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Europeantravelgirl

Bewertungen

Insgesamt 327 Bewertungen
Bewertung vom 28.10.2022
Café Leben
Leevers, Jo

Café Leben


sehr gut

Was bleibt

Was bleibt vom eigenen Leben, wenn dieses zu Ende geht? Biographische Daten zu Werdegang und Familie? Glückliche Erinnerungen, die man bewahrt wissen möchte? Offene Fragen, die man geklärt haben möchte? Die Idee eines Lebensbuchs führt die krebskranke alte Dame Annie ins Café Leben. Sie hat keine Nachkommen und Verwandten, möchte sich aber vor ihrem Ableben den Ballast von der Seele reden. Vielleicht hätte es auch funktioniert, ihre Version ihres Lebens zum Besten zu geben, wenn sie dort nicht auf die übereifrige Henrietta getroffen wäre. Diese vielfach gescheiterte junge Frau, die noch keinen Platz im Leben gefunden hat, entdeckt beim Zuhören ungeahnte detektivische Talente in sich und beginnt nachzuforschen.

Mich hat die Begegnung der beiden zunächst völlig fremden Frauen und ihr behutsames Vortasten und Annähern sehr berührt. Beim Lesen beginnt man immer mehr, hinter die Fassaden dieser beiden auf den ersten Blick so unterschiedlichen Persönlichkeiten zu blicken. Nach und nach erkennt man den Menschen dahinter, entdeckt schwere Schuldgefühle und Einsamkeit.

Das Thema Sterben wird eher unaufgeregt behandelt, die Trauer ist ein Begleiter, nicht nur bei den Besuchern des Café Leben, auch bei den Angestellten. Ab einem gewissen Punkt rückt dann jedoch nicht nur die entstehende menschliche Verbindung zwischen Annie und Henrietta, sondern auch der Umgang mit dem Sterben und der Trauer ein wenig in den Hintergrund. Stattdessen wird der Fokus sehr auf die Enthüllung der Geheimnisse der Vergangenheit gelenkt. Auch dies eine überaus faszinierende und spannende Geschichte mit raffinierten Wendungen, aber ich persönlich hätte mir bei Lesen den Blick ein wenig mehr Tiefe im Blick auf das zwischenmenschliche Verhältnis der beiden Frauen, auf den Umgang mit dem bevorstehenden Tod gewünscht.

Dennoch eine klare Leseempfehlung für diesen Roman, weil die Charakterentwicklungen hervorragend herausgearbeitet wurden und der Weg der beiden Frauen aus ihrer Einsamkeit und aus ihren Schuldgefühlen so bewegend ist.

Bewertung vom 25.10.2022
Die Legenden von Andor: Varkurs Erwachen
Baumeister, Jens

Die Legenden von Andor: Varkurs Erwachen


weniger gut

Mageres Leseerlebnis

Dieser Rezension sei vorausgeschickt, dass dieses Buch auf dem Spiel Die Legenden von Andor basiert, das ich jedoch nicht kenne. Die Graphic Novel ist ansprechend gezeichnet. Leider ist die zugrundeliegende Geschichte recht mager. Der Einstieg erfolgt abrupt, dennoch lässt sich die Story recht gut verfolgen, bei der ein unbekannter junger Mann verletzt am Strand gefunden wird. Außer seinem Namen Varkur kann er sich an nichts erinnern. Er wird von Ranja aufgenommen und gepflegt. Nachdem sich bei Varkur unkontrollierte magische Fähigkeiten zeigen, vertreiben ihn die feindseligen Dorfbewohner, und Ranja, die sich mehr vom Leben erhofft als eine einfache Fischersfrau zu sein, folgt ihm auf der Suche nach Antworten und seiner Vergangenheit.

Es ist allerdings ein recht kurzes Lesevergnügen mit äußerst wenig Handlung, denn nach einer guten halben Stunde ist das dünne Buch schon ausgelesen. Insgesamt ein mageres Leseerlebnis, wenn man dieses ins Verhältnis zum Preis des Buches setzt. Ich würde behaupten, dass diese Graphic Novel ausschließlich für Fans des Spiels geeignet ist.

