Bewertungen

Insgesamt 577 Bewertungen
Bewertung vom 29.02.2008
Timbuktu
Auster, Paul

Timbuktu


schlecht

Manchmal ereilt der Kitsch auch einen großen Autor. Sicher ist Paul Auster nicht der erste Autor, der dem Hund verfällt, ihn zum Helden eines Romans erhöht. Manch Meisterwerk wie der Schwejk wäre ohne Hunde kaum vorstellbar, doch ist die traurige Geschichte von Mr. Bones so dünn, das einem nicht mal die Sprache bleibt, um Auster zu rühmen. Was hat er sich dabei gedacht, fragt man sich? Und wird wohl nie eine Antwort bekommen. Außer vielleicht, dass jeder Autor das Recht hat, die Geschichten zu schreiben, die ihm am Herzen liegen. Und dem Leser bleibt die freie Wahl, ob er das lesen will oder nicht. Ein Hundeleben kann schließlich dazu verhelfen, den wahren Freund des Menschen an seiner Seite zu entdecken.
Polar aus Aachen

1 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 24.02.2008
Ein perfekter Freund
Suter, Martin

Ein perfekter Freund


sehr gut

Nicht umsonst wird der frühe Suter mit Simenon verglichen. Auch er ist in der Lage, aus einem scheinbar alltäglichen Umfeld eine spannende Geschichte zu stricken. Eine Amnesie folgt strengen Gesetzen: Der Held wacht auf und kann sich an nichts mehr erinnern. Nicht immer steckt ein Genie dahinter, dessen graue Zellen nicht mehr funktionieren. Oft ein Verbrechen, wobei es sich nicht selten um Unschuldige handelt, die sich in die Lage versetzt sehen, ihre Unschuld beweisen zu müssen. Fabio Rossi ist Journalist, und man unterstellt ihm sogleich, dass er mit einer wichtigen Recherche beauftragt wurde, die ihn in diese missliche Lage gebracht hat. Wie Suter sein Erwachen, seine Nachforschungen beschreibt, die Amnesie als Ausdruck einer tiefen Lebenskrise anlegt, ist bemerkenswert. Subtil speist er das Mißtrauen seinem besten Freund gegenüber ein und konstruiert Fabios bisher gelebtes Leben wie etwas, das von ihm so nicht gelebt sein kann. Womit wir bei der Frage sind: Inwieweit wir unser eigenes Leben gerne noch einmal aufrollen würden. Neben dem Thrill sind es gerade die Fragen, die Sutter am Rand aufwirft, die seinen Roman lesenswert machen.
Polar aus Aachen

5 von 7 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 23.02.2008
Das Zentrum
Saramago, José

Das Zentrum


ausgezeichnet

Der Globalismus ist nicht nur an den Aktienmärkten, bei Werksschließungen oder in den Trauerreden von Politikern zu finden. José Saramagos Geschichte vom alten Cipriano Algor und seiner Töpferei, die so gerade ihren Mann ernährt, ist eine wunderbare Phantasmagorie vom Überlebenskampf der kleinen Leute, der sich am Rand einer Gesellschaft entfacht und in einer Welt nicht beachtet wird, deren Steigerungsraten am Arbeitsmarkt sich in Zuwachsraten in den Callcentern äußert. Das Handwerk wie in Ciprianos Fall wächst schon seit langem nicht mehr auf goldenem Boden, obwohl es immer noch schwerfällt, einen Elekriker oder Installateur aufzutreiben. Es wird in Billigländer ausgelagert und mechanisiert. Saramago spiegelt die Veränderung in unser aller Leben, unseren tiefsitzen Glauben an den Supermarkt und die Rabattreligion in einer Familiegschichte, bei der ein alter Mann mit Bauernschläue zu bestehen versucht, während die nächste Generation längst den modernen Weg einzuschlagen begonnen hat. Eine betörend kurzweilige Geschichte darüber, dass man sich nie geschlagen geben soll, solange man davon überzeugt ist, für sich auf der richtigen Seite des Lebens zu stehen.
Polar aus Aachen

3 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 23.02.2008
Die Verschwörung
Baldacci, David

