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seschat
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Bewertungen

Insgesamt 895 Bewertungen
Bewertung vom 05.02.2021
Do what you can't
Belz, Tom

Do what you can't


ausgezeichnet

Tom Belz (*1987) aus Rodgau ist ein Kämpfer. Bereits mit neun Jahren erkrankt er an Knochenkrebs, in dessen Folge er sein linkes Bei verliert. Danach erscheint vieles für ihn undenkbar. An eine Beinprothese will und kann er sich nicht gewöhnen. Und Tom fragt sich, wie sein Leben fortan wohl aussehen wird? Wird er als "Behinderter" abgestempelt und gemieden werden? Mithilfe eines Arztes und durch seine Willenskraft fasst er für sich den Entschluss, sich trotz seines Handicaps von nichts und niemanden behindern zu lassen. Mit der Zeit wird er mutiger, spielt in einer Frankfurter Metalband, lernt surfen, schließt mehrere Ausbildungen ab und besteigt gar den Kilimandscharo. Tom Belz rockt sein Leben, wird vom Bundespräsidenten empfangen und macht betroffenen Kindern mit demselben Schicksal Mut. Mich hat an Belz' Buch vor allem sein unbedingter Wille und seine Ehrlichkeit imponiert. Offen und ungeschönt beschreibt er seine schönsten und schwersten Stunden. Bemerkenswert finde ich zudem, dass Belz für eine tolerante wie vorurteilsfreie Gesellschaft einsteht. Obschon er mit Handicap lebt, möchte er nicht unentwegt darauf reduziert werden und so viel wie möglich noch selbst bewältigen. Dies ist ihm auch bei seiner Arbeit in den Werkstätten Hainbachtal sehr wichtig. Chapeau, vor so viel Lebensmut!

Bewertung vom 01.02.2021
Fürst Pückler
Nolte, Dorothee

Fürst Pückler


ausgezeichnet

Ich kannte Fürst Pückler vor der Lektüre einzig durch das gleichnamige dreifarbige Eis. Doch dieser Adelsspross aus der Oberlausitz war ein Hansdampf in allen Gassen und rockte das 18. Jahrhundert. Herrmann Ludwig Heinrich Graf von Pückler auf Muskau (1785-1871) reiste für sein leben gern, schrieb über seine Reiseabenteuer, liebte die Damenwelt und den Gartenbau und war bis zu seinem 60. Lebensjahr chronisch verschuldet. Schon als Kind lies er sich nichts gefallen und lebte später nach seiner Façon. Mit 81 nahm er gar an der Schlacht bei Königgrätz teil, wenn auch schlafend. Seine ausgefeilten Parkbauten kann man bis heute in Bad Muskau, Branitz oder Babelsberg bestaunen.

Dorothee Noltes Anekdotensammlung ist wirklich lesenswert, was vor allem an der umtriebigen Persönlichkeit Pücklers und dessen reichhaltigem literarischen Nachlass liegen mag. Ich bin wahrlich über die Seiten geflogen und fühlte mich beim Lesen mehr als einmal an einen Schelmenroman erinnert. Dieser Hallodri und zugleich feinsinnige Schöngeist fasziniert einfach. Er verkehrte mit den Geistesgrößen seiner Zeit (Goethe, Humboldt, Kaiser Wilhelm I.) und sympathisierte zeitlebens mit der orientalischen Kultur (vgl. Titelbild - Pückler mit Fez) - war also in vielem recht modern. Die Zeittafel und Literaturempfehlungen am Buchende laden zu einer intensiveren Personenstudie ein.

Bewertung vom 24.01.2021
Wie Krankheiten Geschichte machen
Gerste, Ronald D.

Wie Krankheiten Geschichte machen


ausgezeichnet

Für geschichts- und medizininteressierte Leser ist dieses Buch eine reiche Fundgrube. Denn der Autor Ronald D. Gerste (*1957) weiß als studierter Historiker und Augenarzt genau, worüber er schreibt.

Obschon ich selbst mit Eifer Geschichte studiert habe, waren mir nicht alle Krankengeschichten der "Mächtigen" bekannt. Zu erfahren, wie krank viele Politiker bzw. historische Persönlichkeiten, wie z. B. Caligula, J. F. Kennedy, Woodrow Wilson oder Lenin, gewesen sind, hat einige Ereignisse in einem anderen Licht erscheinen lassen oder auch relativiert.

Doch nicht nur über die Krankheiten der "Mächtigen" von der Antike bis zur Jetztzeit berichtet Gerste, sondern auch über die großen Seuchen (Pest, Cholera, Syphilis, Spanische Grippe...).