Bewertung vom 13.10.2022
NO GAME - Jetzt ist Schluss mit Schweigen!
Friend, Natasha

NO GAME - Jetzt ist Schluss mit Schweigen!


ausgezeichnet

Lehrstück über Empowerment

Als die Highschool-Schülerin Nora erwacht, liegt sie halbnackt neben ihrem Erbrochenen auf dem Golfplatz und hat nicht die geringste Ahnung, wie sie dort hingekommen ist, geschweige denn, was passiert ist. Das letzte, was woran sie sich erinnert, ist dass sie auf dem Fest der Studentenverbindung ein (alkoholfreies) Root Beer getrunken hat. Nach und nach erfährt sie, dass ihr Schulkamerad Adam Xu drei Kerle mit dem Baseballschläger verjagt hat, die sich an ihr zu schaffen machen wollten. Er hat auch Noras beste Freundin Cam alarmiert, die Nora nun zur Seite steht und auf Aufklärung drängt. Nora hingegen will erst gar nicht darüber nachdenken, was passiert sein könnte, verweigert komplett und verdrängt die Angelegenheit einfach.

Natürlich lässt sich eine so traumatische Erfahrung nicht wirklich verdrängen, und so muss Nora der Wahrheit ins Auge sehen, dass sie unter Drogen gesetzt und beinahe vergewaltigt wurde. Zumal Videos und Bilder auftauchen. Und von der rätselhaften Nummer, die ihr die Täter mit Filzstift in den Schritt gemalt haben, hat sie noch gar niemandem erzählt. Bis schließlich klar wird, dass dies kein Einzelfall war, sondern ein „Spiel“ dahintersteckt.

Das Buch ist mit der Altersangabe ab 14 Jahren versehen und wird abwechselnd aus der Perspektive von Nora, Cam und Adam erzählt, wodurch die Klassifizierung als Jugendroman trotz des drastischen Themas auch stimmig ist. Dabei entwickelt die Geschichte einen derartigen Sog, dass ich sie nahezu an einem Stück gelesen habe. Die Charaktere Nora und Cam sind mit ihren Verhaltensweisen als „Role models“ angelegt, auf welche Weise mit dem Vorgang umgegangen wird, wobei die äußerst schmerzhafte Charakterentwicklung bei Nora hervorragend geschildert ist. Schmerzhaft nicht nur wegen des Vorfalls an sich, sondern weil es im Verlauf dessen Aufklärung zu einer regelrechten Demontage ihres großen Vorbilds kommt, was hier aber nicht gespoilert werden soll. Behandelt werden auch die Themen Außenseitertum, Rassismus und schlussendlich die Auflehnung gegen das Patriarchat.

Dies alles auf eine hervorragend lesbare, unaufdringliche Weise, was dieses Buch für mich zu einem wertvollen Lehrstück über Empowerment macht, das zudem auch Wege aufzeigt.

Bewertung vom 09.10.2022
Trust and Fly (eBook, ePUB)
Ahrens, Michelle C.

Trust and Fly (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Zwei Schweden in Schottland

Für den Musiker Arvid war es Liebe auf den ersten Blick, als er seine schwedische Heimat verließ und in Edinburgh in einem Café die Schwedin Maya sah. Für Maya nicht, denn sie war frisch verheiratet und glücklich. So verbringt Arvid sehnsuchtsvolle Jahre als erfolgloser Musiker, in denen ihn mit Maya wenigstens eine tiefe Freundschaft verbindet. Ihn quälen jedoch nicht nur seine unterdrückten Gefühle, sondern er muss immer mehr erkennen, wie unglücklich Maya in ihrer Ehe ist und wie schlecht sie von ihrem Ehemann Colin behandelt wird. Das Schicksal erlaubt sich jedoch eine bittere Ironie: Gerade als Mayas Ehe endgültig in die Brüche geht und ihr Herz frei für Arvid wird, nimmt dessen Karriere einen kometenhaften Aufstieg. Arvid muss sich zwischen seinen beiden tiefsten Herzenswünschen entscheiden, der Liebe zu Maya oder einer erfolgreichen Musikkarriere.

