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Havers
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Bewertungen

Insgesamt 1378 Bewertungen
Bewertung vom 13.09.2021
Ritchie Girl
Pflüger, Andreas

Ritchie Girl


ausgezeichnet

1946 in Deutschland, der Zweite Weltkrieg ist zu Ende, in den Nürnberger Prozessen wird über Kriegsverbrecher Gericht gehalten. Aber machen wir uns nichts vor, viele von ihnen sind durch die Maschen geschlüpft, fliegen unter dem Radar, sitzen in einflussreichen Positionen, machen schon wieder ihre Geschäfte mit Duldung der Siegermächte.

„Ritchie Girl“ Paula Blohm ist zurück in dem Land, in dem sie aufgewachsen ist. Als Tochter einer deutschen Mutter und eines amerikanischen Vaters hat sie Deutschland in Richtung Amerika verlassen, später ein Studium absolviert, danach Anwerbung durch das US-Militär und Ausbildung für Geheimdienstoperationen in Camp Ritchie, dem „Military Intelligence Training Center“ der Streitkräfte in Maryland. Danach wegen ihrer Sprachkenntnisse nach Europa geschickt, schließlich in einer Einrichtung der Amerikaner in Frankfurt gelandet, wo sie die Identität Johann Kupfers klären soll, der von sich behauptet, der berühmt-berüchtigten Spion „Sieben“ zu sein. Allerdings kommt ihr dabei ein persönliches Interesse in die Quere, da sie glaubt, dass dieser Informationen über den Verbleib Georgs, ihrer ersten Liebe, hat.

Paulas Geschichte ist nur der fiktionale Aufhänger für die Unmenge an historischen Fakten, die Andreas Pflüger in diesen Roman eingearbeitet hat. Es geht nicht nur um diese Zeit unmittelbar nach Kriegsende, um die Doppelmoral, in der die blütenweiße Weste der amerikanischen Befreier hässliche Flecken abbekommt, da auch sie schützend ihre Hand über Nazis halten, die für sie von Nutzen sind. Interessant sind vor allem die Rückblicke, die einen entlarvenden Blick auf die Verflechtungen von Wirtschaft, Kunst und Kultur mit dem Nationalsozialismus offenbaren. Jede Menge bekannte Namen von Politikern, Industriellen, Autoren, Künstlern, die nach Kriegsende schnell wieder in Amt und Würden sind.

Es ist eine beeindruckende Stofffülle, die der Autor hier verarbeitet hat und die deshalb konzentriertes Lesen erfordert. Und ein Roman, dem ich viele Leser wünsche. Lesen. Unbedingt.

Bewertung vom 12.09.2021
Herren der Lage
Freeman, Castle

Herren der Lage


ausgezeichnet

„Herren der Lage“, ist der dritte Band der Reihe, in der Castle Freeman seine Leser wieder nach Cardiff mitnimmt, ein Kaff im hintersten Winkel von Vermont. Und was man nun wirklich nicht von dem Autor behaupten kann, ist, dass er geschwätzig wäre und uns mit ellenlangen, nichtssagenden Beschreibungen langweilen würde. Im Gegenteil. Das eint ihn mit Sheriff Lucian Wing, der sich um dort um Recht und Ordnung kümmert. Unterstützt wird von seinem eher einfach gestrickten Deputy und, eher weniger gewollt, von Wingate, seinem Vorgänger im Amt, den das Rentnerdabei langweilt. Er ist zwar mittlerweile etwas tüttelig, hat es aber immer noch drauf.

