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Benutzername: 
heinoko
Wohnort: 
Bad Krozingen

Bewertungen

Insgesamt 588 Bewertungen
Bewertung vom 17.09.2020
Handbuch für miese Tage
Helmink, Eveline

Handbuch für miese Tage


sehr gut

Mist ist guter Dünger, auch im Leben

Ein sehr schön gestaltetes Cover verlockt, das Buch in die Hand zu nehmen. Und auch beim Durchblättern besticht die liebevolle, detailreiche Gestaltung, wobei mir mitunter die typographische Vielfalt fast etwas zu viel wurde. Dennoch überwiegt der positive Gesamteindruck, der sich beim langsamen Lesen, mit vielen Unterbrechungen des Nachdenkens, fortsetzte.

Das Anliegen der Autorin war, uns auch die miesen, die schwierigen, die enttäuschenden Tage, die wir alle in unserem Leben kennen, schmackhaft zu machen. Gar nicht so einfach: »Wir sollten nicht die beste Version unserer selbst anstreben, sondern die authentischste«, sagt die Chefredakteurin der niederländischen Ausgabe der Zeitschrift Happinez. Mit viel Humor übersetzt sie die oft überfrachteten Lebensglück-Konzepte in den ganz normalen Alltag. Ihre Botschaft: Die miesen Tage machen unser Leben erst interessant.“ So kündigt der Verlag das Buch an.

„Shortcuts“, wie es Eveline Helmink nennt, sind die kleinen, aber durchaus wirksamen Hilfen, die sie uns an die Hand gibt, damit unser Denken auch mal eine andere Richtung einnehmen kann und die unsere seelische Widerstandskraft, die Resilienz, stärken. Für mich gab es einige Aha-Effekte. Denn es geht nicht darum, alles, was nicht passt, zu reparieren oder gar zu betäuben, sondern vielmehr zu verstehen. „Alles kommt und alles geht“. Klingt trivial und ist doch so kraftvoll. Und so begegnen wir in dem Buch Vielem, was wir so oder anders schon gehört und gelesen haben. Aber Eveline Helmink bringt uns diese Gedanken so erfrischend anders, so humorvoll und locker, so alltagstauglich und ohne Heiligenschein näher, dass wir ihr gerne folgen und bereit sind, neue Impulse aufzunehmen. „Ich werde meine Gedanken nicht gegen mich einsetzen.“ Das war der Satz, der sich mir derzeit besonders aufdrängte. Ich traue dem Buch zu, dass es mir immer wieder passende Mantras schickt, wann immer ich mich dem Buch erneut öffne.

Bewertung vom 16.09.2020
Die App - Sie kennen dich. Sie wissen, wo du wohnst.
Strobel, Arno

Die App - Sie kennen dich. Sie wissen, wo du wohnst.


sehr gut

Ein leicht lesbarer Thriller zum Entspannen zwischendurch

Manchmal habe ich richtig Lust, mich ganz einfach spannend unterhalten zu lassen, ohne großes Nachdenken über Sinn und Folgerichtigkeit, über psychologische Stimmigkeiten und ohne mich dafür entschuldigen zu müssen. Arno Strobel hat mit „Die App“ genau solch ein Buch geschrieben, zum Abschalten, ohne großen Tiefgang, aber spannend, überraschend und unterhaltsam.
Der Chirurg Hendrik hat für sich und seine Verlobte Linda in ihrem gemeinsamen Zuhause Smart Home Adam eingerichtet, ein System, das den Bewohnern absolute Sicherheit verspricht und alles im Haus über eine App steuert, von Türen über Rollläden, über Licht, Musik usw., Kameras und Mikrofone sind überall verteilt. Doch dann passiert es: Linda verschwindet über Nacht spurlos. Es gibt keine Nachricht, keinen Hinweis, nichts. Das System hatte keinen Alarm ausgelöst. Hendrik ist verzweifelt, denn die Polizei mutmaßt, dass Linda freiwillig das Haus bzw. ihren Verlobten verlassen hat. Hendrik lässt jedoch nicht locker auf der verzweifelten Suche nach Linda und findet überraschende Unterstützung.
Ein Teil der immanenten Spannung der Geschichte liegt wohl darin, dass solch ein Geschehen, wie es uns Arno Strobel erzählt, durchaus im Bereich des Vorstellbaren liegt, gerade wegen unserer Faszination für digitale Vernetzungen und technische Neuerungen. Natürlich treibt der Autor die Ereignisse auf die Spitze, aber denkbar wären die Gefahren durchaus. Mich hat das Buch durchweg spannend unterhalten. Auch wenn es teilweise etwas unglaubwürdige Passagen gab, auch wenn man Hendrik manchmal etwas mehr Intelligenz und nüchternen Verstand gewünscht hätte. Vorrangig blieb für mich der große Unterhaltungswert des Buches, der durch die leicht lesbare Schreibweise des Autors noch gefördert wurde. Und überraschend war der Schluss auch, trotz aller Vorhersehbarkeiten. Und dass ein Buch einfach nur spannend unterhält, ohne Grübelattacken auszulösen, darf auch mal sein.
Fazit: Ein leicht lesbarer, durchaus spannender Thriller, ohne großen Anspruch, ideal zum Entspannen zwischendurch.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 15.09.2020
Das Haus in der Claremont Street
Carolsfeld, Wiebke von