Die Geschichte ist einfühlsam erzählt, dazu breitet das wunderschöne Setting in der Altstadt von Edinburgh und vor allem in Mayas Café wieder seinen ganzen Zauber aus. Dabei nimmt sich die gefühlvolle Story ausreichend Zeit, um sich zu entfalten, ehe sich die Ereignisse dann plötzlich überschlagen. Ich persönlich habe schwer mit Maya gefühlt und gelitten, die in diesem Roman harte Schicksalsschläge erleidet. Die Charakterentwicklung ist nachvollziehbar und nachfühlbar, so dass man beim Lesen erschüttert eintaucht in die Gefühlswelt der beiden und die ganze Bandbreite an Emotionen miterlebt: Wut, Zukunftsängste, Sehnsucht und Verzweiflung. Dabei ist es kein Zwei-Personen-Kammerstück, denn gerade die wertvollen Menschen, die Maya zur Seite stehen, bilden das Herzstück der Geschichte. Sehr schön fand ich das Wiedersehen mit einigen liebgewonnenen Personen aus dem ersten Band, aber auch ganz wunderbaren neuen Freunden, mit denen selbst Maya nicht gerechnet hatte. Ich habe Alice, Harvey und John fest in mein Herz geschlossen, aber allen voran Michael mit seiner Fürsorge und seinen klugen Worten: „Nur glaube ich, dass es im Leben Augenblicke gibt, in denen die Menschen, die uns wichtig sind, Priorität haben sollten.“

Passend zum Musikerthema sind die Kapitel in Songs einer Playlist eingeteilt, und immer wieder fassen Arvids Songtexte sein Seelenleben wunderbar in Worte.

Ein rundum gelungenes Leseerlebnis!

Bewertung vom 30.09.2022
Ein Kind namens Hoffnung
Sand, Marie

Ein Kind namens Hoffnung


sehr gut

Eine unbequeme Heldin

Selten ist es mir so schwergefallen, eine Rezension zu einem Buch zu verfassen. Ich habe lange überlegt, warum ich nicht einfach ohne Vorbehalte Begeisterung verspüren kann? Weil es ein gutes Buch ist, ein wichtiges Buch, aber eben kein gefälliges Buch. Und das ist in Ordnung.

Es ist das Jahr 1938, und für die jüdische Familie Sternberg in Berlin endet der unerschütterliche Glaube, dass alles gut werden wird, abrupt an einem kalten Winterabend: Das Haus wird gestürmt, die Eltern werden als „Judenpack“ abgeführt, das Haus konfisziert. Der kleine Sohn der Sternbergs entgeht der Verhaftung nur haarscharf dank der Geistesgegenwart der Köchin und Hausangestellten Elly, die ihn als ihren Sohn ausgibt und mit ihm noch in dieser Nacht flüchtet. Es folgt die Geschichte ihrer Flucht unter höchsten Gefahren mit einem fremden jüdischen Kind. Bei Ellys Eltern im Pfarrhaus bei Bonn, ihrer ersten Anlaufstelle, sind sie jedenfalls nicht willkommen, und so setzt Elly ihre Flucht ziellos fort bis ihr von unerwarteter Seite Hilfe zu Teil wird, doch der harte Weg durch Krieg, Hunger und Not ist noch lange nicht zu Ende.

Der Roman bedient sich einer nüchternen Sprache, hüllt nichts in romantisierende oder verklärende Formulierungen, sondern zeigt den quälenden Hunger und das Leid schonungslos und schroff. Das liest sich nicht immer wirklich gefällig, man findet jedoch bald in den Klang der Erzählung hinein. Der Leidensweg von Elly und dem kleinen Leon Sternberg ist schmerzhaft anschaulich dargestellt, und wir verfolgen den erschütternden Weg der beiden 20 Jahre lang bis weit ins Jahr 1958. Geschichtlich wahnsinnig interessant, aufrüttelnd, schmerzhaft. Was eindeutig Unbehagen beim Lesen hervorruft, ist jedoch die Figur der Elly. Sie ist entgegen des Untertitels keine klassische Heldin. Sie ist zwar mutig, aber oft genug unsympathisch. Ihr Handeln konnte ich in weiten Teilen kaum nachvollziehen. So zeigt sie für Leon Sternberg eine fanatische Liebe, an ihre früheren Arbeitgeber Sara und Hanns Sternberg denkt sie mit verklärter Hingabe. Für andere Menschen, sogar die eigene Tochter, hat sie kein Herz. Ja, das konnte ich überhaupt nicht nachvollziehen, und ja, das hat mich an Elly sehr gestört. Aber müssen Heldinnen in Romanen immer gefällig sein? Immer liebreizend, heldenhaft und sympathisch? Ich freue mich, dass die Autorin den Mut hatte, mit Elly einen unbequemen Charakter zu schaffen weitab aller Ideale, denn genau diese Fehler, Ecken und Kanten verleihen der Figur eine zutiefst menschliche Seite.

