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Magnolia
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Bayern

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Insgesamt 622 Bewertungen
Bewertung vom 11.06.2023
Der Freiheit entgegen / Die Gutsherrin-Saga Bd.3
Graw, Theresia

Der Freiheit entgegen / Die Gutsherrin-Saga Bd.3


sehr gut

„Man muss um seine Träume kämpfen…“

…und Clara, Sanni und auch Maria haben sie, ihre Träume. Nicht immer werden sie erfüllt, aber wenn man etwas wirklich will, sollte man sich nicht davon abhalten lassen. Zielstrebig, wenn auch mit so manchen Abweichungen und so etlichen Abzweigungen, daran festhalten.

Die 1960er Jahre waren geprägt von Aufbruch, von Neubeginn. Die jungen Leute wollten ein Leben ohne Zwänge, sie hatten Ziele, eigene Ideen und doch mussten sie sich dem Diktat ihres Elternhauses unterwerfen. „Solange du deine Füße unter meinen Tisch stellst, tust du, was ich dir sage, mein Kind.“ Wer kennt ihn nicht, diesen Satz.

Auch für Sannis Eltern gibt es keine Diskussion, ihre Tochter wird in der familieneigenen Bäckerei arbeiten. Sie aber träumt von einer Schauspielkarriere, ihr großes Vorbild ist Marilyn Monroe. Ihre Freundin Clara ist schon besser dran, ihre Eltern unterstützen sie auf ihrem Weg hin zur Fotografin. Und doch läuft auch bei ihr nicht alles rund, so mancher Stolperstein bringt sie immer wieder zum straucheln. Sie lernt den äußerst charismatischen Freddy kennen, gemeinsam geraten direkt hinein in die Schwabinger Krawalle, es ist in vielerlei Hinsicht „der Sommer der geplatzten Träume.“

Sanni will weg, weg aus München, sie ist endlich 21 und somit volljährig und überredet Clara, mit ihr nach Hamburg zu trampen. Gesagt, getan. Dino und seine Schwester Maria nehmen die beiden in ihrem klapprigen Gefährt mit, der Freiheit entgegen.

Mit der Italienerin Maria ist das Freundinnen-Trio komplett, sie will nur ein Jahr in Hamburg bleiben, ihrem Bruder Dino im Lokal helfen und dann zurück, heiraten, Kinder kriegen, alles ist geplant. Nachdem sie einige Bocken deutsch gelernt hat, wird auch sie mutiger, hat ihre eigenen Pläne, gerät mit Dino aneinander „…weil Maria hat verrückte Flusen im Kopf…“ Des Öfteren habe ich geschmunzelt über diese so authentischen „deutsch-italienischen“ Brocken, so kennen und lieben wir unsere italienischen Freunde und nicht immer haben sie Flausen im Kopf.

Die 18jährige Clara nimmt mich mit auf ihren mitunter steinigen Weg. Sie ist jung, sie ist naiv und gutgläubig. Freddy ist ihre erste Liebe, von ihm lässt sie sich nur zu gerne ablenken. Er will Spaß, sie vernachlässigt ihr Studium und nicht nur einmal gerät sie durch seinen Einfluss in Schwierigkeiten. Der selbstherrliche, selbstgerechte Freddy sagt ihr auf die ihm eigene charmante Weise, wo es lang geht. Hier spürt man sehr deutlich die noch immer vorherrschende, von Männern geprägte Domäne, sie setzen sich durch und Frau dackelt brav hinter ihnen her. Nicht nur einmal hätte ich Clara zurufen wollen, ihre Ziele nicht aus den Augen zu verlieren. Theresia Graw zeigt die Diskrepanz der Geschlechter deutlich auf. Verpackt dies alles sehr geschickt, lässt sie stimmig in ihre Geschichte mit einfließen.

Claras erster Job in Hamburg bei einer Zeitung ist eher der einer Schreibkraft, erst nach einem Wechsel kann sie ihr journalistisches Talent unter Beweis stellen. Beim Kennedy-Besuch in Berlin ist sie dabei, ihre Reportage in Wort und Bild ist gelungen, wenngleich auch hier sich ein Mann in den Vordergrund drängt. Im Frankfurter Römer beginnen 1963 die Auschwitz-Prozesse, Claras Jugendfreud Leo ist als einer der Staatsanwälte dabei und sie berichtet als Journalistin davon. Die Autorin hat den Spagat zwischen ihrer fiktiven Story und den historisch belegten Tatsachen hervorragend gemeistert. Sie bindet ihre weit verzweigten Zeugen von damals bestens mit ein. Bei diesen Kapiteln sind nicht nur bei ihnen Tränen geflossen, ich habe hier tief durchatmen müssen, bevor ich weiterlesen konnte.

