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amena25

Bewertungen

Insgesamt 278 Bewertungen
Bewertung vom 01.06.2016
Uebel unterwegs
Uebel, Tina

Uebel unterwegs


gut

Unbequem und außergewöhnlich

Um nach Shanghai zu reisen, gibt es viele – bequeme – Möglichkeiten. Tina Uebel hat die unbequeme, außergewöhnliche gewählt. Sie reist mit öffentlichen Verkehrsmitteln auf dem Landweg, um in Shanghai ein Stipendium anzutreten, und lernt so Land und Leute authentisch und unverfälscht kennen. Dazu gehört eine gehörige Portion Mut, Offenheit, Flexibilität und Schnoddrigkeit, was Tina Uebel offensichtlich besitzt, wie man schon nach den ersten Zeilen erkennen kann.
Ihre Reise führt sie über Bulgarien, die Türkei, den Iran, Turkmenistan, Usbekistan, Kasachstan bis nach China. Dabei liegen ihr weniger die Sehenswürdigkeiten und Kulturdenkmäler am Herzen, als vielmehr die Begegnung mit den Menschen. Denn: „Es gibt nichts Aufregenderes als Menschen.“ Diese Begegnungen sind teils lustig, teils herzlich, manchmal aber auch bedrückend. Auf den ersten Seiten des Buchs lässt Tina Uebel Iraner, Usbeken, Uiguren u.a. im Zug zu Wort kommen, die nicht frei reisen können und ihr Leben nicht so gestalten können, wie sie es gerne möchten. Auf die Frage dieser Leute, ob die Menschen in Deutschland glücklich sind, weiß Uebel keine Antwort. Allerdings erkennt sie – mit Demut und Dankbarkeit - ,welche Freiheit wir mit unserem deutschen Pass genießen. Neben lustigen Berichten und Anekdoten zur Reisevorbereitung, Visabeschaffung usw. gibt es einzelne Exkurse, z.B. über die Alternativtouristen, die sich so sehr vom verachteten Gruppentouristen abgrenzen wollen, dass sie in ihren Funktionsklamotten, mit Trekkingrucksack (hinten) und Day Pack (vorne) schon wieder völlig uniformiert daherkommen. Nachdenklicher ist z.B. ein Exkurs über die Angst, die hauptsächlich von denen geäußert wird, die gar nicht reisen, sondern daheim bleiben.
In kurzen, assoziativen Sätzen, mit vielen Gedankensprüngen, in teils flapsiger Sprache und mit viel Wortwitz beschreibt sie die Menschen, manchmal urkomische, aber auch bedrückende Situationen und sentimentale Momente. Der Stil ist unterhaltsam, auf Dauer aber auch etwas anstrengend. Als „Daheimgebliebene“, die die Reise ja nur bequem auf dem Papier verfolgt, hätte ich mir etwas mehr Fotos und vor Allem eine größere Schrift gewünscht.

Bewertung vom 01.06.2016
Endgültig / Jenny Aaron Bd.1
Pflüger, Andreas

Endgültig / Jenny Aaron Bd.1


ausgezeichnet

Echte Herausforderung!

