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Lesendes Federvieh
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München
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Hinter dem Namen Lesendes Federvieh verbirgt sich das Blogger-Duo kathiduck und Zwerghuhn. Wir lesen querbeet alles, was uns zwischen die Finger kommt und veröffentlichen die Rezensionen dazu auf unserem Blog (lesendes-federvieh.de). Dort gibt es übrigens noch viele weitere Beiträge rund ums Thema Buch. :)

Bewertungen

Insgesamt 539 Bewertungen
Bewertung vom 13.05.2020
Vier durch vier / Berger & Blom Bd.4
Dahl, Arne

Vier durch vier / Berger & Blom Bd.4


sehr gut

Die Russische Mafia ist eine Organisation mit der sich niemand gerne anlegt, schon gar keine Ermittler. Doch der ehemalige Kommissar Sam Berger schreckt selbst davor nicht zurück, um das Leben der einstigen Zwangsprostituierten Nadja zu retten. 72 Stunden hat er Zeit das Geheimnis der "Freiheit" zu entschlüsseln und Nadja zu finden, bevor ihr der Kopf abgeschlagen werden soll. Dabei bekommt er Unterstützung von seiner zwischenzeitlich untergetauchten Kollegin Molly Blom, die ihre gemeinsame Tochter zur Welt gebracht hat und für einen letzten gemeinsamen Fall zurückgekehrt ist. Allerdings ahnen weder Sam noch Molly wie tief sie bereits im Netz der Russenmafia verstrickt sind.

Wenn man sich bei Arne Dahl auf eines verlassen kann, dann ist es sein Talent mit wenigen, prägnanten Worten eine Sogwirkung zu erzeugen, der man sich nur schwerlich entziehen kann. War ich zu Beginn ein wenig irritiert, da ich das Ende des Vorgängerbandes "Fünf plus drei" nicht mehr frisch in Erinnerung hatte, so dauerte es nicht lange und ich war Teil des düsteren, melancholischen Gedankensumpfes von Sam Berger, der sich auf die blutgetränkte Spur der Russenmafia begibt.

Einst war Sam Berger angesehener Kommissar, nun ist er rechtsfreier Sicherheitsberater mit jeder Menge psychischer Probleme. Gerade letztere führen ihn jedoch zum Fall der entführten ehemaligen Zwangsprostituierten Nadja, deren letzte Chance er ist. Berger hat 72 Stunden Zeit, um sie vor dem sicheren Tod durch Enthauptung zu bewahren. Als wäre die Erzählung nicht ohnehin mit einer infernalischen Portion an Nervenkitzel und spannenden Wendungen verbunden, weist das eingangs jeden Kapitels fett abgedruckte „T minus X“ auf die verbleibende Zeit hin. Dieser rasch verstreichende Countdown setzt sich wie eine aufdringlich tickende Uhr im Hinterkopf fest und sorgt während des Lesens für einen kontinuierlich ansteigenden Puls. Begleitende Symptome können vorübergehende Kurzatmigkeit und geweitete Pupillen sein.
Übertrafen sich die letzten Bände bereits an abgründigen Einblicken in die menschliche Psyche, so scheint dieses Mal jede Menschlichkeit zu fehlen. „Russenmafia“ sollte eigentlich Warnung genug sein. Dennoch war ich nicht auf die abscheulichen Szenen vorbereitet, die in ihrer Grausamkeit und der Fülle an abgetrennten Körperteilen vielmehr einem Splatter als einem Kriminalroman gleichen.

Alle Fans der skandinavischen Kriminalromane werden mit Berger & Bloms viertem Fall "Vier durch vier" gänzlich auf ihre Kosten kommen, sofern man expliziten Schilderungen von Folterszenen inklusive abgetrennter Gliedmaßen nicht abgeneigt ist.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 13.05.2020
Das Erbe der Altendiecks
Lambertus, Hendrik

Das Erbe der Altendiecks


sehr gut

Bremen im 18. Jahrhundert. Die Altendiecks sind eine Uhrmacherfamilie, die ihr Handwerk mit Leib und Seele ausüben. So schaffen sie es auch nach vielen Mühen zu einer angesehenen Handwerksfamilien zu werden. Intrigen, Schicksalsschläge und politische Turbulenzen bestimmen ihr Leben. Johann, Gesche, Nicolaus drei Generationen von Altendiecks, die Höhen und Tiefen erleben...