„Wenn die Zeiten stürmisch sind, darfst du deinen inneren Kompass nicht verlieren!“ Einst hat Leo ihr dies mitgegeben und nun ist es Clara, die ihn daran erinnert.

Immer mit dabei ist ihre Kamera, Claras wertvollster Besitz. Mit Sanni ist sie live dabei, als die Beatles in Hamburg auftreten, ihre launigen Bilder, auch mit den Pilzköpfen, sind der Beginn von Sannis Modelkarriere. In London läuft sie bald darauf in den legendären Miniröcken für Mary Quant.

Theresia Graw lässt neben dem Kennedy-Besuch auch das Attentat wenig später auf ihn und auch den Mauerbau mit einfließen. Die schon erwähnten Frankfurter Prozesse und die noch immerwährende braune Gesinnung in der Gesellschaft („Der Geist der Vergangenheit spukt noch immer in ihren Köpfen“) sind ebenso Thema wie auch die revolutionäre Erfindung der Antibabypille, die Musik mit all den Schlagern, allen voran John, Paul, George und Ringo. Sie hat den Zeitgeist gut eingefangen, die Röcke werden kürzer, der Alltag wird bunter, das Fernsehen hält Einzug in die Wohnzimmer. Die jungen Mädchen geben sich nicht mehr mit der traditionellen Rolle der Hausfrau zufrieden, sie drängen in einen Beruf, der ihnen Unabhängigkeit und neues Selbstvertrauen beschert. Diese fast 600 Seiten waren ein kurzweiliges Lesevergnügen, eine Zeitreise zurück in turbulente Jahre, die Aufbruchsstimmung ist gut eingefangen.

Bewertung vom 08.06.2023
Mutters Lüge
Hürlimann, Monika

Mutters Lüge


sehr gut

Die unnahbare Mutter

„Wenn mein Roman Menschen dazu anregt, über ihre persönliche Wahrnehmung von Glück und den Begriff Heimat nachzudenken, über Dinge, die sie benötigen, um mit dem Widrigkeiten des Lebens positiv umzugehen, würde es mir sehr viel bedeuten.“ Dieser Schlusssatz von Monika Hürlimann verdeutlicht in aller Kürze, was sie veranlasst hat, „Mutters Lüge“ niederzuschreiben - einen Roman, der auf ihrer Lebensgeschichte basiert.

Es ist Marta, deren Leben ich verfolge. In Polen ist sie mit ihrem Zwillingsbruder Tomek und ihrer Mutter Joanna, die sich später Johanna nennt, aufgewachsen. Es ist ein karges Leben dort und doch sind sie zufrieden, sie kennen nichts anderes. Marta war schon immer zielstrebig, sie bringt stets gute Noten heim und doch wird Tomek bevorzugt, die Mutter würdigt gefühlt jede Kleinigkeit an ihm, während sie, Marta, eher mitläuft. Lob oder gar Anerkennung kennt sie nicht. Eines Tages beschließt Mutter, nach Deutschland zu emigrieren. Der Neuanfang ist hart, aber sie beißen sich durch.

Eine Lebensgeschichte, die sich durchweg spannend liest - Martas Stationen verfolge ich aufmerksam. Die Gleichgültigkeit ihrer Mutter macht ihr zeitlebens zu schaffen, sie sucht ihren unbekannten Vater, sucht nach ihren Wurzeln. Und wird erst dann mit der ganzen Wahrheit konfrontiert, als ihre Mutter nicht mehr lebt. Es ist eine aufwühlende Geschichte über ein dunkles Geheimnis, über Lügen und über das Verzeihen, auch wenn es schwer fällt. Über Liebe und Verrat, über Krankheiten und das Dasein für den anderen, ihn stützen, ihm einen Weg aus der Ausweglosigkeit aufzeigen, wenn nötig mit sanfter Gewalt.