Allein das Cover, auf dem sich die knallgelbe Brailleschrift von dem schwarz-weiß-grauen Hintergrund abhebt, wirkt ansprechend. Dazu kommt, dass die Brailleschrift tatsächlich auch ertastbar ist und der Papierschnitt in hellem Gelb gehalten ist. Sehr edel!
Zu Beginn beobachtet man Jenny Aaron, wie sie sich mit ihrem Kollegen Niko in Barcelona auf einen Einsatz vorbereitet. Sehr kurze, knappe, stellenweise schon abgehackte Sätze spiegeln ihre Gedankensprünge. Dabei erinnert sie sich auch an frühere Einsätze, die fast immer mit Lebensgefahr verbunden waren. Für mich liest sich diese erste Passage fast wie ein Drehbuch mit knappen Regieanweisungen. Aarons Routine wird dabei aber genauso spürbar wie ihre innere Anspannung. Das macht sie als sympathischer als so mancher coole Ermittler. Niko Kvist ist nicht nur Kollege, sondern auch ihr Lebenspartner, was beide aber geheim halten müssen, da sie sonst nicht zusammenarbeiten dürften. Der Einsatz verändert Aarons Leben für immer. Niko wird schwer verletzt und sie lässt ihn auf sein Drängen hin zurück. Auf der Flucht wird auch sie so schwer verletzt, dass sie erblindet. Danach hat sie mit ihrer Schuld und ihrem schlechten Gewissen zu kämpfen, aber auch mit Erinnerungslücken. Sie trainiert mit aller Kraft und eisernem Willen dafür, auch als Blinde selbständig leben zu können und wieder bei der Polizei arbeiten zu können. Nun arbeitet sie als Vernehmungsspezialistin beim BKA.
Der sehr knappe Stil und häufige harte Schnitte steigern das Tempo und die Spannung stellenweise bis aufs Äußerste. Allerdings erschweren diese abrupten Szenenwechsel stellenweise auch die Orientierung beim Lesen. Aarons Gedanken, ihre Wahrnehmung des Hier und Jetzt werden präzise, aber in knappster Form dargestellt. Dies wirkt umso eindringlicher und intensiver, da ihr nur Gerüche oder Geräusche zur Orientierung dienen. Stellenweise hat man als Leser das Gefühl, selbst blind zu sein und sich nur mit Gehör und Geruchssinn voranzutasten. Dieser extrem verknappte Stil stellt aber auch eine echte Herausforderung dar. Dialoge bestehen häufig nur aus einzelnen Wörtern oder kurzen Sätzen, das Tempo und die Fülle an Informationen sind enorm – so wie die Eindrücke, die auf Aaron einstürmen.
Super spannend – aber keine erholsame Strandlektüre!

Bewertung vom 01.06.2016
Die Frauen von La Principal (Restexemplar)
Llach, Lluis

Die Frauen von La Principal (Restexemplar)


ausgezeichnet

Starke Frauen

Erzählt wird eine Familiengeschichte, in deren Zentrum die Frauen stehen.
Im Jahr 1940 sucht Inspektor Recader das Weingut La Principal auf, um einen alten Fall wieder aufzunehmen. Vier Jahre zuvor war dort eine in Säcke verschnürte Leiche aufgefunden worden, mit Messerstichen im Unterleib. Aufgrund der politischen Wirren des Spanischen Bürgerkriegs verliefen die Untersuchungen aber im Sande. Der Inspektor befragt nun Úrsula, die seit Jahrzehnten als Dienstmädchen auf dem Weingut La Principal angestellt ist und Teil der Familie geworden ist.
Ùrsulas Erinnerungen sind kursiv gesetzt und heben sich auch durch die etwas altmodisch angehauchte und blumige Sprache von der eigentlichen Handlung ab. Ihre erste Erinnerung führt den Leser zunächst weit in die Vergangenheit zurück und so erfährt man, wie Maria Roderich (die Alte) 1893 gezwungen ist, das Weingut La Principal zu übernehmen. Ihr Vater zieht mit den vier Brüdern nach Barcelona, da das Weingut durch den Befall der Reblaus kurz vor dem Ruin steht. Maria erhält die denkbar schlechteste und undankbarste Rolle. Sie soll La Principal aufrechterhalten, um die Wurzeln der Familie Roderich zu bewahren. Während die Brüder also ihren Studien nachgehen und das Stadtleben genießen können, soll Maria allein zurückbleiben. Maria ist zutiefst enttäuscht und fühlt sich wie bei lebendigem Leib begraben.
Bald darauf stirbt der Vater und Maria wird mit noch nicht einmal 20 Jahren Alleinerbin des Weinguts. Dies führt zum Streit mit ihren Brüdern und zum Zerfall der Familie.
Nach ihrem Tod führt ihre Tochter, Maria Magí, die Geschäfte des Weinguts weiter. Sie ist deutlich fröhlicher und lebenslustiger als ihre Mutter, doch auch sie führt La Principal mit entschiedener Hand. Aber auch in anderen Bereichen weiß sie genau, was sie will. Und so macht sie Llorenç, den Sohn der Köchin, der als Kind ihr Spielgefährte war und jetzt Arbeiter auf dem Weingut ist, zu ihrem Geliebten.
Ein weiterer Sprung ins Jahr 2001 zeigt Maria Costa, die Tochter Maria Magís, die nun als unabhängige und erfolgreiche Geschäftsfrau das Weingut führt. Diese Kapitel sind zwar inhaltlich interessant, sind aber sprachlich nicht mehr so ansprechend.

