Bewertungen

Insgesamt 577 Bewertungen
Bewertung vom 05.02.2008
Grün ist die Hoffnung
Boyle, T. C.

Grün ist die Hoffnung


ausgezeichnet

Wenn T.C. Boyle in seinen Geschichten und Romanen Menschen ihr Schicksal in die eigene Hand nehmen lässt, um vom großen Geld oder dem Glück zu träumen, nimmt sich das zu Anfang so aus, als wäre alles möglich, wenn man nur den Mut dazu aufbringt. Dann tauchen erste Schwierigkeiten auf. Sei es, dass man die Glückssuchenden nicht versteht, sei es, dass die Natur sich gegen einen stellt, sei es, dass das Gesetz etwas dagegen hat. In Grün ist die Hoffnung dreht sich alles ums Dope. Warum kann man friedliche Menschen, die sie sich nebenher etwas verdienen wollen, nicht einfach in Ruhe lassen? In dieser wunderbaren Burleske verschmelzt T.C. Boyle drei skurile Leben zu einem gemeinsamen Schicksal, stellt sie nie bloß und schafft es doch, dass der Leser amüsiert mit ihnen mit fiebert und ihre Naivität bewundert. Es sind die kleinen Schritte, falschen Einschätzungen, das Überschätzen, auch dass Menschen sich selbst nicht kennen und erstaunt darüber sind, wie sie sind; von alldem erzählt T.C. Boyle. Kurzweilig, spannend, witzig. T.C. Boyle halt.
Polar aus Aachen

4 von 5 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 05.02.2008
Kennedys Hirn
Mankell, Henning

Kennedys Hirn


weniger gut

Was weiß man über seine Kinder? Solange sie klein sind, glaubt man alles zu wissen, in der Pubertät muß man bemerken, dass dem nicht so ist, und sind sie erst mal aus dem Haus, fangen sie tatsächlich an, ein geheimnisumwittertes, eigenes Leben zu führen. Dies ist die Ausgangslage, bei der die Archäologin Louise Cantor ihr Entsetzen über den Tod ihres Sohnes zu verarbeiten hat. Henning Mankell nutzt dieses Sprungbrett um kriminellen Machenschaften auf die Spur zu kommen, sich einer Verschwörungstheorie hinzugeben, die Louise Cantor letztendlich bis nach Mosambik führt, wo sie auf ein Asyl für Aidskranke stößt. Je verdrehter die Story wird, desto mehr drängt sich dem Leser das Gefühl auf, dass es Mankell vor allem um die letzte Station dieser Odyssee geht. Wer andere Romane von ihm kennt, oft von dem Geschick des Autors angetan ist, wie er einen aufregenden Plot baut, um auf soziale Missstände hinzuweisen, dürfte von dieser faden Konstruktion enttäuscht sein, obwohl aus Mankell auch hier das soziale Gewissen spricht. John LeCarré weiß bei gleichem Anliegen in Der ewige Gärtner eher, wie man den Zeigefinger in einer spannenden Geschichte versteckt, damit sie nachhallt.
Polar aus Aachen

5 von 12 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 04.02.2008
Erst grau dann weiß dann blau
Moor, Margriet de

Erst grau dann weiß dann blau


ausgezeichnet

Eine Frau verschwindet. Ein Umstand, mit dem in vielen Ehen gedroht wird, wenn einer der Partner es satt hat: Dann haue ich eben ab! Es gibt auch das berühmte Zigarettenholen, von dem eine Ehehälfte nicht zurückkehrt. Zumeist bleiben, die so Verschwundenen es auch, und irgendwann taucht ein Schreiben von einem Anwalt auf, in dem die Scheidung verlangt wird. Margriet de Moor hingegen interessiert sich für die Zeit danach. Ihre Frau kehrt zurück und gibt keinerlei Auskunft über die Jahre, in der sie abwesend war. Ein beeindruckendes Kammerspiel über Liebe, Vertrauen und dem Umgang mit Freiheit. De Moor geht auch der Frage nach, was Männer dürfen und Frauen sich nicht erlauben sollten. Außerdem ging es ihr doch gut? Warum wollte sie dann weg? In Erst grau dann weiß dann blau sind die Fragen die Antworten. Dass sie gestellt werden, befreit diese Ehe von ihrem Schweigen.
Polar aus Aachen

2 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 04.02.2008
Wonder Boys
Chabon, Michael

