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Magnolia
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Bayern

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Insgesamt 622 Bewertungen
Bewertung vom 07.07.2023
Die Weltenseglerin
Raiser, Nadja

Die Weltenseglerin


ausgezeichnet

Auf Magellans Spuren

Ferdinand Magellan. Wer kennt ihn nicht, den portugiesischen Seefahrer. Im Auftrag der spanischen Krone macht er sich mit fünf Schiffen im September 1519 auf, eine Westroute zu den Gewürzinseln zu finden. Diese erste Weltumsegelung, die ganz nebenbei den letzten Beweis lieferte, dass die Erde rund ist, hat Nadja Raiser in ihrem faszinierenden Roman „Die Weltenseglerin“ festgehalten. Neben den historisch verbürgten Daten und Personen hat sie einige wenige fiktive Figuren erschaffen, das Gesamtergebnis ist spannend, äußerst interessant und sehr lesenswert, es ist ein rundes Ganzes geworden.

Es waren einmal zwei Freundinnen, Chiara und Mariella, die sich vor lauter Lachen den Bauch halten, als sie durch den Olivenhain rennen. Sie sind jung, sie sind voller Lebensfreude, das Leben wartet auf sie. Für Mariella jedoch sieht ihre Zukunft nicht rosig aus, wie sie bald erfährt, denn die Spielleidenschaft ihres Vaters ist ihr zum Verhängnis geworden, er hat sie schlichtweg an den Schmied verspielt, einem notorischen Säufer. Sie soll diesen grobschlächtigen Typen bald ehelichen, aber nicht mit ihr! Sie ersinnt einen Fluchtplan und wird hellhörig, als sie den Worten ihres Onkels Ferdinand Magellan lauscht, der sie kurz vor seiner Abreise nochmal besucht. Morgen schon wird er in See stechen. Eine bessere Gelegenheit bietet sich ihr nicht mehr und so zwängt sie sich kurzentschlossen heimlich in seiner Kutsche in eine Kiste. Emi, die treue Seele, lässt sie trotz großer Bedenken nicht allein. Schließlich hat sie Mariellas Mutter einst versprochen, immer auf sie aufzupassen. Die Reise ins Abenteuer ihres Lebens beginnt.

Die Geschichte rund um das Geschichtliche, angereichert mit Fiktivem, ist gelungen. Mariella ist die Weltenseglerin, sie und Emi haben sich auf das Segelschiff geschlichen. In Männerkleidung helfen sie beim Verladen mit, dabei wäre Mariella beinahe ausgerutscht. Im letzten Moment fängt sie ihr Retter mit den tiefschwarzen Augen auf und den kann sie nicht täuschen, er sieht die Frau in ihr.

Die gut recherchierte Story hält sich an die historisch überlieferten Fakten, an Magellans Route. Sie lernen fremde Völker und deren Kulturen kennen. Die Weltanschauung der damaligen Zeit war eine andere, auch war Magellan davon überzeugt, im Namen der Krone den Heiden seinen Glauben aufzwingen zu müssen. Notfalls mit Gewalt. Nicht immer konnten sie Proviant nachordern, die Seemänner leisteten Knochenarbeit und doch waren viele vom Hunger geschwächt, auch forderte der Skorbut seinen Tribut. Daneben geht es um tiefe Freundschaften, um Hinterhältigkeit und rücksichtsloses Gebaren, eine Meuterei wird angezettelt und nicht immer ist nur die See stürmisch und unwirtlich, es ist bitterkalt, ja eisig. In ihrer Kleidung, auch wenn sie in Schichten übereinander getragen werden, frieren sie dennoch. Dies alles und noch viel mehr macht dieses lesenswerte Buch aus.

„…und mögen noch in fünfhundert Jahren die Menschen auf der ganzen Welt deinen Namen kennen…“ Diesen Toast bringt Juan Sebastián Elcano zu Ehren Magellans aus. Und ja – die Welt weiß, wer er war.

Bewertung vom 03.07.2023
Der Laden der unerfüllten Träume
Cox, Amanda

Der Laden der unerfüllten Träume


ausgezeichnet

Von Müttern und Töchtern

„Der Laden der unerfüllten Träume“, der Roman, rankt sich um Glory Ann, um ihr Leben, beginnend als 19jährige, die vor den Trümmern ihrer großen Liebe steht. Und um ihre Tochter Rosemarie und deren Tochter Sarah. Amanda Cox erzählt abwechselnd von damals und von heute.