Das Haus in der Claremont Street


gut

Ein Roman, der mich nicht berührte

Eine Rezension zu diesem Buch zu schreiben, fällt mir schwer. Denn ich habe mir beim Lesen keinerlei Notizen gemacht wie sonst, Notizen, die mir üblicherweise das Formulieren der Rezension erleichtern. Ich habe nur gelesen und gelesen, das Erzählte lief wie ein Film vorbei. Und am Ende des Buches hatte ich nichts notiert, das mir aufgefallen wäre, nichts, das mich bewegt hätte. Buch zu, Geschichte vorbei. Zurück bleibt nichts.
Einzig der Prolog hatte mich gefesselt. Der 9-jährige Tom erlebt, wie der Vater die Mutter erschlägt und sich anschließend selbst tötet. Hier schlüpft die Autorin ganz in Tom hinein und sieht durch seine Augen das Entsetzliche. Doch diese Eindringlichkeit des Buchbeginns erreicht sie nachfolgend an keiner Stelle des Buches wieder. Tom ist schwer traumatisiert und spricht nicht mehr. Er kommt zunächst zu seiner Tante Sonya, die in ihrem Perfektionismus und ihrer Unerfahrenheit im Umgang mit Kindern trotz allen Bemühens daran scheitert, einen Zugang zu Tom zu finden. Tom zieht um in die Claremont Street zu Tante Rose, einer chaotisch-unstrukturierten, aber liebenswerten Frau. Dort lebt auch Onkel Will, der Weltenbummler, der irgendwie nie erwachsen wurde.
Wiebke von Carolsfeld beschreibt detailreich, keine Frage. Man bekommt als Leser eine klare Vorstellung von den sehr unterschiedlichen Persönlichkeiten, von deren sehr unterschiedlichen Denk- und Sichtweisen. Und man sieht deutlich den ewig verstopften Küchenabfluss im Haus von Rose vor sich oder die glänzend sauberen Böden im Haus von Sonya. Man kann sich auf intellektueller Ebene durchaus die Intention der Autorin vorstellen, die davon berichten will, wie ein traumatisiertes Kind und die damit verbundenen Herausforderungen die Einzelpersonen, die einander irgendwie fremd waren, letztlich zu einer Familie mit gegenseitiger Akzeptanz, vielleicht sogar mit Liebe zusammenfügt. Aber eben nur auf intellektueller Ebene. Emotional berührte mich das Buch nicht, abgesehen vom Prolog. Ich sah den handelnden Personen nur von außen zu, empfand nicht mit ihnen. Sie blieben blass, und dass sich das Trauma von Tom von jetzt auf gleich auflöst, wirkt unglaubwürdig. Vielleicht liegen die eigentlichen Stärken der Autorin doch eher im Bereich Drehbuch-Schreiben bzw. Filmregie…