Hendrik Lambertus ist mit "Das Erbe der Altendiecks" ein wunderbarer historischer Roman gelungen, der nicht nur die Familiengeschichte der Altendiecks über fast hundert Jahre hinweg erzählt, sondern gleichzeitig auch ein tolles Porträt einer ganzen Epoche liefert. Dabei legt der Autor großen Wert auf fundierte Recherche und Liebe zum Detail, er beschreibt nicht nur das Uhrmacherhandwerk genau und sehr interessant, sondern nimmt den Leser auch mit nach Bremen, das er durch bildhafte Beschreibungen zum Leben erweckt. So ist man mitten dabei bei Johann, Gesche und all den anderen präzise und authentisch skizzierten Charakteren. Man leidet und freut sich mit ihnen und folgt ihnen neugierig von Seite zu Seite.

Flott und mitreißend geschrieben, mit immer neuen Wendungen ist die Geschichte spannend bis zum Schluss. Durch die Einteilung in vier Zeitabschnitte, reist der Leser mit den Protagonisten durch dieses ereignisreiche Jahrhundert und frischt auf äußerst angenehme Weise das verstaubte Geschichtswissen wieder auf.

Mit diesem 640 Seiten dicken Schmöker kann man herrliche Lesestunden in längst vergangenen Zeiten verbringen, die für mich leider viel zu schnell vergangen sind.

Fazit: Geschichte kann so spannend wie ein Krimi sein

Bewertung vom 11.05.2020
Zweimal im Leben
Empson, Clare

Zweimal im Leben


sehr gut

Lucien und Catherine begegnen sich zum ersten Mal im Studium. Es ist Liebe auf den ersten Blick, die beiden werden unzertrennlich. Doch dann geschieht etwas, das Catherine veranlasst, sich von heute auf morgen von Lucien zu trennen, obwohl sie ihn noch liebt. 15 Jahre später trifft sie ihn wieder und alles ist wie damals, die Gefühle, die Vertrautheit. Doch kann man die Vergangenheit besiegen und noch einmal neu beginnen?

Clare Empson hat mit diesem Debütroman einen herzzerreißenden Liebesroman vorgelegt, der mich von der ersten Seite an in seinen Bann gezogen hat. Sie erzählt die Geschichte von Catherine und Lucien abwechselnd in drei verschiedenen Zeitebenen, einmal vor 15 Jahren, vier Monaten und im Jetzt. Am Ende werden diese Handlungsstränge gekonnt miteinander verknüpft. Dadurch war das Buch mitreißend und spannend bis zum Schluss.

Die Charaktere sind mit Geschick und viel Herzblut ausgearbeitet; ich mag sie allesamt; auch die weniger sympathischen. Ich finde auch den Unterschied zwischen Upper-Class und der ganz normalen Bevölkerungsschicht gut dargestellt, denn nur weil man vermögend ist, muss man nicht unbedingt ein besseres Leben führen. Alle haben ihr Päckchen zu tragen. Abgerundet wird diese lesenswerte Geschichte durch den lockeren, fluffigen Schreibstil und der Erzählweise in der Ich-Form von Catherine bzw. Lucien, denn dadurch erlebt man deren Gefühle und Zweifel quasi hautnah mit.

Es ist für mich ein modernes Liebesmärchen mit schönen, melancholischen und hoffnungsvollen Augenblicken, also allem, was man zum Träumen und Abtauchen in eine andere Welt so braucht. Ich habe diesen Roman sehr gerne gelesen, er ist genau das Richtige zum Abschalten für zwischendurch. Ich freue mich schon auf das nächste Buch von Clare Empson.

