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hamburger.lesemaus
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Bargfeld-Stegen

Bewertungen

Insgesamt 333 Bewertungen
Bewertung vom 22.03.2022
Die Wut, die bleibt (MP3-Download)
Fallwickl, Mareike

Die Wut, die bleibt (MP3-Download)


sehr gut

Die Wut, die bleibt
Mareike Fallwickl
Gelesen von Marie-Isabel Walke & Ulrike Kapfer

Helena steht während des gemeinsamen Abendessens auf, geht auf den Balkon und springt in den Tod.
Zurück bleiben ihr Mann Johannes, ihre zwei kleinen Söhne und ihre 15-Jährige Tochter Lola aus erster Ehe.

Nachdem die Schockstarre und die erste Trauer vorbei sind, bemerkt die Familie schnell, wie und wo die Mutter überall fehlt. Der Vater ist komplett überfordert, findet keine Kindergartenplätze für die Kleinen und die dreckige Wäsche füllt die ganze Badewanne. Helenes beste Freundin Sarah springt kurzerhand ein.
Doch bei diesem einem Mal bleibt es nicht. Sarah wird mehr und mehr zur Babysitterin, Putz- und Waschfrau, während sich Johannes immer weiter von seiner Pflicht zurückzieht.

Abwechselnd erzählen Lola und Sarah ihre Geschichten:
Sarah, Bestsellerautorin, wohnt mit ihrem jüngerem Freund zusammen. So richtig will er sich nicht binden und ein Kind mit ihr will er schon gar nicht. Ihre Vorzüge, mit dem guten Einkommen und dem großen Haus, nimmt er aber gerne mit.
Helene und sie kennen sich bereits aus dem Kindergarten. Sie kennt alle ihre Geheimnisse, aber warum hat Helene ihr nichts von ihrer Überforderung erzählt?
Lola, die selbst kaum mit ihrem Leben und Teenie-Dasein zurechtkommt, ist Sarah keine Hilfe. Als sie von einem Jungen überfallen wird, möchte sie nie wieder Opfer sein und schlägt eine ganz andere Richtung ein.

Mir hat das Hörbuch unglaublich gut gefallen. Es hat mich regelrecht in seinen Bann gezogen und die Sprecherinnen sind toll!
Ja, Lola war oft nicht einfach zu ertragen und ich hätte sie gerne ein paar Mal gerüttelt und ihr gesagt: „Hey wach auf, da kümmert sich jemand um dich und diejenige ist nicht dein Feind“ und Sarah dich habe ich bewundert: Dass du dich nicht einfach umgedreht hast und weggegangen bist!
Aber hätte Lola auf mich gehört? Nein, eher nicht.

Fazit:
Man muss durch das Teenie-Alter durch und springt als Mutter nicht vom Balkon! (An dieser Stelle: Gruß an meine Tochter ;)
4½ Sterne und eine Lese/Hörempfehlung von mir.

Bewertung vom 22.03.2022
Ewiges Licht (eBook, ePUB)
Spufford, Francis

Ewiges Licht (eBook, ePUB)


weniger gut

Ewiges Licht
Francis Spufford
Aus dem Englischen von Jan Schönherr

Der Klappentext liest sich spannend:
Am 25. November 1944 schlägt eine deutsche V2 in ein Londoner Kaufhaus ein. 168 Menschen verlieren binnen Sekundenbruchteilen ihr Leben, die meisten sind Frauen und Kinder. Francis Spufford macht aus dem Epitaph für die Getöteten einen Anfang. Er erzählt von fünf ungelebten Leben: Da sind die Zwillingsschwestern Jo und Val. Val, die Lebenslustige, verliebt sich in den Falschen, landet im Gefängnis und tut ein Leben lang Buße. Jo, die Hochbegabte, geht nach Amerika, aber für eine Frau ist in der Musikindustrie nur die Rolle als Freundin des Stars vorgesehen. Vern, der von keinem Geliebte, macht Geschäfte, er triumphiert und scheitert und geht dabei über Leichen. Alecs Leben verläuft in den vorbestimmten Bahnen seiner Klasse – bis der Umbruch der Thatcherjahre alle Gewissheiten zerschlägt. Und dann ist da Ben, der Bedrohteste von allen, sein Lebensleid scheint beinahe unerträglich, aber am Ende wartet auf ihn das hellste Glück, das ein Autor sich einfallen lassen kann.
Ein Roman, so unvorhersehbar wie das wahre Leben, erfüllt von großem Leid und von der Hoffnung, dass allen Menschendingen am Ende doch ein Sinn innewohnt. Eine bewegende Lektüre, fesselnd, erheiternd und zu Tränen rührend.