Die Verschwörung


sehr gut

Sieht man davon ab, dass Lee Adams schon ein einmalig guter Schütze sein muß, wenn er Faith Lockhart kennen lernt und ihr gleich das Leben rettet, ebenso von der kruden Einrichtung ab, dass David Buchanan sich vom bösen Lobbyisten, der Geld scheffelt, zum Gutmensch wandelt, der sich für die dritte Welt ruiniert, hat David Baldacci einen spannenden Thriller über die Grenzen von Lobbyismus geschrieben. Der Konkurrenzkampf zwischen FBI und CIA, der sich in deren Führungsetagen zusätzlich um Einfluss und Macht entfacht, treibt die Handlung vor sich her. Es gelingt Baldacci seine Figuren nicht holzschnittartig als Verantwortungsträger anzulegen, sondern selbst jene am Rand wie die der allein erziehende FBI-Agentin, die sich mitten in der Scheidung der Verleumdung bezichtigt sieht, indem sie Geld auf dem Konto ihrer Kinder vorfindet, das ihr nicht gehört, genug Eigenleben einzuhauchen, dass der Leser sich für sie interessiert. Baldaccis Vermögen spannende Szenen wie jene auf dem Flughafen zu schreiben, als Lee Adams und Faith Lockhart fast in die Falle tappen, ist bekannt. Doch überrascht er ebenso durch Momente wie in jener ersten Nacht in Lockharts Haus, wo Adams gefrostet über die Entwicklung, die sich wie ein Schlinge um seinen Hals zuzieht, tief in den Abgrund seines eigenen Gewaltvermögens blicken muß. Dies alles überdeckt die gelegentlich auftretende flache Beschreibungskunst Baldaccis, die uns schon des Öfteren bei schlechteren Autoren geärgert hat. Trotzdem: Die Verschwörung ist spannend zu lesen und schlägt einige unvorhersehbare Haken.
Polar aus Aachen

2 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 20.02.2008
Stirb schön / Roy Grace Bd.2
James, Peter

Stirb schön / Roy Grace Bd.2


sehr gut

Was soll man über einen Thriller sagen, dessen Anfang so genial einfach ist, dass man sich fragt, warum nicht längst einer den Plot aufgenommen hat und über dessen Ende man sich ärgert, weil Peter James offensichtlich der Meinung war, dass es einer weiteren Steigerung der Spannung bedurfte. Patricia Highsmith hätte der Geschichte des bei einem Jungessellenabschied zum Spaß vergrabenen, verhinderten Bräutigams vertraut und ein exquisites Psychodrama entwickelt. Peter James kommt jedoch aus dem Filmgeschäft, und da gilt es den Blockbuster zu stylen und nicht die kleine Nummer zu drehen. Trotz dieser Schwäche ist der Thriller empfehlenswert, weil er streckenweise so intensiv ist, dass man ihn nicht aus der Hand legen will. Der Plot ist in den ersten zwei Drittel eng gestrickt, nur teilweise vorhersehbar, nimmt der Charakterisierung von Bräutigam in spe, Braut und Nebenbuhler nichts von ihrer spannenden Zeichnung und die verrinnende Zeit tut ihr übriges dazu. Das letzte Drittel ist Hollywood und schade. Weniger wäre hier mehr gewesen, aber der Rest ist mehr, als man sonst zu lesen bekommt.
Polar aus Aachen

3 von 8 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 20.02.2008
Auf dem Weg zur Hochzeit
Berger, John

Auf dem Weg zur Hochzeit


ausgezeichnet

An der italienischen Küste kreuzen sich die Schicksale bei einer Hochzeit. John Berger schuf mit Auf dem Weg zur Hochzeit einen Moment im Leben seiner Helden, die tragisch miteinander verschlungen sind. Wie geht man mit dem Sterben um, wenn man sich dem Tod angesichts der schweren, unheilbaren Krankheit Ninons stellen muß. John Berger ergibt sich nicht der Verzweiflung. Er beschreibt Menschen, die sich dem Schicksal stellen. Seine Trauerarbeit besteht darin, einzusehen, dass alles zum Leben gehört, die Liebe wie der Tod, das Fest wie das Verstummen. Dabei zeichnet er nach, dass es vor allem auf den Weg ankommt, wie man gelebt hat, wie man mit sich und anderen umgegangen ist. John Berger setzt seine Geschichte fast fotografisch um. Es bleiben Eindrücke, Momente, die mitten in der Bewegung festgehalten werden. Aus ihnen werden wir später das zusammensetzen, was wir bereit sind, für immer festzuhalten, indem wir uns daran erinnern.
Polar aus Aachen

Bewertung vom 19.02.2008
Die Liebe in den Zeiten der Cholera
García Márquez, Gabriel