Sie musste sich immer wieder neu anpassen, sich in verschiedenen wirtschaftlichen und politischen Systemen zurechtfinden, musste Sprachen lernen und nicht nur einmal wechselten sie Wohnung, Schule und Bezugspersonen – sie lernte, flexibel mit all den Unwägbarkeiten umzugehen. War sie eher Außenseiterin oder gehörte sie doch dazu? Und - was ist Heimat?

Die Geschichte liest sich spannend, die eher nüchterne Erzählweise ist voller intimer Momente, sehr emotional und doch nicht gefühlsdusselig. Das Dazwischen hat die Autorin gut gemeistert – für mein Empfinden hat sie den genau richtigen Ton getroffen.

Bewertung vom 08.06.2023
Wasserschlag für Greetsiel
Trost, Dirk

Wasserschlag für Greetsiel


sehr gut

Dramatisch und spannend bis zum Schluss

Der bereits zehnte Fall für Jan de Fries ist mein erstes Aufeinandertreffen mit ihm, dem ostfriesischen Anwalt. Bald war ich drin im Geschehen und konnte auch ihn einigermaßen einschätzen. Perfekt. Ich mag es, wenn man in Reihen einsteigt und trotz fehlender Vorgängerbände gut vorankommt.

Was geschieht hier? In Gretas Kneipe, dem Rettungsschuppen? Sie ist hin und weg, ist doch ihr Lieblingsschriftsteller Lars Lundström zu Gast. Mit seiner Rebecca-King-Saga hat er sie erobert, sie wartet sehnsüchtig auf den Abschlussband. Aber was muss sie sehen? Der Beststellerautor und Fin Strindberg, der mit seiner Jacht Ghost die Welt umsegelt, geraten heftig aneinander. Greta gerät dazwischen und Jan erteilt den beiden Streithähnen Hausverbot.

Kurz darauf fischt Jan den Schriftsteller mit durchschnittener Kehle aus dem Hafenbecken, ein des Mordes verdächtiger wird festgenommen und nicht genug damit, kommt in Jans Kanzlei eine Frau, die sich Melanie Hinze nennt und ihn beauftragt, diesen Verdächtigen aus dem Gefängnis zu holen. Zeitgleich brennt vor Norderney und Juist ein Transportschiff mit nagelneuen Autos an Bord, die so an die 200 Mio. € insgesamt wert sein dürften.

Wie schon angemerkt, habe ich mich bald gut zurechtgefunden, auch wenn ich mich anfangs ob der vielen Personen auf sie alle, ihre Beziehung zueinander, ihre Eigenheiten und natürlich auch auf diesen Fall konzentrieren musste. Gelohnt hat es sich allemal, ich hab mich nicht nur einmal gefragt, warum dieser mutmaßliche Täter unbedingt inhaftiert bleiben will.

Um einen besseren Überblick über die Örtlichkeiten in und um Greetsiel zu bekommen, habe ich mir Bildmaterial gesucht, so konnte ich mir die komplexe Geschichte um die Aufklärung dieses mysteriösen Mordes noch besser vorstellen. Und doch musste ich meine Gedanken immer wieder neu ordnen, der Fall war ganz schön verzwickt. Jan hat mich sofort mit seiner schon etwas unkonventionellen Art begeistert, wenngleich dies auch zum Teil Motte, seinem Vierbeiner, geschuldet war. Natürlich mischt auch die Polizei etwas mit, wenngleich sie ein wenig holprig daherkommt. Naja – an Jan de Fries kommt keiner ran, er ist die Spürnase schlechthin.

Die durchweg spannende Story bietet unvorhergesehene Wendungen, ein bis zum Schluss spannender Kriminalfall mit Lokalkolorit und einem sympathischen Ermittler mit dem richtigen Spürsinn. Mein später Einstieg in die Jan de Fries-Reihe hat sich allemal gelohnt, ich werde ihm treu bleiben.

Bewertung vom 06.06.2023
Gegen den Wind / Das Erbe der Greiffenbergs Bd.1
Schönhoff, Isabell

Gegen den Wind / Das Erbe der Greiffenbergs Bd.1


sehr gut

Familiensaga vor traumhafter Kulisse

In Prien am Chiemsee leben die Greiffenbergs. Sie alle sind gekommen, um das traditionelle Anschwimmen an Elsas Geburtstag, es ist ihr achtzigster, wie jedes Jahr zu zelebrieren.