Sarah ist hier, in Brighton, in der familieneigenen Old Depot Grocery, aufgewachsen. Sie geht als junge Erwachsene weg und nun hat das Leben Schicksal gespielt. Alles drängt sie nach Hause, sie will hierbleiben. Aber hat sie hier eine Zukunft? Ihre Mutter will verkaufen, die Old Depot Grocery ist eher Nostalgie. Die Kunden kaufen im Supermarkt und sie bleiben auf ihren Waren sitzen, die Lieferanten versorgen sie mit dem Wenigen, das sie noch brauchen, ungern oder gar nicht mehr.

Ich lese von Glory Ann, von Rosemarie und Sarah – von drei Frauen, von drei Generationen. Jede ist auf ihre Art der Old Depot Grocery verbunden. Glory Ann hat ihre erste große Liebe verloren, ihre Eltern drängen sie in die Ehe mit Clarance, dem Besitzer des Ladens. Seine warmherzige Art lässt sie zunächst kalt, zu schmerzhaft sind ihre Erinnerungen. Heilt auch bei ihr die Zeit alle Wunden? Er hat ein großes Herz für all jene, denen es gerade nicht so gut geht, auch kümmert er sich liebevoll um die Töchter Rosemarie und Jessamine. Beide Mädchen helfen im Geschäft, wobei Rosemarie die Pflichtbewusste ist, während ihre Schwester alles leicht nimmt, sie will stets hoch fliegen. Sie geht hinaus in die Welt und Rosemarie bleibt. Und nun, viele Jahrzehnte später, will sie aufgeben. Aber sowohl Sarah als auch Glory Ann sind gegen eine Schließung. „Du kannst den Laden nicht schließen, Brighton braucht die Old Depot Grocery.“

Vieles bleibt ein Leben lang ungesagt, da ist Rosemarie nicht sehr viel anders als Glory Ann. Sarah will es besser machen, nachdem sie eine rätselhafte Entdeckung gemacht hat. Sie geht der Sache auf den Grund, denn schweigen bringt nichts. Sie nimmt sich fest vor, Dinge ansprechen, die Jahrzehnte unter den Teppich gekehrt wurden.

Es ist ein schmerzvolles Heranführen an die Wahrheit. Der Laden wirft nichts mehr ab, die Zeiten ändern sich. Die Story ist ergreifend, in sich stimmig, das Bild auf dem Cover ist dies so gar nicht. Diese drei Frauen haben für mich nichts mit dem zu tun, was sich zwischen den Buchdeckeln verbirgt. Man sollte sie weglassen, denn weniger ist oftmals sehr viel mehr.

Die drei Frauen in der Story dagegen sind gut gezeichnet, ich hatte von jeder ein stimmiges Bild im Kopf, auch die anderen Charaktere, ganz vorne dabei ist Clarence, sind wunderbar gelungen. Ein Generationenroman, in dem so viel Lebensweisheit steckt. Denn ist es nicht so, dass wir alle in bestimmten Situationen lieber schweigen als vermeintlich Unangenehmes anzusprechen? Unterdrückte Gefühle, nicht gesagte Worte sind oftmals der Grund für Missverständnisse. Es geht um lange gehütete Geheimisse, um Liebe und Schmerz, um Hoffnung und Hoffnungslosigkeit. Aber auch um Zuversicht und neu gewonnenen Lebensmut. Ein leises Buch, eine lesenswerte Geschichte.

Bewertung vom 01.07.2023
Der Teufelshof / Akte Nordsee Bd.2 (eBook, ePUB)
Almstädt, Eva

Der Teufelshof / Akte Nordsee Bd.2 (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Spannend bis zum Schluss

Anna ist in Panik, sie springt aus dem Fenster, nachdem Henning Geräusche hört und nachsehen will. Am nächsten Morgen wird sie von der Polizei entdeckt, sie hat sich im hintersten Winkel des Hofes versteckt. Was war geschehen? Warum hatte sie dermaßen Angst? Ihre Schwiegereltern sind tot, mit einem Jagdgewehr erschossen. Henning, ihr frisch angetrauter Ehemann, ist schwer verletzt. Das tragische Ende ihrer Hochzeitsnacht ist der Anfang einer umfangreichen Ermittlung.