Bewertung vom 24.09.2022
Goyas Ungeheuer
González Harbour, Berna

Goyas Ungeheuer


gut

Eine Geschichte der Besessenheit

Von „Goyas Ungeheuern“ besessen sind die Charaktere dieses spanischen Romans. Ein Unbekannter, der Tiere ermordet, um damit Szenen aus Goyas Zeichnungen nachzustellen, versetzt ganz Madrid in Aufruhr, denn es wird nicht bei toten Tieren bleiben... Die Geschichte taucht tief in Goyas Werke ein; vor allem die Pinturas negras, der Zyklus der Caprichos, werden genau beleuchtet. Es ist ein fundierter Ausflug in das Schaffen und die Biographie von Francisco de Goya mit allen Licht- und Schattenseiten. Die Charaktere sind allesamt regelrecht besessen von Goya und seinem Werk, wir erhalten Einblicke in die Szene von Künstlern, Hausbesetzern und Aktivisten. Heimliche Hauptdarstellerin im Hintergrund ist die spanische Hauptstadt: „Madrid, das mit einem Fuß in der Gegenwart und mit dem anderen in der Vergangenheit stand.“ Immer wie verknüpft die Autorin kunstvoll Historisches mit Zeitgeschehen und lässt Madrid und die Politik ihrer spanischen Heimat dabei nicht immer gut aussehen.

Für mich, die ich Madrid im Jahr 2019 besucht habe und mit Goyas Werk durchaus vertraut bin, war dieser Roman eine bereichernde Vertiefung, die mir Vertrautes vor Augen geführt und in neuem Licht gezeigt hat.

Allerdings kommt dieser Roman ja im Gewand eines Kriminalromans daher, und da kommt mein großes ABER… Dieses Buch ist der vierte Band einer spanischen Buchreihe, jedoch der erste auf Deutsch übersetzte und veröffentlichte. Leider merkt man dies der Handlung stark an, worauf man jedoch weder bei der Beschreibung noch im Klappentext hingewiesen wird. Der Kriminalfall an sich ist sterbenslangweilig, weil Motiv und Täter sehr schnell bekannt sind und die Handlung dann relativ ziellos vor sich hintreibt. Spannung kommt nicht auf, wirkliche Rätsel gibt es auch nicht, nur grenzenlose Verwunderung über das seltsame Verhalten der Beteiligten. Dies wiederum gründet in den unbekannten vorigen Teilen.

Mein Fazit: Für mich persönlich war es eine äußerst interessante Leseerfahrung, aber ich kann dieses Buch leider nicht weiterempfehlen.

Bewertung vom 20.09.2022
Totenbeschwörung für Anfänger / Emily Seymour Bd.1
Jager, Jennifer Alice

Totenbeschwörung für Anfänger / Emily Seymour Bd.1


ausgezeichnet

Tollpatschige Totenbeschwörerin

Emily Seymour ist das schwarze Schaf der Familie. Der Loser. Die Enttäuschung. In einer Familie von Nekromanten fehlen ausgerechnet ihr jegliche Fähigkeiten zur Totenbeschwörung, während ihr großer Bruder Cedric eine Art Superstar unter den Nekromanten ist. Und als wäre dies noch nicht genug, ist Emily der größte Tollpatsch der Welt (und der Zwischenwelt). Kein Wunder also, dass es Emily schafft, den süßen Ashton Goodwin durch ein Missgeschick umzubringen! Der gehört zu einer verfeindeten Familie und war eigentlich auf Friedensmission bei den Seymours, woraus dann ja wohl eher nichts wird…