Das Feinkostgeschäft leitet Ludwig, Elsas jüngster Sohn, der ältere Sohn Wolfgang arbeitet im Unternehmen mit. Die nächste Generation hat nicht viel übrig für das exklusive Familienunternehmen und doch müssen sie sich damit beschäftigen, als Ludwig eines Tages von einem Segeltörn nicht zurückkommt. Was tun? Ferdinand ist eher dem süßen Leben zugetan, liebt schnelle Autos und heiße Girls und fühlt sich als das Sportass schlechthin in seiner Rolle als Stuntman sichtlich wohl. Bleiben noch Pauline und Antonia, letztere ist noch zu jung und Pauline hat mit Mann und den sechsjährigen Zwillingen Ada und Max genug zu tun. Und doch hängen alle Hoffnungen an ihr, wenngleich Sebastian, ihr Ehemann, damit so überhaupt nicht einverstanden ist.

„Feinkost Greiffenberg steht noch heute für erlesene Köstlichkeiten aus aller Welt.“ Aber eher auf dem Papier, denn sie sind hoch verschuldet.

Der Auftakt der Familiensaga „Gegen den Wind“ hat alles, was Hinterlist und Ränkespiele zu bieten haben. Da wird manipuliert und intrigiert was das Zeug hält. Auch wenn so mancher nicht in der Lage wäre, einen Betrieb dieser Größenordnung zu führen, so darf es doch nicht sein, dass Pauline auch nur annähernd Erfolg hat. Elsa kann sie davon überzeugen, dass sie es schafft, die Firma wieder auf Kurs zu bringen. Widersacher hat sie zuhauf, allen voran ihren eigenen Ehemann, aber auch Wolfgang und ihr Bruder Ferdinand setzen ihr gehörig zu. Und natürlich gibt es auch außerhalb der Familie nicht nur diejenigen, die ihnen wohlgesonnen sind. Und – wie könnte es anders sein – spielt auch die Liebe eine nicht zu unterschätzende Rolle.

Isabell Schönhoff präsentiert eine mitreißende Story vor einer traumhaften Kulisse. Ihre starken, zupackenden Frauenfiguren sind allesamt sympathisch, man fiebert direkt mit und verteufelt so manch bitterbösen Racheplan, ersonnen – wie könnte es anders sein - von einem der von sich eingenommenen Männer. Natürlich gibt es auch in ihren Reihen Ausnahmen, ansonsten hätte die Liebe keine Chance.

Dieser Auftaktband ist kurzweilig zu lesen, man ist sofort mitten im Geschehen, fiebert mit den einzelnen Figuren mit und verteufelt so mach finstere Gestalt. Es ist so einiges passiert, es waren die Guten und die Bösen am Werk. Beide Seiten passen perfekt ins Klischee. Und - eine Vermutung, die sich durchs Buch zieht, wird leider nicht aufgeklärt, schon aufgrund dieses Cliffhangers hoffe ich, dass der zweite Band nicht allzu lange auf sich warten lässt.

Bewertung vom 06.06.2023
Die Wahrheit
Edvardsson, Mattias

Die Wahrheit


sehr gut

Durchweg spannend erzählt

Vor kurzen habe ich „Die Bosheit“, meinen ersten Roman von Mattias Evardsson, als langatmige Nachbarschaftsstory mit kaputten Typen abgetan. Sein neuestes Werk „Die Wahrheit“ dagegen habe ich durchweg positiv gesehen - im Sinne von kurzweilig, von gut und äußerst spannend und wendungsreich zu lesen. Der Autor wird als Meister der subtilen Spannung beschrieben, dieser Aussage kann ich mich ohne Wenn und Aber anschließen, wenngleich der Schluss ein Aber zulässt.

Bill lebt nach dem Tod seiner Lebensgefährtin mit der gemeinsamen Tochter Sally in einer Wohnung, die sie sich nicht mehr leisten können, also suchen sie eine Untermieterin. Karla zieht bei ihnen ein, die Studentin hat einen Putz-Job bei den gut situierten Rytters. Steven Rytter ist ein angesehener Kinderarzt, während seine Frau Regina meist vor sich hindöst. Kein Arzt findet die Ursache ihrer Probleme, sodass Steven sie im Alleingang medikamentiert, ihren Zustand jedoch eher verschlechtert denn verbessert. Wäre noch Jennika, die ihre Brötchen in einer Hotline als Lebensberaterin verdient und immer auf der Suche nach dem Richtigen ist, den sie dann auch findet.