Es sieht nicht gut aus für Anna, sie kommt in Haft. Henning bittet die Anwältin Fentje Jacobsen, ihm zur Seite zu stehen. Und Fentje fördert einiges zutage, sie verbeißt sich regelrecht in diesen Fall. Neben etlichen anderen Spuren wird dabei auch Annas Vergangenheit durchleuchtet. Ihre Freundin Iveta liefert wertvolle Hinweise, sie glaubt an Annas Unschuld. Auch fällt der Verdacht auf Henning – wollte er sich von den Eltern befreien, den Hof an sich reißen? Fentje glaubt keine Sekunde daran, sie kennt ihn seit ihrer Kindheit. Auch Hennings Bruder mitsamt seiner verwöhnten Ehefrau hätte durchaus ein Motiv.

Niklas John hat ein ganz anderes Interesse, die Morde auf dem „Teufelshof“ aufzuklären. Mit seiner Katze Blofeld lebt er in einem luxuriösen Penthouse. Er kann es sich leisten, sich als freier Journalist seine Storys sorgfältig herauszupicken, Klatsch und Tratsch überlässt er gerne seinen Kollegen.

Fentje und Niklas – unterschiedlicher könnten sie nicht sein und doch treffen sie wieder aufeinander. „Der Teufelshof“ ist die zweite Nuss, die sie gemeinsam (oder jeder für sich) knacken wollen. Sie sind ein etwas anderes Ermittler-Duo. Während Fentje als Anwältin alles daran setzt, die Unschuld ihres Mandanten zu beweisen, recherchiert Niklas nicht nur als Journalist, denn auch ihn verbindet hier mehr, als es zunächst den Anschein hat.

Fentjes Lebensmittelpunkt ist der Bauernhof, in dem sich auch ihre Kanzlei befindet. Dies ist ganz praktisch, denn sie muss auch hier mit anpacken, die Tiere versorgen sich schließlich nicht von selbst. Sie ist der bodenständige Typ, in der feinen Gesellschaft fühlt sie sich trotz Blazer eher unwohl. Niklas hingegen verkehrt in diesen Kreisen, Geldsorgen kennt er nicht. Wie schon in ihrem ersten Fall kreuzen sich auch hier ihre Wege. Trotz ihrer Unterschiedlichkeit haben sie einen Draht zueinander, sie ticken ähnlich.

Und die Aufklärung hat es in sich. Ist der Auslöser für den zweifachen Mord rund um die Hochzeit zu finden? Dies ist nur eine von vielen Fragen, die sich um die Tatnacht drehen. Eva Almstädt lässt ihre Leser lange im Unklaren, es tauchen so etliche zwielichtige Gestalten auf, die jeder für sich gesehen durchaus ein Motiv hätten. „Der Teufelshof“ ist der spannende zweite Fall der Akte Nordsee-Krimireihe mit Charakteren, denen ich allesamt ihre Eigenarten abnehme. Nur zu gerne habe ich mich nicht nur einmal in die Irre führen lassen, es war ein spannendes, ein kurzweiliges Lesevergnügen mit einem Schluss, den ich so nicht erwartet hätte. Nun lasse ich Fentje und Niklas ein wenig durchatmen und hoffe, dass sie bald wieder ermitteln werden.

Bewertung vom 29.06.2023
Der Lehrmeister: Thriller
Shepherd, Catherine

Der Lehrmeister: Thriller


ausgezeichnet

Spannend, dramatisch, lesenswert

„Der Lehrmeister“ ist der achte Fall für Laura Kern und ihren Partner Max Hartung. Schon der Prolog hat es in sich und lässt mein Kopfkino anspringen.

Noch während des Joggens erhält Laura einen Anruf von ihrem Vorgesetzten. Dieser beordert sie in ein abgelegenes Waldstück, auch Max ist schon unterwegs. Es erwartet sie eine tote Frau, an eine Eiche gelehnt, um deren Hals eine Schiefertafel hängt, darauf geschrieben ist ein Goethe-Zitat. Auf der Rückseite dieser Tafel finden sie einen Hinweis, der sie vermuten lässt, dass dies erst der Anfang ist, weitere Leichen werden folgen. Die Jagd nach einem Serienkiller beginnt.