Zu Beginn sind die verschiedenen Zeitebenen etwas verwirrend. Zunehmend gewinnt dieser Wechsel aber an Reiz, da die Schicksale der Personen so geschickt miteinander verwoben werden, mit Vorausdeutungen und Rückblicken meisterhaft gespielt wird.
Ein Generationenroman mit vielen Personen, ausschweifend, aber sehr poetisch und in einer melodischen Sprache erzählt.
Etwas mühsam finde ich die sehr kleine Schriftgröße.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 01.06.2016
In der ersten Reihe sieht man Meer
Kobr, Michael;Klüpfel, Volker

In der ersten Reihe sieht man Meer


ausgezeichnet

Coccobello!!

Wer die 80er als Jugendlicher erlebt hat, fühlt sich bei diesem Buch sofort zurückversetzt. Schon allein die Kapitelüberschriften, bestehend aus den Songs, die damals rauf- und runtergespielt wurden, würden jeder 80er-Party zur Ehre gereichen. Nena-Starschnitt im Kinderzimmer, Neonleggings und Stulpen, Vokuhila-Frisur, Oberlippenbart, fehlt nur noch die obligatorische Dauerwelle. Wer schämt sich nicht angesichts alter Fotos aus dieser Zeit?

Alexander Klein, moderner und erfolgreicher Werbefachmann, steckt in den letzten Urlaubsvorbereitungen. Mit Frau Mona und den zwei Kindern solls am nächsten Morgen an die Adria gehen, zusammen mit Kleins Schwester Nicole und seinen Eltern – aus Gründen der Nostalgie und des Familienzusammenlebens. Allerdings liegen Alexanders Nerven jetzt schon blank. Beim Suchen der Ausweise stößt er auf alte Familienalben, in die er sich sentimental vertieft und darüber einnickt. Er erwacht – aber als 15-jähriger pickliger Teenager in seinem Kinderzimmer. Die Reise an die Adria startet, mit Alex, seiner Schwester, den Eltern und natürlich Oma, nur sind alle 30 Jahre jünger. Vollbepackt mit Proviant gehts an den Teutonengrill. Dort trifft die Familie genau die Nachbarn, die sie schon daheim nicht ausstehen kann. Alex Familie sowie auch alle anderen Deutschen scheinen dem Klischee-Bilderbuch entstiegen zu sein und haben den Italienern gegenüber praktisch jedes gängige Vorurteil. Das alleine wäre noch nicht so wahnsinnig lustig. Der Reiz an der Geschichte ist eher Alexanders „gespaltene“ Identität, ein erwachsener Geist des 21. Jahrhunderts gefangen in einem pubertierenden Körper der 80er-Jahre. Dies wird ihm auch immer wieder mal zum Verhängnis, wenn er von facebook oder Navi spricht und ihn keiner versteht. Auch ist er der einzige, der sich an der Bezeichnung „Strandneger“ stört, was damals offensichtlich noch niemand politisch unkorrekt fand. Das Ende wartet dann noch mit einer kleinen Überraschung auf, die bestätigt, dass sich Alexanders Zeitreise doch gelohnt hat.
Obwohl diesmal kein Krimi, bleiben Klüpfel und Kobr auch hier ihrem Stil treu: witzig, teils derb, eher leichte Kost, diese aber sehr unterhaltsam verpackt. Auch Klufti hat einen kleinen Gastauftritt......... mehr wird aber nicht verraten.