Zwischendurch lese ich Auszüge aus den polizeilichen Vernehmungsprotokollen aller bekannten Personen und auch von denen, die noch nicht erwähnt sind. Es geht um den Doppelmord an Steven und Regina, diese Tötungsdelikte sind von Anfang an bekannt. Wer dafür verantwortlich sein soll, ist bis zum etwas schnell abgehandelten und für mich ziemlich konstruierten Schluss nicht erkennbar, auch wenn jeder ein Motiv haben könnte.

„Die Wahrheit“ ist gute Unterhaltung im besten Sinne, man lernt die Charaktere kennen, blickt hinter die Kulissen. Aber gerade so viel, wie es der Autor zulässt. Denn immer dann, wenn es so richtig spannend wird und man unbedingt mehr von dieser gerade beschrieben Situation wissen möchte, in der sich die einzelnen Personen befinden, folgt eine neue Szene. Denn nicht alles ist so, wie es den Anschein hat, das wird zunehmend deutlich. Auch wenn sich zum Schluss alles aufklärt, ist dieses Ende für mich nicht stimmig, das Gesamtbild ist unrund. Abgesehen davon hat mir Mattias Edvardsson fesselnde Lesestunden beschert.

Bewertung vom 06.06.2023
Schmeckst du ihren Tod?
Schwarz, Gunnar

Schmeckst du ihren Tod?


ausgezeichnet

Rache!

Eine wie achtlos weggeworfene Leiche wird gefunden, ihr Brustkorb wurde fachgerecht mit einem Y-Schnitt geöffnet und nicht genug damit, ein Organ wurde entfernt. Und – es bleibt nicht bei dieser einen Tat. Als dann ein rotes Paket mit makaberem Inhalt zugestellt wird, auch hier folgen mehrere, fragen sich Marc, der Ermittler und Frieda, die Psychologin, wer hinter diesem grausamen Spiel steckt und warum. Darüber hinaus nimmt der vermeintliche Täter telefonisch Kontakt zu Frieda auf – was will er damit bezwecken? Eine schier ausweglose Situation, das Team tappt lange im Dunkeln und doch bleiben sie nah dran: „Wir! Finden! Ihn!“

Wie von Gunnar Schwarz gewohnt, bleibt die Spannung bis zuletzt erhalten. Neben dem vielschichtig angelegten Fall schimmert auch ein wenig Privates durch. Frieda und Marc mögen sich sehr, sie waren verbandelt, sie sind sich noch immer sehr zugetan. Ihr familiärer Hintergrund fließt mit ein, nicht zu viel, aber doch genug, um beide menschlich gut einschätzen zu können.

Neben Marcs Ermittlungen ist Frieda als Psychologin prädestiniert, hinter die Tötungsphantasien der oder des Täters zu blicken. Wer lebt diese Phantasien aus und warum? Steckt gar etwas ganz anderes dahinter? In akribischer Kleinarbeit tragen sie Puzzleteil für Puzzleteil zusammen, denn irgendetwas müssen die Opfer gemeinsam haben. Grausame Details kommen zum Vorschein, man mag sich so manche Szene gar nicht vorstellen und doch treibt es einen weiter und – viel zu oft endet eine Spur im Nichts. Oder doch nicht? Hängt alles mit allem zusammen? Der Autor versteht es hervorragend, Hochspannung zu erzeugen und diese nicht abebben zu lassen.

„Schmeckst du ihren Tod?“ ist der finale fünfte Teil um Frieda Rubens und Marc Wittmann, dieser letzte Fall ist – wie alle anderen – in sich abgeschlossen. Er hat mich, wie nicht anders erwartet, von der ersten bis zur letzten Seite gefesselt, ich kann ihn jedem Thriller-Fan wärmstens empfehlen.

