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Juti
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HD

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Insgesamt 631 Bewertungen
Bewertung vom 09.08.2021
Daheim
Hermann, Judith

Daheim


gut

Ich bin Denis Scheck Fan. Aber warum er die Handlung des Romans in der Sendung „lesenswert Quartett“ – wer mag, kann googeln - an die Ostsee verlegt, bleibt mir ein Rätsel. Seitenlang wird von Ebbe und Flut gesprochen, ja die Nachbarin Mimi kann nur bei Flut im Hafenbecken schwimmen, weil alles andere zu flach ist – ein klarer Indiz für die Nordsee. Auch das Hochwasser von 1967 (41) meint ziemlich sicher die Nordsee. Die in Bremerhaven geborene Insa Wilke sitzt daneben und schweigt.

Es ist nämlich gar nicht wichtig, wo dieser Roman spielt. Wichtiger sind Kisten die zu einer Falle werden. So hätte die Ich-Erzählerin mit einem Zauberer und seiner Frau in ihrer Jugend nach Singapur fahren können, wenn sie bereit gewesen wäre, sich beim Zaubertrick der zersägten Jungfrau von ihm in einer Kisten zerteilen zu lassen.

Im zweiten Teil befindet sich ein Marder in ihrem Dach, der dank der Falle des Schweinebauern Arild, der Bruder von Mimi, in einer Kiste gefangen werden soll, aber nur anderes fängt, als sie soll. Denis Scheck spricht von einer großartigen Liebesszene zwischen dem Schweinebauern und der Ich-Erzählerin, aber das ist nur ein Teil. Vor allem die Figur der Nike, der Freundin des Bruders der Ich-Erzählerin hat mich gelangweilt.

Nachdem das Setting aufgebaut ist fehlt es bis kurz vor Schluss auch an Handlung, so dass ich mich letztlich nur für 3 Sterne entschieden habe, auch wenn ich mir sicher bin, dass der ruhige Erzählstil der Autorin mehr leisten kann.

Bewertung vom 05.08.2021
Monschau
Kopetzky, Steffen

Monschau


gut

Falsch abgebogen

Manchmal musst du als Autor den richtigen Riecher haben. Da hat Kopetzky gerade einen Roman mit dem Militärarzt Dr. Stüttgen 1944 im Hürtgenwald geschrieben und kurz darauf bricht die Corona-Epidemie aus. Sich an seinen Held erinnernd, fällt dem Autor ein, dass der Düsseldorfer 1962 in Monschau eine Pockenepidemie besiegte. Und so liegt es auf der Hand darüber den nächsten Roman zu schreiben.

Gespannt lesen wir zu Beginn, wie der Doktor Maßnahmen wie Quarantäne verhängt, Patienten impft und in den Ritter-Werken, dem größten Arbeitgeber vor Ort und den Ausgangsort der aus Indien eingeschleppten Pocken, seinen besten Mitarbeiter abstellt, um die Schließung der Firma zu verhindern.

Wir erleben die ersten Arbeitstage von Nikos und wie er mit Geheimzeichen viele Mitarbeiter isoliert. Doch dann lernt er in seiner Unterkunft die Firmen-Erbin Vera kennen, in die er sich verliebt. Der Kampf gegen das Virus wird zweitrangig, die Hindernisse der Liebe stehen im Vordergrund, weil - ziemlich unglaubwürdig - Vera als nichtgeimpfte frühere Poliopatientin die erkrankte Tochter des Indienmitarbeiters im Krankenhaus besuchen will. Sie verschafft sich Zugang mit einer Schwesternmütze aus dem Karneval und wird in Quarantäne festgehalten.
Viel zu lang wurde vorher auch die Karnevalsveranstaltung beschrieben und das Problem, das Teilnehmer aus Monschau ihre Quarantänebestimmungen nicht eingehalten haben, wird erwähnt, aber bestraft werden die zur Schlägerei neigenden Männer deswegen nicht. Dafür lesen wir mehrmals, dass am 30. Mai der Weltuntergang ist.

Kopetzky liebt offenbar Kriege. Nikos darf mehrfach vom Krieg auf Kreta erzählen. Wen das interessiert, dem würde ich aber eher „Der kretische Gast“ von Modick empfehlen.
Einzig interessant ist noch, dass Dr. Stüttgen vorgeworfen wird, dass er die Firmen-Erbin im Krankenhaus festhält, um sie mit Pocken zu infizieren, damit die Ritterwerke ans Aachener Klinikum fallen. Von Kriegsveteranen wird ihm nämlich auch vorgeworfen, dass er seine Einheit gegen Kriegsende kampflos den Amerikanern übergeben hat und deshalb in Abwesenheit zum Tode verurteilt wurde. Das hat er übrigens gemeinsam mit Helmut Schmidt, dessen Bekämpfung der Sturmflut in Hamburg in diesem Roman auch nicht fehlt. Ob das nötig war?