Nun ist Gerstes Herangehensweise durchaus populärwissenschaftlich und damit allgemeinverständlich, aber dennoch stets quellengesättigt. Die Verbindung von Medizin- und Weltgeschichte ist dem Autor eindrücklich gelungen. Ich konnte das 384-seitige Buch gar nicht mehr weglegen und habe es mit Gewinn gelesen.

FAZIT
Wer einmal hinter die Kulissen der historisch Mächtigen schauen möchte und zudem interessiert an Medizin ist, der kommt an Gerstes Buch nicht vorbei. Meine erste Sachbuchüberraschung des Jahres 2021.

Bewertung vom 23.01.2021
Klo-Psychologe
Clever, Konrad;Kirchner, Moritz

Klo-Psychologe


ausgezeichnet

Der Psychologe und Politikwissenschaftler Moritz Kirchner hat unter dem Pseudonym Konrad Clever eine wirklich unterhaltsame wie lehrreiche "Klo-Lektüre" herausgebracht. In 100 pointierten Kapiteln, sog. "Sitzungen", vermittelt er dem interessierten Laien häppchenweise Psychologiewissen. Darin räumt er u.a. mit gängigen Vorurteilen gegenüber Psychologen auf, stellt die wichtigsten Vertreter vor (Freud, Jung, Skinner...) und beschreibt die unterschiedlichen Disziplinen innerhalb der Psychologie (Persönlichkeitspsychologie, Motivationspsychologie, Organisationspsychologie...) auf allgemeinverständliche Weise.

Clevers Einführung in das spannende Fach Psychologie traf auf Anhieb meinen Geschmack. Mir gefiel seine nicht immer bierernste Herangehensweise an die streckenweise komplizierte Thematik. Am Ende gab es sogar noch einen Test mit 30 Fragen, der den Leser ab 15 richtigen Antworten zum "Klo-Psychologen" qualifizierte. Auch an ein entsprechendes Zertifikat hat der Autor witzigerweise gedacht. Eines meines Highlights waren die exklusiven Einblicke in die Stillen Örtchen von Freud & Co.

FAZIT
Mit dieser Lektüre wird jeder Toilettengang zum Happening und ganz besonderem "Seminar" :-) Ich konnte, einmal angefangen, das Buch gar nicht mehr weglegen. Also aufpassen, denn es besteht hohe Suchtgefahr.

Bewertung vom 14.01.2021
Was geht, Österreich?
Reisinger, Eva

Was geht, Österreich?


ausgezeichnet

Was zeichnet Österreich abgesehen von Kaiserschmarrn, Schnitzel und Kaffeehausromantik aus? Die Autorin Eva Reisinger hat sich dazu eine Menge Gedanken gemacht und in eigenen sowie Erinnerungen von Freunden und Bekannten gekramt. Dabei ist ein recht kurzweiliges Buch herausgekommen, das wörterbuchartig die wichtigsten österreichischen Begrifflichkeiten, Austriazismen wie z.B. Suderantin, abklopft und mit Geschichten aus der oberösterreichischen "Provinz" verquickt. Die Journalistin Reisinger stammt selbst vom Lande und blickt gern auf diese Zeit und die Menschen zurück, die sie intensiver geprägt zu haben scheinen, als sie selbst zugeben will. Auch wenn Reisinger gegenüber der derzeitigen Politik in Österreich ihre Zweifel hegt und die FPÖ verteufelt, so zeichnet sie doch ein aktuelles, wenngleich subjektives Bild von Österreich.

Als Österreich-Sympathisantin war dieses Buch für mich eine Wohltat. Reisingers selbstironische wie uneitle Schreibe entsprach genau meinem Geschmack. Die einzelnen Kapitel/Stichwörter lasen sich schnell und unterhaltsam leicht. Mir gefiel mit welch Witz und Stolz sie von den österreichischen Traditionen plauderte.

FAZIT
Insgesamt ein kleine, aber feine Österreichreise für die Hosentasche - die gerade in Coronazeiten Laune macht. Mein persönliches Highlight war Reisingers Entdeckung, dass Österreich von oben gesehen (Umrisse, Geographie) wie ein Wiener Schnitzel aussehe. Ur Leiwand, Eva Reisinger!

Bewertung vom 10.01.2021
Ich sehe das, was du nicht sagst
Havener, Thorsten

Ich sehe das, was du nicht sagst


ausgezeichnet

Körper und Geist bilden eine Einheit und können daher nicht unabhängig voneinander betrachtet werden, wenn es um das Thema Körpersprache geht.