Und - weitere Leichen werden gefunden, sie alle weisen eine Gemeinsamkeit auf und doch tappen Laura und Max lange im Dunkeln. Eine vielversprechende Spur bringt sie nicht weiter, nichts passt so recht zusammen und doch gibt es Hinweise, die in eine Richtung führen. So etliche zwielichtige Gestalten tauchen auf, keinem traue ich über den Weg.

Die Ermittlungen stehen im Vordergrund, sie gestalten sich äußerst schwierig mit so manch überraschender Wendung, die Charaktere haben Ecken und Kanten, sie sind in ihrer Eigenart, in ihrer Verschrobenheit glaubhaft angelegt. Auch blitzt Privates zwischendurch ein wenig hervor. Nicht zu viel, aber doch genug, die Ermittlungen bilden den Schwerpunkt.

Catherine Shepherd ist eine Meisterin der Täuschung, sie legt (falsche) Fährten aus, führt ihre Leser in Sackgassen. Und doch meint man, den Täter auszumachen, um die Theorie dann doch wieder zu verwerfen.

Wer ist dieser ominöse Lehrmeister und warum inszeniert er seine Mordopfer auf diese Weise, was treibt ihn an?

Als versierter Thriller-Leser meine ich, einen siebten Sinn zu haben, zwischen den Zeilen lesen zu können, auch lässt sich so einiges aus der Vergangenheit, die in kurzen Passagen immer wieder eingeflochten ist, ableiten und doch gelingt es der Autorin immer wieder aufs Neue, mich ratlos zu machen. Ihr fesselnder Schreibstil lässt mich das ganze Buch über nicht los, ich muss es wissen. Wissen, wie es weitergeht, muss jede freie Minute lesen. Bis kurz vor dem schlüssigen Ende sehe ich zwar ansatzweise einen Täter – aber kann der es denn sein?

„Der Lehrmeister“ ist ein spannendes, ein kurzweiliges Lesevergnügen aus der Laura-Kern-Reihe. Mein Tipp – lesen, es lohnt sich.

Bewertung vom 29.06.2023
Die Affäre Alaska Sanders
Dicker, Joël

Die Affäre Alaska Sanders


ausgezeichnet

Beste Unterhaltung

Der Fall Alaska Sanders wird nochmal aufgerollt, denn es gibt erhebliche Zweifel, ob der damals Verurteilte ihr Mörder ist. Sergeant Perry Gahalowood bittet den Schriftsteller Marcus Goldman, mit dem er seit dem Fall um Harry Quebert befreundet ist, ihn auch diesmal zur Seite zu stehen.

Alaska Sanders wurde 1999 am Strand gefunden, angefressen von einem Bären. Ein Zettel in ihrer Hosentasche gibt Rätsel auf: „Ich weiß, was du getan hast.“ Die Ermittlungen werden dank eines Geständnisses bald eingestellt und erst Jahre später stellt sich heraus, dass es doch ganz anders gewesen sein könnte.

Es ist meine erste Begegnung mit Joël Dicker, es wird aber bestimmt nicht meine letzte sein. Von der „Wahrheit über den Fall Harry Quebert“ ist immer mal wieder die Rede, mein fehlendes Wissen darum war nicht weiter schlimm, die Rückblicke sind gut erklärend, sie fügen sich in die heutigen Ermittlungen ein. Und doch war mir schnell klar, dass ich mich auf das Buch einlassen muss, denn gerade der Einstieg ist wegen der doch zahlreichen Charaktere entscheidend, um den Überblick nicht zu verlieren. Ist dies erst mal geschafft, entwickelt die Story eine Sogwirkung.

Ich habe das Hörbuch gewählt, es war eine gute Entscheidung. Beim Zuhören hatte ich für jeden einzelnen passende Bilder im Kopf. Wohlgemerkt ist dies ein Verdienst des Autors, für den letzten Schliff ist bei einem Hörbuch schon auch der Vortrag des Sprechers ausschlaggebend. Und Torben Kessler hat dies mit Bravour gemeistert, seiner brillanten Lesung habe ich über 18 ½ Stunden gebannt zugehört, er ist der perfekte Sprecher für dieses doch sehr umfangreiche Werk.

Die Dialoge zwischen Gahalowood und Goldman, der für den Sergeant einfach nur der Schriftsteller ist, sind gelungen. Und nicht nur diese Passagen, alle hier agierenden Personen sind treffend gezeichnet.

