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Benutzername: 
Igelmanu
Wohnort: 
Mülheim

Bewertungen

Insgesamt 989 Bewertungen
Bewertung vom 01.11.2020
Nächte zwischen der Zeit
Frühwirth, Christoph

Nächte zwischen der Zeit


sehr gut

»Die zwölf Raunächte gelten als geschenkte Zeit. Als Auszeit. Während sich das alltägliche Leben mit einer Wiese vergleichen lässt … verbinde ich die Zeit der Raunächte mit dem Wald. Dieser birgt totes Gehölz in sich. Und viel von dem, was wir mit Mystik verbinden.«

Mit der Advents- und Weihnachtszeit verbinde ich sehr viel. Meine Beziehung zu den Raunächten ist hingegen bislang rein theoretischer Natur, sie haben in meiner Welt einfach keinen Platz. Wenn ich mir das Buch so durchlese, finde ich das im Grunde schade.

Die zwölf Raunächte sind die zwischen Heiligabend und dem Dreikönigstag. Ich kenne sie als die Zeit „zwischen den Jahren“. Wenn ich die Möglichkeit habe, nehme ich da gerne Urlaub, um das Jahr ruhig ausklingen zu lassen. Im vom Autor beschriebenen ländlichen Teil von Oberösterreich gibt es wohl noch viel aktiv gelebtes altes Brauchtum. Der Autor hat für das Buch Beiträge aus zwölf verschiedenen Orten gesammelt, mit verschiedenen Menschen gesprochen, die Erzählungen, Märchen, Briefe und persönliche Erlebnisse einbringen.

Staunend lese ich über das Räuchern, das Schutz vor Unheil oder auch einen Blick in die Zukunft bringen soll. Detailliert werden verschiedene Räuchermischungen zu bestimmten Nächten (Thomasnacht, Heiligabend, Silvester, Dreikönigsnacht) vorgestellt und es gibt ein „kleines Räucher-Einmaleins“ für die korrekte Durchführung. Ich lese über skurrile Bräuche in der Thomasnacht und über die Gestalten der Wilden Jagd. Letzteres fand ich besonders interessant, weil mir die Perchten immer mal wieder als Begriff begegnet sind und ich jetzt erstmalig genaue Infos zu jeder einzelnen Gestalt erhalten habe. Auf die Details zur Zerlegung und Verarbeitung eines frisch geschlachteten Schweins hätte ich allerdings verzichten können.

Immer wieder kehrt der Autor zu der Frage zurück, was altes Brauchtum heute bedeutet. Und er lädt dazu ein, die Zeit der Raunächte für Besinnung zu nutzen, eine Auszeit vom Alltag zu nehmen, zur Ruhe zu kommen. Ein höchst erstrebenswerter Gedanke, gerade in der heutigen Zeit. Für die Durchführung schlägt er vor, ein Tagebuch zu führen. Im Buch finden sich zwischen den Kapiteln vorbereitete leere Seiten mit je einem gedanklichen Anstoß. Da steht dann z.B. »Welche Kleinigkeiten bedeuten mir im Leben Großes?« oder »Wofür habe ich mir heute Zeit genommen?« Dieses Niederschreiben von Gedanken, vielleicht kombiniert mit einer Kerze und einem leckeren Tee, könnte schon beim Abschalten helfen. Ein Versuch ist es jedenfalls wert.

Viele stimmungsvolle Bilder ergänzen die Texte, dazu gibt es einige thematisch passende Rezepte. Interessant fand ich zum Beispiel die Brauchtumsbrote, von denen ich noch nie zuvor gehört hatte. Aber ohnehin empfand ich das geschilderte Brauchtum als höchst exotisch. Die Anregung zur Besinnung ist eine gute, die greife ich gerne auf. Aber die anderen Dinge… Ich wüsste nicht, wie ich etwas davon in meinem Alltag nachahmen sollte. Wenn ich mir allein vorstelle, was die Rauchmelder in unserem 13-Parteien-Haus machen würden, wenn ich versuchte, alle Räume gründlich auszuräuchern…

Fazit: Sehr interessant und geradezu exotisch, aber mit wertvollen Anregungen.