Leider konnte mich die Geschichte nicht fesseln und zu Tränen rühren.
„All das Hätte, Könnte, Würde der kommenden Jahrzehnte“ (Tolino S.17) konnte mich so gar nicht überzeugen.
Der Einstieg war für mich schwer. Der Autor berichtet in großen Zeitsprüngen und in kleinen Zeitfenstern über die jeweilige Person.
Gefühlt ist dies ein Roman mit Kurzgeschichten: Die Protagonisten befinden sich jeweils in einer andern/neuen Lebenssituation und kaum hat man sich mühsam eingelesen, ist diese Sequenz auch schon wieder vorbei.
Schade, ich hatte große Erwartungen an dieses Buch.

2 Sterne

Bewertung vom 16.03.2022
Man vergisst nicht, wie man schwimmt
Huber, Christian

Man vergisst nicht, wie man schwimmt


sehr gut

Ein Tag wie ein Leben

Man vergisst nicht, wie man schwimmt
Christian Huber

‚‚Ich erinnere mich noch, dass mit einem Mal kein Prasseln mehr zu hören war. Das seltsamerweise das Erste, was mir einfällt, wenn ich an diesen Tag zurückdenke. Und wie eigenartig sich der Morgen anfühlte. Die Dämmerung. Verschobene Konturen, als blickte man durch Wasser.
Verzerrt von oben und erst dann klarer zu erkennen, wenn man schließlich untertaucht und unter Wasser die Augen öffnet.
Damals, an diesem 31. August 1999.
Da sind wir.
Jacky. Viktor. Ich.
Eine Freundschaft.
Eine Liebe.
Und ein Tod.
Und das ist die Geschichte.’'
(S.9)

Krüger ist 15 Jahre alt, ein wenig ‚verpicht' und Stubenhocker.
Er hasst den Sommer und früher wäre er bei dieser Hitze ins Freibad gegangen, aber heute geht das nicht mehr, denn er hat ein Geheimnis und deshalb kann er auch nicht mehr schwimmen gehen.
Also hilft er seinem besten Freund Viktor Zeitungen auszutragen, hängt ein wenig im klimatisierten Drogeriemarkt ab und wird ‚bäääääng‘ von einem rothaarigem Mädchen umgerannt, die mit einem frisch geklauten Nokia 3210 die Beine in die Hand nimmt.
Eigentlich könnte Krüger das egal sein, aber bei dem Sturz hat sich das Mädchen auch noch seinen Eastpak geschnappt.
Als sie dann das Mädchen finden und diese vor der Polizei warnen können, beginnt eine Freundschaft, die nur noch Stunden andauern wird.


Der Roman, der flüssig zu lesen ist, konnte mich meistens in seinen Bann ziehen.
Krügers Geschichten sind wunderbar: ’Der Junge und der Moloch’ war so ergreifend, dass ich ein kleines Tränchen wegblinzeln musste. Der Spannungsbogen war gut aufgebaut und das Ende gefiel mir sehr.
Allerdings hatte ich das Gefühl, das sich der Autor in der Zeit vergriffen hatte: 1999 und eine Polaroid-Kamera? Da hatten wir doch schon alle eine Spiegelreflex. Hollywood-Schaukel? Das waren doch eher die 70er…
Leider kam bei mir kein Flashback auf.

Fazit: Ein ‚verpichter' Roman, der ein wenig hinter meinen hohen Erwartungen blieb, wo ich mir aber vorstellen kann, dass er viele Leser begeistern wird. 4 Sterne.