Es passiert viel, die Zeitebenen wechseln vom Gestern ins Heute, in die erneuten Ermittlungen. Dabei wird so manches zutage gefördert, was sie damals übersehen haben. Zudem wird zwischendurch das Leben der Alaska Sanders facettenreich dargeboten, ihr großer Wunsch, Schauspielerin zu werden, scheint unerreichbar und doch findet sie Unterstützung, wenngleich sie etliche Umwege hierfür in Kauf nimmt.

Die Fortsetzung des Weltbestsellers „Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert“ ist gelungen, auch wenn es für mich keine Fortsetzung war. Joël Dicker versteht es meisterhaft, komplexe Vorgänge in eine gut lesbare Form zu bringen, er hat mich bestens unterhalten.

Bewertung vom 26.06.2023
Greta Garbo / Ikonen ihrer Zeit Bd.10
Lüding, Kristina

Greta Garbo / Ikonen ihrer Zeit Bd.10


sehr gut

Greta Garbo - eine beeindruckende Frau

Wenn von der „schwedischen Sphinx“ oder gar von „der Göttlichen“ die Rede ist weiß auch heutzutage fast jeder, wer gemeint ist. Greta Garbo gilt als eine Leinwandlegende, ihre Karriere begann in der Stummfilm-Ära, den Sprung hin zum Tonfilm hat sie als eine der wenigen geschafft. Für den Oskar wurde sie nicht nur einmal nominiert, einen Ehrenoskar hat sie dann erhalten, als sie sich schon von der Leinwand zurückgezogen hat.

Eine Romanbiographie über „Greta Garbo. Die einsame Göttin“ hat Kristina Lüding in der Reihe „Ikonen ihrer Zeit“ vorgelegt, es ist ein interessantes Porträt über eine unnahbare, eine einsame Frau geworden, die schon früh wusste, dass sie Schauspielerin werden wollte, wenngleich sie eher die Theaterbühne im Focus hatte.

Der Weg der 15jährigen Greta hin zur gefeierten Hollywood-Ikone ist gut gezeichnet. Sie hat die richtigen Leute getroffen, die ihr Talent gesehen und sie gefördert haben. Sie war ein schüchternes junges Mädchen mit einem eisernen Willen. Stiller, der sie als ungeschliffenen Diamanten bezeichnet hat, war einer ihrer ersten Befürworter. Er fordert sie heraus, er glaubt an sie, er stellt Kontakte her.

Die Frau hinter der Schauspielerin habe ich stets gesehen, vom schüchternen Mädchen hin zum gefeierten Star, der trotz allem Rummel um sie alleine sein will. Die ersten Jahre, ihr erster Film „Gösta Berling“ und auch die nachfolgenden Arbeiten hin zu MGM sind gut nachvollziehbar dargeboten, die private Greta kommt dabei nicht zu kurz - ihre Familie, ihre Freunde, ihre Lieben machen daraus ein rundes Ganzes, ein ist ein gelungenes Porträt geworden über eine bemerkenswerte Frau, über „eine Ikone ihrer Zeit“.

Bewertung vom 19.06.2023
Bergleuchten (MP3-Download)
Seemayer, Karin

Bergleuchten (MP3-Download)


ausgezeichnet

Wer kennt ihn nicht, den Gotthardtunnel. „Bergleuchten“ erzählt vom Bau des Tunnels unter den Gipfeln des Gotthardmassivs. Die Tunnelröhre auf 1150 m Höhe über dem Meer verbindet Göschenen im Kanton Uri mit Airolo im Kanton Tessin.

Die Bauarbeiten beginnen 1872 und hier treffen wir auf Helene, die die Fahrten über den Gotthardpass nur zu gut kennt. Es ist eine gefährliche Strecke und doch waren die Anwohner strickt gegen den Tunnel, sie fürchteten um ihre Existenz. Wenngleich die Einheimischen durch die Zimmervermietung an die italienischen Arbeiter sich etwas dazu verdienten, waren sie ihnen nicht wohlgesonnen.

Die Arbeiten waren nicht nur beschwerlich, sie waren auch gefährlich. Durch die unzureichende Belüftung und die Sprenggase im Tunnel gab es immer wieder Verletzte und Tote zu beklagen. Vorwiegend Italiener aus ärmlichen Gegenden wurden als Mineure und Arbeiter eingesetzt und war einer arbeitsunfähig, kam der nächste, um sich für einen Hungerlohn zu verdingen. Der Bau damals war trotz der eingesetzten Maschinen harte, kräftezehrende, auslaugende Arbeit, die Arbeitsbedingungen katastrophal.