Bewertung vom 01.11.2020
Mein Weihnachten
Maier, Johanna

Mein Weihnachten


ausgezeichnet

»Der Duft von Weihnachten, der kann vieles sein. Für manche riecht der Advent nach Schnee, für manche nach Schokolade, nach Orangen oder Bratäpfeln. In jedem Fall aber löst er ein wohlig warmes Gefühl der Erinnerung an die Kindheit aus. Erinnerungen an eine zauberhafte Zeit, voller Wunder und Mysterien, die die Fantasie beflügelte und für die es keine Erklärungen gab.«

Schon diese Einleitung im Buch hatte mich bei meinen innersten Vorweihnachtsgefühlen gepackt. Düfte, Kindheitserinnerungen, Wunder – gerne werde ich alle Jahre wieder vor Weihnachten zum Kind und lasse mich verzaubern. Beim Lesen hatte ich den Eindruck, dass es der Autorin ähnlich geht.

Johanna Maier ist eine österreichische Spitzenköchin. Ich muss gestehen, dass ich zuvor noch nie von ihr gehört hatte, allerdings kenne ich mich in der gesamten Szene nicht aus und bei Rezepttipps ist es mir völlig egal, von wem sie kommen. Hauptsache lecker ;-) Das Buch hatte mich wegen des Weihnachtsthemas interessiert, aber ich kann sagen, dass mir Frau Maier beim Lesen sehr sympathisch geworden ist.

Das Buch gliedert sich in drei große Kapitel. Im ersten teilt die Autorin Weihnachtserinnerungen aus der eigenen Kindheit, im zweiten denkt sie zurück an Weihnachten mit ihren Kindern und im dritten steht die Weihnachtszeit mit ihren Enkeln im Fokus. Alles sehr persönlich geschrieben und mit zahlreichen stimmungsvollen Bildern und Fotos untermalt.

Im Rahmen der Erinnerungen wird der Leser mit Bräuchen und Traditionen im Salzburger Land bekanntgemacht. Ich lese über Raunächte und räuchern, über viel Schnee, Waldspaziergänge, Kulissen wie aus dem Bilderbuch und staune leicht neidisch über diese für mich als Städterin exotische Welt. Dazu gibt es Lieder, Geschichten und Gedichte, Tipps zum Schmücken und Basteln und natürlich reichlich Rezepte.
Da wird gekocht und gebacken, auch selbstgemachte Getränke (mit und ohne Alkohol) fehlen nicht. Zu jedem Rezept gibt es ein appetitanregendes Foto, die Beschreibungen sind gut und übersichtlich. Kochanfänger dürften aber vermutlich an der ein oder anderen Stelle ein Fragezeichen im Gesicht haben, etwas Erfahrung ist schon hilfreich und auch der Einkaufszettel für die benötigten Zutaten wird schon mal etwas länger. Dazu kommt: Frau Maier nutzt in vielen Rezepten selbstgefertigte Würzmischungen. Da steht dann beispielsweise bei den Zutaten „½ TL Bauerngartensalz“. Im Anhang lese ich, dass dieses Salz aus Steinsalz, Schnittlauch, Petersilie, Liebstöckel, Bärlauch, Quendel, Oregano, Holunderblüten, Ringelblumen und Angelikawurzel gemischt ist. Ich kann nun entweder die Mischung über die Homepage von Frau Maier bestellen oder mich mit den einzelnen Gewürzen selber ans Abschmecken machen. Einige davon haben allerdings bisher noch nie in meinem Gewürzschrank gewohnt. Wie gesagt, etwas Erfahrung ist schon gut.

Auch die Aufmachung des Buchs ist sehr gelungen. Der Einband macht einen hochwertigen Eindruck, die Seiten sind mit festlichen Ornamenten verziert und immer wieder sind Abschnitte in festlicher Goldschrift geschrieben. All das macht das Buch zu einem Schmuckstück im Regal und zu einem schönen Geschenk.

Fazit: Ein sehr schöner und stimmungsvoller Begleiter durch die Weihnachtszeit, mit zahlreichen Anregungen und Rezepten.