Weil der Romanschreiber aber die Pocken nahezu gänzlich aus den Augen verloren hat, vergisst er den Fakt, dass laut Wikipedia Stüttgen selbst an der von den Behörden anfangs nicht erkannten Pocken erkrankte, aber wieder gesund wurde.
Dafür hören wir von einem Quick-Reporter über die Nazi-Vergangenheit der Ritter-Werke und fragen uns, ob 1962 tatsächlich schon über Zwangsarbeiter gesprochen wurde. Zweifellos darf ein Autor fiktives erfinden, aber da dieser Roman einen historischen Kern hat, der nicht auserzählt wird, gefällt mir nur der Anfang. Insgesamt 3 Sterne

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 04.08.2021
Von hier an anders
Habeck, Robert

Von hier an anders


sehr gut

Blinder Fleck

Habeck beginnt spektakulär mit dem Gedanken, dass erst durch Al Gores Film über den Klimawandel 2006 die Republikaner zu einer Gegenposition gezwungen wurden und so die Leugnung Trumps des Phänomens erst möglich wurde. Der Autor stellt die Frage, ob Politik nicht mehr erreicht, wenn sie das ganze Volk mitnimmt anstatt die Bevölkerung zu spalten. Seine These belegt der Autor mit seiner Arbeit als Minister beim Bau von Stromtrassen oder in der Fischerei und Landwirtschaft und unterscheidet zwischen einer gesellschaftlichen und einer politischen Mehrheit (315).

Aber diesen Gedanken hält er nicht durch. In diesem gegenderten Buch, selbst die Arbeiter erhalten ein Sternchen mit der Anmerkung, dass es fast immer männliche Arbeiter waren (143), lese ich: „Ich ahne auch, dass sich einige über das Gendersternchen ärgern, die ich in diesem Buch benutze, obwohl sie ja eigentlich niemandem wehtun.“ (254) Damit ist für ihn das Thema vom Tisch. Aber dieses Argument ist ein Nullargument. Sie nicht zu verwenden tut auch keinem weh. Die wahre Intuition ist, dass die Psychologie herausgefunden hat, dass wir beim männlichen Plural häufiger nur an Männer denken. Wer zwischen weiblichen und männlichen Plural wechselt, verdeutlicht, dass im Plural beide Geschlechter gemeint sind. So hätte Habeck auf das Sternchen - das zwar leicht zu schreiben, aber schwer auszusprechen ist - verzichten können. Ich glaube, dass es sich in Wahrheit um ein Grünensternchen handelt. Habeck bekäme große Probleme mit den Feministen seiner Partei, wenn er anders schriebe.

In seinem letzten Buch beschwerte sich der Grünen-Chef teilweise zurecht über die Sprache der AfD. Aber auch die Grünen spalten mit ihrem * und dem Verbot des N-Wortes die Gesellschaft. Und wer das Zigeunerschnitzel von der Karte streicht, erreicht nichts gegen die Diskriminierung von Sinti und Roma. Die Folge ist letztlich die „Cancel Culture“, die die brave Kabarettistin Lisa Eckart zu einer Veranstaltung in Hamburg auslud. Vergessen wir nicht, dass auch die Grünen mit Euphemismen wie „Ehe für alle“ arbeiten, was in Wahrheit nur ein Adoptionsrecht für Lesben und Schwule ist. „Bringe ich die Kraft auf, manchmal auch mit meiner eigenen Interessengruppe nicht übereinzustimmen?“ fragt der Autor auf S.312. Während der Tübinger Oberbürgermeister hier klar mit ja antworten könnte, mag ich Habeck nur ein teilweise zugestehen.

Abgesehen von diesem sprachlichen Unsinn hat mir die Analyse der Gesellschaft sehr gut gefallen. Nicht nur ökonomisch, auch zwischen Stadt und Land verschärfen sich die Gegensätze. Und während es durch höhere Bildungsabschlüsse in den 70ern und 80ern im Fahrstuhl für alle nach oben ging, spricht Habeck vom Paternoster, weil der Hauptschulabschluss nichts mehr wert und selbst der Studienabschluss weniger wert ist, da es mehr Studierende gibt.