Bewertung vom 14.09.2020
Ihr Königreich
Nesbø, Jo

Ihr Königreich


ausgezeichnet

Kunstvoll in Szene gesetztes Familiendrama

„Wenn du bis zum Hals in der Scheiße steckst, ist es gut, den Kopf nicht hängen zu lassen.“ Dieser Satz trifft das Buch auf den Punkt. 600 Seiten, deren Inhalt man auf wenige Sätze reduzieren könnte. Ein friedliches Leben führt Roy in den norwegischen Bergen, bescheiden, im Gleichmaß. Bis sein Bruder Carl nach Jahren der Abwesenheit in die Heimat zurückkehrt, in Begleitung seiner schönen Frau. Carl, der jüngere, der charmantere, der scheinbar erfolgreichere Bruder, von Kindheit an von Roy beschützt. Wo Carl auftaucht, gerät das Leben von Roy und so manch anderer Menschen im Ort gewaltig in Bewegung.

Jo Nesbo hat einen Kriminalroman geschrieben. So steht es auf dem Cover. Aber vielleicht ist das Buch eher ein Familiendrama. Oder das Psychogramm von Menschen, denen in früher Kindheit Schreckliches widerfahren ist. Oder die verquere Moralanalyse, wie Menschen, selbst wenn sie morden, sich als Opfer der Umstände sehen. Doch egal, welchem Genre man das Buch zuordnen möchte – es ist so gut geschrieben, dass die 600 Seiten an keiner Stelle, trotz der teilweise ausufernden Erzählweise, mühsam oder langweilig zu lesen sind. Im Gegenteil! Es gibt unglaublich schöne bildstarke Textpassagen, fast lyrisch schön, wie zum Beispiel zum Goldregenpfeifer, dem „einsamsten und ernstesten Vogel“. Und es gibt entsetzliche, unerträglich grausame Textpassagen, deren Inhalt ich hier nicht wiederholen möchte. Jo Nesbo beherrscht die gesamte Klaviatur der Schreibkunst perfekt. Und so ist auch der Aufbau des Buches ein schriftstellerischer Kunstgriff der besonderen Art. Denn es wird nicht wirklich chronologisch erzählt, sondern eher in Kreisen, erst in großen weiten Bögen, dann enger werdend, dabei mehr und mehr offenbarend, wann immer man wieder an die gleichen Geschehnisse herankommt. Bei jeder Kreisumrundung wird deutlicher, was die beiden Brüder verbindet oder trennt. Bei jeder weiteren Drehung tun sich mehr Untiefen auf, Strudel, die den Leser immer weiter hinein ziehen in eine schier ausweglose Geschichte, dramatisch und spannend.

Bewertung vom 03.09.2020
Jahresringe
Wagner, Andreas

Jahresringe


gut

Einerseits – andererseits

Einerseits ein Buch, das mich durch den Schreibstil beeindruckt hat - andererseits ein Buch, dessen Themenbogen für mich zu weit gespannt war und damit sich selbst verlor.

Leonore Klimkeit landet in ganz jungen Jahren nach ihrer Flucht aus Ostpreußen in einem kleinen Dorf in der Gegend zwischen Köln und Aachen. Dort wird sie nie akzeptiert, auch nach vielen Jahren begegnen ihr die verbohrten Einheimischen mit Wegschauen oder Misstrauen. Als ihr Sohn Paul 12 Jahre alt ist, muss das gesamte Dorf dem Braunkohle-Tagebau weichen. In einer Neubausiedlung am Rand der Kreisstadt bleibt Leonore Familienmittelpunkt, auch für die späteren Enkel Jan und Sarah. Jan steuert tagaus tagein den gigantischen Schaufelradbagger, der sich durch die Natur frisst. Sarah wird zur Waldbesetzerin und lebt dauerhaft in einem Baumhaus.