Bewertung vom 18.10.2020
Die dunkle Seite der Bucht
Hinzmann, Silvija

Die dunkle Seite der Bucht


gut

»Ich kann mich nur wiederholen: Halte dich aus der Sache raus.«

Gefühlt hört Joe Prohaska keinen Satz häufiger. Der frühpensionierte Kriminalhauptkommissar aus Stuttgart lebt jetzt in einem kleinen Dorf in Istrien und verdient sich als Fotograf ein Zubrot. Das Leben könnte so schön sein, doch plötzlich holt ihn seine Vergangenheit ein. Vor seiner Tür findet er ein anonymes Päckchen mit höchst ungewöhnlichem Inhalt und einem Hinweis auf einen alten Mordfall, den er in seiner aktiven Zeit löste. Bei seiner Verurteilung schwor der Täter damals Rache, nun wurde er aus der Haft entlassen. Joe ist besorgt und versucht, die Herkunft des Päckchens zu ermitteln. Zeitgleich wird am Strand eine Leiche gefunden, das unbekannte Opfer wurde eindeutig ermordet. Zufall oder gibt es einen Zusammenhang? Joe jedenfalls steckt plötzlich mitten in einer Mordermittlung…

Der dritte Fall für Joe Prohaska in Istrien war für mich sein erster. Verständnisprobleme gab es aber dadurch keine, was in diesem Fall ein positiver Effekt des ansonsten etwas ausschweifenden Erzählstils war. Die Autorin neigt dazu, jedes kleine Detail zu beschreiben. Beispiel: An einem Morgen steht Joe früh auf und macht Hausarbeit, bevor er sich in die Ermittlung stürzt. Der Leser erfährt dann, welches Lied im Radio läuft, dass Joe seinen Kaffee im Bad trinkt, was er anzieht, dass er gern bügelt, was er alles bügelt und dass er die Sachen im Schrank verstaut, dass er das Bett bezieht und Bad und Böden wischt usw. An diesen Stellen ist das Buch mehr Roman als Krimi. Wer so etwas mag, gerne präzise über Leben und Charakter des Protagonisten informiert ist, sollte auf seine Kosten kommen.

Der Krimi wird dadurch allerdings ausgebremst. Das fand ich schade, denn die Krimihandlung an sich ist sehr reizvoll und stellt die Ermittler vor immer neue Herausforderungen. Denkt man anfangs nur an eine Rachestory, kommen nach und nach weitere Aspekte hinzu. Da Joe, obwohl ihm die meisten Freunde dazu raten, sich nicht heraushält, wird es für ihn auch ordentlich gefährlich. Das ist an sich kein ungewöhnlicher Zug für einen Ex-Kommissar, doch ging er für mein Empfinden einige Male zu leichtsinnig vor. Für den Leser ist das spannend, ich saß jedoch auch manchmal kopfschüttelnd vor dem Buch und fragte mich, wie er seine Dienstzeit lebend überstanden hat. Die Auflösung am Ende ist stimmig, die Autorin lässt einen der Charaktere alles komplett erklären. Kann man machen, beantwortet dann auch alle Fragen, ist aber nicht meine bevorzugte Art.

Fazit: Interessanter Fall und reizvolle Kulisse, jedoch sehr ruhig und oft mehr Roman als Krimi.

Bewertung vom 11.10.2020
Der Inselkönig
Nygaard, Hannes

Der Inselkönig


sehr gut

»An das Wort „ehrlich“ mag ich in Zusammenhang mit diesem Fall nicht mehr glauben. Hier lügen alle, dass sich die Balken biegen.«

Das Team der Kripo Husum hat es diesmal auf die Insel Föhr verschlagen. Ein ursprünglich geplanter Kurzaufenthalt wird durch einen heftigen Wintereinbruch unfreiwillig verlängert. Vom Festland abgeschnitten und umgeben von Schneemassen versuchen die Ermittler, den Mord am „Inselkönig“ aufzuklären. Thies Nommensen wurde brutal misshandelt und zum Erfrieren an einen Baum gefesselt. Eine grausame Tat, die aber auf der Insel kaum jemanden erschüttert. Eher ist das Gegenteil der Fall.

Christoph Johannes und seine Kollegen (allen voran Schnüffelschwein Große Jäger) haben schon bald eine lange Liste mit Verdächtigen, der Verstorbene hatte es zu Lebzeiten traurig raus, sich Freunde zu machen. Die Ermittlungen gestalten sich schwierig, kaum jemand ist zu einer Aussage zu bewegen und als wenn das nicht reicht, fehlt es auch noch an der bewährten Technik, da die Spurensicherung aus Flensburg die Insel nicht erreichen kann. Improvisation ist gefragt, dazu Kreativität und gute Ideen.

