür spräche beispielsweise, dass nach der Ursache des „Verschwundene – Väter- Syndroms“ (S. 89) gesucht wird. Diese verschwundenen Väter haben sich auf die Suche nach dem perfekten Leben begeben.

Schließlich begibt sich A unter Mithilfe der Wallys in die Kirche der VEREINIGTEN ESSER in eine Art Selbstfindung. Abstruse Schilderung der Zustände in dieser Sekte. Das Ziel der Maßnahmen in der Gemeinschaft der Kirche ist, dass gut angepasste ESSER sich nicht erinnern werden, sie kommen ins „Helle“ und legen das „Dunkle“ ab. Sie werden „reine Menschen“!
A scheint zumindest zum Ende der Geschichte das gefunden zu haben, was sie suchte.