Bewertung vom 15.03.2022
Wodka mit Grasgeschmack
Mittmann, Markus

Wodka mit Grasgeschmack


sehr gut

Tiefgründiges Buch

Ich habe euch ja bereits erzählt, dass ich nie die Buchbeschreibungen auf der Rückseite lese und als mich der Autor Markus Mittmann anschrieb, ob ich seinen Roman

Wodka mit Geschmack
Markus Mittmann

lesen und rezensieren möge, dachte ich, nach dem Cover zu schließen, es handle sich hier um einen ‚Coming of Age-Roman‘, einen Roman, mit wenig Tiefgang, wenngleich unterhaltsam.
Weit gefehlt! Hier verbirgt sich ein Roman mit Tiefgang. Es geht um Vergangenheitsbewältigung von einst vertriebenen Deutschen aus Schlesien.

Zu viert machen sie sich auf den Weg: Unser Protagonist mit seinem älteren Bruder und deren Eltern. Und obwohl sie das gleiche Ziel haben, fahren die Jungs nach Polen, während die Eltern gefühlt zurück in ihre Heimat nach Schlesien aufbrechen.

Der Vater, schon fast 90 Jahre alt, wollte nie zurück - hatte immer Angst davor zurückzukehren in das Land, das ihn nicht mehr haben wollte:
Zweimal ist er geflohen und hat sich versteckt - erst vor den Nazis, dann vor der Roten Armee. Aber er ist jedes Mal zurückgekehrt. 1946 konnte er nicht schnell genug fliehen und so haben sie ihn mit seiner Familie und vielen anderen Deutschen in einen Zugwaggon verfrachtet.Tagelang mussten sie zusammengepfercht in dem Waggon bleiben. Erst in Salzgitter durften sie aussteigen.
Als Vertriebener abgereist, als Flüchtling angekommen, einst Großgrundbesitzer, jetzt Aussätziger.

Und so fahren sie zurück, an genau jenen Orten, damit die Geschichten noch einmal erzählt werden.

,,Ich wollte sehen, wie alte Türen zufallen und es für meine Eltern eine Erleichterung gibt. Ich hatte mir ausgemalt, dass unsere Reise eine Versöhnung mit der Vergangenheit wird, dass irgendwelche Räume mit dunklen Inhalten geschlossen werden.'' (Seite 122)

Markus Mittmann schreibt in einer wunderbaren Sprache ein Stück Zeitgeschichte auf. Er hat hier ein eindringliches Buch über die Vertreibung der Deutschen in Schlesien, die ich so noch nicht kannte, geschrieben. Die Geschichten der Eltern haben mich sehr berührt.

Was ich weniger gelungen finde, ist der Titel und das Cover (obwohl ich das Cover für einen anderen Roman gemocht hätte). Es passt so überhaupt nicht zu einer Nachkriegsgeschichte. Ich glaube ein Cover mit einer Schwarz-Weiss Fotografie der Zeit hätte dem Erscheinungsbild des Buches gut getan. Ein weiteres Manko: Ich konnte nicht herausfinden, wann die Familie diese Reise unternommen hat. "Ford Taunus und VW Bora“... (waren das nicht die 80er?), "SMS geschrieben“ (jetzt sind wir Anfang 2000, oder?) und auf einmal berichtet der Autor von der Flucht des Vaters, welche vor 70 Jahren geschehen sein sollte - hiernach befänden wir uns im Jahr 2016, wo doch keiner mehr SMS schickt bzw. einen Bora auf der Strasse entdeckt. Verwirrend!

Dennoch eine absolute Leseempfehlung von mir für diejenigen, die Nachkriegsgeschichten lieben und mehr über die Vertreibung aus Schlesien erfahren möchten.
4 Sterne.