Bewertung vom 01.06.2016
Der letzte Pilger / Kommissar Tommy Bergmann Bd.1
Sveen, Gard

Der letzte Pilger / Kommissar Tommy Bergmann Bd.1


ausgezeichnet

Niemand ist frei von Schuld


2003 wird der norwegische Widerstandskämpfer und ehemalige Minister Carl Oscar Krogh in seiner Villa mit zahllosen Messerstichen ermordet und mit zerhackten Augen aufgefunden.
In einem Rückblick auf den Mai im Jahr 1945 folgt man dem Offizier Kaj Holt zum Militärgefängnis in Lillehammer. Er soll den dort inhaftierten deutschen Hauptsturmführer Peter Waldhorst vernehmen. Dieser macht in dem Verhör allerdings Andeutungen an eine spanische Stadt in Galizien, was Holt offenbar sehr aufwühlt. Kaj Holt musste sich vor der Gestapo verstecken und leidet unter den Kriegseindrücken offensichtlich noch so sehr, dass er Frau und Kind verlässt. Auch er hat im Krieg als Widerstandskämpfer Schuld auf sich geladen.
Zurück im Jahr 2003 wird der Polizist Tommy Bergmann, zu einem Knochenfund im Wald gerufen. Es stellt sich heraus, dass es sich um zwei Frauen und ein kleines Mädchen handelt, die wohl vor über 60 Jahren dort hingerichtet und verscharrt wurden. Bergmann vermutet bald, dass die zwei Fälle miteinander zu tun haben. Tommy Bergmann wirkt kompetent und locker, allerdings hat er selbst mit Gewaltausbrüchen zu kämpfen, weswegen ihn seine Freundin Hege auch verlassen hat. Diese dunkle Seite des eigentlich sehr sympathischen Ermittlers zieht sich auch als roter Faden durch sein Privatleben – insofern, dass er sich zwar nach einer neuen Beziehung sehnt, er sich aber vor seiner eigenen Unberechenbarkeit fürchtet.
Die Perspektive wechselt stets zwischen zwei Zeitebenen, dem Jahr 2003, in dem Tommy Bergmann ermittelt, und den Jahren 1939-45. In diesen Kriegsjahren ist die Widerstandskämpferin Agnes Gerner die zentrale Figur. Sie lässt sich in Nazi-Kreise einschleusen, verlobt sich sogar mit dem Nationalsozialisten Gustav Lande und wird eine Art Mutterfigur für dessen Tochter. Damit bringt sie sich selbst in Lebensgefahr und muss sich fast immer verstellen. Was jedoch Agnes Gerner bewogen hat, sich solch einer extremen Aufgabe auszusetzen, wird nicht ganz klar.
Der stete Wechsel zwischen den Zeitebenen hält die Spannungskurve von Anfang an sehr hoch. Allerdings erfordert die Lektüre auch höchste Konzentration, da sehr viele Personen vorkommen, von denen viele auch noch eine Art Doppelleben führen.
Äußerst vielschichtig und komplex, aber auch äußerst spannend und unbedingt empfehlenswert!!!

Bewertung vom 07.03.2016
Später Frost / Ingrid Nyström & Stina Forss Bd.1
Voosen, Roman;Danielsson, Kerstin Signe