Soziologisch lässt sich der Wertekanon der politischen Mitte der Nachkriegszeit nicht mehr halten. Habecks Sorge um die liberale Demokratie teile ich. Als Minister habe er Betroffenen ernst genommen, um so Veränderungen leichter durchzusetzen (338). Über die direkte Demokratie hätte er etwas mehr schreiben können. Er meint, im hohen Norden hätte es direkt eine Abstimmung gegen die Rechtschreibreform gegeben (348), was auch nicht der Weisheit letzter Schluss sei. Die Idee der Bürgerräte überzeugt mich aber auch nicht vollständig, weil mich deren Auswahl wenig überzeugt. Wer lost, der diskutiert vielleicht nur uninteressierten Bürger zum Thema und wer nach Vorwissen auswählt, der hat wieder einen Expertenrat. Als Bürger der Stadt Heidelberg, kann ich mit der großen Mehrheit der Bewohner sagen, dass die Verwaltung nach 4 verlorenen Bürgerentscheiden immer eine bessere Lösung gefunden hat. Ich bin für direkte Demokratie, die in der Kommune anfängt.

Aus Platzmangel sind die Schwächen diesen klugen Buches ausführlicher dargestellt als die Stärken. Selbst über die Stärke von Schachcomputern weiß Habeck Bescheid. 4 Sterne

4 von 5 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 01.08.2021
Jetzt
Baerbock, Annalena

Jetzt


weniger gut

Zeitgeschichtliches Dokument

Ohne das Wissen um die Plagiatsaffäre lässt sich dieses Buch nicht mehr lesen. Mit dem Wissen stellt sich die Frage, warum Baerbock überhaupt dieses Buch geschrieben hat. Wollte sie zeigen, dass sie selbst im Bücherschreiben mindestens genau so klug wie ihr Co-Vorsitzender und gelernter Schriftsteller Habeck ist, der selbst vor kurzen mit einem neuen Buch herauskam?

Die Grünen-Chefin wollte vielleicht anhand ihres persönliches Leben zeigen, wie sie zu ihren politischen Überzeugungen kam. Dies funktioniert, wenn sie auf S.130f schreibt, dass das kaputtgesparte privatisierte Gesundheitssystem in London ihr nicht gereicht hat, ja berührt war ich auch von der Geschichte ihrer Mutter mit der sie den zweiten Bildungsweg lobt, weil ihre Eltern traumatisiert waren, da ihre Schwester von einer Straßenbahn überfahren wurde. Gern gelesen habe ich auch noch auf S.140, dass sie auf dem Weg zur deutschen Meisterin im Trampolinspringen war.

Weniger überzeugt haben mich Banalitäten wie: „Ich gehöre zu einer Generation, die weder jung noch alt ist, sondern mittendrin.“ (17) Ich frage mich auch, wie sie auf eine so krumme Zahl kommt, wenn sie auf S.34 eine Kindergrundsicherung von maximal 503€ fordert. Zur guten Selbstdarstellung gehört, dass die Autorin sich als einzige Mutter mit Kind beim Klimagipfel in Paris inszeniert. Sie merkt schon selbst, dass es peinlich ist, dass ihr Geburtsjahr 1980 mit dem Gründungsjahr ihrer Partei identisch ist (160), kann sich aber nicht durchringen, dies einfach wegzulassen. Durch das Bekanntwerden ihres frisierten Lebenslaufs zweifle ich schließlich an ihrem Praktikum im Europäischen Parlament.

Die Kanzerlinkandidatin hätte gut daran getan auf dieses Buch zu verzichten und auf ihren Kollegen Habeck zu verweisen. Ihre politischen Forderungen sind bekannt. Sie selbst schreibt: „Achte darauf, dass du Wege findest, mit einem Fuß im Alltag zu bleiben.“ (24) Dieses Werk zeigt, dass genau dies ihr nicht gelungen ist, sondern dass sie als Hochstaplerin herüberkommt. Nur 2 Sterne

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 28.07.2021
Das Gartenzimmer
Schäfer, Andreas

Das Gartenzimmer


sehr gut

Architekturbetrachtungen

Lange Zeit hielt ich den Roman für eine fiktive Erzählung. Dann las ich die Kritik der SZ und mir gefällt die Geschichte von der Villa Max Teubner als Mies van der Rohe und deren Bewohner als Ehepaar Rosen noch besser. Ja, ich hätte Lust, mir das Haus in Potsdam anzschauen, was im Roman nach Berlin-Dahlem verlegt wurde.