Fazit: Herzzerreißender Schmöker

Bewertung vom 11.05.2020
Das Mädchen
O'Brien, Edna

Das Mädchen


ausgezeichnet

Maryam besucht wie jeden Tag zusammen mit vielen anderen Mädchen die Schule. Doch dieser Tag sollte ihrer aller Leben drastisch verändern. Plötzlich dringen Kämpfer der berüchtigten Gruppe Boko Haram ins Klassenzimmer und entführen die Schülerinnen in ihr Lager tief im Dschungel. Ein Martyrium beginnt.

Edna O‘Brien ist mit „Das Mädchen“ ein aufwühlendes, schockierendes, aber auch hoffnungsvolles Buch gelungen. Die Geschichte der nigerianischen Mädchen, die während des Schulunterrichts von Boko Haram entführt wurden, ging um die Welt. Doch nach und nach geriet ihre Geschichte ins Vergessen.

Genau hier setzt die Autorin an. Mit diesem grandios ehrlichen und schonungslosen Roman sorgt sie dafür, dass ein Vergessen nicht möglich sein wird. Für ihre Recherche bereiste sie Nigeria und informierte sich vor Ort über das Schicksal der entführten Mädchen. Und diese Authentizität spürt man in jedem Satz dieses absolut lesenswerten Buches. Sie beschreibt die unvorstellbaren Gräueltaten, denen die Mädchen ausgesetzt waren und gibt ihnen durch Maryam ein Gesicht. Sie erzählt aber auch über die gefährliche Flucht von Maryam, die sie zusammen mit ihrer Freundin Buki versucht und dem schwierigen Ankommen Zuhause und in ihrer Familie.

Doch trotz aller Düsternis gibt es auch Lichtblicke - und auch für die Moral einer ganzen Gesellschaft in der Frauen keine Rechte haben und Gleichberechtigung ein Fremdwort ist, denn es gibt sie noch, die Menschen, die hinsehen und anpacken. Hier sind es ein Nomadenstamm und Nonnen, die eine Hand reichen, allesamt Frauen.

Edna O‘Brien hat für mich nicht nur ein weiteres Stück Gewalt gegen Frauen aus der Versenkung geholt, sondern dies auch literarisch hervorragend umgesetzt.

Bewertung vom 05.05.2020
Das Mädchen mit dem Poesiealbum
Es, Bart

Das Mädchen mit dem Poesiealbum


ausgezeichnet

Niederlande 1942. Die achtjährige Lien muss ihre Eltern Hals über Kopf verlassen, um bei einer anderen Familie Unterschlupf zu finden. Mehr als siebzig Jahre sind vergangen, als ein junger Professor für englische Literatur in Oxford auf Lien aufmerksam wird, denn er ist der Enkel des Paares, das sich um das jüdische Mädchen kümmerte. Bis zu diesem Zeitpunkt wusste er davon nichts. Also begibt er sich auf Spurensuche zu Lien in die Niederlande...

Bart van Es ist mit seiner Erzählung "Das Mädchen mit dem Poesiealbum" ein wundervolles und wichtiges Buch gegen das Vergessen gelungen. Er erzählt dabei nicht nur die herzergreifende Geschichte von Lien de Jong, er berichtet auch über die politischen und gesellschaftlichen Ereignisse in den Niederlanden in den 1940er Jahren und heute. Man spürt aus jeder Zeile sein Engagement und Herzblut, das er in die Recherche der historischen und aktuellen Fakten gelegt hat. Das finde ich einfach großartig.

