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Lesendes Federvieh
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München
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Hinter dem Namen Lesendes Federvieh verbirgt sich das Blogger-Duo kathiduck und Zwerghuhn. Wir lesen querbeet alles, was uns zwischen die Finger kommt und veröffentlichen die Rezensionen dazu auf unserem Blog (lesendes-federvieh.de). Dort gibt es übrigens noch viele weitere Beiträge rund ums Thema Buch. :)

Bewertungen

Insgesamt 539 Bewertungen
Bewertung vom 22.04.2020
Die Schule am Meer
Lüpkes, Sandra

Die Schule am Meer


sehr gut

Juist 1925. Auf der kleinen Nordseeinsel gründen ambitionierte Lehrer, darunter Anni Reiner und ihr Mann Paul eine Schule, die durch ein neues, modernes pädagogisches Konzept besticht. Gleichberechtigung und Lernen im Einklang mit der Natur stehen an erster Stelle. Für die musikalische Bildung der Kinder setzt sich der talentierte Pianist und Dirigent Eduard Zuckmayer ein. Alle, sowohl Lehrer als auch Schüler, machen begeistert mit. Doch kann sich dieses Schulformat in den schwierigen Zeiten, die sich immer stärker ankündigen, durchsetzen?

Eine neue Schule, deren Konzept ihrer Zeit weit voraus und sehr modern und kindgerecht war, den Schülern zwar Pflichten auferlegte, aber gleichzeitig Freiraum zur individuellen Entfaltung bot, der in einer Regelschule undenkbar war. Mit engagierten und motivierten Lehrern, die den Mut und Willen aufbrachten etwas Neues im pädagogischen Miteinander zu versuchen.

Klar, interessant und spannend beschreibt die Autorin diesen nicht immer leichten Weg, den Kampf ums Geld, gegen wachsende politische Schwierigkeiten und den Kraftakt die Schule mitsamt Internat erhalten zu können. Dieser Roman ist nicht nur ein Stück deutscher Geschichte in dunkel aufziehender Zeiten, sondern erzählt auch vom Werdegang der Schüler auf der einen Seite und dem beschwerlichen Dorfleben der Einheimischen auf der kleinen Insel. Gerade durch den absolut gelungenen Mix aus Historie und künstlerischer Freiheit der Autorin liest sich dieser Roman so locker und leicht. Denn dadurch erfährt man nicht nur vieles zur Schule, sondern auch eine Menge zum Leben auf der kleinen Nordseeinsel.

Detaillierte und bildhafte Beschreibungen von Juist lassen den Leser den Wind, das Meer und die Sonne spüren, so dass man mitten im Geschehen dabei sein darf. Die Charaktere wirken allesamt authentisch mit all ihren Eigenheiten, Stärken und Schwächen. Durch die Fotografien am Anfang und Ende des Buches bekommt man einen guten Einblick über die Schulanlage und den Schulalltag mitsamt der Schulfamilie. Das rundet die Geschichte gelungen ab.

Fazit: Es hat mir große Freude bereitet, diesen interessanten, historisch fundierten und fesselnden Roman zu lesen.

Bewertung vom 14.04.2020
Paul
Baldy, Juliane

Paul


ausgezeichnet

Endlich Sommerferien. Man trifft sich auf dem Stuhü, einem Park mitten in Berlin. So auch der siebzehnjährige Paul. Er trifft sich dort mit den Leuten aus seiner Schule, ohne einer bestimmten Clique anzugehören. Für ihn passt das so. Dort lernt er Ida näher kennen und trifft sich täglich mit ihr. Allerdings nur noch online, denn sie verbringt ihre Ferien auf Sizilien. Doch diese Freundschaft verändert Paul. Zeitgleich nimmt auch sein Offline-Leben Fahrt auf. Er wird auf Partys eingeladen und verbringt Zeit mit Freunden. Doch plötzlich kommen keine Nachrichten mehr von Ida, was ist los? Die Realität schwappt wie eine Welle über Paul herein...