Tatsächlich wie in Jahresringen umkreist der Leser die vielfältigen Themen des Autors. Am beeindruckendsten empfand ich dabei den Jahresring 1946 – 1964, der das Leben der Leonore Klimkeit nach ihrer Zuflucht in dem kleinen Dorf nahe des Hambacher Forstes beschreibt. Nicht die Menschen, nicht das Dorf, nur der nahegelegene Wald gibt ihr ein Gefühl von Heimat. Diese Zeitspanne wird für mein Empfinden am eindringlichsten beschrieben. Die späteren Jahresringe 1976 – 1986 und 2017 – 2018 bleiben dagegen, insbesondere was die Schilderung der Personen betrifft, viel blasser. Immer mehr wird die erzählte Geschichte als Diskussionsbasis des Für und Wider der Naturzerstörung zugunsten des Braunkohleabbaus benutzt und verliert damit die anfängliche Intensität und atmosphärische Dichte. Das ist schade, denn die Stärke des Autors liegt meiner Meinung nach in seiner Fähigkeit, sehr fein zu beobachten. Wie zum Beispiel Andreas Wagner die große Anlage der kleinen Welt einer Modelleisenbahn beschreibt, ist hinreißend.

Vielleicht wollte der Autor zu viel. Denn das Buch ist ein Familienroman über drei Generationen einerseits, an vielen Stellen atmosphärisch dicht geschildert, andererseits geht die Intensität durch die Vielzahl der Themen wieder verloren.

Bewertung vom 02.09.2020
Einstein / Mäuseabenteuer Bd.4
Kuhlmann, Torben

Einstein / Mäuseabenteuer Bd.4


ausgezeichnet

Ein hinreißendes Gesamtkunstwerk

Die digitale Version des Bilderbuches hatte mich vor einige Herausforderungen gestellt. Entweder war die Seite im Ganzen sichtbar, aber die Schrift zum Lesen zu klein. Oder ich konnte den Text lesen, aber die Zeichnungen nur stückweise betrachten. Dass mich das Buch trotz der technischen Ärgernisse über die Maßen begeisterte, spricht für die außergewöhnliche und ganz und gar hinreißende, beeindruckend gelungene Gesamtgestaltung dieses Bilderbuches.

Die kleine Maus hatte zwar fleißig Kalenderblätter abgerissen, um das große Käsefest in Bern nicht zu verpassen, aber dann kam sie doch um einen Tag zu spät in Bern an. Wie schrecklich! Was tun? Ob es vielleicht möglich wäre, die Zeit um einen Tag zurückzustellen? Oder kann man überhaupt die Zeit anhalten? Die kluge Maus stellt allerlei Versuche an, aber nichts gelingt. Bis sie die Aufzeichnungen eines gewissen Albert Einstein findet und sich in seine Berechnungen hineinvertieft. Da schafft sie doch tatsächlich nach vielem Rechnen und Aufschreiben die Zeitreise. Aber sie hatte sich wohl ein wenig verrechnet, denn sie landet nicht um einen Tag, sondern um 80 Jahre zurück. Doch genau dieser Rechenfehler wird zum großen Glück war für die kleine Maus, denn eine unerwartete Begegnung hilft ihr auf ungeahnte Weise weiter…

Wie Einsteins Relativitätstheorie kindgerecht in eine spannende Geschichte umgesetzt und aus Mäuseperspektive verstehbar gemacht wurde, ist allein schon eine riesengroße Leistung. Was aber das Buch zum Gesamtkunstwerk macht, sind die genial gelungenen Zeichnungen, die das Spiel mit Raum und Zeit in Szene setzen. Die Feinheit des Zeichenstiftes, die ungewöhnlichen Blickwinkel, die Detailverliebtheit – mir fällt dazu nur das Wort „meisterhaft“ ein. Torben Kuhlmann hat ein hinreißendes, ein faszinierendes Gesamtkunstwerk geschaffen, das für Kinder und Erwachsene gleichermaßen einen besonderen Schatz im Bücherschrank darstellt.

Bewertung vom 02.09.2020
Arthurs wildes Hundeleben
Abidi, Heike

Arthurs wildes Hundeleben


ausgezeichnet

Sehr lustig, spannend und mit Sinn

Wie könnten Mensch und Tier besser lernen, einander zu verstehen? Heike Abidi zeigt es den Kindern auf fantasievolle Weise in diesem lustig-aufregenden Kinderbuch.