Ein Zitat, aktueller denn je: „Ich schaue meine Eltern an. Wie kann eigentlich jemand vom Gewinnen eines Krieges sprechen? Gewalt kommt immer zurück, trifft jeden und fragt nicht nach Schuld. Es gibt nur Opfer. Und nicht Deutsche, Polen oder Russen erlebten den Krieg, sondern Menschen mit gleichen Empfindungen. Die Welt von Ängsten, Trauer oder Wut kannte auch damals keine Grenzen. In allem lag die Zerstörung. Nur Leid und Verlust“. (Seite 219)

Bewertung vom 10.03.2022
In all deinen Farben
Babalola, Bolu

In all deinen Farben


ausgezeichnet

Starke Frauen, Starkes Buch


In all deinen Farben
Bolu Babalola
Übersetzerin: Ursula C. Sturm

Meine guten Vorsätze für das neue Jahr, erst mal keine Rezensionsexemplare zu lesen, haben genau so lange angehalten, bis ich dieses tolle Cover - und dann auch noch vom EISELE Verlag - gesehen habe.
Angefragt - runtergeladen, und dass, obwohl ich gar nicht so gerne Kurzgeschichten mag. Zu wenig Tiefgang und wenn die Story gerade richtig beginnt, endet sie auch schon wieder.
Vielleicht werde ich ja eines Besseren belehrt?!

Hier sind es 10 Liebesgeschichten:
Bolu Babalola nimmt uns mit. Sie führt uns in die Welt der ganz Armen und sehr Reichen, ins Königreich von 1001 Nacht. Sie schickt die Götter des Olymp in die Moderne, wo diese sich Kurznachrichten schicken. Babalola bedient sich der Namen von Nofretete, Echnaton und Isis aus der ägyptischen Mythologie und führt uns, gemeinsam mit ihnen, ins organisierte Verbrechen. Meist sind ihre Geschichten romantisch, nicht immer mit Happy End.
Geschichten über starke Frauen, die sich auch mal über das ihr zugedachte Schicksal hinwegsetzen.

Fazit:
Die meisten Geschichten haben mich angesprochen, wie die zum Beispiel von Scheherazade, Yaa und Naleli. Und dann ertappe ich mich doch wieder dabei, dass ich gerne mehr erfahren hätte.
Die einzelnen Geschichten würde ich mit 3-5 Sternen bewerten.
Ein großartiges Buch für Frauen, die Liebes- und Kurzgeschichten mögen.

Bewertung vom 10.03.2022
Kaiserstuhl
Glaser, Brigitte

Kaiserstuhl


sehr gut

Eine etwas andere Nachkriegsgeschichte

Kaiserstuhl
Brigitte Glaser

1962/63 Schauplätze sind das Elsass, Den Haag und Paris:

Henny Köpfer, Kriegswitwe, hat in Freiburg nicht nur eine gut etablierte Weinhandlung, sondern auch ein Geheimnis: In der großen Bombennacht von 1945, während des 2. Weltkrieges, fand sie einen kleinen 3-Jährigen Jungen unter einem brennenden Baum und nahm ihn kurzerhand mit.
Ihre Schwiegermutter Kätter ist dieser Junge namens Kaspar ans Herz gewachsen, gemeinsam ziehen sie in groß, aber irgendwie haben sie immer den richtigen Moment verpasst Kaspar die Wahrheit über seine Herkunft zu erzählen.

Adenauer und de Gaulle wollen sich im Élysée-Palast zur Unterzeichnung des deutsch-französischen Freundschaftsvertrag zusammenfinden.
Paul hat einen ganz besonderen Auftrag bekommen: Er soll eine Flasche Vossinger-Champagner aus dem Jahre 1937 aus einem Versteck holen, damit Adenauer und de Gaulle mit diesem Tropfen am Tage der Vertragszeichnung anstoßen können.
Diese eine Flasche ist die Letzte von Eintausend: Die Nazis hatten alle 37er Champagner-Flaschen im Hause Vossinger in der Champagne konfisziert. Göringers Weinführer Rohl soll höchstpersönlich den Abtransport bis zum Weinkeller des Führers begleitet haben.
Doch eine Flasche fand damals den Weg in den Weinkeller der Familie Köpfer.

Dieser Vorssinger-Champagner ist heiß begehrt, denn es gibt hierzu ein Gerücht, nachdem Göring im Etikett einen Hinweis auf ein Versteck für seine Raubgüter hinterlassen hat.
Und vielleicht ist an der Geschichte etwas dran, denn nicht nur Paul sucht nach dem 37er Vossinger, sondern auch ein Freiburger Weinhändler, ehemaliger SA-Mann namens Dobler.
Als dann auch noch Kaspar verschwindet, kreuzen sich die Wege von Henny und Paul ein zweites Mal. Beim ersten Mal hatte Henny ihn am Altar stehen lassen...