Später Frost / Ingrid Nyström & Stina Forss Bd.1


ausgezeichnet

Spannend und facettenreich

Die Deutsch-Schwedin Stina Forss verlässt Berlin, um inVäxjö, einer schwedischen Kleinstadt, in den Polizeidienst einzutreten. Grund dafür ist ihr Vater, der in der Nähe in einem Pflegeheim untergebracht ist. Doch schon bald vermutet man, dass dies nur die halbe Wahrheit ist, da Stina ihren ersten Besuch beim Vater sehr lange hinauszögert und das Verhältnis zu ihrem Vater offensichtlich belastet ist.
Forss, die in Berlin schon bei der Kripo und der Mordkommission tätig war, muss in Schweden zunächst ein Anerkennungsjahr ableisten und mit kaum zwanzigjährigen Polizeianwärtern zweimal wöchentlich die Schulbank drücken. Doch bevor bei ihr zu große Langeweile aufkommten kann, wird das Team unter der neuen Chefin Ingrid Nyström zu einem für diesen Landstrich ungewöhnlich grausamen Fall gerufen. Balthasar Frost, ein älterer, höflicher und gütiger Herr, der sich mit Schmetterlingen, Pflanzen und Kalligraphie beschäftigte, wird in seinem Gewächshaus tot aufgefunden. Ihm wurde der kleine Finger abgeschnitten und seine Augen mit Säure verätzt. Für Nyström selbst, die gerade erst ihren Posten angetreten hat, da der vorige Chef durch einen schweren Verkehrsunfall wohl frühpensioniert wird, wird der Fall zu einer ersten harten Probe.
In diesem Krimi werden alle Ermittler auch in ihrem privaten Umfeld gezeigt, was in meinen Augen das Buch umso interessanter und auch menschlicher macht.
So hat Ingrid Nyström mit ihrer neuen Rolle als Chefin zu kämpfen, mit ihrer Unsicherheit und ihren Zweifeln, ob sie dieser Rolle auch gerecht werden kann. Auch erhält man immer wieder Einblicke in ihr Familienleben, mit ihrem Mann, der Pastor ist und ihrer Tochter, die ganz eigene Wege geht. Aber auch Anette Hultin, die eher nationalistisch gesinnt ist, und Hugo Delgado, Computerspezialist und Immigrantenkind, geben ein spannungsgeladenes Paar ab. Lars Knutsson dagegen liebt vor allem gutes Essen und Gemütlichkeit, ihm steht Göran Lindholm als Küken gegenüber. Und mittendrin Stina Forss, als eigensinnige Ermittlerin, die sich in dem neuen Team einfinden und unterordnen soll, was ihr deutlich schwer fällt. Facettenreicher Schwedenkrimi, der sehr viel Spannung verspricht.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 07.03.2016
Bretonische Verhältnisse / Kommissar Dupin Bd.1
Bannalec, Jean-Luc

Bretonische Verhältnisse / Kommissar Dupin Bd.1


sehr gut

Viel Atmosphäre – wenig Action

Kommissar Georges Dupin ist vor fast drei Jahren von Paris nach Concarneau strafversetzt worden. Für einen echten Pariser ist das fast die Höchststrafe. Dupin hat sich aber inzwischen an die raue Bretagne gewöhnt und sie sogar lieb gewonnen.
Der 91-jährige Hotelinhaber Pierre-Louis Pennec wird erstochen aufgefunden. In seinem Hotel im pittoresken Pont Aven gingen früher Künstler wie Gauguin aus und ein und so mancher hat wohl seine Zeche mangels Geld mit einem Bild oder einer Skizze bezahlt. Auch in diesem Fall deutet schon bald etwas darauf hin, dass sich unter den billigen Kopien, mit denen die Wände des Restaurants behängt sind, vielleicht doch ein Original befunden hat.
Allerdings liegt der Reiz des Buches weniger in den kriminalistischen Verwicklungen, die zwar zunächst etwas verzwickt aussehen aufgrund der vielen beteiligten Personen, insgesamt aber nicht sehr spannend in Szene gesetzt werden. Was das Buch interessant macht, ist einmal der Kommissar selbst. Mürrisch, ungeduldig, stellenweise schon unverschämt begegnet er nicht nur seinen Mitarbeitern oder Vorgesetzten, sondern auch den Verdächtigen oder Zeugen. Überhaupt kann er viele Menschen nicht ausstehen und gibt sich auch wenig Mühe, das zu verbergen. Das macht ihn trotz aller Unbeherrschtheit schon wieder sympathisch.
Allerdings behandelt er auch seine Mitarbeiter wenig freundlich, plötzliche Einfälle bestimmen sein Vorgehen, in das er sie auch selten einweiht. So ermittelt er hauptsächlich auf eigene Faust, ausgestattet mit einem Notizbuch und seinem Handy, das er rege nutzt. Außer Nolwenn, der Sekretärin, die ihm auch „Nachhilfe“ in allen bretonischen Belangen gibt, bräuchte er eigentlich keinen Mitarbeiter. Dies ist auch eine der Schwächen des Krimis. Dupin ermittelt, recherchiert, telefoniert, gibt Anweisungen. Aber in seine Gedankengänge wird der Leser auch nicht einbezogen.
Die Stärke des Buches liegt eher in der atmosphärischen Schilderung der französischen – oder besser – bretonischen Lebensart und vor Allem den grandiosen Landschaftsschilderungen. Wer das mag, wird Dupin gerne auf seinen verschlungenen Wegen in der Bretagne folgen. Wer harte Krimi-Kost mit Action und Psychothriller bevorzugt, wird sich eher langweilen.