Ebenso mit welcher Sensibilität er mit Lien über ihre schwierige Lebensgeschichte gesprochen hat und diese zu Papier brachte. Er legt dabei den Schwerpunkt nicht nur auf die schrecklichen Erlebnisse in ihrer Kindheit und Jugend, er arbeitet auch heraus was sie als erwachsene Frau fühlt, als die sogenannte Normalität wieder ihr Leben bestimmt. Solch einschneidende Erlebnisse kann man aber nicht so leicht unter den Teppich kehren und einfach weitermachen. Ich war tief berührt, wie sie im Grunde mit der Verarbeitung ihres Traumas komplett alleine gelassen wurde. Wie wohl viele ihrer Generation, die ähnliches erleben mussten. Er spannt den Bogen von ihrer Kindheit bis heute, ich habe mit ihr mitgelitten, mich mit ihr gefreut, kurzum sie ist mir richtig ans Herz gewachsen und ich freue mich, dass es ihr im hohen Alter noch so gut geht.

Bart van Es ist mit der Kombination aus Liens persönlichem Schicksal und politischem Gefüge ein absolut stimmiges und eindringliches Porträt einer Zeit gelungen, die es nie wieder geben darf. Man muss sich nur das Foto auf Seite 11 ansehen: eine Gruppe von 23 jungen, fröhlichen Menschen am Strand. Nur eine davon überlebte.

Fazit: Ein wichtiges Buch, das jeder lesen sollte

Bewertung vom 01.05.2020
Die Frau ohne Namen
Hendricks, Greer;Pekkanen, Sarah

Die Frau ohne Namen


sehr gut

"Frauen zwischen 18 und 32 für Ethik- und Moralstudie gesucht. Grosszügige Vergütung. Anonymität garantiert."
Jess ist sofort Feuer und Flamme, denn ein paar Fragen zu beantworten kann ja nicht so schwer sein und ein schneller Weg zu gutem Geld. Kurz entschlossen meldet sie sich bei der Studie an. Sie erweist sich als hervorragende Testperson und so muss sie immer persönlicher werdende Fragen beantworten. Bald steckt sie in einem Strudel aus Manipulation, Eifersucht und Täuschung. Jess merkt plötzlich, dass diese Studie wohl doch nicht so harmlos ist...

Im Roman „Die Frau ohne Namen“ steht die menschliche Psyche im Mittelpunkt. Zuerst dreht sich alles um die Studie, Jess muss Fragen beantworten, bei denen man als Leser automatisch auch ins Grübeln kommt, denn es wird immer nach der absoluten Wahrheit gefragt. Das hat mir sehr gut gefallen. In der zweiten Phase geht Dr. Shields über zu Experimenten, die Jess ausführen muss. Immer mehr kommt es dabei zu einem Katz- und Maus Spiel zwischen den beiden, das raffiniert aufgebaut ist und immer mehr an Fahrt aufnimmt. Durch den klaren, lockeren Schreibstil und der abwechselnden Schilderung der Geschichte aus den Perspektiven von Jess und der kühlen, distanzierten Dr. Shields wird geschickt die Spannung aufrecht erhalten.

Die beiden Protagonistinnen sind erstklassig charakterisiert. Die eine locker und nicht übermäßig zielstrebig und auf der anderen Seite eine ehrgeizige Karrierefrau, die es gewöhnt ist, ihren Kopf durchzusetzen. Diese beiden Charaktere ergänzen sich prima für diese fesselnden psychologischen Spielchen. Die Handlung ist logisch und gut aufgebaut, spannend und durchaus mitreißend, aber mitunter zog sich das Ganze doch etwas in die Länge. An manchen Stellen hätte ich Jess am liebsten angeschoben, etwas zu unternehmen. Aber dennoch habe ich das Buch gerne gelesen, denn das Thema Ethik und Moral ist interessant und packend in Szene gesetzt.

Fazit: Unterhaltsame Ethik- und Moralstudie

Bewertung vom 01.05.2020
Die Spionin
Kealey, Imogen

Die Spionin


sehr gut

Marseille, 1940: Nach außen hin ist Nancy Wake die verwöhnte Ehefrau von Henri, die ihr mondänes Leben in den Metropolen Frankreichs genießt. Doch im Verborgenen riskiert sie ihr Leben für die Résistance, unterstützt Flüchtige und wird als „Weiße Maus“ mit einem millionenschweren Kopfgeld von den Nazis gejagt. Als Henri verhaftet wird, entkommt sie nach England, wo sie sich angetrieben von ihrem Hass auf die Deutschen und ihrer Liebe zu ihrem Ehemann zur Geheimagentin ausbilden lässt. Per Fallschirm gelangt die gefürchtete Kämpferin und meistgesuchteste Person Frankreichs in die Wälder der Auvergne, um im Kampf gegen die Deutschen das Kommando über eine Partisanengruppe zu übernehmen.