Brigitte Glaser ist es hervoragend gelungen historische Fakten mit fiktiven Personen zu verbinden. Der Schreibstil ist schön und ich habe besonders den Dialekt der einzelnen Charaktere geschätzt.
Zu Beginn hatte ich allerdings Probleme die Personen zu verbinden. Erst als ich im Tolino (E-Pub) per Zufall den Stammbaum ganz hinten gefunden habe, wurden die einzelnen Verbindungen schlüssig und ab da waren die vielen Personen- und Ortswechsel kein Problem mehr.
Das Ende war mir allerdings zu sehr in die Länge gezogen.

Leseempfehlung von mir für diejenigen, die mal einen anderen Nachkriegsroman lesen möchten. 4 Sterne

Bewertung vom 10.03.2022
Diese eine Liebe wird nie zu Ende gehn
Matthiessen, Susanne

Diese eine Liebe wird nie zu Ende gehn


sehr gut

Flashback

Susanne Matthiessen
Diese eine Liebe wird nie zu Ende gehn

Gemeint ist Sylt, teuerstes Fleckchen Deutschlands, teurer als München oder Hamburg.
Die Sylter haben schon lange ihre Schäfchen im Trockenen. Vor Jahren haben sie alle ein Stückchen Land verkauft und zweistellige Millionenbeträge dafür erhalten. Haben investiert: der eine am Arlberg, der andere auf Mallorca. Nur ihren Gästen dürfen sie von ihrem eigenen Reichtum nichts erzählen. Das wäre unklug. Immer schön so tun, als wenn man zum Herrn Doktor aufschaut, Bodenständigkeit zeigen - das wollen die Gäste.

Susanne Matthiessen, erzählt von ihrem Leben auf der Insel als Einheimische und beginnt in den goldenen 80er Jahren und endet in der Corona Pandemie:
Es lief immer gut auf der Insel, o.k., fast immer. Es gab schon die grosse Sturmflut 1981 und das grosse Seehundsterben. Punks mischten die Gäste wahrend einer Hauptsaison auf, was diese natürlich nicht witzig fanden und es gab die „Chaos-Tage“ - aber sonst lief alles gut.
Matthiessen erzählt aus dem Nähkästchen: von ihrer besten Freundin Pfuschi, ihren Eltern, Besitzer des erfolgreichsten Pelzladens Deutschlands, von Nachbarn, Festen, Promis, Freunden und diversen anderen Geschichten.

Und was ist jetzt mit Sylt?
Leider haben sich die Sylter mit dem Verkauf ihres Baulandes auch ein wenig selbst abgeschafft. Fachkräftemangel ahoi! Da nur noch Villen und Hotels auf Sylt gebaut werden, gibt es Wohnraummangel für einfache Arbeiter. Postämter, Banken und Läden müssen schliessen. Aber auch der Klimawandel bedroht Sylt.
Vielleicht sollte ich doch noch mal schnell einen Urlaub auf Sylt buchen - die nächste Sturmflut kommt bestimmt!

Ein Buch, was Lust auf Sylturlaub macht. Es liest sich einfach, flüssig und leicht. Einfach eine schöne Geschichte. Diverse Male habe ich Herrn Google zu Personen (siehe Bild 2 - Hanna Schygulla :) und Orten befragt.
Eine Leseempfehlung nicht nur für Sylt-Fans.
4 Sterne

Bewertung vom 10.03.2022
Die Diplomatin
Fricke, Lucy

Die Diplomatin


sehr gut

Kein leichter Posten

Die Diplomatin
Lucy Fricke

Habe ich euch eigentlich schon erzählt, dass ich Diplomaten immer sehr speziell finde? (Entschuldigung an die Diplomaten an dieser Stelle).
Auch wenn ihr jetzt denkt: Na so viele wirst du ja nicht kennen… liegt ihr leider falsch. Ich lebe seit 22 Jahren in Thailand und habe viele Diplomaten kennengelernt. Es bedingt einer speziellen Profession und erfordert besondere Charakteristika, um den täglichen Herausforderungen gerecht zu werden.

