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SBS

Bewertungen

Insgesamt 362 Bewertungen
Bewertung vom 08.09.2019
Aufbruch und Entscheidung / Die Charité Bd.2
Schweikert, Ulrike

Aufbruch und Entscheidung / Die Charité Bd.2


sehr gut

Ein tolles Buch, aber nicht ganz so stark wie der Vorgänger

Rahel Hirsch ist 1903 eine der ersten Ärztinnen der Berliner Charité und hat mit ihren durchweg männlichen Kollegen teilweise ganz schön zu kämpfen. Sie muss sich doppelt bewähren, arbeitet ohne Unterlass und erforscht manches, was ihre Kollegen für unmöglich halten. Bezahlt wird sie nicht oder schlechter und Gleichberechtigung scheint illusorisch. Gleiches gilt für Barbara, die in einer Wäscherei arbeitet und dort beginnt sich für die Gleichberechtigung zu engagieren. Die beiden sehr ungleichen Frauen treffen mehr oder weniger zufällig aufeinander, trotzdem entsteht eine Freundschaft. Als der erste Weltkrieg ausbricht ändert sich nicht nur das Leben der beiden Frauen grundlegend.

Die Geschichte ist spannend und gut recherchiert. Besonders interessant fand ich die Geschichte um Rahel Hirsch, die es tatsächlich gab und auch die weiteren historischen Fakten haben erneut eine runde Geschichte ergeben. Sowohl medizinische, als auch politische Entwicklungen fand ich sehr gut dargestellt und man lernt tatsächlich beim Lesen dazu, denn die Anfänge der Fliegerei, die einen gewissen Raum einnehmen, waren mir bisher so noch nicht untergekommen. Bisher hatte es mich einfach nicht so interessiert, aber die Autorin hat es geschafft mich für das Thema zu erwärmen.

Die Freundschaft der beiden Frauen wirkt vielleicht etwas klischeehaft, aber beim Lesen wirkte es sehr authentisch und hat mir sehr gut gefallen. Der Kampf der beiden Frauen für mehr Rechte ist bemerkenswert und sie ergänzen sich prima. Soweit hat mich das Buch auch wieder auf ganzer Linie überzeugt.

Mich hat das Buch sehr gut unterhalten, aber an den ersten Band der Charité konnte dieses Buch nicht ganz reichen. Dafür war mir in der Mitte manches zu belanglos und das Medizinische war mir auch nicht präsent genug. Komplett mitgerissen hatte mich die Autorin ab den Schilderungen der Entwicklungen während des ersten Weltkrieges – vorher plätscherte manches auch mal nur gemütlich vor sich hin ohne langweilig zu sein. Positiv ist jedoch, dass man diesen Band ohne Vorkenntnisse lesen kann und der Schreibstil auch hier wieder so herrlich rund und gut lesbar ist, dass man das Buch kaum mehr weglegt.

Ich freue mich schon auf den dritten Teil und hoffe, dass wir nicht so lange warten müssen.

Bewertung vom 03.09.2019
Der Sprung
Lappert, Simone

Der Sprung


ausgezeichnet

Literarisches Perlchen

Eine Frau steht auf einem Dach und scheint springen zu wollen, doch sie tut es nicht. Stattdessen hält sie Rettungsdienste, Polizei, Einwohner und Medien auf Trab, indem sie das Dach beginnt abzudecken und dergleichen. Die Polizei versucht ihr Bestes, um die Frau vom Dach zu bekommen, aber eine Entscheidung gibt es erst am zweiten Tag… Das bleibt nicht ohne Auswirkungen auf das Umfeld der Frau, aber auch Anwohner und Polizisten bewegt das Geschehen.


Diesem Buch kann man, oder zumindest ich, mit einer Rezension kaum gerecht werden, denn es ist so grandios konstruiert, teils mutig und beeindruckend, sodass ich einfach versuche spoilerfrei meine Eindrücke zu schildern.