Der pathetisch klingende Klappentext von Imogen Kealeys „Die Spionin“ hat mich bereits unglaublich neugierig auf die Erzählung über eine der wohl faszinierendsten, wenn auch kaum bekannten Heldinnen der jüngeren Geschichte gemacht: "Ihr Name ist Nancy Wake - und sie kämpft für die Liebe".

Das stimmt natürlich nicht ganz, denn in erster Linie kämpft sie für die Freiheit der französischen Bevölkerung, die unter dem menschenrechtsverachtenden Regime der Nazis leiden. Dabei wurden Fakten geschickt mit fiktiven Elementen verwoben, sodass sich ein mitreißender Spannungsroman über eine beeindruckende, tatsächlich existierende Frau entspinnt, der richtig Spaß macht und gefühlt viel zu schnell vorbei ist.

Zugunsten der Dramaturgie wurden einige Änderungen der tatsächlichen Ereignisse vorgenommen, die im Nachwort aufgeklärt werden. Prinzipiell verstehe ich diese Herangehensweise natürlich, gerade weil es keine Biografie mit Anspruch auf Vollständigkeit ist. Dennoch hat die Geschichte dadurch für mich persönlich rückblickend einen kleinen Dämpfer verpasst bekommen.

Mein Highlight war die Titelheldin Nancy Wake selbst, die gänzlich unerschrocken, tapfer und ungebrochen willensstark für ihre Ziele kämpft und das mit einem unnachahmlichen Charme, der mich trotz der Grausamkeit mancher Szenen immer wieder zum Schmunzeln oder gar Lachen gebracht hat. Denn sie ist und bleibt eine Frau, die selbst im Angesicht des Todes hohen Wert auf gutes Aussehen und die passenden Make-Up Produkte legt. War ihre Weiblichkeit als Phantom „Weiße Maus“ die perfekte Tarnung, so scheint es im männerdominierten Metier eine Schwäche zu sein. Bevor sie überhaupt gegen die Nazis in den Kampf ziehen kann, muss sie sich in ihrer Ausbildung zur Geheimagentin gegen die unterschwellige Frauenfeindlichkeit durchsetzen und sich später in der Auvergne als Kommandantin über eine Partisanengruppe behaupten. Immer mit dabei: Ihr Lippenstift in der blutroten Farbe Victory.

"Die Spionin" ist ein cineastisch angehauchter, mitreißender Agentenroman vor der Kulisse des Zweiten Weltkrieges, bei dem jeder auf seine Kosten kommt. Actionreiche Kampf- und Anschlagsszenen sind selbstredend Programm, aber zugleich handelt dieser Roman von der Emanzipation einer starken jungen Frau in einer Männerdomäne, einer tragischen Liebesgeschichte und beeindruckt mit gewitzten Charakteren.

Bewertung vom 01.05.2020
Psycho Rätsel
Ward, Jason

Psycho Rätsel


ausgezeichnet

Rätselbücher und Exit-Games sind momentan groß im Kommen und als gute alte Kopfnuss-Fans haben wir "Psycho-Rätsel" aus dem Ullmann Verlag genauer unter die Lupe genommen haben. Der Name ist natürlich kein Zufall, denn die Geschichten und Rätsel sind inspiriert von der Welt Alfred Hitchcocks.

Haptisch wie optisch ist dieses Rätselbuch wahnsinnig toll aufgemacht. Bereits das Inhaltsverzeichnis ist mit tollen Grafiken im Pop Art Stil bebildert und gibt einen Vorgeschmack auf die schaurigen Geschichten, die den Leser auf den folgenden 224 Seiten erwarten. In fünf großen Überkapiteln werden einige der unvergesslichen Filme von Alfred Hitchcock mit mehr als 100 kniffeligen Rätseln und wahren Denksportaufgaben zum Leben erweckt.