Allerdings muss ich doch Wasser in den Wein schütten. Die Geschichte der Gegenwart, die zwischen 2001 und 2005 pendelt, hat mich weit weniger interessiert. Zweifellos kann ich mir vorstellen, dass die Schatten der Nazi-Vergangenheit sich auf die Bewohner auswirken, doch interessiert mich nicht wirklich, ob das Haus zum Museum wird oder ob es unbewohnt bleibt. Viel Glück hat es den Romanfiguren jedenfalls nicht gebracht.

Ich schwanke zwischen 3 und 4 Sternen, entscheide in dubio pro reo und hoffe auf die Leserin, die einen Stern weniger vergibt.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 21.07.2021
Frauen und Macht
Beard, Mary

Frauen und Macht


ausgezeichnet

Die Wurzeln der Me-Too-Bewegung

Zwei Reden, die nicht mehr als Rede zu erkennen sind und sich auch nicht wiederholen, enthält dieses Büchlein. Und ja, es lohnt sich zu lesen, dass schon in der Odyssee Telemachos seiner Mutter empfiehlt, an den Webstuhl zurückzukehren und die große Rede den Männer zu überlassen.
Überhaupt haben die Frauen in der Antike zu schweigen, es sei denn, es geht um sie selbst oder ihre Familie. Selbst der Streik in Lysistrate bei dem die Frauen den Männern den Sex verweigern hat nur bei letzteren zur mehr Erektionen geführt, aber die Verhältnisse nicht geändert. Und die vergewaltigte Io wurde in eine Kuh verwandelt, damit ihre Erlebnisse wie bei Weinsteins Opfer nicht öffentlich werden.

Lange wurde die weibliche Stimme als schrill empfunden. Moderne Politikerinnen wie Thatcher hätten trainiert, ihre Stimme tiefer und männlicher werden zu lassen. Mit ihrer Handtaschen und ihren blauen Strumphosen hat sie ihren Parteifreunden den Wind aus den Segeln genommen.

Es lohnt sich für einen Nachmittag, dieses Werk zu studieren. 5 Sterne

Bewertung vom 20.07.2021
Unsere Welt neu denken
Göpel, Maja

Unsere Welt neu denken


sehr gut

Nachhaltiges Wirtschaften

Wirklich Neues steht in diesem durchgegenderten Buch nicht. Aber die Autorin fasst in einfacher Sprache zusammen, wie wir den Klimawandel bekämpfen könnten. Nein, der Homo Oekonomicus existiert nicht so, wie sich die Wissenschaft das vorstellte. Und wenn wie bei der Glühbirne dank technischen Fortschritt Rohstoffe eingespart werden und der Preis sinkt, kommt es wegen dem „Rebound-Effekt“ zu einer weiteren Verbreitung der Glühbirne, der die Einsparung mehr als ausgleicht. Deswegen fordert Göpel eine Beschränkung des Konsums.

Durch die Betrachtung der Flugbewegungen der Superreichen schließt sie, dass etwa Bill Gates 18mal mehr CO2 verbraucht als der Normalbürger. Auch eine gerechtere Verteilung des Vermögens trägt also zum Klimaschutz bei. Es sei übrigens auch der Staat, der den meisten Fortschritt gebracht habe, nicht die Privatwirtschaft.

Die ein oder andere Formulierung hätte Göpel sich noch sparen können, dennoch habe ich das Buch schnell und gerne gelesen, da aber Neues fehlt nur 4 Sterne.

Bewertung vom 11.07.2021
Unglaubwürdige Reisen
Aichinger, Ilse

Unglaubwürdige Reisen


schlecht

Falscher Titel

Reingefallen! Ich erwartete entweder Reisebeschreibungen, die daheim nicht geglaubt wurden oder die ganz erfunden sind. Stattdessen bekam ich Zeitungskolumnen mit Schwerpunkt Wien. Auch berühmte Schriftsteller kommen nicht zu kurz. Als von Musil und „Eine Reise in die Langeweile“ die Rede war, reichte es mir, also bis S.59 gelesen und 1 Stern

0 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 11.07.2021
Schorfheide
Falkner, Gerhard

Schorfheide


weniger gut

Gekonnte Langeweile

Ijoma Mangold hat das Buch in „lesenswert“ mal empfohlen. Er hätte zu diesem Buch auch eine Interpretation schreiben sollen, weil ich offenbar nicht zu den „literarisch Aufgeschlossenen“ gehöre, von denen der Autor in seinem Nachwort schreibt.