Bewertung vom 06.06.2023
Zwischen Himmel und Erde (eBook, ePUB)
Rodrigues Fowler, Yara

Zwischen Himmel und Erde (eBook, ePUB)


gut

Zwei Leben, ein schicksalhaftes Jahr

Die britisch-brasilianische Schriftstellerin Yara Rodrigues Fowler nimmt ihre Leser mit ihrem Buch „Zwischen Himmel und Erde“ mit ins Jahr 2016. Es ist die Zeit, als der Brexit in aller Munde war und in Brasilien es Tausende auf die Straßen treibt. Jedes Leben wird beeinflusst von den gesellschaftlichen und den politischen Ereignissen, ein profundes Wissen darum ist allemal von Vorteil, will man dieses Buch genießen.

Der fordernde Schreibstil erschwert das Lesen, wobei die fehlenden Satzzeichen nicht weiter tragisch sind, der Lesefluss leidet hier eher marginal. So manches kommt wie abgehackt daher und die immer wieder auftauchenden Listen mit Wörtern wie etwa „…in der Schule nannte man sie Mel – Honig – meleca – meloso“ sind auch bald gut einzuordnen. Portugiesische Textpassagen, Rezepte oder Songtexte, Wortwiederholungen, teilweise seitenlang, habe ich dagegen als störend empfunden. Es sind nur einige dieser Lese-Stolpersteine, wie ich diese Ausdrucksform mal benenne, aufgeben sollte man deswegen jedoch nicht. Ein einfach-so-mal-Weglesen geht gar nicht, der ganze Roman fordert seine Leser.

„Zwei Leben verflechten sich in einer weltumspannenden Geschichte.“ Das Buch erzählt von Catarina, die es von Brasilien nach London zieht, hin zu Melissa, die beiden leben in einer WG. In Rückblicken erfahre ich von Baby Melissa und ihrem Umfeld, ihrer Schulzeit, ihrem Erwachsenwerden. Ebenso erlebe ich Catarinas Geburt, zwischendurch wird von ihrer Tante Laura berichtet, die während der Militärdiktatur verschwunden ist. An ihrem Beispiel wird die ganze Tragik um sie, um die ganze Familie, erlebbar. Es kristallisiert sich heraus, dass die beiden jungen Frauen tiefer verbunden sind, als es zunächst den Anschein hat. Sie sind jung, probieren sich aus, die Fernbeziehung zu Pedro hält Catarina per Skype aufrecht, auch gehören Diana, Britney und Amy Winehouse neben Prince und George Michael und vielen und vielem anderen in diese Zeit, es ist viel passiert. Yara Rodrigues Fowler lässt dies alles neben dem politischen Hintergrund gekonnt mit einfließen.

Ja, es ist „ein fulminanter Roman über eine tiefe Freundschaft, über Familie, Liebe, Revolution und das politische Erwachen in einer Zeit der radikalen globalen Umbrüche“. Bildgewaltig in Szene gesetzt anhand zweier junger Frauen mit brasilianischen Wurzeln. Eine unkonventionelle Erzählweise, ein ungewöhnliches Buch, für das es Zeit braucht, auf das man sich ganz einlassen sollte.

Bewertung vom 01.06.2023
Das Licht im Rücken
Lüpkes, Sandra

Das Licht im Rücken


gut

Die erste Leica

Wer kennt sie nicht, die Leica. Sandra Lüpkes erzählt von ihren Anfängen. Von Oskar Barnack, der in den Leitz-Werken arbeitet. Der geniale Feinmechaniker ist es leid, beim Fotografieren stets einen klobigen Apparat mit schweren Glasplatten zu schleppen. Er entwickelt einen kleinen, handlichen Apparat, mit dem leichtes Zelluloid belichtet wird: die Leica. Eine Idee, die nicht nur sein Leben, sondern die Sicht auf die ganze Welt verändert. Er stellt seinem Chef seine Erfindung vor, dieser ist davon überzeugt und will ihn unterstützen. Wir schreiben das Jahr 1914.

Rund um die Leica erzählt die Autorin von dem Erfinder und vom Schicksal noch zweier Familien. Sie gewährt tiefe Einblicke in die Industriellenfamilie Leitz und auch in die fiktive jüdische Familie Gabriel - vor dem Hintergrund des ersten Weltkrieges bis hin zu den Nationalsozialisten, historisches und Fiktion sind gekonnt ineinander verwoben.