Die Bewohner bleiben unter sich, denn es verirrt sich kaum jemand nach Cardiff, und wenn doch, dann stört das die Ruhe beträchtlich. Wie an dem Tag, als dieser arrogante Typ auftaucht und von Lucian verlangt, nach zwei Teenagern zu suchen, die sich in den umliegenden Wäldern verstecken. Er findet die beiden, behält das aber für sich. Die richtige Entscheidung, das wird ihm klar, als bewaffnete Schläger auftauchen und das Versteck der jungen Leute dem Erdboden gleichmachen…

Freeman beschreibt dieses Katz-und-Maus Spiel so lakonisch, dass es eine Freude ist. Jedes Wort sitzt, da gibt es kein überflüssiges Drumherumgerede. Und obwohl er alles auf das Wesentliche reduziert, hat man zu keinem Zeitpunkt das Gefühl, unzureichend informiert zu werden. Ganz im Gegenteil, man freut sich an Lucians unaufgeregtem Umgang mit diesen Unsympathen, die meinen, ihm Befehle erteilen zu können. Amüsiert sich köstlich über die wortkargen Unterhaltungen der Dörfler, bei denen jede ihrer von trockenem Humor geprägten Bemerkungen ins Schwarze trifft.

190 Seiten schnörkellose Prosa, gut strukturiert, mit einer überschaubaren und dennoch nie langweilenden Story sowie liebenswerten Hauptfiguren. Lest es. Genießt es!

Bewertung vom 11.09.2021
Diese Frauen
Pochoda, Ivy

Diese Frauen


ausgezeichnet

Zwei Romane von Ivy Pochoda sind bisher in der Übersetzung erhältlich. „Wonder Valley“ nimmt uns mit in eine Heiler-Kommune in der Mojave-Wüste östlich von Los Angeles, „Visitation Street“ nach Red Hook, Brooklyn/New York, in ein Arbeiterviertel im Umbruch. Nun folgt mit „Diese Frauen“ die Nummer 3, Handlungsort West Adams, ein trostloses Viertel in South Central Los Angeles. Was alle diese Romane eint, sind zum einen die Handlungsorte fernab des üblichen Großstadt-Glamours, zum anderen der Blick der Autorin auf Menschen, die zwar registriert, aber nicht wahrgenommen werden.

Im Zeitraum zwischen 1999 und 2014 treibt ein Mörder in South Central sein Unwesen. Seine Opfer: junge Frauen, die er auf der Straße aufliest. Die Polizei unternimmt nichts, ignoriert die Angehörigen, die nach Antworten suchen. Das ändert sich erst, als die Mutter eines Opfers an die Neue, Detective Perry, gerät…

„Diese Frauen. Diese Frauen, so schön und ungezähmt. Außer Kontrolle. Diese Frauen, die er mit einer Wildheit liebte, die er nicht beherrschen konnte. Mit einer Leidenschaft, die er nicht begriff. Diese Frauen, die ihn quälten und peinigten. Diese Frauen, die reizten, lockten und starben. Diese Frauen, die er liebte und hasste und zerstörte.“ (Zitat, Seite 351)

„Diese Frauen“, bereits in der Formulierung steckt die ganze Verachtung, die Geringschätzung, die man ihnen entgegenbringt. Sind doch selber schuld, wenn ihnen etwas passiert. Hätten sie sich doch nicht so aufreizend gekleidet. Wären sie doch zuhause geblieben, anstatt auf der Straße oder in Clubs anzuschaffen.

Fünf Frauen, von Pochoda in den Fokus gerückt. Fünf Frauen, denen sie eine Stimme gibt. Fünf Frauen, von der Gesellschaft ausgegrenzt. Fünf Frauen, die kein Mitleid zu erwarten haben, als wertlos angesehen werden. Fünf Leben, an denen wir teilhaben dürfen. Wütend, kraftvoll, lebendig, einfühlsam und provokativ. Zurecht für den Edgar nominiert.

Bewertung vom 09.09.2021
Gegen alle Regeln / Strafverteidiger Pirlo Bd.1
Bott, Ingo

Gegen alle Regeln / Strafverteidiger Pirlo Bd.1


sehr gut

So schnell kann’s gehen: Dr. Anton Pirlo, eben noch bekannt aus Funk und Fernsehen, Superstar in einer Anwaltskanzlei und dann, nach acht Jahren, in denen er alles gegeben hat, mit fadenscheinigen Begründungen auf die Straße gesetzt.

Leben neu sortieren, Perspektiven ausloten, weitermachen. Sollte man annehmen, aber dazu kommt es nicht, da unerwarteter Besuch in seiner Wohnung aufschlägt. Die Mutter eines ehemaligen It-Girls aus der Düsseldorfer Haute Volée bittet ihn, die Verteidigung ihrer Tochter Marlene zu übernehmen, die des Mordes an ihrem steinreichen Mann verdächtigt wird und in U-Haft sitzt.