Der Jugendroman legt ein flottes Erzähltempo vor, was durch die actionreiche Handlung noch unterstützt wird, so dass man wie auf einer großartigen und aufregenden Achterbahnfahrt durch dieses Buch saust! Emilys Tollpatschigkeit und ihre Sprüche sorgen für frechen Humor, und das World Building ist der Autorin hervorragend gelungen mit fantastischen Settings und liebevollen Details. Auch die Charaktere sind mit der flapsigen Emily und dem zeitweise äußerst übellaunigen Ashton schön angelegt. Leider sind ein paar Nebenfiguren wie etwa die tussige Cousine Mandy oder die schrille Tante Sophia ein wenig stereotyp geraten. Besonders gern mochte ich hingegen Kieron, aber wer bzw. was er ist, soll an dieser Stelle nicht gespoilert werden!

Nekromantik ist als Thema in Urban Fantasy noch nicht so ausgetreten, so dass die originelle Geschichte sich deutlich von anderen Büchern dieser Art abhebt. Das Ende beschert uns einen fiesen Cliffhanger, und ich habe leider keine Ahnung, wie ich die Wartezeit auf den zweiten Band überstehen soll! Ein sehr schönes Jugendbuch!

Bewertung vom 12.09.2022
Bullauge
Ani, Friedrich

Bullauge


sehr gut

Aus dem Leben gefallen

Bullauge – bereits der Titel mehrdeutig und ich hätte beinahe gesagt: augenzwinkernd, doch das mag im Falle von Kay Oleander nicht angebracht sein. Der hat nämlich im Dienst während eines Polizeieinsatzes sein linkes Auge durch einen Flaschenwurf verloren. Und damit den Halt und die Orientierung im Leben. Der Roman ist in zwei Teile aufgeteilt, und tatsächlich besteht der erste Teil (Achtung: Wortspiel!) augenscheinlich aus einem ziellosen Herumirren, völliger Orientierungslosigkeit oder wie Oleander von sich selbst sagt: „mein inneres Herumstreunern“. Dabei kann der Autor glänzen mit lakonischem Tonfall, Andeutungen zwischen den Zeilen und knochentrockenem Humor.

Gespräch über Decknamen:
„Und du?“
„Ich bin die Apo.“
„Außerparlamentarische Opposition? Perfekt.“
„Apothekerin.“

Herrlich. Die Dame aus diesem Gespräch, Silvia Glaser, reißt Oleander dann auch aus seiner Lethargie und seinem Taumel, indem sie ihm von einem möglicherweise bevorstehenden Anschlag berichtet. Silvia Glaser ist selbst ein Opfer, eine Versehrte, und nun beginnen die beiden im zweiten Teil des Romans mit ihren Nachforschungen in der rechten Szene: Kay Oleander, der in den Reihen der Polizei bereits als verkappter Linker gilt, weil er „Zeitungen und ab und zu einen Roman oder ein Sachbuch zu aktuellen Themen“ liest, und Silvia Glaser, die von konspirativen Treffen und Kontakten zur Szene zu berichten weiß. Die Handlung kehrt sich im zweiten Teil nun von innen nach außen.

Leseempfehlung für alle Freunde atmosphärischer Geschichten mit kritischen Tönen – Zwischentöne mag man sie nicht mehr nennen; es ist ein gestandener kritischer Chor.

Bewertung vom 11.09.2022
Gretas Geheimnis / Die Winzerin Bd.2
Engel, Nora

Gretas Geheimnis / Die Winzerin Bd.2


ausgezeichnet

Greta mit dem Kämpferherz

Was habe ich mit Greta gelitten im ersten Band der wundervollen Winzerin-Reihe. Nach ihrer schweren Kindheit und Jugend mit harten Schicksalsschlägen und Ungerechtigkeiten auf dem Weingut ihres hartherzigen Ziehvaters in der Pfalz scheint sich nun das Blatt für die junge Frau zu wenden. Greta trägt die Verantwortung für ein großes Weingut, hat richtungsweisende Entscheidungen zu treffen und kämpft um Anerkennung in dieser von Männern dominierten Welt. Ebenso dürfen wir an Gretas wachsendem Familienleben teilhaben mit allen wunderbaren Seiten, aber auch allen Schwierigkeiten in ihrer durch das Testament ihres leiblichen Vaters erzwungenen Ehe.