Der Aufbau einer jeden Aufgabe ist dabei ganz simpel, im Gegensatz zu den teils recht kniffeligen Lösungswegen: Auf einer Doppelseite finden sich ein bis zwei Szenen aus einem von Hitchcocks Filmen mitsamt den gruselfaktorerhöhenden Illustrationen. Im Anschluss an jeden in sich abgeschlossenen Auszug gilt es eine Frage zu beantworten, die in ihrer Einfachheit oftmals sehr unschuldig wirkt, obwohl sich eine knallharte Kopfnuss dahinter verbergen kann.

Besonders gut hat mir hierbei das Facettenreichtum der Aufgaben gefallen. Während bei einigen Rätseln die Rechenkünste und das logische Denkvermögen unter Beweis gestellt werden und so manch eine Vexieraufgabe die Gehirnzellen regelrecht zum Qualmen bringt, kann es gelegentlich auch einfach sehr hilfreich sein aufmerksam zu lesen.

Um die Aufgaben zu lösen, muss man die Filme von Alfred Hitchcock übrigens nicht gesehen haben. Allerdings macht es deutlich mehr Spaß, wenn man zumindest eine grobe Vorstellung der Handlung hat. Komplettiert wird diese Hommage an Alfred Hitchcock durch die seitenweise eingestreuten Wissensfragen zu seinem Leben und seinem Werk, die das ein oder andere spannende, neue Detail zutage fördern.

Nach all den Lobeshymnen gibt es dann doch einen kleinen Kritikpunkt: Die Lösungen könnten meiner Meinung nach stellenweise ausführlicher sein, besonders was die komplexeren mathematischen Gleichungen angeht.

"Psycho-Rätsel" ist nicht nur in der Quarantäne-Zeit eine abwechslungsreiche Alternative zu Puzzle und Co, sondern eignet sich dank der großartigen Illustrationen perfekt als Geschenk für Rätsel- und/oder Hitchcock-Fans. Rechenfähigkeiten werden darin gleichermaßen auf die Probe gestellt wie logisches und kreatives Denken. Besonders viel Spaß macht dieses Rätselbuch übrigens in Kombination mit einem stilechten Filmeabend.

Bewertung vom 29.04.2020
Die Optimisten
Makkai, Rebecca

Die Optimisten


ausgezeichnet

1985. Der junge Kunstexperte Yale arbeitet in einer Chicagoer Galerie. Beruflich ist er vom Glück begünstigt, denn er ist einer Gemäldesammlung auf der Spur, die nicht nur der Galerie, sondern auch seiner eigenen Karriere förderlich wäre. Doch gleichzeitig breitet sich ein Virus in Chicagos "Boys Town" aus, das viele seiner Freunde vernichten wird.

2015. Fiona reist nach Paris um ihre Tochter zu finden. Da sie dort auf Freunde aus Chicago trifft, wird diese Suche auch zu einer Reise in das Chaos ihrer eigenen Vergangenheit.

Als zu Beginn der 80 iger Jahre die ersten Berichte über eine neue Krankheit - Aids erschienen, waren wir alle geschockt. Eine ganze Generation von zumeist jungen Menschen war plötzlich betroffen.

Rebecca Makkai schafft es in ihrem Roman brillant diese Zeit wieder aufleben zu lassen und zwar mit Protagonisten, die mir innerhalb kürzester Zeit ans Herz gewachsen sind. Von Seite zu Seite wurde die Sogwirkung dieses Buches stärker und stärker. Sie erzählt einfach grandios auf natürliche, schnörkellose Art, ohne zu übertreiben oder herunterzuspielen wie es damals in Chicago war. Sie schildert die Diskriminierungen, denen homosexuelle Menschen ausgesetzt waren, im gesellschaftlichen wie auch im medizinischen Bereich. Ich musste manches Mal eine Lesepause einlegen, weil mir das alles so nahe ging. Man hofft und bangt, dass wenigstens nicht alle diese schreckliche Krankheit hinwegrafft.