Auch dieser 6. Fall für das Husumer Team hat mir sehr gefallen. Ich mag den Mix aus gelungener Detektivarbeit, schöner Küstenatmosphäre und kultigen Charakteren. Darüber hinaus ist dies ein ruhiger Krimi, der zwar keinen Thrill hat, aber dafür an einigen Stellen in die Tiefe geht. Gerne lese ich bei dieser Reihe weiter.

Fazit: Unterhaltsamer Mix aus Detektivarbeit, Küstenatmosphäre und kultigen Charakteren.

Bewertung vom 11.10.2020
Der Ursprung von (fast) allem
New Scientist;Lawton, Graham

Der Ursprung von (fast) allem


sehr gut

»Wenn das Leben Ihnen manchmal öde und langweilig vorkommt, dann denken Sie einmal an die Bewohner der Erde vor 1,7 bis 0,7 Milliarden Jahren. Diese unermesslich lange Zeitspanne war so ereignislos, dass einige Biologen sie die „Langweilige Milliarde“ nennen.«

Woher kommen wir und warum sind wir hier? Fragen, die sich die meisten Menschen irgendwann mehr oder weniger intensiv stellen. In frühen Zeiten gab es oft nur Antworten aus dem Bereich der Mythen oder Religion, mit wissenschaftlichen Fortschritten stiegen die Möglichkeiten zu fundierten Erkenntnissen. Die Autoren des Buchs bemühen sich hier auf Grundlage aktueller Erkenntnisse und Studien aus jüngerer Zeit um Antworten.

Der Aufbau des Buchs ist logisch strukturiert. Am Anfang steht der Anfang: Wie entstand das Universum, wie unser Planet. Wie entwickelte sich das Leben, wie unsere Zivilisation? Die großen Fragen werden durch unterhaltsame kleinere ergänzt. Da befasst sich zum Beispiel im Kapitel Leben ein Punkt mit den bekannten Flusen im Bauchnabel oder da wird im Kapitel Zivilisation die weltbewegende Frage nach dem Erfinder des Klopapiers gestellt. Daran erkennt man den gelungenen Informationsmix, der mit dazu beiträgt, dass die Lektüre nicht trocken wird. Sehr interessant auch die Kapitel zu Wissen und Erfindungen.

Es gibt also reichlich Informationswert, der meist verständlich und in einem angenehmen Stil vermittelt wird. Illustrationen gibt es nur sehr wenige, ein paar mehr hätten mir als anschauliche Ergänzung gut gefallen.

Kleine Abzüge gibt es leider für das Lektorat, das hauptsächlich am Anfang und gegen Ende nicht immer gut gearbeitet hat. Es gibt einige Tippfehler, die meist nur kurz den Lesefluss bremsen, aber unter Umständen glaubt ein Leser, der sich noch nicht intensiv mit der Thematik befasst hat, tatsächlich, dass die Dinosaurier erst vor 5 Mio. Jahren ausgestorben sind.
Auch über eine mögliche Widersprüchlichkeit oder unglückliche Erklärung bin ich gestolpert. Wenn auf Seite 28 zu lesen ist, dass acht Sonnenmassen für die Bildung einer Supernova, die ein schwarzes Loch hervorrufen kann, erforderlich sind, dann stutze ich, wenn auf Seite 43 steht, dass Sterne mit mehr als der doppelten Sonnenmasse dazu bestimmt sind, ein schwarzes Loch zu werden.

Fazit: Die großen und diverse kleine Fragen werden unterhaltsam und informativ aufgearbeitet. Kleine Abstriche fürs Lektorat.

Bewertung vom 27.09.2020
Knie - Meniskusschmerzen selbst behandeln
Liebscher-Bracht, Roland;Bracht, Petra

Knie - Meniskusschmerzen selbst behandeln


sehr gut

»Über 30 Jahre Forschung und Praxis haben uns gezeigt, dass der Grund für die Schmerzen in nahezu allen Fällen identisch ist: unnachgiebige Muskeln und Faszien, die (zu) starke Spannungen aufbauen. Dadurch werden die Gelenke derart zusammengepresst, dass zum Beispiel Menisken einreißen oder der Knorpel verschleißt.«

Die Bedeutung der Faszien und wie gravierend sich es sich auswirken kann, wenn sie verhärtet und verklebt sind, rückt seit einiger Zeit immer mehr ins Bewusstsein. Da ich auch zu den Menschen gehöre, die dadurch diverse Probleme haben und zudem jeden Weg bevorzuge, bei dem ich selber aktiv werden kann und nicht auf Spritzen, Pillen oder eine OP angewiesen bin, versuche ich mich bereits seit Jahren mit Dehnübungen nach der Methode von Liebscher und Bracht. Ich merke, dass mir das guttut, langfristige Erfolge konnte ich aber bislang nicht erzielen.