Die Geschichte zeichnet sich einmal mehr durch große Herzenswärme aus und bekommt wunderbare Authentizität und Zeitgeist durch die zahlreichen politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen und Ereignisse und liebevollen Kleinigkeiten, die immer wieder nicht nur am Rande erwähnt werden und die jeweilige Dekade damit zum Leben erwecken. Auch die Charaktere sind wieder facettenreich und mehrschichtig gezeichnet, machen Veränderungen durch oder bleiben eben auf ewig verstockt, auch dies leider äußerst realistisch. Die Autorinnen von Nora Engel entwerfen ein lebendiges Bild der Jahrzehnte, die Greta und ihre Familie durchleben. Ja, es gibt da ein paar kleine Unwahrscheinlichkeiten, die ein klitzekleines bisschen zu konstruiert geraten sind, aber in der Summe hat mich die Schilderung dermaßen begeistert und mitgerissen, dass bei mir am Ende tatsächlich die Tränen geflossen sind. Eine wunderbare Erzählung, und ich kann es kaum abwarten, im Frühjahr 2023 den finalen Band der Trilogie zu lesen.

Bewertung vom 07.09.2022
Das Funkeln der Sehnsucht / New Hope Bd.4
Bloom, Rose

Das Funkeln der Sehnsucht / New Hope Bd.4


sehr gut

Nachhausekommen nach New Hope

Eine gefühlvolle Second-Chance-Story erwartet die Leser im mittlerweile schon vierten Band der Reihe rund um die Kleinstadt New Hope. Vor 11 Jahren ist Jackson nach einem Skandal Hals über Kopf aus New Hope geflüchtet und hat Cassie mit gebrochenem Herzen zurückgelassen. Nun muss er wegen einer wichtigen Angelegenheit widerwillig zurückkehren in diese Stadt, mit der ihn schmerzhafte Erinnerungen verbinden. Und da ist auch noch Cassidy…

Der besondere Reiz dieser cozy Reihe liegt darin, dass man die Einwohner auch nach ihrem jeweiligen Happy End weiterbegleiten darf und die Nebencharaktere und übrigen Einwohner von New Hope mit jeder neuen Geschichte vertrauter werden und man sie schnell in sein Herz schließt. Jeder neue Band fühlt sich tatsächlich an wie ein Nachhausekommen. Daher ist Cassie ein längst bekanntes Gesicht, und auch Jackson wurde schon mehrfach erwähnt. Während Band 3 gewisse Schwächen durch Sprünge, Grammatik- und Rechtschreibfehler aufwies, glänzt der vierte Band mit einer gut aufgebauten und durchdachten Geschichte. Vor allem die zahlreichen Rückblenden bereichern die Story und verleihen ihr Tiefe. Dazu sind die beiden Protagonisten vielschichtig geschildert und ihre Gefühle und Zweifel gut nachvollziehbar. Insgesamt wird eine herzerwärmende Geschichte über zweite Chancen und niemals vergessene Gefühle erzählt. Einzig der „Bösewicht“ in der Geschichte ist ein wenig zu stereotyp geraten. Dafür punktet die ganz zauberhafte Winteratmosphäre, die mich allerdings ein wenig ratlos zurückgelassen hat, denn da hätte sich eine Veröffentlichung nicht mitten im Hochsommer doch eigentlich angeboten. Wobei es durchaus für die Intensität der Erzählung spricht, dass der winterliche Funke trotzdem übergesprungen ist.

Besonders schön ist, dass die Charaktere des folgenden und wohl finalen Bands bereits eingeführt wurden, so dass man sich auf ein vertrautes Wiedersehen in New Hope auch im letzten Band freuen kann.