Parallel dazu meldet sich die Vergangenheit in Form seiner beiden Brüder, die eine Riesendummheit begangen haben und nun seine Hilfe benötigen. Pirlo wurde nämlich als Ramzes Kathib in eine libanesische Familie hineingeboren, die es im Gegensatz zu ihm mit den Gesetzen nicht so genau nimmt. Sein Weg sollte das nicht sein, deshalb hat er den Namen gewechselt und ist auf die andere Seite gewechselt.

Okay, er übernimmt Marlenes Verteidigung, stellt auf Empfehlung seines alten Mentors dessen engagierte Doktorantin Sophie für die langweiligen Routinearbeiten ein und stürzt sich kopfüber in ein Abenteuer, dessen Ausgang mehr als ungewiss ist.

Ingo Bott ist nicht nur der Autor dieses Justiz-Krimis, sondern auch ein renommierter Strafverteidiger in den Bereichen Wirtschaftsstrafrecht und Compliance, weiß also, wovon er schreibt. Und das macht er gut. Interessantes Personal, verschiedene Perspektiven, die richtige Dosis Privates, Hintergrundinformationen zu Aufbau und Durchführung des Verfahrens. Allerdings gibt es auch einen Wermutstropfen. Die Argumentationen sind zwar schlüssig, aber die Auswahl an möglichen Tätern und Motiven sind sehr übersichtlich. Von daher bleibt die Spannungskurve auf einem gleichbleibenden Level, steigt im Verlauf der Handlung nicht an. Und spätestens nach der Erwähnung von Genua ist zu vermuten, in welche Richtung der Hase läuft.

Nichtsdestotrotz hat mich der erste Fall des Strafverteidigers Pirlo und seiner Assistentin Sophie so gut unterhalten, dass ich die Reihe mit Sicherheit weiterverfolgen werde.

Bewertung vom 06.09.2021
Freiheit im Angebot / Wunderfrauen-Trilogie Bd.3
Schuster, Stephanie

Freiheit im Angebot / Wunderfrauen-Trilogie Bd.3


weniger gut

Auf den Abschluss der Wunderfrauen-Trilogie habe ich mich sehr gefreut, aber leider hat die Vorfreude schon nach wenigen Seiten einen Dämpfer erhalten. „Freiheit im Angebot“ ist meiner Meinung nach der schwächste Band der Reihe und nutzt die Möglichkeiten, die gerade diese spannende Zeit der Veränderungen bietet, noch nicht einmal in Ansätzen. Anfang der siebziger Jahre könnten die Freundinnen die Ernte einfahren, für die in der zurückliegenden Zeit der Boden bereitet wurde. Könnten, tun sie aber nicht.

Während ihre Ehe in Scherben liegt, wurstelt Luise noch immer mit ihrem Lebensmittelgeschäft herum, versucht es gegenüber den großen Supermärkten konkurrenzfähig zu halten und eine Nische zu finden, in der es überleben kann. Marie flüchtet sich nach dem Verlust ihres Mannes in die Arbeit mit ihren Pferden, Helga startet beruflich durch und verlässt die Seeklinik und Annabel erforscht die Familiengeschichte ihres Mannes.

So weit, so gut. Oder auch nicht, denn viele dieser Themen wurden bereits in den beiden Vorgängern ausführlich behandelt. So langweilen gerade in den Anfangssequenzen diese endlosen Rückblicke, die lediglich Bekanntes aufwärmen und wiederholen. Zeitgeschichtliche Bezüge sind selten, und die Nennung diverser gebräuchlicher Markenartikel schafft es auch nicht, die Atmosphäre dieser Jahre wieder aufleben zu lassen. Die Schilderungen bleiben allesamt an der Oberfläche, kreisen um Banalitäten, das Lob der Freundschaft hingegen wird in den höchsten Tönen gesungen. Aber was die persönlichen Weiterentwicklung der Protagonistinnen angeht, ihre Emanzipation, was ja gerade in diesen Jahren ein großes Thema ist…leider auch Fehlanzeige. So bleibt letztendlich ein schales Gefühl zurück, das dem guten Eindruck, den die beiden Vorgängerbände hinterlassen haben, nicht gerecht wird. Schade.