"Paul" ist ein großartiger Roman, den ich mit großer Begeisterung gelesen habe, denn dieses Buch ist so erfrischend anders. Es lebt von seinem absolut sympathischen 17-jährigen Titelhelden Paul und dem außergewöhnlichen, unkonventionellen Schreibstil der Autorin.

Alles was Jugendliche in diesem Alter so bewegt wie Freundschaft, Liebe, Verlust und Familienkonstellationen, packt sie in diesen lebendigen und fesselnden Roman. Ihre Charaktere sind facettenreich skizziert und wirken absolut „echt“. Die Handlung und die Personen sind direkt aus dem Leben gegriffen, dazu alles flott und modern geschrieben, ich konnte das Buch nicht mehr aus der Hand legen.

Das liegt natürlich auch daran, wie die Autorin erzählt und somit bin ich beim Schreibstil angelangt, der mich von den Socken gehauen hat. Kurz, prägnant und auf den Punkt gebracht lässt sie den Leser an Pauls Leben teilhaben. Durch die teilweise abgehackt klingenden Sätze kann man direkt in Pauls Gedanken- und Gefühlswelt eintauchen. Man denkt die Sätze selbst zu Ende und ist dadurch irgendwie in seinem Kopf und fühlt mit ihm mit. Das hat mir super gefallen.

Endlich mal etwas ganz anderes, frisch von der Leber weg, kurzweilig und trotzdem mit Tiefgang. Ganz klar kommt "Paul" auf meine Liste der Lieblingsbücher 2020. Ich freue mich schon jetzt auf das nächste Buch der Autorin, denn dieses Debüt finde ich einfach großartig.

Fazit: Für alle Fans von außergewöhnlichen Schreibstilen

Bewertung vom 07.04.2020
Echo des Schweigens
Thiele, Markus

Echo des Schweigens


sehr gut

Der Strafverteidiger Hannes Jensen kann mit seinem neuesten Fall die Karriereleiter bis ganz nach oben erklimmen. Er vertritt einen Polizisten, der im Verdacht steht, schuld am Tod eines Asylbewerbers zu sein. Jensen ist fest von der Unschuld seines Mandanten überzeugt, doch ein neues medizinisches Gutachten belastet seinen Klienten schwer. Und dieses Gutachten stammt ausgerechnet von Sophie Tauber, in die er sich verliebt hat. So bleibt es nicht aus, dass die beiden im Gericht aufeinander treffen. Was ist nun wichtiger, juristische oder moralische Integrität, Recht oder Gerechtigkeit. Schwierige Fragen, doch auch Sophie muss sich diesen Fragen stellen, als sie von einem jahrzehntelang verschwiegenen Verbrechen Kenntnis erlangt...

Markus Thiele ist mit "Echo des Schweigens" ein fesselnder und absolut unterhaltsamer Roman gelungen, den ich sehr gerne gelesen habe. Spannend von der ersten Seite an verflogen die Seiten in Windeseile.

Das liegt zum Einen an der perfekten Kombination aus einem packenden Justizdrama und einem historischen Roman. Zum Zweiten an den hervorragend skizzierten und authentischen Charakteren, die den Menschen hinter diesen Tragödien ein Gesicht geben und zum Dritten am Erzählstil des Autors.

Klar, sachlich und spannend schildert er den Verlauf des Falles und zwar so detailliert und präzise, dass ich immer wieder überlegte, ob der Angeklagte wirklich unschuldig ist oder doch nicht. Sehr interessant fand ich ebenso das Aufeinanderprallen der zwei Welten Rechtsmedizin und Verteidigung, verbunden mit der Frage wie schwierig es ist, seinen Standpunkt durchzusetzen.