Was mich jedoch zunächst veranlasst hat, das Buch zur Seite zu legen, waren die vielen Personen, die geballt ihren Auftritt hatten. Da musste ich mich schon zwingen, dranzubleiben. Und ja, ich habe weitergelesen, wobei das Personenregister mit den realen und den fiktiven Charakteren enorm hilfreich war. Ich hab des Öfteren nach hinten geblättert, auch wenn es zunächst aufhalten mag, hatte ich sie später dann einigermaßen verinnerlicht und ich konnte mich auf die Geschichte konzentrieren.

In ihrem Nachwort erzählt sie von der Idee zum Buch, auf ihrer Recherche zu ihrem vorhergehenden Roman ist sie auf Aufnahmen aus dem 1920er und 1930er Jahren gestoßen, diese waren mit einem ganz frühen Leica-Modell vom jüngsten Sohn des Wetzlarer Industriellen Günther Leitz gemacht worden. Und so kamen viele Infos dazu – „Das Licht im Rücken“ war am entstehen.

Unbedingt erwähnenswert ist die Gestaltung des Buches. Angefangen vom Bild auf dem Cover, das schon mal neugierig macht, sind viele Originalaufnahmen mit Bildnachweis (am Ende des Buches)und kurzen Erläuterungen dazu abgedruckt. In sieben Kapiteln lässt die Autorin ihre Leser am weltweiten Siegeszug der Leica teilhaben, eine Abbildung der Kamera mit den technischen Daten und Bildmaterial ist jedem dieser Kapitel vorangestellt.

Fotos sind für uns nicht besonderes, wir knipsen munter drauf los. Die erste Kamera, die in jede Tasche passt, die Geschichte drumherum ist sehr aufschlussreich, die Aufmachung des Buches etwas ganz Besonderes. Die Story dahinter hat mich nicht so sehr gefesselt, auch wenn ich viel über die Anfänge der ersten kleinen Kamera erfahren habe.

Bewertung vom 01.06.2023
Die Verborgenen (eBook, ePUB)
Geschke, Linus

Die Verborgenen (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Wenn alles schläft ist Showtime

Ein „Psychothriller der Extraklasse“, so wird das neueste Werk von Linus Geschke beworben. Diese Aussage kann ich nach der atemlosen Spannung, nach dem Verschlingen der „Verborgenen“, bestätigen. Man ist alleine zuhause, es ist mucksmäuschenstill, kein Geräusch stört – und plötzlich knackst es. Wer hat dies nicht schon erlebt? Und doch denkt man sich normalerweise nichts dabei.

Ganz anders bei dem Hoffmanns. Sven, Franziska und ihre 17jährige Tochter Tabea – sie wohnen zu dritt in einem großen Haus mit Keller und Dachboden, beides wird sehr selten betreten. Bis Franziska eines Tages alleine in den Keller geht, ihr sowieso schon mulmiges Gefühl wird noch verstärkt, als sie Fußspuren entdeckt, die sie sich nicht erklären kann. Sven wiegelt ab, er weiß um ihre Angst, den Keller zu betreten. Dennoch geschehen weitere unerklärliche Dinge, sie bezichtigen sich gegenseitig. Dass die heile Welt der Hoffmanns alles andere ist als heil, wird zunehmend sichtbar. Und je näher ich ihnen komme, je mehr ich von ihnen weiß, desto klarer wird, dass hier gefühlt jeder etwas zu verbergen hat.

Zwischendurch wird eine Stimme laut, die zu ihm (dem Phrogger) spricht - wer auch immer das sein mag. „Du – hast gelebt in Amsterdam, das Leben in vollen Zügen ausgekostet. Mit Miriam.“ Warum dies jetzt vorbei ist, warum sich dieser heimliche „Gast“ bei den Hoffmanns verbirgt, sich unbemerkt im Haus umschaut, sie beobachtet, ihr Essen isst, ihre Dusche benutzt, jeden Winkel, jede Schublade inspiziert, sich jedes noch so kleine Detail einprägt, ist unklar. Erst gegen Ende offenbart sich dieser Phrogger, dieser ungebetene Mitbewohner.

Wie so oft gestaltet sich auch hier die ganze Story anders als erwartet. Die wechselnden Perspektiven sorgen für zusätzliche Spannung. Jeder kommt zu Wort. Sven erzählt von sich, von seinen Träumen, seinen Zukunftsplänen. Auch Franziska lässt mich teilhaben an ihrem Leben, ebenso Tabea. Sie sind eine Familie und doch driften sie auseinander. Der Eindringling beobachtet sie, er kennt sie gut, er manipuliert sie.