Bewertung vom 05.09.2021
Im letzten Licht des Herbstes
Lawson, Mary

Im letzten Licht des Herbstes


ausgezeichnet

Claras Welt ist aus den Fugen geraten, seitdem ihre große Schwester nach einem Streit mit der Mutter weggelaufen ist. Seither steht sie in jeder freien Minute am Fenster und hält Ausschau nach ihr, wünscht sich nichts sehnlicher, als das sie zurückkommt. Als sie einen fremden Mann beobachtet, der, wie es scheint, sich im Haus der Nachbarin Mrs Orchard häuslich niederlässt, wird sie misstrauisch. Was hat er dort zu suchen?

Clara, der Fremde (Liam, wie sich später herausstellen wird) und Mrs Orchard, um diese drei Charaktere kreist die Handlung in Mary Lawsons „Im letzten Licht des Herbstes“ (auf der Longlist des Booker Prize 2021). Jede/r für sich hatte und hat mit widrigen Lebensumständen zu kämpfen, in der Vergangenheit und in der Gegenwart, und die Autorin lässt uns, erzählt aus deren jeweiliger Perspektive, daran teilhaben. Und die Leben dieser drei Personen sind ebenfalls miteinander verbunden.

Clara, die Siebenjährige, die sich während des Krankenhausaufenthalts von Mrs Orchard gewissenhaft um deren Katze kümmert und auch sonst alles im Griff hat. Die versucht, alles um sich herum zu kontrollieren (Stop: Eine Siebenjährige?), damit der Verlust der Schwester und die Traurigkeit sie nicht überwältigen. Mrs Orchard, die im Krankenhausbett ihr Leben Revue passieren lässt, sich schmerzhaften Erinnerungen stellt, in denen Liam eine Rolle spielt. Und schließlich Liam, die eigentliche Hauptfigur, für den der Umzug nach Solace mit unangenehmen Erinnerungen verknüpft ist, weshalb er das Städtchen auch sobald als möglich wieder verlassen möchte.

Mary Lawson erzählt die Geschichten ihrer Figuren mit unglaublich viel Empathie und Herzenswärme, auch wenn gewisse Ähnlichkeiten mit Elizabeth Strouts Olive Kitteridge Romanen nicht zu leugnen sind. Solace bedeutet Trost. Trost und Hoffnung, das ist es, was diese Menschen in ihrem Leben dringend benötigen, damit sie die Herausforderungen meistern können.

Bewertung vom 04.09.2021
Tiefer Fjord
Lillegraven, Ruth

Tiefer Fjord


gut

Die Autorin Ruth Lillegraven behandelt in ihrem Psychothriller das Thema Kindesmisshandlung mit seinen vielen Facetten und beleuchtet es aus unterschiedlichen Perspektiven.

Clara, Juristin und Politikerin, aber auch Ehefrau und Mutter, kämpft verbissen darum, auf politischem Weg eine Gesetzesnovelle gegen Kindesmissbrauch auf den Weg zu bringen. Mit ihrem Vorhaben läuft sie gegen Wände, wird von ihren männlichen Kollegen immer wieder ausgebremst. Aber sie lässt sich von den Rückschlägen nicht entmutigen, gibt nicht auf. Ihre Mission vereinnahmt sie so sehr, dass sie ihr Familienleben vernachlässigt, nicht merkt, dass ihr die Beziehung zu Mann und Kindern entgleiten.

Haavard, Claras Mann, der liebende, engagierte Vater der beiden Kinder, hat eine Affäre mit seiner Kollegin Sabiya und arbeitet als Arzt in der Notaufnahme eines Osloer Krankenhauses. Er muss immer wieder misshandelte Kinder versorgen, die mit hässlichen Verletzungen von den Eltern eingeliefert werden. Seit geraumer Zeit führt er eine Liste mit den verdächtigen Fällen, scheut sich aber davor, die Namen an die Polizei weiterzuleiten. Doch dann geschieht im Gebetsraum der Klinik ein Mord und die Ereignisse überschlagen sich.