Ebenso fesselnd aufgebaut und formuliert ist Sophies Familiengeschichte in Zeiten des Dritten Reichs. Durch den steten Wechsel von Gegenwart und Vergangenheit kam ich ziemlich schnell über die Begriffe Recht und Gerechtigkeit ins Grübeln. Aber nicht nur darüber, sondern auch wie unterschwellig rechtes Gedankengut in unserer aktuellen Gesellschaft immer noch präsent ist.

Dieses Buch behält den Leser auch noch nach der letzten Seite in seinem Bann, denn es behandelt für unsere Gesellschaft wichtige Themen, die nicht in Vergessenheit geraden dürfen.

Fazit: Ein Plädoyer gegen das Vergessen

Bewertung vom 02.04.2020
Ein halbes Herz
Lundberg, Sofia

Ein halbes Herz


sehr gut

Die schwedische Starfotografin Elin Boals hat sich in New York einen Namen gemacht und kann sich vor Aufträgen kaum retten. Ihr Arbeitsalltag bestimmt daher ihr Leben, ihr Mann und ihre Tochter sind fast schon nebensächlich geworden. Doch liegt ihre Arbeitswut nur in ihrer Karriere begründet oder verdrängt sie irgendetwas? Als vollkommen überraschend ein Brief aus ihrer Heimat Gotland eintrifft, brechen die Schatten der Vergangenheit durch, denn Elin lebt mit einer großen Schuld, weswegen sie vor vielen Jahren Schweden den Rücken kehrte. Kann sie mit diesem Geheimnis weiterleben oder soll sie sich der Wahrheit stellen und nach Gotland reisen...

"Ein halbes Herz" ist das erste Buch, das ich von Sofia Lundberg gelesen habe. Sie erzählt in einem angenehmen, flotten Schreibstil die Geschichte von Elin, dabei abwechselnd ihre Kindheit und Jugend in Schweden und ihr Leben jetzt in New York. Durch die Verknüpfung dieser beiden Erzählstränge konnte man gut nachvollziehen, warum die erwachsene Elin so verschlossen ist und das auch gegenüber ihrer Familie.

Dennoch habe ich mich mehr darauf gefreut, wieder etwas über ihre Kindheitserlebnisse in Schweden zu erfahren, als Elin in New York zu begleiten. Der Schweden-Teil ist spannender, es passiert einfach mehr, die Landschaftsbeschreibungen sind so bildhaft, dass man am liebsten hinreisen möchte. In Amerika hingegen erfährt man Interessantes über ihre Arbeit als Fotografin, das fand ich super, aber darüber hinaus war dieser Erzählstrang eher ruhig. Zur erwachsenen Elin war es für mich schwer, einen Zugang zu finden, hatte sie sich doch sehr verändert. Aber ihre Erlebnisse in der Jugend haben eben Spuren hinterlassen.

Insgesamt habe ich das Buch gerne gelesen, das liegt sicher auch an den liebevoll und authentisch skizzierten Charakteren, mit all ihren Ecken und Kanten, die die Geschichte lebendig werden ließen - und dem wirklich ansprechenden Schreibstil der Autorin.

Bewertung vom 01.04.2020
Das Beste kommt noch
Roper, Richard

Das Beste kommt noch


ausgezeichnet

Andrew hat einen nicht ganz alltäglichen Job, er ist Nachlassverwalter und das ist kein Zuckerschlecken. Aber glücklicherweise gibt es da noch seine Frau und die beiden Kinder, die ihn von seinem stressigen Alltag ablenken. Das denken zumindest seine Kollegen im Amt. Dem ist allerdings nicht so, denn Andrew hat geflunkert, denn eigentlich lebt er allein in einer kleinen schäbigen Londoner Mietwohnung. Und das einzige was dort auf ihn wartet sind seine Modelleisenbahn und die Schallplatten von Ella Fitzgerald. Doch dann bekommt er eine neue Kollegin, Peggy - und plötzlich ändert sich alles...