Vor dem historischen Hintergrund entwickelt sich eine Liebe, die nicht geduldet wird. Die Vermengung zwischen dem Geschichtlichen und all den Schicksalen der Familien und auch der Arbeiter, die sich nicht nur oberflächlich begegnen, die miteinander irgendwie auskommen müssen, ist gelungen, die Charaktere allesamt gut gezeichnet.

Mich hat dieses „Bergleuchten“ tief berührt, ich habe mich für das Hörbuch entschieden, vorgelesen von Sophie Hutter. Die in Deutschland lebende Schweizerin ist die perfekte Interpretin, ihr Schwyzerdütsch, das situationsbedingt in die Geschichte mit einfließt, macht das Ganze nochmal ein Stück authentischer. Das gut erzählte Buch gewinnt durch ihren Vortrag nochmal – ich bin begeistert und restlos überzeugt. Sowohl von der Autorin als auch von der Sprecherin.

„Bergleuchten“ ist die gut recherchierte Geschichte um den Bau des Gotthardtunnels, angereichert mit all dem Zwischenmenschlichen, den fiktiven Elementen.

Bewertung vom 15.06.2023
Sommersonnenwende / Wolf und Berg ermitteln Bd.1
Engman, Pascal;Selåker, Johannes

Sommersonnenwende / Wolf und Berg ermitteln Bd.1


gut

Serienauftakt

„Sommersonnenwende“ führt zurück in den Sommer 1994. Die schwedische Fussball-Nationalmannschaft hat sich bei der WM den dritten Platz erspielt, in Schweden ist es ungewöhnlich heiß und diese Gluthitze spiegelt das Cover wider, dessen Motiv sich ums Buch zieht, der Farbschnitt ist ein Eyecatcher, der erste Eindruck stimmt hier allemal und lädt direkt zum Mittsommerfest ein.

Unweit von den Flüchtlingsunterkünften wird eine weibliche Leiche gefunden, die zweite innerhalb kurzer Zeit, eine ähnliche Vorgehensweise ist sichtbar. Haben diese Morde mit dem Amoklauf zu tun, bei dem sieben Menschen getötet und drei weitere schwer verletzt wurden?

Der Prolog führt zurück in den Oktober 1993, Tomas Wolf ist im Bosnien-Krieg im Einsatz. Was er hier erlebt, lässt ihn nicht mehr los. Zurück in Schweden ist er als Kriminalkommissar bei der Stockholmer Polizei in diesen Mordfällen im Einsatz. Seine traumatischen Erlebnisse holen ihn ein, er kann nichts dagegen tun. Eine Momentaufnahme beschreibt etwa einen Aussetzer – er sitzt am Steuer, ist unterwegs mit Klara, seiner Frau und ihren gemeinsamen Kindern Alexander und Ebba und plötzlich kann er sich nicht mehr erinnern, wie man Auto fährt. Er gibt trotz allem nicht auf, er will Klara ein guter Ehemann, seinen Kindern ein guter Vater sein und doch denkt er an damals, an Azra…

Derweilen ist auch die Journalistin Vera Berg an diesen Todesfällen dran, wenn auch aus ganz anderen Gründen. Ihr Verflossener ist wieder mal abgetaucht, seinen 6jährigen Sohn Sigge hat er aber da gelassen. Der Kleine hängt an Vera, sie braucht dringend Geld, muss wegen ihrem Job nach Stockholm und nimmt ihn kurzerhand mit.

Etwa sechs Wochen dauern die Ermittlungen an, ich lese abwechselnd von den beiden Protagonisten. Es scheint ein aussichtsloses Unterfangen zu sein, den oder die Schuldigen zu finden, Verdächtige gibt es so einige. Und alle Spuren, wenn auch rar gesät, deuten auf die Täterschaft des jeweils Anvisierten und doch schlüpfen sie alle durch - wie etwa ein bekannter Schauspieler, dem schon alleine durch seinen miesen Charakter alles zuzutrauen wäre.