Da mich die Knie seit einiger Zeit vermehrt ärgern, habe ich mich nun mal mit diesem Ratgeber beschäftigt. Umfangreich und anschaulich wird zunächst erläutert, wie Beschwerden entstehen, welche Arten von Knieschmerz es gibt, wie man Problemen vorbeugt bzw. schon vorhandene Beschwerden lindern kann.

Das Konzept baut auf drei Pfeilern auf: Der Light-Osteopressur, bei der man den Schmerz „wegdrückt“, der Faszien-Rollmassage und Übungen zur Dehnung und Kräftigung. Alles wird ausführlich erklärt und mit zahlreichen Abbildungen veranschaulicht. Beim Praxis-Versuch habe ich allerdings festgestellt, dass die Beschreibungen mir an der ein oder anderen Stelle nicht ausreichen. Es gibt ergänzende Videos im Internet, damit bin ich etwas weitergekommen, fühle mich aber noch unsicher. Zudem (wie eigentlich immer) gilt auch hier: Man muss kontinuierlich dranbleiben, nur gelegentliches Üben/Behandeln bringt keinen dauerhaften Erfolg. Das weiß ich schon aus Erfahrung. Ich hoffe, ich kann meine Unsicherheiten beseitigen und mich hier richtig einarbeiten, denn grundsätzlich wirkt die Methode für mich einleuchtend.

Fazit: Hilfe zur Selbsthilfe in Sachen Knieschmerz. Ausführlich und meist gut erklärt. Ausprobieren kann wohl nicht schaden.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 27.09.2020
Helle und die kalte Hand / Kommissarin Helle Jespers Bd.2
Arendt, Judith

Helle und die kalte Hand / Kommissarin Helle Jespers Bd.2


ausgezeichnet

»Die Nachricht war von Ole. Er hatte ein Foto geschickt. Helle begriff nicht gleich, was darauf abgebildet war, ein Gegenstand im grellen Blitzlicht, außen herum schwarze Nacht. Dann erkannte sie es. Eine Hand. Die Finger, absurd gekrümmt, ragten mahnend in die Nacht.«

Helle Jespers ist Leiterin der Polizeistation in Skagen, einem ruhigen kleinen Ort im nördlichsten Zipfel Dänemarks. Schwere Kriminalität ist hier selten, der Fund einer Leiche in einer Wanderdüne schockiert daher umso mehr. Die Tote war eine junge Frau aus Südostasien, monatelang wurde sie von der Düne verborgen und in der ganzen Zeit hat sie niemand vermisst. Helle und ihr Team stürzen sich mit vollem Einsatz auf den Fall und stoßen auf reichlich Schmutz in ihrem sauberen kleinen Fleckchen Erde.

Schon der erste Band um Helle Jespers hat mir gut gefallen. Ich mag die Protagonistin, eine Durchschnittsfrau in den Wechseljahren, die für mein Empfinden sehr glaubwürdig rüberkommt. Sie hat natürlich ihre Schwächen und sollte wirklich weniger trinken, aber wenn sie zusammen mit ihrem Team über den Fall grübelt, ist sie fix drauf. Überhaupt wirken die vielen Teamgespräche und Zeugenbefragungen, Auswertungen von Material und Aussagen, kurz Detektivarbeit, sehr realistisch.

Meist verfolgt man als Leser die Ereignisse rund um die Ermittler, dazwischen gibt es aber auch Kapitel aus anderen Perspektiven. Das erhöht die Spannung, weil man beim Lesen merkt, wie sich die Ereignisse dramatisch zuspitzen und die Frage im Raum steht, ob die Ermittler schnell genug sein werden. Am Ende laufen verschiedene Fäden zusammen, blickt man in menschliche Abgründe und empfindet leider nicht überall Gerechtigkeit. Aber auch das ist realistisch.

Fazit: Dieser Fall hat mir sehr gefallen! Ich freue mich, dass es noch einen dritten Band gibt, der landet gleich auf meiner Liste.