Wonder Boys


sehr gut

Eine wunderbar humorvolle Persiflage auf den amerikanischen Literaturbetrieb bietet Michael Chabons Roman Wonder Boys. Wer glaubt, Schriftsteller führten ein beschauliches Leben, blickt hier dem nackten Alltag ins Gesicht. Zumeist kommen sie nicht zu Ende, fürchteten sich vor der letzten Durchsicht und richten lieber ein Chaos in ihrem Privatleben an, während sie an dem einen Jahrhunderte überdauernden Roman aus ihrer Hand träumen, der ihnen zumindest den Nobelpreis einbringen wird. Wenn dann noch ein Terry Crabtree hinzukommt, dessen Anstellung davon abhängt, ob der Held Grady Tripp, einst Erfolgsautor, endlich zum Abschluss kommt, wird eine Odyssee in einem alten Wagen durch eine Stadt, beinah zu einem Road Movie, bei dem man skurilen Typen, toten Hunden, talentierten Studenten und verkorksten Seitensprüngen begegnet. Chabon vermischt dies in bester Tradtion der American Writer Schools zu einer äußerst amüsanten Mixtur. Die Helden bemühen sich verzweifelt, ihr Leben in den Griff zu bekommen, während man seines für knapp 400 Seiten hinten anstellt und lächelt.
Polar aus Aachen

0 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 04.02.2008
Querelle
Genet, Jean

Querelle


sehr gut

Als der Roman in mitten der miefigen Fünfziger Jahre erschien, war gerade der Existenzialismus losgetreten worden und Querelle de Brest schlug wegen seiner rücksichtslosen Darstellung vom Homosexualität und dem Glauben an Freiheit hohe Wellen. Einer Freiheit, die sich nur im Abstreifen aller Gesetze, Hindernisse, Widerstände äußert, die weder Rücksicht auf sich selbst noch auf andere nimmt. Nicht umsonst setzte sich Sartre für die Freilassung des Autors aus dem Gefängnis ein und begegnete ihm wie eine Art Geistesverwandten. Genets Roman findet dabei heute weniger Aufmerksamkeit als seine Stücke, die immer wieder in die Spielpläne drängen. Wie sie bleibt er jedoch eine Herausforderung für einen Leser. Es mag aus heutiger Sicht, angesichts der sexuellen Freiheit, die wir uns medial zugestehen, altbacken erscheinen. Die Frage nach dem, was die Freiheit des Menschen und den Weg zu ihr ausmachen, ist er es sicher nicht und lässt Genets schriftstellerisches Werk nicht verstauben.
Polar aus Aachen

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 01.02.2008
Chez Max
Arjouni, Jakob

Chez Max


weniger gut

Der Rahmen, den Jakob Arjouni sich für seinen neuen Roman Chez Max setzt, überzeugt. Die Zukunft ist bei ihm gespickt durch Filmvorführungen, die direkt in den nächtlichen Himmel projiziert werden, und Beschwerden, über gerade diese technische Errungenschaft, weil man nicht schlafen kann. Also durchaus realistisch, wenn man an seine Nachbarn denkt. Arjouni zeichnet die globale Entwicklung nach, indem er vom Niedergang der USA und dem Aufstieg der eurasischen Lebensgemeinschaft erzählt. Er vergisst auch den Zaun nicht, der bereits heute spürbar, wenn auch noch nicht errichtet ist, der die Ausgestoßenen von den Begünstigten trennt. Dass dies alles nicht umsonst zu haben ist, der Überwachungsstaat dafür nötig ist, kommt dabei keiner Vision gleich, sondern wird von Jahr zu Jahr bei uns vorstellbarer. In dem Bereich legt Jakob Arjouni somit eine glänzende Schilderung vor. Seine Geschichte der Rivalität zwischen Max Schwarzwald und Chen Wu bleibt hingegen blass. Sie wird zerredet, leidet sich auch unter dem imposanten Dach der Zukunftsvision. Zwei Bewacher, zwei Spitzel, zwei hochrangige Ashcroft-Männer, die nicht miteinander können, das trägt eine zeitlang dann nicht mehr. Was bleibt ist eine packende Vision und eine von Arjouni nicht so gewohnte schwache Story. Dass Arjouni zu erzählen versteht, sieht man der Passage, die vom Maler Leon und seinen Still-Leben berichtet. Mehr davon hätte dem Roman gut getan.
Polar aus Aachen

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 01.02.2008
Unterwegs nach Cold Mountain, Film-Tie-In
Frazier, Charles