Tomas und Vera – zwei ganz und gar kaputte Typen, die sich nicht kennen, die in gleicher Sache recherchieren. Tomas turbulente Vergangenheit spielt mit hinein, seine Traumata lassen ihn zuweilen aggressiv agieren. Man spürt seine starke Anspannung, er steht auch vor privaten Problemen, die zu lösen er nicht imstande ist. Habe ich seine Handlungsweise zumindest teilweise nachvollziehen können, so konnte ich dies bei Vera so gar nicht. Sie fühlt sich für Sigge verantwortlich, bringt ihn aber immer wieder in gefährliche Situationen, lässt ihn bei einer zunächst völlig Fremden, in ihrer Hilflosigkeit hatte ich vermehrt das Gefühl, dass sie heillos überfordert ist. Sie gerät in eine Abwärtsspirale, lässt sich mit zwielichtigen Typen ein, Sigge immer im Schlepptau.

Die Hitze spüre ich direkt während des Lesens, auch die Ausweglosigkeit der Ermittlungen, die gefühlt ins Nichts führen. Dass es gegen Ende dann ganz anders kommt als über weite Strecken vermutet, hat das Autorenduo geschickt eingefädelt. Die knapp 600 Seiten sind überwiegend gefüllt mit Privatem, wobei mir Vera so gar nicht zugesagt hat. Wer ist so fahrlässig und bringt ein Kind ständig in brenzlige Situationen? Die Charaktere dürfen ruhig überzeichnet sein, das gibt der Story so einiges an Dynamik, damit bin ich einverstanden. Hier aber war es ein ganzes Stück drüber, es nimmt der ansonsten gut durchdachten Kriminalgeschichte viel an Glaubwürdigkeit. Von meinen ursprünglich anvisierten 4 Sternen nehme ich einen aufgrund der oben beschriebenen Überzeichnung weg.

„Sommersonnenwende“, der Auftaktband einer schwedischen Krimireihe um Tomas Wolf und Vera Berg hat mich trotz allem neugierig werden lassen, ich bin gespannt, wie und ob sich die beiden zusammenraufen werden.

Bewertung vom 13.06.2023
Frühlingstöchter / Das Pensionat am Holstentor Bd.1 (eBook, ePUB)
Perbandt, Anna

Frühlingstöchter / Das Pensionat am Holstentor Bd.1 (eBook, ePUB)


sehr gut

Freundschaft und Liebe um 1900

Ein Mädchenpensionat habe ich nie von innen gesehen, umso spannender waren die Einblicke in „Das Pensionat am Holstentor“, in das die Höheren Töchter Lübecks geschickt wurden. Allen voran begegne ich der aufgeweckten Nora, sie ist die Tochter eines Grafen, der jedoch – genau wie seine ihm Angetraute – eher mit Abwesenheit glänzt. Noras Bruder Henry fühlt sich für sie verantwortlich, er schickt sie trotz ihrer Widerstände ins Pensionat. Hier lernt sie Agnes, Lotte und Fanny kennen und bald freunden sich die Mädchen an, sie nennen sich die „Frühlingstöchter“.

Gesche Petersen, eine junge Lehrerin, stolpert direkt hinein in ihre Anstellung. Wäre da nicht zufällig der junge Graf (Henry) zugegen, wäre sie wieder weggeschickt worden, ihr Auftritt war im allzu wörtlichen Sinne zu schmuddelig.

Den ersten Teil der historischen Familiensaga, der in Lübeck spielt, habe ich mir von Jana Kozewa vortragen lassen, ihre facettenreiche Stimmlage bringt nicht nur die jungen Damen in ihrer Vielfalt gut zur Geltung, sie liest akzentuiert, sodass ich mich entspannt zurücklehnen und der Story meine volle Aufmerksamkeit widmen konnte.

Um Freundschaft und die ersten zarten Bande der Liebe dreht sich diese unterhaltsame Reise zurück in die Zeit um 1900. Die Standesdünkel sind allgegenwärtig, die Rolle der Frau ist fest verankert. Eine standesgemäße Heirat ist nicht nur selbstverständlich, nein. Nur diese ist gesellschaftlich akzeptiert. Sehr zum Missfallen von Nora, die sich zu Karl, einem jungen, einfachen Arbeiter, hingezogen fühlt. Aber nicht nur sie stößt an ihre Grenzen, auch Henry und Gesche werden wohl aufeinander verzichten müssen. Ganz anders ergeht es Fanny, die dank eines Stipendiums hier aufgenommen wird. Und sie soll heiraten, die Internatsleitung stellt ihr zwar frei, den Antrag eines älteren Herrn abzulehnen, aber wo sollte sie hin, mittellos, wie sie ist?