Bewertung vom 27.09.2020
DUNKEL / HULDA Trilogie Bd.1
Jonasson, Ragnar

DUNKEL / HULDA Trilogie Bd.1


gut

»Sie möchten, dass ich … heute aufhöre?«
»Sicher, wenn Sie wollen? Sie können natürlich auch noch ein, zwei Wochen bleiben, wenn Ihnen das lieber ist.«

Hulda Hermannsdóttir, 64 Jahre alt und Kommissarin bei der Polizei Reykjavik hat gerade erfahren, dass sie vorzeitig in den Ruhestand verabschiedet wird. Ihre Dienststelle strukturiert sich um, verjüngt sich und ihre Fälle wurden bereits unter den Kollegen verteilt. Hulda ist schockiert, ein Leben im Ruhestand kann sie sich nicht vorstellen. Zwei Wochen gesteht man ihr noch zu und in dieser Zeit darf sie sich einen ungelösten Fall vornehmen. Hulda braucht nicht lange zu überlegen, erinnert sie sich doch gut an die junge Russin, die vor einem Jahr tot aufgefunden wurde. Der Kollege damals gab sich für ihr Empfinden keine Mühe mit den Ermittlungen, noch viele Fragen sind offen, die will sie jetzt klären. Und ahnt nicht, in welche Gefahr sie sich damit begeben wird…

Ich ging mit großen Erwartungen an das Buch. Eine Kommissarin kurz vor dem Ruhestand, ein letzter Fall – das klang vielversprechend. Doch schon nach kurzer Zeit war ich genervt von der Protagonistin. Sie klagt und jammert, versinkt in Selbstmitleid und glaubt, dass keiner sie achtet. Ganz ehrlich: Wenn sie sich immer so aufführt, würde mich das nicht wundern. Im Laufe der Handlung kristallisiert sich heraus, was sie in ihrem Leben alles durchmachen musste, welche Dramatik bei ihr zuschlug. Wenn man das Buch als Aufarbeitung von Huldas seelischen Problemen ansieht, dann ist es sehr gelungen. Ich wollte aber gerne, dass die Ermittlerin ordentlich arbeitet, für die Lösung des Falls kämpft. Aber auch als Polizistin konnte sie mich nicht überzeugen. Gut, sie ist hartnäckig, aber überhaupt nicht teamfähig. Und sie macht Fehler, die man bei ihrer Erfahrung eigentlich nicht machen sollte.

Der Fall selber ist interessant und hat Potential, Huldas Befindlichkeiten spielen sich aber immer wieder in den Vordergrund. Vielleicht hätte ich mit einer anderen Erwartungshaltung rangehen müssen, die Spannung eines Thrillers fehlte mir, die Bezeichnung Roman hätte ich treffender gefunden.

Sehr überraschend ist das Ende, das bildete einen Pluspunkt, mit dem ich wirklich nicht gerechnet hatte. Ich werde die beiden folgenden Teile der Reihe allerdings nicht mehr lesen.

Fazit: Spannender Roman ja, aber Thriller geht für mich anders. Ein interessanter Fall, aber die Psyche der Ermittlerin steht klar im Vordergrund.

Bewertung vom 27.09.2020
Layla im Reich des Schneekönigs
Messner, Reinhold

Layla im Reich des Schneekönigs


gut

»Papa war häufig auf Reisen und lebte oft monatelang im Reich des Schneekönigs. Wenn er zurückkam, erzählte er nur wenig. Das Wasser, die Luft und das Licht dort oben hatten ihn schweigen gelehrt oder alles vergessen lassen. Das machte mich neugierig und eines Tages fragte ich ihn, ob ich mitdürfe.«

Reinhold Messner ist sicher jedem bekannt, auch als Autor hat er sich bereits einen Namen gemacht. Mit diesem Kinderbuch nun richtet er sich an junge Leser, denen er etwas von seiner Begeisterung für das Hochgebirge, vom Respekt für andere Völker und die Natur und vom Wert der Stille und Einsamkeit vermitteln möchte.

Teilweise gelingt das. Die Atmosphäre des Buchs ist schon eine besondere, die Illustrationen liebenswert und eindrucksvoll zugleich. Die Weite und Faszination dieser völlig anderen Welt werden spürbar und da mich Natur und ferne Länder immer schon begeisterten, hätte ich mich als Kind wohl sehr angesprochen gefühlt.