„GRAS, rückwärtsgesprochen“ (106) hat mir gefallen, ebenso das Gedicht von S.105, im Manila-Kapitel habe ich Rhythmus und Reim erkannt und gleich ging es mir besser.
Über weite Strecken hat der Autor aber nur die Langweile wiedergegeben, die ich mit der Landschaft Schorfheide verbinde. Ich hätte vielleicht eine Vielzahl von Wörter nachschlagen sollen, - ja den erklärende Anhang habe ich bemerkt, wobei die Leserin vorne nicht weiß, welches Wort hinten erklärt wird - wozu ich mich aber nicht aufraffen konnte.

„Ein Alter aber steht am Rande von Angermünde wie ein verschossener Elfmeter“ heißt es auf Seite 46. Originell finde ich dies - wie der Zug nach Gesundbrunnen - weil Eichendorff so nicht gedichtet hätte. Aber deswegen möchte ich dieses Gedicht nicht als große Kunst bezeichnen. Hinzu kommt, dass im Nachwort steht, dass die Metapher ermüdet sei.

Meine Landtriologie mit Ruge und Bätzing endet mit der Erkenntnis, dass ein weiterer Versuch mich den modernen Gedichten zu nähern, gescheitert ist. 2 Sterne

Bewertung vom 10.07.2021
Das Landleben
Bätzing, Werner

Das Landleben


weniger gut

Uta Ruges Buch „Bauern, Land“ ist besser

Es ist schon ein Kreuz mit den Wissenschaften. Da muss der Autor erst reihenweise seine Kollegen zitieren, um dann festzustellen, dass die Bevölkerungsdichte für die Defition des Landlebens völlig ausreicht. In schöner Regelmäßigkeit wird erstens, zweitens drittens aufgezählt, damit die Studierenden auch gut auswendig lernen können. Und das Kapitel der Alt- und Jungsiedelräume gehört schon ein Kapitel eher behandelt, damit die Chronologie eingehalten wird.

Weiter frage ich ernsthaft, ob ein Buch über Landleben 2 Seiten lang den demografischen Wandel erklären muss. Die „Drei-Sektoren-Hypothese“ wird auch häufiger benutzt, ohne sie beim Namen zu nennen. Warum zwischen einem „solaren Zeitalter“ und dem „fossilen Zeitalter“ unterschieden wird, wird lang erläutert. Diese Erklärung ist aber unnötig. Gleiches gilt für die Erläuterung, dass Traditionen angepasst werden müssen (112). Was die „autogerechte“ Stadt (138) in einem Buch zum Landleben zu suchen hat, weiß der Autor vielleicht selbst nicht.
Anfangs werden die Hochkulturen der Welt beschrieben, bevor auf den „Sonderweg“ Europa eingegangen wird. Und was ist mit China? Aber gut, Bätzing betrachtet die deutschen Verhältnisse.

Während er klare Sachverhalte noch erklärt, bleiben steile Thesen unbewiesen:
„Während alle Bauerngesellschaften in der Gegenwart die Zukunft antizipieren und ihr gesamtes Wirtschaften und Handeln so gestalten, dass es dauerhaft ausgeführt werden kann, wirtschaftet die Industriegesellschaft lediglich kurzfristig […]“ heißt es auf S.122. Aber ob die moderne Landwirtschaft mit dem chemischen Dünger wirklich nachhaltig ist, bedarf zumindest einen Beweis.
Unter Abb.15 steht: „Das Landleben war 1955 dem Mittelalter viel näher als dem heutigen Leben.“ Auch dieses Erklärung bedarf eines Beweises. Zum einen zeigen die späteren Tabellen des Autors, dass die Landwirtschaft einem steigen Wandel unterzogen ist zum anderen werden die Bauernhäuser 1955 im Gegensatz zum Mittelalter bereits an Strom und Wasser angeschlossen sein.

Im Unterschied zu Ruge behandelt Bätzing, aber nicht nur Bauern, sondern die gesamte Landbevölkerung. Durch die Modernisierung werden vermutlich ab den 50er Jahren Arbeitskräfte im Agrarbereich frei, die nicht mehr in die Stadt oder nach Amerika abwandern. Einen Statistik über den Anteil der Bauern an der Landbevölkerung fehlt. Wenn es sie nicht gibt, hätte Bätzing ein Beispieldorf auswählen sollen wie Ruge für Neubachenbruch.

Ab S.162 wird das Buch besser. Wenn die Thesen auch nicht neu sind, so sind sie gut zusammengefasst wie etwa zu den Regionalkulturen. Auch die Leitideen haben mir gut gefallen.

Lesen Sie S.162-205 und 233-250, denn für das ganze Buch gibt es von mir nur 2 Sterne.