Was für ein tolles Buch! Richard Roper hat eine tiefgründige, warmherzige, witzige und absolut süchtig machende Geschichte geschrieben, die ich einfach nicht aus der Hand legen konnte. Er erzählt von Andrew, dem sympathischen und liebenswerten Nachlassverwalter, der es im Leben dennoch nicht leicht hat. Es ist einfach wunderschön zu lesen, wie er durch seine neue Kollegin Peggy langsam seine Barrieren durchbricht und aus sich herausgeht. Durch den angenehmen, emotionalen und gleichzeitig auch humorvollen Schreibstil ist es ein Vergnügen Seite um Seite zu lesen. "Das Beste kommt noch" ist ein Buch, das Mut macht und zeigt, dass es sich immer lohnt zu kämpfen und etwas zu verändern.

Dieser absolut lesenswerte Roman lebt aber nicht nur von seiner klasse Handlung, sondern auch von den brillant geschaffenen Charakteren. Sie harmonieren perfekt, denn alle haben ihre Eigenheiten und wirken dadurch umso menschlicher und authentischer. Andrew ist mit seiner zurückhaltenden, aber dennoch herzlichen Art wie ein guter Freund geworden, dem man immer fester die Daumen drückt, dass seine Wünsche in Erfüllung gehen.

Für mich gehört dieses Buch ganz klar zu meinen Favoriten für 2020. Es ist ein ganz besonderes Buch, nach ein paar Seiten kam mir der Gedanke, typisch englisch schön. Und genau das ist es. Unvergleichlich.

Fazit: Das Beste ist schon angekommen

Bewertung vom 01.04.2020
Sternenblütenträume
Sosnitza, Ulrike

Sternenblütenträume


sehr gut

Bei Hochzeitsfotografin Nina ist das Leben momentan ziemlich durcheinander. Als Neu-Single und ohne Wohnung ist sie wieder bei ihren Eltern eingezogen. Dass das keine Dauerlösung sein kann, ist ihr durchaus bewusst. Eine neue Wohnung zu ergattern ist nicht so einfach, geschweige denn einen neuen Mann zu finden. Doch eines Tages trifft sie auf einer versteckten Lichtung im Wald auf Felix. Die beiden verlieben sich Hals über Kopf ineinander, alles scheint perfekt. So lange, bis die Realität zuschlägt und ein schreckliches Geheimnis ihre Liebe auf eine harte Probe stellt...

Ulrike Sosnitza zählt zu meinen Lieblingsautorinnen und sie hat mich auch diesmal nicht enttäuscht. „Sternenblütenträume“ ist ein kurzweiliges Lesevergnügen mit Tiefgang, bei dem man so richtig schön aus dem Alltag abtauchen kann. Durch den angenehmen, klaren Schreibstil und den lebendigen Dialogen verflogen die Seiten in Windeseile.

Die Autorin schafft es mit Leichtigkeit ernste Themen (hier Vertrauen, Schuld und Vergebung) mit Humor und Romantik so zu verweben, dass daraus eine fluffige, lockere Geschichte wird, die ich sehr gerne gelesen habe. Und zusätzlich bleibt aber auch etwas zum Nachdenken. Diese Vielschichtigkeit schätze ich an der Autorin besonders.

Die detailliert und präzise ausgearbeiteten Charaktere mit all ihren guten und schlechten Seiten runden den gelungenen Roman ab. Ein moderner Roman, der genau in unsere Zeit passt, man kann sich als Leser sehr gut in die Handlung hineinversetzen - und nebenbei lernt man auch noch etwas über Fotografie. Wer einen Frauenroman lesen möchte, der neben einer spannenden Unterhaltung, auch noch eine Portion Nachhaltigkeit bereithält, der ist hier genau richtig.