Der Geschichte lässt sich leicht folgen, obwohl extrem viele Personen mitten im Geschehen sind und auch deren Vergangenheit eine teils große Rolle spielt. Der Leser bemerkt schnell, dass man Menschen nicht in Schubladen stecken sollte, solange man sie und ihre Geschichte nicht kennt. Alle Charaktere sind mehr oder weniger lose miteinander verbunden. Einige kennen sich persönlich, andere haben nur einen Bezug zu dem Haus auf dem die Frau steht und zu springen droht. Ihre Beschreibungen sind sehr gelungen und haben jeden einzelnen authentisch und doch individuell wirken lassen, sodass man sie gut auseinanderhalten konnte. Es gibt jedoch nicht nur Menschen, die unter dem Geschehen leiden, sondern sogar solche die profitieren.
Furchtbar, aber sehr gut geschildert finde ich die Zuschauer des Spektakels. Diese Gafferei, die sogar dazu führt, dass manche wünschten, die Frau würde springen – eigentlich unfassbar, aber man weiß ja, dass das heute durchaus realistisch ist. Es gibt aber noch viele weitere Gedankenanstöße – einfach toll geschrieben!


Das Buch ist gespickt mit schönen Metaphern, lässt sich leicht lesen und hat einen roten Faden, an dem der Leser sehr gut entlanggeführt wird. Besonders gelungen finde ich das Ende, denn es ist etwas offen und gewöhnlich mag ich das überhaupt nicht – hier ist es aber stimmig und einfach passend.


Dieses Buch hat mich nicht nur beim Lesen sehr gut unterhalten, sondern wirkt auch Tage später noch nach. Ein literarisches Perlchen, welches ich so schnell sicher nicht vergessen werde und das ich gerne weiterempfehle!

Bewertung vom 02.09.2019
Ein anderer Takt
Kelley, William Melvin

Ein anderer Takt


ausgezeichnet

Damals wie heute lesenswert

1962 erschien „A different Drummer“, des mittlerweile verstorbenen Autors, welches hier nun neu aufgelegt wurde. Da gerade in den Südstaaten die Rassentrennung rigide war und ich mich für das Thema interessiere, musste ich das Buch einfach lesen.

Vom einen auf den anderen Tag ändert sich in einer fiktiven Kleinstadt alles. Der dunkelhäutige Tucker Caliban beginnt sein Hab und Gut zu vernichten und zieht mit seiner Familie von dannen. Alle anderen Schwarzen folgen seinem Beispiel und verlassen den Staat. Welche Auswirkungen hat das auf die weiße Bevölkerung? Wer soll nun die Arbeiten erledigen, die die Weißen nicht machen wollten? Wichtiger als jene Fragen sind in diesem Roman jedoch die Beweggründe für Tuckers Weggang.

Mich hat die Geschichte sehr überrascht, denn es war nicht unbedingt, was ich erwartet hatte, aber der Autor hat einen Weg eingeschlagen, welchen ich sehr gelungen finde. Er schildert weniger als erwartet die Folgen und statt aus der Sicht der Dunkelhäutigen, schildert er das Geschehen aus der Sicht der weißen Bevölkerung und legt damit deren Probleme nach und nach offen. Liberale und traditionelle Stimmen aus den verschiedensten Altersstufen kommen zu Wort und geben damit ein rundes Bild ab. So zeigt sich beispielsweise, dass auch jene, die liberal scheinen, einen gewissen Rassismus an den Tag legen, wenn sie sich auch nicht direkt gegen die Dunkelhäutigen richten. Für mich war diese Herangehensweise neu oder zumindest anders als alles was ich bisher gelesen habe.

Ein Buch, das an Aktualität nichts eingebüßt hat. Begeistert haben mich die Herangehensweise des Autors und seine gleichermaßen simple wie eingängige Sprache. Ein wenig bin ich aber der häufigen Verwendung von „Neger“ oder gar Schlimmeren zusammengezuckt, aber hier muss man schon die Zeit berücksichtigen aus der das Buch stammt und auch, dass der Autor selbst dunkelhäutig war, also das Gefühl hatte kein Blatt vor den Mund nehmen zu müssen. Themen sind natürlich ganz allgemein Rassismus, aber auch der Kampf um Gleichberechtigung, Mut, Zusammenhalt und Selbstbestimmung. Das Ende ist nicht ganz wie ich mir das gewünscht hätte, aber in sich stimmig.