Die Liebe in den Zeiten der Cholera


sehr gut

Wer liebt, muß warten, muß leiden können. Wenn sich auch niemand vorstellen mag, dass es 51 Jahre, 9 Monate und 4 Tage dauern wird, bis die Sehnsucht nicht länger ungestillt bleibt. Schon Plato behauptete, Liebe ist nur in dem, der liebt. Somit dürfte sich der unglücklich Verliebte Florentino Ariza auf der sicheren Seite des Lebens befinden. Nur es zu glauben, fällt schwer. Was für ein erfülltes Leben hätte er haben können, wenn sich nicht dauernd nur die Möglichkeit des Träumens ergeben hätte. Kinder, ein Zuhause. Die angebetete Fermina Daza bleibt für ihn in all den Jahren unerreichbar. Es gibt sicher nicht wenige, die behaupten würden, nur so habe er und sie ihre Liebe konservieren können, diese Liebe habe sich nie dem Alttag stellen, abnutzen brauchen. Gabriel Garcia Márquez hat keine Scheu davor, sich in die Nähe des Kitsches zu begeben und verwandelte eine Geschichte, die schwächere Autoren höchstens zu einer Romanze ausgeschrieben hätten, in eine wunderbare Liebesallegorie, die sich über die Zeit und alle Hindernisse hinwegsetzt. Ein Schmöker vor allem für Liebeskranke, die auf ein Wunder hoffen.
Polar aus Aachen

6 von 6 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 19.02.2008
Jedermann
Roth, Philip

Jedermann


ausgezeichnet

Je älter man wird, desto heftiger drängt sich einem die Frage auf, was man aus seinem Leben gemacht hat. Nicht selten verschwindet die Frage unter einer dicken Schicht Krankheit, die einen erbitterten Kampf ums Überleben erfordert. Philp Roth hingegen läßt einen Regen von Zweifel über seinen Helden einprasseln. Nicht nur dass der Nachwuchs ihn mit unterschiedlichen Augen betrachtet, nur krasse Ablehnung oder Zuneigung zulässt, es packen ihn auch abgründige Neidgefühle, wenn er an seinen eigenen Bruder und dessen Leben denkt. Hat der nicht alles besser gemacht, war sein Leben nicht erfüllter, will man nicht gerade so ein Leben führen? Dabei kann Roths Alter Ego nicht von sich behaupten, dass sein Leben ereignislos vor sich hindämmerte. Er blickt auf drei Ehen und ein erfolgreiches Berufsleben zurück. Wenn einem die Kraft ausgeht, von sich zu glauben, dass man den Willen immer noch in sich spürt, das Ruder herumzureißen, seinem Leben einen weiteren Schwenk zuzumuten, wird man zum Opfer der letzten Fragen. Und wie Roths Jedermann ist das eigene Urteil das härteste von allen. Ein den letzten Dingen zugeneigter formvollendeter Roman. Eine weitere Leichtigkeit in Philip Roths menschlichem Abgesang.
Polar aus Aachen

6 von 9 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 18.02.2008
Auf der Suche nach der verlorenen Zeit 1. Unterwegs zu Swann
Proust, Marcel

Auf der Suche nach der verlorenen Zeit 1. Unterwegs zu Swann


ausgezeichnet

Nur wenige Leser schaffen es, die zehn Bände von Marcel Proust Meisterwerk Auf der Suche nach der verlorenen Zeit wirklich zu lesen. Wer es bis zur Hälfte schafft, nimmt sich vor, die zweite Hälfte irgendwann in Angriff zu nehmen. So kommt es, dass der Band in Swanns Welt unser Bild von Marcel Proust prägt, weil der zumeist wirklich gelesen wird. In ihm wird die Kindheit des Helden, seine Familie, deren Freunde und Bekannte beschrieben. Proust überschüttet uns mit Landschaftsbeschreibungen und Details, als gebe es nur das Jetzt, kein Morgen mehr. Eine Oase, eine Idylle, die einen Korb von kindlichen Beobachtungen ausschüttet, und einem sofort einen behäbigeren Rhythmus beim Lesen als gewohnt auferlegt. Proust schafft es, einem nicht nur die Zeit nahe zu bringen, in der seine Geschichte spielt, es gelingt ihm auch, dem Leser die Frage nach der Zeit selbst zu stellen. Was haben wir verloren? Wie hektisch sind die Zeiten jetzt? Natürlich liest sich dies alles aus einer großbürgerlichen Sicht heraus. Zola hätte Proust Geschichte vollkommen anders dargestellt Trotzdem zieht sie einen in seine Sicht der verlorenen Dinge hinein, in der Umstürze sich höchstens in kleineren oder größeren Skandalen äußert. Es scheint am Vorabend jeden Krieges, Umbruchs so, als könne der eigenen Welt nicht Schlimmeres geschehen, als dass man sich für die falsche Garderobe entscheidet, als nicht kultiviert genug erscheint.
Polar aus Aachen

12 von 12 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.