Vielleicht kann die Protagonistin Frederike, von allen nur Fred genannt, mich doch eines Besseren belehren?!

Seit sechs Wochen ist Fred in Montevideo auf Posten. Die Konsulin ist eine Frau, die selbst gerne anpackt, gradlinig ist und sich nicht so leicht aus der Ruhe zu bringen lässt.
Als eine junge Frau von deren Mutter, Elke Büscher, eine bekannte Zeitungsherausgeberin, als vermisst angezeigt wird, lässt Fred die Ermittlungen eher langsam angehen, denn schlussendlich hat die Mutter ihre Tochter nur als vermisst gemeldet, weil sie seit 24 Stunden nichts mehr auf Instagram gepostet hat.
Später wird Fred ihr Zögern vorgeworfen und somit zum Verhängnis, sie wird zurück nach Bonn zitiert und strafversetzt.

Ein Jahr später bekommt Fred eine Neue Chance in Istanbul.

Meral, die eine doppelte Staatsbürgerschaft besitzt, wurde verhaftet und sitzt im Gefängnis ein, weil sie kurdische Künstlerinnen und politisch Verfolgte unterstützt hat.
Als ihr deutsch/kurdischer Sohn Baris, den man davon abgeraten hat in die Türkei zu reisen, eintrifft und vom Geheimdienst festgenommen wird, verstrickt sich Fred tief in die Machenschaften des türkischen Geheimdienstes, was sie wiederum mitten in die komplizierten diplomatischen Beziehungen zwischen der Türkei und Deutschland katapultiert.

Es geht um die Rechte in einer Demokratie, wie Freiheit und freie Meinungsäußerung ,um das, was für uns Deutsche so selbstverständlich ist.

Die Diplomatin gefiel mir wirklich sehr gut, das muss ich sagen. Fred war mir sehr sympathisch und ich mochte ihren trockenen, leicht zynischen Humor. Ganz besonders haben mir die Dialoge zwischen ihr und ihren Kollegen gefallen.
Das Buch liest sich wahnsinnig schnell und leicht. Es sind kurze Kapitel und es war mir eigentlich viel zu schnell zu Ende.
Eine grosse Leseempfehlung von mir und vielleicht ändere ich jetzt noch mal meine Meinung über Diplomaten.
4½ Sterne

Bewertung vom 09.03.2022
Die Kinder sind Könige
Vigan, Delphine

Die Kinder sind Könige


ausgezeichnet

Mit ihrem neusten Roman zeigt uns Delphine de Vigan wieder auf, was für eine begnadete und facettenreiche Autorin sie ist.

Delphine de Vigan
Die Kinder sind Könige

Mélanie wollte immer ein Reality-Star sein, doch ihre einzige Chance konnte sie als Jugendliche nicht nutzen.
Nach der Geburt ihrer zwei Kinder wird aus Mélanie eine bekannte Youtuberin mit Millionen von Followern. Alles was die Kinder machen, jedes Essen, unboxing (Auspacken von Päckchen, Spielzeug und Süssigkeiten) oder shoppen, wird gefilmt und auf ihren Channel gepostet. Aufgrund ihres Erfolges, hat ihr Ehemann bereits seinen Beruf aufgeben können, um seine Frau zu unterstützen.
Doch deren gemeinsame Tochter Kimmy verliert den Spaß an der Sache und ist immer unfreiwilliger dabei.

Die zweite Protagonistin in diesem Buch ist Clara, Polizisten in Paris.

Beide Frauen begegnen sich zum ersten Mal als Kimmy während eines Versteckspiels mit ihren Freunden, im Vorgarten, spurlos verschwindet…

De Vigan spricht ein super zeitgenössisches und hochexplosives Thema an: Darf man Kinder dazu benutzen selber ein YouTube Star zu werden? Und darf man in der heutigen Zeit Kinderbilder und Videos unverpixelt ins Netz stellen?
Die Nutzung privater Bilder durch Pädophilennetze ist bewiesen und trotzdem laden Tausende von Eltern täglich die Fotos ihrer Kinder ins Netz hoch.