Mein größter Kritikpunkt betrifft nicht die Geschichte (fließt daher nicht ein in meine Bewertung ein), sondern das Vorwort. Es ist alles andere als uninteressant, aber es verrät einfach viel zu viel von der Geschichte. Ich hatte sowas schon befürchtet und das Vorwort erst im Anschluss an die Lektüre gelesen – zum Glück, denn es wird alles verraten. Wer also strikt alles chronologisch durchliest, spoilert sich und das gewaltig.

Bewertung vom 26.08.2019
ATME!
Merchant, Judith

ATME!


weniger gut

Enttäuschendes Ende

Nile ist scheinbar eine glückliche Frau, denn sie ist mit ihrem Traummann zusammen, der scheinbar nur noch für sie da ist. Doch das Glück hält nicht lange an. Während sie ein Brautkleid kaufen möchte, verschwindet Traummann Ben plötzlich spurlos. Nile verfällt in Panik und versucht alles, um ihren Ben wieder zu finden. Ihre Suche treibt manchmal seltsame Blüten…


Sehr schnell bemerkt der Leser, dass die Erzählerin Nile ein außergewöhnlicher Charakter ist, dessen Gegenwart man im eigenen Leben nicht unbedingt schätzen würde. Dabei fragt man sich, wo die Ursachen für ihr spezielles Wesen sein könnten und ob man ihr eventuell auch Unrecht tut und sie zu schnell in die falsche Schublade steckt. Diese Fragen habe ich mir von Beginn an gestellt, denn irgendwo müssen ihr Hang zur Übertreibung und ihre Ängste, die richtig greifbar sind ja herkommen… Während die Panik gut dargestellt ist und auch ein gewisses Interesse wecken konnte, haben mich die Rückblenden zu Niles und Bens Beziehung oft nur den Kopf schütteln lassen. Oft sind ihre Handlungen nur noch wirr (sowohl in den Rückblenden, als auch und im besonderen bei der Suche nach Ben) und auch Bens Ex, die Nile irgendwann bei der Suche hilft, hat mich nicht immer überzeugen können. Zumal immer mehr Dinge geschehen und Fragen aufgeworfen werden, die alles in einem anderen Licht erscheinen lassen.


Wer sagt die Wahrheit? Kann man Nile trauen oder ist sie vielleicht noch schlimmer, als man das vermutet? Wo ist Ben? Was steckt hinter allem? Ist vielleicht alles nur ein Hirngespinst? Ärgerlich finde ich, dass zum Ende hin manche sehr zentrale Frage offen bleibt. Natürlich kann man sich ein eigenes Bild machen, aber manches hätte ich schon gerne von der Autorin beantwortet bekommen. Negativ ist mir auch aufgefallen, dass es mir einfach über sehr weite Strecken einfach zu wenig spannend war.


Der „Thriller“ greift auch ein interessantes, gesellschaftlich viel zu wenig beachtetes Thema auf und das Buch lässt sich wegen kurzer Kapitel(auch bei begrenztem Interesse) sehr schnell lesen. Deshalb war das Buch kein kompletter Reinfall und trotzdem hat es mich unter dem Strich enttäuscht. Längen in der ersten Hälfte und insbesondere das Ende sind eine pure Enttäuschung für mich gewesen und entsprechend werde ich das Buch auch nicht weiterempfehlen. Was ich jedoch empfehle ist das Lesen einer Leseprobe, denn wie man an anderen Rezensionen sieht, gefällt das Buch den einen sehr, den anderen gar nicht. Also einfach mal unverbindlich reinlesen und dann entscheiden.