Arthur wünscht sich sehnlichst einen Hund, doch die Eltern sagen immer und immer wieder Nein. Als ein Arbeitskollege von Papa kommt und Arthur bittet, für eine Woche auf Lucky, den schwarz-weiß gefleckten Wuschelhund, aufzupassen, ist Arthur selig! Doch da passiert etwas ganz Unglaubliches: Am Morgen liegt Arthur im Hundekörbchen und Lucky in Arthurs Bett. Beim Drehwurmspiel muss es passiert sein, ihre Körper haben sich vertauscht. Und nun muss Arthur lernen, wie man auf vier Pfoten läuft, und Lucky muss am Tisch mit Besteck essen lernen. Natürlich wollen beide den Tausch wieder rückgängig machen, aber wie? Ob das letztlich gelingt, müsst Ihr unbedingt selber lesen.

Die Autorin erzählt sehr geschickt aus zwei Perspektiven: Arthur lernt im Hundekörper ganz schnell, wie schlimm es ist, geknuddelt zu werden, wenn man es gerade nicht möchte. Oder wenn die Menschen seine Sprache nicht verstehen wollen, obwohl er doch ganz deutlich mit Schwanz und Ohren anzeigt, was Sache ist. Und Lucky lernt, wie anstrengend ein Menschenleben ist. Auf dem Stuhl sitzen zum Beispiel oder Zähneputzen oder in die Schule gehen. Mit ganz viel Humor und Spannung lesen wir von Arthur (Lucky) und Lucky (Arthur), die in allerlei irritierende Situationen und Missverständnisse geraten. Zum turbulenten Geschehen und der durchaus liebevollen Erzählweise passen die ausdrucksstarken fröhlichen Zeichnungen von Barbara Fisinger. Allerdings würde ich das Lesealter deutlich herabsetzen auf 6 Jahre, da mir die Gesamtgestaltung einschließlich Schriftgröße und Sprache sowie der fantasievolle Inhalt durchaus bereits für 6-Jährige, zumindest zum Vorlesen, geeignet erscheint.

Bewertung vom 30.08.2020
Berliner Briefe
Kerckhoff, Susanne

Berliner Briefe


gut

Buch lässt mich vor verschlossenen Türen stehen

Die Ankündigung des Verlages und die überschäumenden Lobeshymnen der Presse („Eine literarische Sensation“) haben mich auf das Büchlein aufmerksam gemacht. Aber ich habe keinen Zugang zum Inhalt gefunden trotz der lobenswerten Informationen des Herausgebers Peter Graf. Das mag an mir liegen, an meinen falschen Erwartungen, an meiner mangelnden politischen Bildung.

Unter „Briefroman“ stelle ich mir etwas anderes als was, was ich vorfand. Die Sammlung von Briefen, die „Helene“ an ihren nach Paris emigrierten jüdischen Freund Hans gerichtet hat, bleiben ohne Antwort. Es gibt keine Schilderungen, keine Farbigkeit, keine Diskussion. Die Briefe sind im Grunde, so wie ich sie verstehe, lediglich theoretische Auseinandersetzungen mit Krieg und Freiheit, mit Feminismus und politischen Gesinnungen, eine Art innerer Selbstbefragung vielleicht, die aber leider für mich oft in allzu belehrender Weise formuliert ist. Da ich mangels detaillierter politischer Kenntnisse die Briefe/Meinungen von Helene nicht einordnen kann, bleibe ich bei dem Buch sozusagen vor verschlossenen Türen stehen.

Bewertung vom 28.08.2020
Hilfe, meine Eltern haben meinen Geburtstag gestrichen!
Simmons, Jo

Hilfe, meine Eltern haben meinen Geburtstag gestrichen!


sehr gut

Suselwusel und andere Schlamassel

In einer Familie, in der Oma vegane Kuchen backt, mit denen man Autobrücken reparieren kann, und das Riesenschwein Mini auf dem Garagendach wohnt, kann es nicht ganz normal zugehen. Das wird dem Leser sofort klar. Und tatsächlich, eine Katastrophe nach der anderen geschieht. Der geliebte Chihuahua von Oma kommt auf schreckliche Weise zu Tode, Oma verletzt sich und muss in der Familie gepflegt werden und die Zahnfee bringt der kleinen Schwester Meg statt Geld nur Unglück. Und das ist noch längst nicht alles!