Was Layla auf der Reise mit ihrem Vater erlebt, ist wirklich spannend. Das Reich des Schneekönigs wird nicht genauer bezeichnet, aber die Beschreibung der Lebensumstände der Menschen, das Zusammentreffen mit Yaks und die überall hängenden Gebetsfahnen sprechen für Nepal und Tibet. Die Menschen jedenfalls dort leben zufrieden, obwohl es ihnen doch an zahlreichen materiellen Dingen mangelt. Laylas Sinne werden auf die bewusste Wahrnehmung der sie umgebenden Natur geschärft, sie fühlt sich verzaubert.

All das ist sehr schön und die Botschaft empfinde ich als wichtig. Ich fürchte nur, dass die Sprache nicht jedes Kind ansprechen wird, sie ist an einigen Stellen recht philosophisch. Mein Ding ist das nicht und ich kenne auch ehrlich gesagt kein Kind, das so spricht. Vielleicht war Herr Messner als Kind ja so? Laut seiner Vita bestieg er als Fünfjähriger seinen ersten Dreitausender, gemeinsam mit dem Vater. Ob der auf diese Weise mit seinem Sohn gesprochen hat?
Mir ist das fremd. Ich habe in meinem Leben schon viel vorgelesen und ich sehe vor meinem geistigen Auge, wie an manchen Stellen Fragezeichen in Gesichtern erscheinen würden. Und an anderer Stelle ungläubiges Staunen darüber, dass Layla (groß genug, um eine weite Reise zu machen, Feuer zu machen und Zelte aufzubauen) ein Flugzeug als riesigen Metallvogel bezeichnet.

Fazit: Wichtige Botschaft, schöne und stimmungsvolle Illustrationen. Für mein Empfinden ist die Sprache aber nicht kindgerecht.

Bewertung vom 27.09.2020
Es ist nur eine Phase, Hase
Leo, Maxim;Gutsch, Jochen-Martin

Es ist nur eine Phase, Hase


sehr gut

»Die Alterspubertät ist eine Zeit der Entscheidungen. Es gibt dieses Gefühl, vielleicht nur noch einmal etwas ändern zu können, bevor die Autobahn des Lebens keine Ausfahrten mehr hat. Ich weiß, das klingt dramatisch, aber genauso sind Alterspubertiere nun mal drauf.«

Alterspubertiere, allein schon den Begriff fand ich witzig. Und da ich mich selber in dieser schwer dramatischen Lebensphase befinde, war ich neugierig auf dieses Buch.

Die ersten Kapitel überzeugten mich noch nicht. Weder die Lesebrille noch der 50. Geburtstag hatten bei mir besondere Emotionen ausgelöst, ich fühlte mich deswegen nicht älter. Allerdings weigere ich mich bis heute hartnäckig, die Brille (wie mir empfohlen wurde) an einem Band um den Hals zu hängen. DAS ist wirklich nur was für alte Leute ;-)

Danach wurde es witziger. Natürlich werden zahlreiche Vorurteile bedient, an so manchen Dingen ist aber wirklich etwas dran und was sich so alles an Körper, Psyche und Sexualität verändert, nicht ohne. Da die Autoren Männer sind, wurde auch in einem Kapitel die erste Prostata-Vorsorge-Untersuchung thematisiert. Sehr unterhaltsam und natürlich überspitzt dargestellt, ich fragte aber gleich mal meinen Mann, ob in der Praxis seines Urologen schon mal ähnliche Dinge vorgefallen wären. Er verneinte zum Glück.

Den Mittelteil des Buchs, der „Im Körper des Alterspubertiers“ lautet, fand ich ebenfalls sehr unterhaltsam. Hier drehte sich dann alles um Prostata, Haarausfall, Hitzewellen, Stimmungsschwankungen und Gewichtszunahme. Und auch die folgenden Kapitel las ich gerne, versuchten doch hier die Alterspubertiere, sich mit ihrer neuen Lebenssituation irgendwie zu arrangieren.

Der Untertitel beschreibt das Buch als Trostbuch, man kann es auch so sehen. In nicht allen, aber in so manchen Situationen wird man sich selbst wiedererkennen. Man kann über die kleinen Anekdoten schmunzeln und sich sagen, dass alles a) doch nicht so schlimm ist, wie es aussieht, b) es den meisten anderen genauso geht und c) diese doofe Phase (so wie die erste Pubertät) irgendwann auch vorbeigeht.

Fazit: Nette Anekdoten, unterhaltsam geschrieben und mit diversen Gelegenheiten, sich wiederzuerkennen.