1 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 25.08.2019
Es wird Zeit
Kürthy, Ildikó von

Es wird Zeit


sehr gut

Neues wagen

Die fast 50-Jährige Judith hat eigentlich alles, was für ein gutes Leben nötig ist. Als Zahnarztgattin ein sicheres Auskommen, drei liebenswerte Kinder und doch ist nicht alles gut – ganz im Gegenteil. Nun ist in ihre alte Heimat zurückgekehrt, dabei sollte sie das nie. Ihr blieb jedoch nichts anderes übrig, da sie ihre Mutter bestatten muss. Dort trifft sie auch auf ihre frühere Freundin und ihre Jugendliebe. Es wird manches ganz schön auf den Kopf gestellt…
Die Ich-Erzählerin Judith nimmt den Leser an die Hand und gewährt Einblicke in das Leben einer Frau, die von außen betrachtet alles hat, was man so braucht. In ihr sieht es jedoch ganz anders aus. Ihren Mann liebt sie nicht richtig, sie leidet unter dem Empty-nest, denn alle drei Söhne sind mittlerweile ausgezogen und sie hadert mit der Vergangenheit. Nun ist der familiäre Zusammenhalt komplett weg, dafür sind Selbstzweifel und schlaffe Haut da. Was soll sie mit ihrem restlichen Leben noch anfangen? Vielleicht eine alte Jugendliebe aufwärmen? Mitten rein trifft sie auch noch der eine oder andere Schicksalsschlag und es ist Zeit sich zu öffnen. Längst Vergangenes kommt nochmal zur Sprache und die Emotionen spielen schier verrückt.
Ich gehöre altersmäßig noch nicht zur Zielgruppe, trotzdem konnte man sich in das Geschehen gut einfühlen – nicht selten habe ich auch ganz schön mit den Augen rollen müssen, weil Judith doch das eine oder andere Klischee ganz schön bedient, aber so ist sie nun mal. Es passt an dieser Stelle. Vieles ist heiter, die Selbstironie gekonnt auf den Punkt gebracht, manches tief traurig und anderes einfach unter Midlife-Crisis zu verbuchen. Gefallen haben mir die Bezüge zur Vergangenheit, denn auch wenn ich nicht so alt bin, sind mir viele der Dinge durchaus ein Begriff gewesen und haben Erinnerungen an meine Mutter und Oma geweckt.
Ich hatte bisher nur „Mondscheintarif“ von ihr gelesen und fand es furchtbar, aber ich wollte der Autorin noch eine Chance geben. Hier hatte sie mich auch schnell mit ihrem recht amüsanten Schreibstil gefangen genommen, mit ihren Anekdoten gut unterhalten, nachdenklich gestimmt und die Aussage des Buches ist bei mir auch angekommen. Manchmal muss man sich einfach verändern, mutig seinen Weg gehen und nicht nur das tun, was die anderen von einem erwarten.

3 von 4 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 19.08.2019
Brot backen mit Christina
Bauer, Christina

Brot backen mit Christina


sehr gut

Brot gehört für mich einfach zum Alltag, darum backe ich es auch immer wieder gerne selbst und bin gelegentlich auch auf der Suche nach neuen Ideen. Geschmacklich mal was Neues reinbringen, vielleicht auch Rezepte, die weniger Zeit in Anspruch nehmen – genau solche suche ich immer wieder mal und habe sie hier gefunden.
Den klaren Aufbau mit allgemeinen Infos, bevor es ans Eingemachte geht, fand mich gelungen. Gerade als Deutscher muss man da schon etwas aufmerksamer lesen, denn die Autorin ist Österreicherin und es gibt schon einige Unterschiede, die es zu beachten gilt, sonst könnte das Brot misslingen – hier hätte ich übrigens mehr zu den möglichen Fehlerquellen und Vermeidungsmöglichkeiten erwartet. Schade war auch, dass manche Mehlsorte zumindest in meiner Kante nicht zu bekommen war. Ansprechende Bilder, leichte Erklärungen und klare Handlungsschritte machen das Nachbacken zumindest für jene, die schon mal gebacken haben, ziemlich leicht.
Ich bin also kein Neuling im Brot backen, aber ich habe immer größten Respekt vor Sauerteig gehabt. Mit diesem Buch habe ich mich endlich mal allein daran getraut und das Ergebnis konnte sich auch sehen lassen. Optisch wie geschmacklich wurde das Brot einwandfrei, auch wenn ich mir ziemlichen Stress gemacht habe. Auch die süßen Brote oder die Hefevarianten habe ich teilweise getestet und die Ergebnisse kamen meist – nicht immer und bei allen – recht gut an. Weißbrot und Co sind aber eben auch nicht jedermanns Ding. Komisch fand ich auch, dass mein Backofen vor allem gegen Ende reguliert werden musste – hätte ich mich da strikt an die Anleitung gehalten, wäre manches Brot schwarz geworden. Da ich nach ihren Rezepten auch Kuchen backe und dort alles passt, hat mich das ein wenig irritiert. Läge es an meinem Ofen, müsste sich das dort ja auch bemerkbar machen (!?).
Unter dem Strich war ich aber nicht ganz so begeistert wie von ihrem „Kuchen backen mit Christina“, daher nur vier Sterne und trotzdem eine Empfehlung – nicht nur an Anfänger.