"Die Optimisten" ist ein bewegendes, aufwühlendes und wichtiges Buch zum Thema HIV, aber auch zum Thema Freundschaft und Liebe. Es ist etwas ganz Besonderes und ich war sehr traurig, als ich es zu Ende gelesen hatte. Es war als ob ich echte Freunde verloren hätte. Das ist mir bisher noch nie passiert.

Fazit: Bewegendes, aufwühlendes Portrait über Chicagos Kunstszene zu Zeiten der beginnenden Aids Epidemie

Bewertung vom 29.04.2020
Die Jägerin - Auftrag / Lori Anderson Bd.1
Broadribb, Steph

Die Jägerin - Auftrag / Lori Anderson Bd.1


ausgezeichnet

Eigentlich wollte die unerschrockene Kopfgeldjägerin Lori Anderson lediglich einen Gefangenen in einem anderen Bundesstaat abholen, um die horrenden Krankenhausrechnungen zur Behandlung ihrer leukämiekranken Tochter Dakota zu bezahlen. Es sollte ein einfacher, lukrativer Job sein. Und eigentlich sollte Dakota Zuhause in Sicherheit bleiben. Tatsächlich kommt alles anders, der Job läuft aus dem Ruder und Lori sieht sich nicht nur ihrem ehemaligen Mentor JT gegenüber, der ihre düstere Vergangenheit kennt, sondern muss in einem nervenaufreibenden Katz und Maus Spiel um das Leben derer kämpfen, die sie liebt.

So viel zum Thema „nur mal kurz reinschmökern“. Ehe ich mich versah, hatten sich meine Augen wie gebannt auf die Seiten geheftet und rasten über die Buchstaben. Ich war unfähig meinen Blick von den Zeilen zu lösen oder das Buch gar aus der Hand zu legen, weil eine spannende Szene die nächste jagte. Von starken Charakteren und düsteren Vergangenheiten bis hin zu verzwickten Verschwörungen, überraschenden Plottwists und rasanten Actionszenen ist für jeden Geschmack etwas dabei.

Beim Thema „Kopfgeldjägerin“ ploppt sofort das Gesicht von Katherine Heigl mit ihrem verschmitzten Lächeln in ihrer Rolle der Stephanie Plum aus der Verfilmung von Janet Evanovichs „Einmal ist keinmal“ vor meinem inneren Auge auf. Allerdings haben die quirlige Ex-Unterwäscheverkäuferin, die sich mit einer grandiosen Situationskomik als Kopfgeldjägerin versucht, und die toughe Lori Anderson bis auf die Berufsbezeichnung kaum etwas gemeinsam. Während die eine mit Witz und verbaler Schlagfertigkeit punktet, beeindruckt die andere durch körperliche Treffsicherheit, Raffinesse und Durchhaltevermögen.

Vertrauen spielt in diesem Thriller eine große Rolle, denn Lori begegnet ihrem ehemaligen Mentor, der als einziger ihre düstere Vergangenheit kennt, nach zehn Jahren das erste Mal wieder. Er ist derjenige, den sie als Gefangenen in einen anderen Bundesstaat überführen soll. Aber er ist zugleich auch derjenige, auf den sie sich hundertprozentig verlassen muss, als ihre Tochter entführt und sich unterschiedliche Verbrecherbanden an die Fersen heften. Bei jedem anderen Thriller hätte ich die Menge an unterschiedlichen Gegnern und Verstrickungen als unrealistisch abgetan, doch egal wie extrem einige der Ganoven in ihrer Widerwärtigkeit sind, hier ist absolut alles stimmig. Und das von vorne bis hinten.

Wäre dieses Buch der rasante, actionreiche Film, der vor meinem inneren Auge abgelaufen ist, so würde ich mit den Worten schließen: Ganz großes Kino.