Bewertung vom 07.03.2016
Henry Hunter jagt den Urvampir
Matthews, John

Henry Hunter jagt den Urvampir


sehr gut

Außergewöhnliche Jungs

Eigentlich ist Henry Hunter, genannt HH, ein ziemlicher „Klugscheißer“. Er redet wie ein belehrender Erwachsener, holt auch gerne mal weit aus, um sein Wissen über irgendwelche historischen Personen oder Ereignisse mitzuteilen. Und trotzdem ist er eine Mischung aus bestem Kumpel, Superheld und väterlichem Freund für Rudolphus Pringle, genannt Dolf. Beide gehen an die St. Grimbolds, eine Schule für „Außergewöhnliche Jungen“. Henry Hunters Eltern sind superreich, haben aber ihre soziale Ader entdeckt, reisen in der Welt umher und haben deshalb keine Zeit für ihren Sohn. Dieser ist aber keineswegs traurig über die fehlende elterliche Fürsorge, sondern genießt die Freiheit und die finanziellen Möglichkeiten, die sich ihm bieten. Henry ist hochintelligent und interessiert sich für ,,seltsame Sachen“, die er erforschen oder aufspüren will. Seine Lieblingsbeschäftigung ist die Jagd nach Abenteuern, wie sein Name schon sagt. Finanziell sind ihm keine Grenzen gesetzt, so dass er auch mal einen Fahrer engagieren oder ein Flugzeug chartern kann.
Dolf ist quasi das Gegenstück zu Henry, der „normale“ Junge, der weder reich noch besonders schlau, noch nicht einmal besonders mutig ist. Ihm ist der Besuch der St. Grimbolds Schule auch nur wegen eines Treuhandfonds möglich.
Aber da Henry Hunter einen Begleiter braucht, so wie Sherlock Holmes seinen Watson brauchte, ist Dolf bei allen seinen Abenteuern dabei. Mit ihm kann sich der Leser auch eher identifizieren. Dolf holt Henry auch immer wieder zurück auf den Boden, wenn er zu haarsträubende Pläne macht, oder ist mal genervt, wenn Henry zu weit in seinen belehrenden Vorträgen ausholt. Die Geschichten, die die beiden zusammen erleben, sind ziemlich abenteuerlich, phantastisch und unrealistisch, der Leser erfährt aber nebenbei auch so manch Lehrreiches, ohne störenden erhobenen Zeigefinger.
Eine Geschichte über eine abenteuerliche Freundschaft. Lesenswert für Jungs ab 10 Jahren.