Gewalt gegen Kinder kann sich in vielerlei Formen äußern, das reicht von Vernachlässigung über psychischen Missbrauch bis hin zu körperlicher Misshandlung. Ein wichtiges Thema, dem zu wenig Aufmerksamkeit gewidmet wird und das stärker in den Fokus nicht nur der medialen Aufmerksamkeit sondern auch der gesetzgebenden Institutionen rücken sollte. Von daher ist die Themenwahl der Autorin zu begrüßen. Womit ich allerdings ein Problem hatte, ist die Verknüpfung mit der Migrantenthematik. Auf der Liste der verdächtigen Fälle tauchen ausschließlich die Namen von Einwanderern auf. Das vermittelt den Eindruck, als sei Kindesmisshandlung und/oder häusliche Gewalt ein Problem, das verstärkt in diesen Bevölkerungskreisen auftritt. Und letztlich zementiert diese Sichtweise die bereits vorhandenen Vorurteile der „einfachen“ Gemüter. Dafür gibt es Punktabzug.

Bewertung vom 03.09.2021
Tote schweigen nie / Raven & Flyte ermitteln Bd.1
Turner, A. K.

Tote schweigen nie / Raven & Flyte ermitteln Bd.1


ausgezeichnet

Es scheint mir ziemlich offensichtlich, wen A.K. Turner vor Augen hatte, als sie die Protagonistin Cassie Raven kreiert hat, denn die Ähnlichkeiten mit der Serienfigur Abby aus der erfolgreichen Navy CIS Fernsehserie drängen sich förmlich auf. Das beginnt bereits bei den Äußerlichkeiten: Piercings, Tattoos, schwarz gefärbte Haare, Goth-Look und geht weiter mit der Sensibilität, mit der sie die Toten behandelt, wobei Gespräche mit den Toten in der Pathologie kein Alleinstellungsmerkmal sind, sowohl in Verfilmungen als auch in Thrillern/Krimis findet man dieses Verhalten auffällig oft.

Cassies neuer Chef, Dr. Archie Chuff, verkörpert die andere Seite der Medaille. Eingebildet, empathielos, offenbar aus begütertem Haus, ein Paragrafenreiter vor dem Herren, der seine Arbeit nach dem Motto „weil nicht sein kann, was nicht sein darf“ verrichtet. Hier sind Konflikte bereits vorprogrammiert.
Die Dritte im Bunde betritt die Bühne, als eine Leiche unerklärlicherweise aus der Pathologie verschwindet, DS Phyllida Flyte, Typ graue Maus, misstrauisch, etwas unsicher im Umgang mit Menschen, aber gut im Job. Mit ihr wird zukünftig mit Sicherheit noch zu rechnen sein, zumal sie und Cassie mit großem Engagement bei der Sache sind, weil sie der Wunsch nach Gerechtigkeit für die Opfer eint. Und auf der Suche nach der Wahrheit gehen beide bis an ihre Grenzen.

Alles in allem ein unterhaltsamer Thriller aus dem Forensik-Bereich, der weniger mit Hochspannung als mit sympathischem, originellem Personal glänzt. Was die Zielgruppe angeht, bin ich mir nicht sicher. Wenn man sich die eher simple Sprache (wobei das auch an der Übersetzung liegen könnte) und die überschaubare Handlung ansieht, neige ich dazu, das Buch eher der jungen weiblichen Leserschaft zu empfehlen. Für die üblichen Thriller-Leser ist es meiner Meinung nach weniger geeignet.

Bewertung vom 02.09.2021
Die Tote mit der roten Strähne
Kent, Kathleen

Die Tote mit der roten Strähne


ausgezeichnet

Wenn eine Autorin das Genre wechselt, von historischen Frauenromanen auf die dunkle Thrillerseite wechselt, kann das gut funktionieren? Es ist gut gegangen, wie man am Beispiel Kathleen Kents sieht, die gleich bei ihrem ersten Versuch „Die Tote mit der roten Strähne“ für den renommierten Edgar Award sowie den Nero Award nominiert wurde. Man merkt die routinierte Autorin, die weiß, wie man eine spannende Geschichte erzählt und interessante Charaktere kreieren kann.