Bewertung vom 17.08.2019
Verratenes Land
Iles, Greg

Verratenes Land


ausgezeichnet

Groß im Umfang, riesig im Inhalt

Bienville, Mississippi. Marshall McEwan ist ein hochdekorierter Journalist, hasst seinen Vater und hat sein Bruder auf dem Gewissen. Nach knapp 30 Jahren kehrt er in seine Heimat zurück, um seine Mutter zu unterstützen, die sich um den todkranken Vater kümmert. Er trifft auf alte Bekannte, Freunde und vor allem auf Jet – seine Jugendliebe, die er nie vergessen hat.

Die Stadt soll eine neue Papierfabrik erhalten, die viele neue Jobs und Wohlstand mit sich bringen soll. Archäologe Buck Ferris sucht auf dem Gelände nach Spuren von Indianern – er zahlt mit seinem Leben. Warum musste er sterben und wer steckt dahinter?

Mir hat der vielschichtige Wälzer, der sich auch viel mit der Vergangenheit und den Südstaaten im Allgemeinen beschäftigt, extrem gut gefallen. Natürlich gab es manche Länge, aber die Beschreibungen der Landschaft (sowohl in geografischer, als auch politischer Hinsicht) und Probleme wie Korruption, Machtspielchen oder auch die Familienkonflikte haben mich sehr interessiert, sodass ich auch über diese leicht hinweggekommen bin. Der Schreibstil hat mich schon bei den Vorgängern überzeugt und hier hat mich nur gelegentlich Protagonist Marschall mit seinen schier endlosen Überlegungen manchmal ein wenig genervt. An anderer Stelle fand ich seine Ideen und Gedankengänge allerdings sehr interessant. Es hat mich manches nachdenklich gestimmt und man überlegt schon an einigen Stellen, was man selbst tun würde und wo gewisse Grenzen verlaufen. Was ist wichtiger? Das Gemeinwohl oder Gerechtigkeit? Die wichtigen Charaktere sind sehr anschauliche und gut ausgearbeitet, ob gut, ob böse. Der Autor nimmt auch kein Blatt vor den Mund und scheut sich auch nicht schwierige Themen auf den Punkt zu bringen – Korruption, Unterschlagung, Bestechung, Mord, Vertuschung, Gier, unbewältigte Vergangenheiten, aber auch Liebe, Gerechtigkeit und Freundschaft.
Wer Iles bereits kennt, bekommt genau was er erwartet: ein super interessantes, spannendes und atmosphärisches Buch. Groß im Umfang, riesig im Inhalt!

Trotz der einen oder anderen kleineren Länge (bei der Stärke des Buches finde ich das leicht zu entschuldigen) hat mich das Buch einfach extrem überzeugt, sodass ich es gerne weiterempfehle.
Allerdings muss man sich auf die Geschichte einlassen und ein gewisses Interesse mitbringen, sonst werden die 830 hauchdünnen Seiten sicher eine langwierige Angelegenheit.

Bewertung vom 14.08.2019
Die letzte Witwe / Georgia Bd.9
Slaughter, Karin

Die letzte Witwe / Georgia Bd.9


ausgezeichnet

Sara und Will sind zufällig in der Nähe eines Bombenattentats und wollen als Ärztin und Polizist natürlich helfen. Doch sie kommen gar nicht bis zum Ort des Geschehens, denn auf dem Weg gab es einen Autounfall und so beschließen die beiden dort zu helfen. Ein fataler Fehler, wie sich noch herausstellen soll. Sara wird entführt, Will verletzt und zunächst hat niemand eine Ahnung, was hinter alldem stecken könnte. Erst nach und nach zeigt sich das ganze unheimliche Geschehen.