Fazit: Sternenblüten zum Träumen

Bewertung vom 26.03.2020
Die Ärztin - Eine unerhörte Frau / Amelie von Liebwitz Bd.1
Fisch, Sabine

Die Ärztin - Eine unerhörte Frau / Amelie von Liebwitz Bd.1


gut

Berlin, 1908: Die junge Amelie von Liebwitz, Tochter eines Arztes und einer Hebamme, hat seit ihrer frühen Kindheit den Traum später einmal Ärztin zu werden. Als erste Frau in Berlin nimmt sie gemeinsam mit ihrer besten Freundin Felicitas das Studium der Medizin auf. Ihr Geschlecht, gepaart mit dem ungebrochenen Ehrgeiz und dem offenkundigen Talent, sorgt bei den männlichen Kommilitonen wie Professoren für reichlich Protest und Anfeindungen. Dennoch lässt Amelie sich nicht von ihrem Bestreben abbringen, bis ihre Liebe zur Medizin durch einige Schicksalsschläge auf eine harte Probe gestellt wird.

Amelie von Liebwitz eckt an. Mit ihrer lauten, lebensfrohen Art, ihrem eisernen Willen als Frau Medizin zu studieren und ihrem damit verbundenen immerwährenden Kampf sich gegen die männlichen Kollegen durchzusetzen. Auch ich hatte es nicht immer leicht mit der extrovertierten jungen Dame, die nicht viel von Konventionen hält. Sie ist mit ihrer Sprunghaftigkeit und ihrer Direktheit ein eher speziellerer Charakter, aber dennoch habe ich sie im Laufe der Geschichte ins Herz geschlossen.

Berlin zu Beginn des 20. Jahrhunderts und besonders das gesellschaftliche Leben wird nicht nur anhand der authentischen Schilderung lebendig, sondern beginnt bereits bei dem sprachlich angepassten Schreibstil. Einige beinahe schon übertrieben hochgestochene Begrifflichkeiten wie etwa "derer von Wallersdorf" waren zunächst etwas ungewohnt, fügen sich jedoch gut in die damalige Zeit und haben sich auch recht bald problemlos in den Lesefluss integriert.

Während des Lesens hatte ich jedoch beinahe den Eindruck, als hätte Sabine Fisch den Roman nicht chronologisch geschrieben, sondern die einzelnen Teile der Erzählung Stück für Stück zusammengefügt. Das bietet sich bei der Erzählweise in Rückblenden natürlich prinzipiell an. Allerdings habe ich es als höchst störend empfunden Charaktere, die schon wiederholt handlungsrelevant mitten im Geschehen dabei waren, erneut vorgestellt zu bekommen und das mitunter mehrmals. Teils waren das nur beschreibende Nebensätze, aber diese überflüssigen Wiederholungen haben ausgereicht, um für Stirnrunzeln und einen faden Beigeschmack zu sorgen. Vor allem, wenn es sich dabei um tragende Protagonisten der Geschichte handelt, wie den besten Freund im Kollegium oder den größten Rivalen seit Studienbeginn.

Neben dieser stilistischen Komponente hat die Erzählung in meinen Augen auch inhaltlich einige Schwachstellen, da manche Abzweigungen in der Handlung doch zu konstruiert wirkten. Das ist bei den Romanzen mit den beiden angehenden Starmusikern, die natürlich jeweils beide genau auf Amelie aufmerksam werden, wie auch bei ihrem Lehrstuhlangebot in der näheren Gegenwart der Fall.

Was mir hingegen sehr gut gefallen hat, ist die ausführliche Beschreibung der medizinischen Themen. Man ist nicht nur Teil von Amelies Studium und bekommt dort einen tatsächlichen Einblick in die Vorlesungen und die Präparierkurse, sondern steht auch im Operationssaal an ihrer Seite. Dabei gelingt es Sabine Fisch eine gute Balance zwischen medizinischem Informationsgehalt und authentischer Schilderung zu finden, sodass auch Laien ohne Magenflattern auskommen werden.

"Die Ärztin – Eine unerhörte Frau"“ ist ein trotz einiger Schwachstellen durchaus lesenswerter medizinhistorischer Roman über eine junge Arzttochter, die in die Fußstapfen ihres Vaters treten möchte und sich im Studium als erste Frau gegenüber ihren männlichen Kollegen und Dozenten mit ihrer eigenwilligen Art zu behaupten versucht.