Es sind Psychospielchen vom Feinsten, die dieser Phrogger anstößt, die Linus Geschke aufs Anschaulichste präsentiert. Der Autor beherrscht das Spiel mit den Urängsten, er zieht seine Leser geschickt in eine geheime, in eine dunkle Welt. Rückblicke auf Vergangenes sind aufschlussreich, wenngleich diese Infos erst spät zugeordnet werden können. Die Akteure sind allesamt gut dargestellt, keiner davon kommt sympathisch rüber, mehr und mehr bröckelt die lange aufrechterhaltene Fassade. Die düstere Grundstimmung zieht sich durchs Buch und zum Ende wird klar, wie und warum die einzelnen Erzählstränge miteinander zu tun haben. Der Autor hat mich damit einmal mehr gefesselt, ich habe nichts anderes von ihm erwartet.

Bewertung vom 27.05.2023
Labyrinth Barcelona
Wiegand, Jens

Labyrinth Barcelona


ausgezeichnet

Barcelona, ich komme...

„Reisen als mentaler Idealzustand hat Jens Wiegand ruhelos durch die Welt getrieben.“ Wenn das nicht ideale Voraussetzungen sind. Er kennt Barcelona wie seine Westentasche, seit nunmehr 25 Jahren erkundet er jeden Winkel. Ich begebe mich voller Vorfreude in seine kundigen Hände, in sein „Labyrinth Barcelona“. Schon das erste Durchblättern weckt meine Reiselust. Ich war noch niemals in da, was ich dringend ändern muss. Dass diese katalonische Stadt zu den beliebtesten Zielen bei Städtereisen gehört, kann ich mir lebhaft vorstellen.

Ein erstes Zurechtfinden ermöglicht die Karte auf der vorderen Innenseite, die Struktur Barcelonas ist hier anschaulich dargestellt und die Ziffern führen mich direkt zu den einzelnen Spaziergängen. Diese sind mit km-Angaben versehen und den Tagen, an denen man diese am besten unternimmt. Auch findet man eine übersichtliche Karte mit den hier beschriebenen Stationen. Die Routen sind in wiederum in vier Blöcke unterteilt. Die ersten zehn führen durch die Innenstadt, sie sind alle nicht allzu lang, viele davon nur 1 km. Man schlendert durch die Gassen, bleibt stehen, schaut sich um, betrachtet die Sehenswürdigkeiten… Die Routen 11 bis 19 führen um das Stadtzentrum, die nächsten 6 Routen erkunden eher periphere Zonen und für die letzten 4 Besichtigungen steigt man in öffentliche Verkehrsmittel.

Vorangestellt sind viele Infos über beispielsweise die Barcelona-Card, um nur einen der vielen Tipps herauszugreifen, ein Best-of der Museen, Fotospots, Architektur, Aussichtspunkte und natürlich auch Bars und Restaurants. Am Ende des Buches sind noch allgemeine Tipps für unterwegs zusammengefasst wie etwa das Trinkgeld, das ja in jedem Land anders gehandhabt wird. Jahreskalender und Stichwortverzeichnis runden das Ganze ab.

Wenn ich mir nur mal die Tour 21 stellvertretend für alle anderen herauspicke, die in den Park Güell führt, bekomme ich viele Infos über das Gelände, die Entstehung und über Gaudi, der mit dem Entwurf der Gartenstadt beauftragt wurde. Immer garniert mit Fotos und da der Mensch auch was zum Essen und Trinken braucht, dürfen Bars und Restaurants mit Öffnungszeiten nicht fehlen.

Man merkt dem Buch an, dass hier ein Kenner der Stadt, ein Insider am Werk war. Und nicht nur das, er ist hier verwurzelt, mit seinem Barcelona verwachsen. Durch das „Labyrinth Barcelona“ kann man sich damit schon zurechtfinden, die Gässchen und Winkel wollen alle entdeckt werden. Abseits ausgetretener Touristenpfade, garniert mit Kultur, mit Geschichtlichem, auch mal Kuriosem und so einigen Ausgehtipps freue ich schon jetzt auf Kataloniens Hauptstadt.