Nach einem kurzen, mich nicht ganz gelungenen Start, bei dem aus mehreren Perspektiven die immer gleiche Geschichte erzählt wird (es bleibt glücklicherweise nicht so, denn das hätte mich wirklich enttäuscht), entwickelt das Buch eine Sogwirkung, die den Leser kaum mehr loslässt. Auf rund 500 Seiten ist das Geschehen einfach nur spannend und man möchte am liebsten direkt wissen, wie sich alles auflösen wird. Kommt es zur Katastrophe? Wird Will Sara noch rechtzeitig finden und die geplanten Gräueltaten der „Gruppierung“ verhindern können? Die Ereignisse scheinen sich zu überschlagen, Ungeheuerliches geschieht schon während der aufregenden Flucht der Straftäter mit ihrer Geisel Sara, und schier Unfassbares ist Hintergrund alldessen. Zu den Hintergründen mag ich kaum was sagen, denn das muss man einfach selbst gelesen haben. Nur so viel: Es ist brandaktuell, super gefährlich und ein sehr großes Problem nicht nur in den USA.

Die Art und Weise, wie diese Gruppierung, die mitten im Wald sehr „traditionell“ lebt, ihre Weltordnung schaffen möchte, eröffnet sich nur schrittweise, während Will versucht eine Ahnung zu bekommen, wer Sara hat und wo sie sein könnte. Derweil fürchtet der Leser eigentlich immer, dass Sara etwas passieren könnte, denn in dem Camp sind die normalen Regeln der Gesellschaft außer Kraft gesetzt und die zahlreiche Kinder sind extrem krank. Sara versucht ihnen zu helfen, aber mit primitivsten Mitteln wird das kein leichtes Unterfangen. Die Köpfe der Truppe sind einfach nur abscheuliche Menschen, deren Weltbild einfach nur abstoßend ist.

In manchen Belangen hat der Leser schon eine Ahnung wohin die Reise gehen wird, aber die Autorin überrascht trotzdem immer wieder. Den Charakteren verleiht die Autorin gewohnt viel Tiefe und Individualität. Das geht teilweise auch mit einem sehr derben Sprachgebrauch einher, der mich allerdings gelegentlich sehr zum Schmunzeln brachte (S. 63). Auch Nebencharaktere werden schön auf- und stimmig in die Geschichte eingebaut.

Natürlich ist es von Vorteil, wenn man die gesamte Reihe kennt, aber dieses Buch lässt sich problemlos auch unabhängig lesen.

Bewertung vom 14.08.2019
Jagd auf die Bestie / Detective Robert Hunter Bd.10
Carter, Chris

Jagd auf die Bestie / Detective Robert Hunter Bd.10


ausgezeichnet

Einer der schlimmsten, wenn nicht der schlimmste Verbrecher aller Zeiten ist frei und beginnt ein Spiel um Leben und Tod mit seinem früheren Freund und späteren Widersacher LAPD-Detektive Robert Hunter. Das Spiel fordert Menschenleben, der hochintelligente Verbrecher schreckt vor nichts zurück…

Dieser zehnte Band hat es wieder in sich. Ein Katz-und-Maus Spiel der Extraklasse, welches mich nicht mehr losgelassen hatte, bis ich das Buch vom einen auf den anderen Tag beendet habe. Ich würde empfehlen zumindest vorher „Die stille Bestie“ gelesen zu haben, um ein noch besseres Bild von Lucien Folter zu haben, aber erforderlich ist es andererseits auch wieder nicht, denn Hunters Partner Garcia kennt Lucien nicht und daher wird er samt seinen Taten vorgestellt. Zum Glück hatte ich erst kurz zuvor „Blutrausch“ gelesen, welches am Ende mit einem genialen Cliffhanger Appetit auf das Buch machte. Der Beginn von „Die Jagd auf die Bestie“ ist dann aber noch ein wenig geändert und noch deutlich brutaler. Lucien gelingt es mit großer Brutalität aus dem Gefängnis auszubrechen und seinen weiteren Weg, den er sich über drei Jahre Gefangenschaft zurechtgelegt hat, ist gepflastert mit Leichen, denn er möchte sich mit seinem früheren Freund Robert Hunter duellieren. Hunter und ein umfangreiches Team jagen die Bestie, die so grausam wie hochintelligent ist.