Kein Wunder, dass die Eltern bei all den Schlamasseln den Kopf nicht frei haben für irgendwelche Partyvorbereitungen, obwohl der 10-jährige Tom auf ein phänomenales Geburtstagsfest zu seinem „Glücksgeburtstag“ (11. August 11 Jahre alt) hofft. Nein, das Fest wird auf „später“ verschoben, sozusagen ein Mega-Schlamassel! Wie Tom jedoch nicht in Selbstmitleid versinkt, sondern Idee um Idee entwickelt, zusammen mit seinen Freunden dennoch ein einmaliges Geburtstagsfest auf die Beine zu stellen und was dann noch alles an Unglaublichem passiert – das müsst ihr selber lesen!

Herrlich komisch ist der Schreibstil von Jo Simmons, lustig und und voll von schrägen Ideen. Nicht nur die Fülle an neuen Schimpfwörtern, die man aus dem Buch lernt wie Zumblum, Spanoffel, oder Harrumpel, bringen den Leser zum Kichern, sondern die abstrusen Ideen von Tom und den sich daraus ergebenden immer chaotisch werdenden Situationen rufen ständiges Bauchschmerz-Lachen hervor. Die cartoonartigen Zeichnungen unterstreichen auf perfekte Weise den ganzen Suselwusel. Aber das Buch enthält nicht nur Nonsense. Denn es ist gut, sich selbst zu helfen. Es ist gut, Freunde zu haben, und es ist gut, dass Erwachsene merken, was wirklich wichtig ist. Kurzum: Ein Spaßbuch mit Sinn.

Bewertung vom 27.08.2020
Onkel Stan und Dan und das gar nicht lieblich-niedliche Mondabenteuer / Onkel Stan und Dan Bd.3
Kennedy, A. L.

Onkel Stan und Dan und das gar nicht lieblich-niedliche Mondabenteuer / Onkel Stan und Dan Bd.3


ausgezeichnet

Schräg und urkomisch

Die Vorgängerbände kannte ich nicht. Deshalb schlug ich das vorliegende Buch völlig unbedarft auf. Und schon war es bereits auf Seite 7 um mich geschehen: Dachs Dan, der gern mit den Zehen wackelt und heiße Schokolade und eingelegte Schnecken mag, hatte da bereits mein Herz erobert.

Die eigentliche Handlung ist vielleicht gar nicht so wichtig, doch in Kürze zusammengefasst erfahren wir, wie der oberfiese Dr. Sylvester Perlenkralle mit Hilfe der Lamakumpels vertrieben wird, wie Dan sich unsterblich verliebt in eine geheimnisvolle rosa Dachsdame und aus seinem Liebestaumel schmerzhaft geweckt wird. Und dann ist da noch der Mond, bei dem auch nicht alles in Ordnung ist.

Noch nie habe ich ein solches Kinderbuch gelesen (und angeschaut) wie dieses hier. Die völlig abgedrehte Handlung, die völlig abgedrehten Freunde und Feinde, mit denen wir es zu tun haben, werden so urkomisch erzählt, dass man sie sich Satz für Satz mit Genuss einverleibt und vor Lachen gar nicht vorankommt. Der Humor ist von der schwarzen, skurrilen Sorte, wie es wohl nur Engländer beherrschen, und er trifft mich mitten hinein in mein innerstes Humorzentrum, wobei ich mich beim Lesen ständig fragte, wie man nur auf solche Ideen kommen kann. Ein Buch, in dem eine Dächsin so „schön wie eine Fernbusfahrerin“ geschildert wird, in dem es schüchterne Milchmondmotten gibt und Ginalollobrigida Lama gerne Schminke benutzt und trotzdem einen Nasenpickel bekommt – solch ein an schrägen Ideen überquellendes Buch wird von Kindern geliebt, dessen bin ich mir sicher. Aber der Text allein ist noch nicht alles: Ich liebe die unglaublichen Zeichnungen von Gemma Correll, die naiv und gleichzeitig urkomisch sind und perfekt zum Buch passen.

Fazit: Ein außergewöhnliches, total schräges und urkomisches Kinderbuch.