Thorsten Havener ist ein ausgewiesener Experte auf dem Gebiet der Körpersprache. Mit seinen Bühnenshows und Seminaren verblüfft er bis heute Menschen aller Alters- und Berufsgruppen. Der studierte Diplomübersetzer hat sich sein Wissen über Jahre hinweg als Zauberer und später als "Mentalist" angeeignet und von den Besten gelernt.

Ich bin ein ausgesprochener Fan von Haveners Körperlese-Fähigkeiten und lerne mit jedem seiner Buchs dazu. Es ist unglaublich, wie viel wir tagtäglich mit dem Körper reden und dies immer weniger wahrnehmen, weil wir nur auf das Gesprochene achten oder von Smartphone & Co abgelenkt werden.

In "Ich sehe das, was du nicht sagst" ist der Titel mehr als Programm. Darin schildert der Autor, was wir unserem Gegenüber mithilfe von Gestik und Mimik mitteilen. Dabei geht er auf alle relevanten Körperteile - von Gesicht bis Fuß - ein. Nach der Lektüre, das verspreche ich, werden Sie ihre eigene Körpersprache und die ihres Gegenübers besser verstehen und auch lenken können. Dies zu erkennen, kann in verschiedenen Lebensbereichen - beruflich wie privat - von großem Vorteil sein, weil man mit Worten blenden kann, aber mit dem Körper nicht, es sei denn man ist Schauspieler oder ein ausgefuchster Hochstapler. Mit einer stimmigen Mischung aus verbaler und nonverbaler Kommunikation kann man m. E. das eigene Leben positiv beeinflussen. Besonders wenn man ausgeglichen und ruhig ist, mache man körperlich laut Havener nichts verkehrt und einen guten bis bleibenden Eindruck. Bei Rednern oder Vorgesetzten seien vor allem jene erfolgreich, die mit klaren Worten und reduzierten Gesten argumentieren.

Persönlich fand ich die Techniken "L-K-L-Formel" und "Affirmation" sehr spannend, weil sich mit diesen das eigene und das Verhalten anderer positiv beeinflussen lassen. Zudem führt Havener in seinem Text einige interessante Forscher bzw. Künstler und deren Erkenntnisse/Werke (vgl. Quellenverzeichnis)an, die zu einem intensiverem Studium der Materie (Körpersprache, Psychologie...) einladen.

Natürlich habe ich als Kennerin von Haveners Œuvres die ein oder andere Beispielgeschichte wiedererkannt, was mich aber mitnichten gestört hat. Im Gegenteil, mir hat es gefallen, wie er im vorliegenden Buch die Erkenntnisse aus seinen bisherigen Veröffentlichungen noch einmal kurz und prägnant zusammengefasst und miteinander verbunden hat.

Havener schreibt zugleich fesselnd und kurzweilig. Er will nicht belehren, sondern Interesse wecken und zum Ausprobieren seiner "Körperlese-Techniken" verführen. Auf versinnbildlichende Fotos und Zeichnungen wurde dieses Mal zugunsten des Textes verzichtet.

FAZIT
Ein rundum lesenswertes Buch über Körpersprache, mit dessen Hilfe man seine Mitmenschen, auch ohne ein einziges gesprochenes Wort, einzuschätzen und zu beeinflussen lernt.

Bewertung vom 03.01.2021
Wie Hitler das Skateboard erfand
Kringiel, Danny

Wie Hitler das Skateboard erfand


ausgezeichnet

Der SPIEGEL-Journalist Danny Kringiel hat im vorliegenden Buch die besten Beiträge seiner 2012 gestarteten Online-Rubrik "Sieben Schritte" versammelt. Dabei verbindet er verschiedenste Themen aus der Weltgeschichte in sieben kleinen Artikeln miteinander. In diesen heiteren bis unerwarteten Kausalketten steckt nicht nur eine Menge Recherchearbeit, sondern auch viel Kurzweil. Ich habe mich während der Lektüre prächtig amüsiert und gleichzeitig allerhand neues, manches Mal auch unnützes (Geschichts-)Wissen dazugewonnen. So habe ich beispielsweise erfahren, dass Frank Sinatras Hit "My Way" auf einem französischen Beziehungslied basiert, Charles Lindbergh einst den Vorläufer der heutigen Herz-Lungen-Maschine konstruierte und Johannes Gutenberg gelernter Goldschmied gewesen ist.