Wer Carter mag, wird diesen temporeichen Pageturner lieben! Es ist wie immer nichts für Zartbesaitete, denn brutale, grausame und blutige Szenen dominieren das Geschehen. Wer das gut ab kann, wird vom Thriller mitgerissen und mag das Buch nicht mehr aus den Händen legen. Der Schreibstil mit vielen kurzen Kapiteln und der Aufbau der Geschichte haben mich wieder voll überzeugt und sind typisch Carter.
Wer wird das brutale Spielchen gewinnen? Wie viele Opfer werden mit dem Leben zahlen müssen und gelingt Lucien Folter die Flucht? Fragen über Fragen, sie sich im Verlauf des Buches spannend/interessant klären.

Ich kann es kaum erwarten das nächste Buch zu lesen und empfehle solange dieses Buch sehr gerne weiter.

Bewertung vom 14.07.2019
Harz
Riel, Ane

Harz


sehr gut

Kein Thriller, aber eine emotionale Achterbahnfahrt

Liv ist mit sechs Jahren gestorben und doch nicht tot, denn ihr Vater hat sie nur tot gemeldet, um zu verhindern, dass sie zur Schule gehen muss. So hat ihr Vater Jens, der mit ihr und seiner Frau allein und einsam am Kopf einer Insel wohnt, alles zusammen was er liebt und von anderen Menschen will er zur Sicherheit seiner Familie nichts mehr wissen.
Zunächst einmal muss ich festhalten, dass ich ein solches Buch noch nicht gelesen habe. Erwartet hatte ich einen Thriller, gelesen jedoch eine Art Horrormärchen. Die von der Autorin geschaffene Welt und das Familienleben sind schier unfassbar und fesseln den Leser irgendwann so, dass man unbedingt wissen muss, wie alles endet.
Meist berichtet die Tochter Liv und da wird es nicht selten auch mal traurig, denn das Mädchen empfindet Dinge als normal, die einfach furchtbar sind – nur kennt sie es ja von klein auf nicht anders. Sie lernt sehr viel von ihrem Vater und der ist, wie der Leser auch sehr schnell bemerkt; alles andere als ein normaler Mann. Dieser Mann hat jedoch auch eine sehr liebevolle Seite und meint es an sich immer nur gut, mit allem was er tut und das macht auch einen Teil des Schockers aus. Der Schreibstil ist insgesamt rund und gelungen. Manchmal habe ich gar nicht so richtig wahrgenommen, wie etwas vermittelt wird, denn das Geschilderte war so heftig, dass das Kopfkino stärker war, als jedes Wort. Die Atmosphäre des Buches ist beeindruckend geschildert, das Zuspitzen bis zur Katastrophe ist genial und lässt einen das Buch kaum mehr aus den Händen legen und welche Rolle das titelgebende Harz spielt, ist auch nicht schlecht. Lest selbst!
Doch es gibt durchaus auch Kritikpunkte. Einerseits hatte ich zu Beginn meine Schwierigkeiten in diese extreme Welt von Liv und ihrer Familie einzutauchen, andererseits handelt es sich für meine Begriffe nicht um einen Thriller. Ja, es ist an manchen Stellen sehr spannend, aber das allein reicht dafür nicht aus. Vielmehr handelt es sich um ein sehr psychologisches Buch, welches von seinen Protagonisten und ihrer „kranken“ Welt lebt.
Wer keine Scheu vor extremen Geschichten hat, ist mir Harz zu beraten, denn auf 300 Seiten bietet die Autorin eine emotionale Achterbahnfahrt, die auch nach dem Ende des Buches noch ein paar Runden dreht…