Bewertung vom 26.03.2020
Loyalitäten
Vigan, Delphine de

Loyalitäten


ausgezeichnet

Théo versucht alles richtig zu machen. Seine getrennt lebenden Eltern nicht zu enttäuschen und ein guter Schüler zu sein. Doch dieser Spagat überfordert den erst 12-jährigen Jungen zunehmend. Außer seiner Klassenlehrerin und der Mutter seines besten Freundes fällt niemandem etwas auf. Théo steuert mit Vollgas auf den Abgrund zu...

"Loyalitäten" ist eines jener großartigen Bücher, die man nicht so schnell vergisst. Delphine de Vigan ist mit diesem kleinen, feinen Buch ein Gesellschaftsportrait gelungen, das seinesgleichen sucht. Präzise und schonungslos offen beschäftigt sie sich mit dem Thema Loyalität in seinen verschiedenen Ausprägungen. Sie schreibt über menschliche Abgründe, innere Zerrissenheit und über emotionales Alleingelassensein.

Dabei nimmt sie den Leser mit in Théos verkorkste Welt und somit hat das Geschehen ein Gesicht, nämlich das eines liebenswerten 12-jährigen Jungens, der versucht alles zusammenzuhalten. Es war für mich fesselnd und aufwühlend zugleich, Théo auf seinem Weg zu begleiten. Seite um Seite war ich von diesem intensiven, kraftvollen Buch mehr und mehr fasziniert - und erschüttert.

Delphine de Vigan schafft es mühelos den Leser durch ihre klare, ruhige Sprache zum Nachdenken anzuregen. Es reicht doch oft schon ein genauerer Blick und ein Quäntchen Mut, um einem Menschen zu helfen.
Für mich gehört dieses Buch auf jeden Fall zu meinen Highlights 2020.

Fazit: Lieblingsbuchpotenzial

Bewertung vom 25.03.2020
Der letzte erste Kuss / First Bd.2
Iosivoni, Bianca

Der letzte erste Kuss / First Bd.2


ausgezeichnet

Seit ihren ersten Tagen am College sind Elle und Luke beste Freunde. Beide sind in der Vergangenheit zu oft verletzt worden, als dass sie ihre Freundschaft für eine Romanze aufs Spiel setzen wollen. Doch dann ändert ein leidenschaftlicher Kuss alles und macht es unmöglich das heftige Prickeln zwischen ihnen noch länger zu ignorieren. Aber für Elle und Luke hat ihre Freundschaft oberste Priorität, denn sie brauchen einander mehr als sie zunächst ahnen.

New Adult Geschichten wie "Der letzte erste Kuss" sind einfach perfekt, um etwas Farbe ins triste Alltagsgrau hineinzubringen. Sie sind Balsam fürs Leserherz. Darin steckt so viel Gefühl, das übergreift und jeden Gedanken für den Moment unbedeutend macht. Vergessen sind die anstehenden Klausuren und der damit verbundene Druck abzuliefern, vergessen sind die anderen abzuhakenden Punkte auf der To-do-Liste, die ein flaues Flattern von schlechtem Gewissen in der Magengegend verursachen. Das Einzige was zählt sind Elle und Luke, ihre besondere Freundschaft, das spielerische Necken und Flirten, die tiefgründigen Gespräche. Mit jedem Wort habe ich mehr in die beiden, ihr gegenseitiges Verständnis und Wertschätzung verliebt. Mit jedem weiteren Satz haben sich meine Gedanken weniger im Kreis gedreht. Und mit jedem Kapitel wurde mein Grinsen breiter, das Gefühl in der Herzgegend wärmer.