Der Autor hat sein originelles Konzept bis zum Schluss konsequent und damit überzeugend durchgezogen. Diese Art der Geschichtsvermittlung ist spannend und m. E. zeitgemäß. Denn grade weil die "Geschichtshappen" alles andere als angestaubt präsentiert werden, laden sie zum vertiefenden Studium einzelner Themen und Bereiche ein.

Insgesamt hat Danny Kringiels vergnügliche Buchidee genau meinen (Lese-)Geschmack getroffen, so dass ich die 315 Seiten relativ zügig durchgelesen hatte und sich danach etwas Wehmut einstellte. Schon allein die ungewöhnlichen Kapitelüberschriften, z. B. "Wie Cäsar den FC Bayern gründete" oder "Wie die Schweinegrippe Lang Lang zum Piano-Weltstar erhob", sind eine Lektüre wert.

Bewertung vom 01.01.2021
Stellen Sie die Sirenen aus - mein Kind macht Mittagsschlaf!
Padtberg, Carola;Greiner, Lena

Stellen Sie die Sirenen aus - mein Kind macht Mittagsschlaf!


ausgezeichnet

Das Thema Helikoptereltern scheint geradezu unerschöpflich zu sein, sonst gäbe es den vorliegenden 3. Band von Lena Greiner und Carola Padtberg wohl nicht. Darin erfährt der Leser, was sich Eltern heutzutage so alles einfallen lassen, um ihren Nachwuchs vor der "harten Realität" zu schützen. Beispielsweise traut sich eine Jungmutter wegen des Lärms nicht, in der Gegenwart ihres Babys staubzusaugen oder eine 8-Jährige darf nicht zu Fuß zur Schule gehen, weil etwas passieren könnte. Da greift man sich unweigerlich an den Kopf, wenn man an die eigene Kindheit zurückdenkt. Damals wurde weder ewig mit den Lehrern über Noten und die Teilnahme am Sportunterricht gestritten noch an Elternabenden über die richtige Ernährung der Kinder diskutiert. Alles hatte zu funktionieren und es wurde nicht alles hinterfragt. Es ist schon erstaunlich, wie selbstverständlich die Eltern heute die Hausaufgaben ihrer Sprösslinge übernehmen und die elterliche Kontrolle auch bei Klassenfahrten nicht nachlässt, was mehr als traurig ist und der individuellen Kindsentwicklung m. E. schadet. Nun denn, die teils unglaublichen Auswüchse des "Helikopter-Wahnsinns" bilden die beiden Autorinnen in ihrem Buch recht kurzweilig und pointiert ab, worüber ich mich einerseits herzhaft amüsiert und andererseits auch aufgeregt habe. Mein Eindruck ist, dass die Verweichlichung der jungen Generation hausgemacht ist, weil den Kindern viel zu viel abgenommen und vorenthalten wird. Obgleich dieses Buch dem Genre Humor zugeordnet wird, sollte man sich vor Augen führen, dass es auf wahren Geschichten von Müttern, Erziehern, Lehrern, Ärzten usw basiert.

FAZIT
Ein schnell zu lesendes Buch, das allerhand Emotionen wachruft und vor allem in der grauen Corona-Zeit kurzweilig unterhält.

Bewertung vom 01.01.2021
Wer lieben kann, ist klar im Vorteil / Happily Inc Bd.5
Mallery, Susan

Wer lieben kann, ist klar im Vorteil / Happily Inc Bd.5


sehr gut

INHALT
Anfangs ist es zwischen Hochzeitsplanerin Renee und Thrillerautor Jasper nur eine lockere Affäre. Doch mit der Zeit entwickeln beide Gefühle für einander und kämpfen gleichzeitig mit Bindungsängsten. Doch was wären Susan Mallerys Geschichten ohne ein Happyend?

MEINUNG
Susan Mallerys Happily-Romanreihe war mir bis dato unbekannt. Doch dies änderte sich mit dem vorliegenden Roman schlagartig. Darin finden zwei sehr unterschiedliche Personen zueinander. Renee ist energiegeladen, Ende zwanzig und geht vollkommen in ihrem Beruf als Hochzeitsplanerin in der amerikanischen Hochzeitsstadt Happily Inc. auf. Nach ihrer letzten gescheiterten Beziehung mit einem verheirateten Mann macht sie um die Männerwelt einen großen Bogen. Doch sie hat nicht mit dem ruhigen und seelisch angeschlagenen Autoren Jasper gerechnet. Der bibliophile Hüne arbeitet gerade an einem neuen Buch und findet ausgerechnet in Renee seine Muse. Beide sind für alles offen, außer für eine Beziehung. Aber die gegenseitigen Gefühle kann man auf Dauer nicht unterdrücken.