Bewertung vom 07.03.2016
Winterkartoffelknödel / Franz Eberhofer Bd.1
Falk, Rita

Winterkartoffelknödel / Franz Eberhofer Bd.1


gut

Lockere Unterhaltung

Franz Eberhofer, strafversetzt ins Niederbayerische, weil ihn seine Vorgesetzten bei der Münchner Polizei für psychisch instabil halten, wohnt nun in seinem Heimatdorf Niederkaltenkirchen, mit seiner Oma und seinem Papa. Allerdings, um seine Unabhängigkeit wenigstens ein bisschen zu wahren, nicht mit ihnen im Haus, sondern nebenan im noch nicht ganz ausgebauten Saustall. Von der Oma lässt er sich gern bekochen, dafür lässt er auch mal den ein oder anderen beruflichen Termin platzen. Dafür muss er die Oma immer regelmäßig zum Discounter fahren, wenn gerade was im Angebot ist. Das Zusammenleben mit dem Vater kann Franz nur schwer ertragen, da dieser irgendwo in den 68-ern hängen geblieben ist, Beatles-Platten rauf und runter hört und auch gern mal einen Joint reinzieht.
Beruflich ist Franz Eberhofer eher weniger ausgelastet, da in Niederkaltenkirchen praktisch nichts passiert, außer mal ein kleiner Verkehrsunfall oder ein Alkoholtest durchgeführt werden muss. Doch da kommt in der Familie Neuhofer ein Familienmitglied nach dem anderen unter dubiosen Umständen ums Leben. Und ihr Haus samt Grundstück wird für viel Geld von einer noch dubioseren Immobilienfirma verkauft. Franz geht sofort von einem Vierfachmord aus und ermittelt, auf seine ihm ganz eigene Art und Weise: naiv, sturköpfig und am Ende doch ziemlich schlau. Dabei ist er einem Bier in der Kneipe seines Kumpels Wolfi ebenso wenig abgeneigt wie einem Schäferstündchen mit seiner Jugendfreundin Susi oder mit der angeblichen Erbin des Sonnleitnerguts, Mercedes.
Wer Provinzkrimis, die bayerische Lebensart und eher deftigen Humor mag, wird locker und gut unterhalten. Wer literarisch Anspruchsvolles sucht, sollte besser die Finger davon lassen.

Bewertung vom 15.01.2016
Vom Kiez zum Kap
Amtenbrink, Kay;Volkens, Bernd

Vom Kiez zum Kap


sehr gut

Das Cover mit dem gelben Bulli spricht sicher jeden reisefreudigen Menschen und natürlich alle aus der VW-Bus-Fangemeinde an.

Aus einer Bierlaune nach einem Fußballspiel heraus entsteht die Idee, vom Hamburger Kiez zum Kap nach Südafrika zu reisen – aber nicht auf dem üblichen Weg per Flieger, sondern mit einem VW- Bus. Aus der Bierlaune wird Ernst. Zunächst muss ein passendes Fahrzeug und das entsprechende Zubehör für ein solches Unternehmen gefunden werden. Und dabei wird schon auch mal ein Schrotthändler aufgesucht. Die weiteren Vorbereitungen wie Impfungen, Visa usw. werden nur knapp beschrieben. Schon nach den ersten Seiten befindet man sich mit den beiden „auf Tour“ und erfährt, wie ihnen schon Österreich recht fremd erscheint.
Die Route führt sie über Kroatien, Serbien, Bulgarien, Türkei, Syrien, Jordanien, Ägypten, Sudan, Äthiopien, Kenia, Tansania, Malawi, Sambia, Botswana bis nach Südafrika. Nicht alle Länder nehmen gleich viel Raum ein. Mal bleiben sie länger, weil es viel zu entdecken und zu bestaunen gibt, mal aber auch, weil nichts mehr geht. So erfährt man von schönen und beeindruckenden Erlebnissen, aber auch von so manchen Pannen oder unerfreulichen Begegnungen. Beschreibungen von diversen Details bei Pannen und Reparaturen finde ich weniger spannend, spricht aber wahrscheinlich technikinteressierte Leser an.
Sehr schön und beeindruckend sind die Fotos, vor allem diejenigen von den Menschen Afrikas. Hier macht sich auch die Qualität des Papiers bezahlt.
Nicht so ansprechend finde ich die Sprache. Sie wirkt sehr tagebuchartig, mit knappen oder unvollständigen Sätzen. Die Reiseeindrücke wirken oft flapsig und umgangssprachlich. Das ist manchmal auch lustig („Scheiße, ist das teuer“), wirkt teilweise aber auch etwas eilig. Ich hätte mir eine etwas „poetischere“ Sprache gewünscht, ausführlichere Beschreibungen und nicht nur so Sätze wie „alles ist wunderschön“.
Störend sind auch manche Rechtschreibfehler. Hier hätte ein Lektor sich etwas mehr Mühe geben können.
Insgesamt aber auf jeden Fall ein lohnenswertes Buch (auch für Nichtfußballfans), wenn man sich für Reisen, andere Länder, Kulturen und Menschen interessiert.
Aufgrund der kurzen Texte auch für absolute Lesemuffel geeignet.