Das Patriarchat ist deutlich spürbar, die gesellschaftliche Ordnung gut dargestellt. Nicht das erste Mal lese bzw. höre ich einen Roman mit diesem Hintergrund und immer wieder bin ich erleichtert, dass sich die Zeiten schon sehr zugunsten der Frauen geändert haben. Die gesellschaftlichen Konventionen sind vorgezeichnet, dieses gesellschaftliche Korsett ist eng geschnürt, Henry und Noras Mutter wäre daran beinahe zerbrochen. Ob sich die jungen Leute von damals daraus befreien konnten? Ihre Geschichte hat mich eingefangen, auch dank der exzellenten Sprecherin. Und es soll weitergehen, im Herbst 2023 erscheint der zweite Band, ich werde wieder auf sie treffen.

Bewertung vom 12.06.2023
Nicht ein Wort zu viel
Winkelmann, Andreas

Nicht ein Wort zu viel


sehr gut

„Hello darkness, my old friend…

…I´v come to talk with you again.“ Diese Liedzeile, diesen Klassiker von Simon and Garfunkel lese ich zwischendurch immer mal wieder. Und natürlich mache ich mir so meine Gedanken. Was haben diese Worte zu bedeuten, haben sie etwas zu bedeuten? Die Dunkelheit, der alte Freund? Zumal das Dunkle, das Düstere hier eine große Rolle zu spielen scheint. Ich behalte dieses Lied, das sich während des Lesens wie ein Ohrwurm sowieso festgesetzt hat, im Hinterkopf.

Alles beginnt mit einer Lesung des erfolgreichen Thrillerautoren David Sanford, Faja Bartels führt durch den Abend. Sie ist Buchbloggerin, nicht alle der „Bücherjunkies“ auf Insta kennt sie persönlich und doch sind sie sich sehr vertraut. Während der Lesung erhält sie eine Nachricht:

„Erzähl mir eine spannende Geschichte. Sie darf fünf Wörter haben. Nicht ein Wort zu viel. Sonst muss dein Freund sterben. Seine Zeit läuft bald ab.“

Sie hat momentan nicht viel Zeit, glaubt eher an einen Scherz. Als sie später dann auch noch ein Video erhält, stockt ihr der Atem. Claas sitzt hilflos auf einem Stuhl, in Folie verpackt, geknebelt – diese kurze Sequenz zeigt seine Todesangst nur zu deutlich. Warum hat sie nicht sofort reagiert? Kann sie ihn mit ihrer Geschichte in fünf Worten retten? Aber welche Geschichte ist die Richtige?

Vorher lerne ich noch Jaro Schrader kennen, er observiert eine männliche Person. Er leitet diesen Einsatz, bei dem so einiges schief läuft. Als Zielfahnder muss er schnelle Entscheidungen treffen, dieses Mal ist er übers Ziel hinausgeschossen, gegen in läuft eine Untersuchung, er wird degradiert, arbeitet dem Kriminalhauptkommissar Simon Schierling zu.

Als Winkelmann-Fan muss ich natürlich sofort seinen Neuen lesen, ich bin gespannt. Der Anfang gestaltet sich ein wenig holprig, es werden so einige Storys nebeneinander erzählt, der Zusammenhang ist (noch) nicht sichtbar. In jeder dieser Episoden treten mehr oder weniger undurchsichtige Gestalten auf, keinem davon würde ich über den Weg trauen. Es dauert schon etwas, bis sich alles mehr und mehr vermengt, bis die losen Fäden, die sich durch all diese wie aneinandergereihten Geschichten ziehen, zusammenfügen. Von da ab ist es spannend, spannend und nochmal spannend, ich kann gar nicht mehr aufhören zu lesen. Hätte ich anfangs das Buch ohne weiteres weglegen können, so geht das nun gar nicht mehr. So kenne und so schätze ich Winkelmann, er legt falsche Fährten, zieht mich in diese fünf-Wörter-Geschichte. Und ja – das Ende kommt unerwartet, mein Spürsinn hat sich von ihm (wieder mal) täuschen lassen.

„Nicht ein Wort zu viel“ ist ein gut durchdachter, fesselnder Thriller, dessen Anfang ich ein wenig zu langatmig fand, der dann aber angezogen und mich bis zum überraschenden Schluss nicht mehr losgelassen hat.

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