Unterwegs nach Cold Mountain, Film-Tie-In


sehr gut

Kriege verbreiten Schrecken, verändern Menschen. Nicht nur auf dem Schlachtfeld. Auch in denen, die Zuhause warten und darauf hoffen, dass jemand daraus zurückkehrt. Charles Frazier entwirft in Unterwegs nach Cold Moutain ein Epos, das sich scheinbar um zwei Liebende gruppiert, dem es jedoch gelingt, der Zeit des amerikanischen Bürgerkriegs ein menschliches Gesicht zu verleihen, indem nicht abstrakte Zahlen, Namen von Schlachtfeldern, die Auflistung von Verlusten den Ton angeben, vielmehr Menschen beim Versuch gezeigt werden, weiterzuleben, sich Gefühlen ausgesetzt sehen, die sie so an sich nicht kannten. Irgendwie wollen sie alle zurück. In ein Leben, in dem alles in Ordnung zu sein schien. Obwohl das Grauen sie immer wieder einholt, die verschonte Heimat verändert, indem es die Menschen, die dort leben in Grauzonen zerrt, bleibt die Hoffnung unangetastet. Die Geschichte von Inman und Ada spielt vor einer grandiosen Kulisse: der Natur. In ihr ist der Mensch eigentlich verloren. Mag er sich massakrieren, mag er auf Besserung hoffen Charles Frazier läßt nie einen Zweifel daran, dass sie noch da sein wird, wenn es längst niemanden mehr gibt, der Bürgerkriege führen will. Und was ist mit der Liebe? Dem zentralen Thema. Wird sie überdauern? Wird sie siegen? In Zeiten des Krieges ist sie vielleicht das einzige, was vom Menschen übrigbleibt.
Polar aus Aachen

Bewertung vom 31.01.2008
Der Name der Welt
Johnson, Denis

Der Name der Welt


weniger gut

Denis Johnson hat sich durch eine Reihe großer Romane seinen Platz in der amerikanischen Literatur gesichert. Legt man diesen Maßstab an "Der Name der Welt" an, der weniger ein Roman als eine Story ist, macht sich leichte Enttäuschung breit. Die Geschichte von Michael Reed dem Assistenzprofessor für Geschichte, der Frau und Tochter verloren hat und als Stoiker der Gegenwart verhaftet ist, indem er die Dinge einfach auf sich zukommen läßt, wird im Verlauf künstlich zur Trauerarbeit hochstilisiert, durch die ihn eine seltsam blasse Frau begleitet, der er immer wieder begegnet und die auf ihn eine schwer nachvollziehbare Faszination ausübt. Das Symbolhafte, nur mäßig im Alltag versteckt, erschlägt dabei die Handlung. Zwar verfügt Denis Johnson weiter über eine meisterhafte Sprache und Dialogführung, doch bleibt das, was er uns sagen will, allzu sehr an der Oberfläche. Was besonders nervt, wenn es endlich zur Aussprache zwischen jener mysteriösen Kunststudentin, die nebenher noch strippt, und Reed kommt und die etwas wie eine Katharsis hervorrufen soll. Das nehmen wir Johnson nicht ab. Schade.
Polar aus Aachen

1 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 31.01.2008
Der Insider
Coben, Harlan

Der Insider


ausgezeichnet

Man sagt, die Straßen sind gesäumt mit Sportlern, denen eine große Karriere bevorstand und die kurz davor scheiterten. In Myron Bolitars Leben war es eine Verletzung, die so erscheint, als sei sie nicht rein zufällig geschehen. Doch Harlan Cobens Held ist niemand, der sich hängen läßt. Er hat es in einer zweiten Karriere zu einer Firma für Sportmarketing gebracht und blickt auf zwischenzeitliche Stationen beim FBI zurück. Gemeinsam mit seinem Alter Ego Win. Als nun das Angebot kommt, sich nochmals als Baseballspieler in der NBA zu versuchen, gehört dies nicht zu den in Amerika nur allzu beliebten Geschichten eines späten unwiderstehlichen Comebacks eines Zukurzgekommenen, vielmehr ist das Angebot mit dem Auftrag verbunden, einen verschwundenen Star der Mannschaft ausfindig zu machen. Coben beweist in seinem Thriller viel Einfühlungsvermögen für die Rahmenbedingungen, in denen heute Superstars zu Überfliegern, in denen Scheidungen zu gegenseitigen Erpressungen werden. Nebenbei taucht er auch in die jüngere amerikanische Geschichte ein, indem er eine politische Gruppe aus den Siebzigern auftauchen läßt, die sich gleich dem Hearst-Fall damals eine Entführung zu Schulden hat kommen lassen und seitdem im Untergrund lebt. Spritzige Dialoge und skurrile Momente frischen seine nicht vorhersehbare Geschichte auf. All diese unterschiedlichen Stränge verknüpft Coben zu einem spannenden Fall, indem selbst Bolitars Einsicht, für die große Karriere zu spät zu kommen, und seiner Begegnung mit einem düsteren Kapitel seiner Vergangenheit nicht zu kurz kommen.
Polar aus Aachen