‚Glauben sie etwa, die (Kinder) dürften sagen Nein, ich kann nicht mehr, ich höre auf, wenn die ganze Familie von den Einkünften aus Videos lebt? (…)
Ich glaube nicht, dass ein dreijähriges Kind davon träumt, YouTube-Star zu werden … Sie werden von klein auf rekrutiert wie in einer Sekte. Und die Grundregeln stehen von Anfang an fest: Ich bin YouTuber, also bin ich glücklich. Ich nenne das Totalitarismus. Mélanie Claux hat ihnen möglicherweise gesagt, dass ich ihr Feind bin. Das stimmt. Ihr Feind und der Feind aller Eltern, die ihre Kinder ausbeuten. (…)' S.108/Tolino

Wichtiges Thema

Und welcher Schaden entsteht eigentlich den Kindern, die diese Art von ‚Werbung‘ jeden Tag anschauen?

‚Das sind nicht nur ein paar Dutzend Kinder, das sind Hunderttausende. Big Macs futtern, Haribo-Bonbons kauen, Cola und Fanta trinken… Das stellt man ihnen als Ideal hin. Tolles Ideal, oder?‘ S109/Tolino
(Markennamen sind aus dem Buch zitiert und nur deshalb genannt)

Fazit: No futher comments needed! Super Buch! De Vigan ist und bleibt meine Lieblingsautorin

Bewertung vom 08.03.2022
Der Held vom Bahnhof Friedrichstraße
Leo, Maxim

Der Held vom Bahnhof Friedrichstraße


sehr gut

Kann ein Loser auch zum Helden werden?
Der Held vom Bahnhof Friedrichstraße
Maxim Leo
Sprecher: Peter Kurt

Michael Hartung ist ein Loser, ambitionslos und ein Nichtstuer, aber er geniesst das herrliche Nichts, indem er stundenlang in seiner Videothek sitzt und in die Gegend starrt. Kundschaft bleibt seit langem aus, aber auch das würde ihn nicht stören, wenn das Geld nicht auch gleichzeitig ausbliebe.
Er hatte kein Glück im Leben: Nach dem Mauerfall ist er in den Westen gezogen, Frau und Tochter haben ihn verlassen und beruflich hat er mit der Videothek auch aufs falsche Pferd gesetzt.
Wovon jetzt also die Ladenmiete bezahlen?

Sein Leben verändert sich schlagartig, als der Journalist Alexander Landmannn seinen Laden betritt.
Dieser recherchiert über eine spektakuläre Massenflucht aus der DDR, bei der 127 Menschen in einem S-Bahnzug am Bahnhof Friedrichstraße in den Westen gelangten. Landmann hat Stasi-Akten entdeckt, aus denen hervorgeht, dass Hartung, der früher Stellwerksmeister am Bahnhof Friedrichstraße war, die Weiche so umstellte, das der Zug in den Westen gelangte.

Hartung ist jedoch alles andere als ein Held und die Weiche hat er damals versehentlich zerbrochen und nicht absichtlich umgestellt.
Das große Geld lockt und Landmann braucht dringend eine gute Story - warum also nicht die Geschichte ein wenig verändern und ausschmücken?
Hartung wird über Nacht zum Held. Tritt in Shows auf und erzählt jedem, der es hören möchte, seine erfundene Geschichte.
Das geht genau so lange gut, bis er Paula, die damals mit ihren Eltern in dem besagten Zug saß, trifft.
Frage: Bleibt der Loser am Ende der Loser oder kann ein Loser auch zum Helden werden?

Maxim Leo hat hier ein wunderbares, humorvolles Buch mit Tiefgang geschrieben. Er weist auf die noch immer komplizierte Beziehung zwischen Ost- und Westdeutschland hin.
Den einsamen Protagonisten Hartung kann man mit seiner bescheidenen Art einfach nur ins Herz schliessen und ihm deshalb die eine oder andere „Umgestaltung der Wahrheit“ verzeihen.

Auf jeden Fall muss auch der Sprecher des Hörbuchs hier erwähnt werden: Peter Kurt mit seiner unverwechselbaren Stimme wusste dieses großartige Buch zu verfeinern.
Grosse Lese/Hörempfehlung von mir.
4½ Sterne

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