Zu Beginn des Romans haben mir einige Klischees fast die Lust genommen, Mallerys Roman zu beenden - was aber schade gewesen wäre. Denn mit der Zeit habe ich beide Protagonisten und vor allem Renees spitze Kommentare gegenüber Jasper lieb gewonnen. Zwischen beiden Figuren brannte von Anfang an die Luft, inklusive abwechslungsreicher Gefühlsachterbahnfahrt. Die Geister der Vergangenheit holen beide ein, doch brechen sie nicht.

Neben den Hauptcharakteren konnte mich Renees Mutter, die Tiere versteht und fortan ihre Gabe beruflich nutzen möchte, von sich überzeugen. Genauso wie ihre Tochter frönt sie mit Feuereifer ihrer Leidenschaft und macht die Tiere von Happily Inc. wieder glücklich. Apropos Tiere, Jaspers und Renees Haustiere lockerten die Story ebenso auf.

Nun könnte man denken in Happily Inc. herrsche nur Friede, Freude, Eierkuchen. Dem ist auch größtenteils so, anders ließe sich der Ortsname auch nicht erklären :-). Hier kennt jeder jeden und man schätzt sich und ist oftmals miteinander befreundet. Aber solch eine kurzweilige Chick-Lit ist auch mal gut fürs Gemüt und liest sich auch recht zügig weg. Ich fand besonders die heiteren Momente/Szenen und natürlich das grandiose, fast schon zu schöne Happyend richtig klasse.

FAZIT
Eine kurzweilige Lektüre mit großen Emotionen und Pageturnerqualität. Die perfekte Vorlage für die ZDF-Sendereihe "Herzkino".

Bewertung vom 29.12.2020
Rotkäppchen raucht auf dem Balkon
Kaminer, Wladimir

Rotkäppchen raucht auf dem Balkon


ausgezeichnet

Wladimir Kaminer ist und bleibt ein exzellenter Beobachter. Seit dem Erscheinen seines Erstlings "Russendisko" verpasse ich keinen seiner Erzählbände. Seinen neuesten Coup "Rotkäppchen raucht auf dem Balkon" hat er, wie soll es auch anders sein, seiner Familie, genauer seinen Kindern und seiner Mutter, gewidmet.

Tochter Nicole studiert an der HU Berlin Europäische Ethnologie und feiert gern ausgelassene Partys. Sohn Sebastian (20) ist noch auf der Suche nach einen Beruf und hat ein Faible für Turnschuhe und Laotse. Und Kaminers rüstige Mutter (88) verwöhnt ihre Main-Coon-Katze nach Strich und Faden und liebt kulturelle Veranstaltungen. Kurzum, Kaminer befasst sich intensiv mit den unterschiedlichen Lebenswelten von Jung und Alt und zieht dabei mitunter verblüffende Vergleiche. Seine feinfühlige und zugleich augenzwinkernde Herangehensweise gefiel mir ausgesprochen gut. Seine "Familiengeschichten" kamen unverstellt und teilweise etwas versponnen daher und trafen damit genau meinen Humor. Was habe ich beispielsweise gelacht, als Oma und Enkelin gemeinsam ein Konzert der Rolling Stones besuchten und der Autor dabei über das Wunder der Unsterblichkeit philosophierte. Auch Kaminers Gedanken über die Studienwahl seiner Tochter und die Prokrastination seines Sohnes waren eine Lektüre wert. Dabei will er seine Kinder nicht belehren, sondern eher zum Leben und weniger Smartphone verleiten. Auch das Aufeinanderprallen von deutscher und russischer Kultur wurde abermals sehr stimmig transportiert.

Alles in allem besinnt sich Wladimir Kaminer in seinem neuesten Buch auf seine Wurzeln zurück und betreibt ausgiebige Generationsstudien. Dabei gerät er charmant ehrlich ins Plaudern und gibt dem interessierten Leser Einblicke in sein buntes Familienleben, was sich angenehm flüssig und leicht liest. Seine Kurzgeschichten umfassen jeweils nicht mehr als 5 Seiten und wechseln sich thematisch gut ab. Immer wenn man denkt der Autor hätte schon alles über sich und seine Familie zum Besten gegeben, zaubert dieser ein neues Buch mit lustigen Anekdoten hervor. Dieses Talent hat nicht jeder.