Mit Dylan und Emery habe ich Bianca Iosivonis tolle First-Gang kennengelernt, TNT hat mich mit einer unerwarteten Tiefe überrascht und mit Mason und Grace hat sich der Kreis geschlossen. Aber restlos begeistert haben mich Luke und Elle. Während mir bei den Geschichten der anderen Pärchen immer das gewisse Etwas gefehlt hat, so habe ich mich bei den beiden von Beginn an pudelwohl gefühlt. Der Funke ist schon in der ersten Szene übergesprungen, als Elle Luke wegen seiner neuesten Eroberung herrlich zur Schnecke macht und man die nahezu strahlende Chemie zwischen den beiden zu spüren bekommt. Das was Luke und Elle haben ist echt, sei es nun die Freundschaft zu der sich die körperliche Anziehung gesellt oder die intimeren Momente, die auch ohne klischeehafte Oberflächlichkeiten auskommen und stattdessen mit Wertschätzung und gegenseitigem Respekt beeindrucken.

"Der letzte erste Kuss" ist für mich dank der großartigen Chemie zwischen Elle und Luke, ihrer tiefgreifenden Freundschaft und ihrer mitreißenden Geschichte das absolute Highlight der Firsts-Reihe und ein wahrer New-Adult-Schatz.

Bewertung vom 20.03.2020
Haarmann
Kurbjuweit, Dirk

Haarmann


sehr gut

Hannover in den 1920er Jahren. Mit einer erschreckenden Regelmäßigkeit verschwinden Jungen. Gerüchte gibt es genug und so versucht der Ermittler Robert Lahnstein den Fall Haarmann aufzuklären. Doch bisher konnte man Haarmann nichts nachweisen. Lahnstein stösst auf Schweigen bei seinen Polizeikollegen und der mutmaßliche Täter fühlt sich unantastbar. Dazu kommen politische Spannungen, denn man traut in der Bevölkerung der jungen Demokratie nicht. So muss sich Lahnstein von Anfang an mit viel zu vielen Problemen herumschlagen, die seine Ermittlungsarbeit nicht gerade beschleunigen...

Dirk Kurbjuweits neuester Roman befasst sich mit einem spektakulären Kriminalfall aus den 1920er Jahren, dem Fall des Serienmörders Fritz Haarmann. Präzise und nüchtern schildert er die Ermittlungen von Robert Lahnstein, der von Anfang an mit Hindernissen und Rückschlägen bei seiner Polizeiarbeit zu kämpfen hat. Das politische Zeitgeschehen und die Stimmung im Land werden dabei gut mit der Aufklärung des Falles verknüpft. Diese "Zeit zwischen den Kriegen" wird sehr authentisch und atmosphärisch dicht beschrieben. Ich empfinde das Buch dadurch nicht als reinen Kriminalroman, sondern auch als einen Roman, der ein gutes Stück Zeitgeschichte vermittelt. Das hat mir sehr gut gefallen.

Auch die persönlichen Erlebnisse von Robert Lahnstein werden ausführlich geschildert. Das war mir an manchen Stellen fast zu viel, ich wäre lieber weiter beim Katz- und Maus-Spiel mit Haarmann geblieben. Denn diese Passagen sind absolut fesselnd und spannend, weil sie so realistisch und auf den Punkt genau und teils auch richtig heftig geschildert werden.

Speziell am Buch ist der Schreibstil des Autors. Klar, pointiert und genau schildert er die Ereignisse. Durch das Weglassen von Satzzeichen bei den Dialogen muss man sich konzentrieren, damit man das Gesprochene dem jeweiligen Protagonisten zuordnen kann. Diese Art muss man mögen. Das war zu Beginn für mich doch recht gewöhnungsbedürftig, aber je weiter ich gelesen hatte, desto mehr fand ich gerade diese fehlende Abgrenzung zum Fließtext gut. Es passt zu den komplizierten Ermittlungen, finde ich.

Insgesamt habe ich "Haarmann", gerne gelesen. Die Zeit in den Zwanzigerjahren des vorigen Jahrhunderts fand ich schon immer interessant und so hat mir dieser Kriminalroman unterhaltsame Lesestunden beschert.