Im Zentrum der Handlung steht Detective Betty „Riz“ Rhyzyk, keine Irin sondern mit polnischen Wurzeln, aufgewachsen in Brooklyn in einer Familie, in der das Cop-Sein Tradition hat. Großgewachsen, rothaarig, zäh und taffer als so mancher ihrer männlichen Kollegen. Und dennoch muss sie sich permanent mit sexistischen Diskriminierungen und homophobe Beleidigungen nach dem Umzug mit ihrer Lebensgefährtin ins texanische Dallas auseinandersetzen. Aber glücklicherweise erfährt sie von ihrem Partner Seth Unterstützung in allen Belangen, der sich wohltuend von den Macho-Typen abhebt, die ihr ständig ans Bein pinkeln. Pech für Riz, dass der erste Einsatz, den sie leitet, komplett in die Hose geht und mit drei Toten endet. Und dass es keine gute Idee ist, die Skrupellosigkeit und Brutalität der Drogenkartelle zu unterschätzen, wird ihr spätestens dann klar, als ein abgetrennter Kopf vor ihrer Haustür liegt.

Interessanter Auftakt einer neuen Reihe mit einer sympathischen Protagonistin, gut geplottet und spannend erzählt. Das lässt für die nachfolgenden Bände hoffen. Ich freue mich darauf.

Bewertung vom 02.09.2021
Toskana in meiner Küche
Vicenzino, Cettina

Toskana in meiner Küche


ausgezeichnet

Die Toskana, eine Sehnsuchtsregion. Nicht überraschend, bietet sie doch so vieles, was wir mit Urlaub verbinden: eine vielfältige Naturlandschaft mit Hügeln und Meer, Zypressen, versteckten Landgütern, jeder Menge Kultur und gutem Essen.

Die mehrfach ausgezeichnete sizilianische Kochbuchautorin Cettina Vicenzino ist diesem Phänomen in „Toskana in meiner Küche“ auf der Spur und stellt sich die Frage nach der toskanischen Authentizität, nach dem Lebensgefühl, das mit diesem Landstrich verbunden wird. Und natürlich schaut sie auch den Menschen, die dort leben, auf die Teller.

Diese Innenansichten sind faszinierend, werden durch die Geschichten zu den unterschiedlichen Regionen und Produkten, die eingestreuten Porträts und die stimmungsvollen Fotografien wesentlich lebendiger, als man es von einem üblichen Kochbuch gewohnt ist. Es ist ein Lesebuch, aber dennoch sind es die Gerichte, die im Mittelpunkt stehen.

Die toskanische Küche ist keine Haute Cuisine, sie ist eher bäuerlich geprägt und beständig. Arbeitet mit den Zutaten, die in der jeweiligen Saison verfügbar sind. Verzichtet auf komplizierten Schnickschnack und ist geradeheraus ehrlich. Das spiegelt sich auch in den vorgestellten Rezepten wieder, die die Autorin in Anlehnung an die kulinarischen Erfahrungen ihre Recherche-Reise entwickelt hat. Aber natürlich findet man auch traditionelle Rezepte für Ribollita, Cantucci oder Bistecca alla Fiorentina etc. Eine schöne Mischung aus alt und neu.

Die Gliederung des Buches orientiert sich sowohl an den Zutaten als an der klassischen italienischen Speisefolge: Aprire (Vorspeisen), Pane & Pomodori (Brot & Tomaten), Legumi & Verdure (Hülsenfrüchte & Gemüse), Carne (Fleisch), Aqua (Fisch) und Ciudere (Kuchen und Gebäck). Die Zutaten sind genau aufgelistet, die Zubereitung detailliert beschrieben, sodass auch wenig versierte Hobbyköche keine Probleme haben sollten, und das zu erwartende Endergebnis wird auf schönen Fotografien entsprechend veranschaulicht. Die Seele der Toskana, eingefangen in ihren Rezepten. Andiamo!