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Benutzername: 
Lunamonique
Wohnort: 
Bremen

Bewertungen

Insgesamt 413 Bewertungen
Bewertung vom 06.11.2017
Wie soll ich sagen ...
Lippe, Jürgen von der

Wie soll ich sagen ...


ausgezeichnet

Fernsehmoderator, Entertainer, Schauspieler, Musiker und Komiker Jürgen von der Lippe beschäftigt sich in seinem neuen Solo-Programm „Wie soll ich sagen?“ u.a. mit dem Thema „Sprache“.

„Was beeinflusst unsere Sprache?“ Jürgen von der Lippe hat da seine ganz eigenen Theorien. Der Beruf spielt eine Rolle, die Erwartungshaltung. Prominente werden kräftig durch den Kakao gezogen. Witze und Lieder dürfen nicht fehlen. Das Publikum wird ein ums andere Mal zum Mitmachen animiert. Jürgen von der Lippe beweist sein Talent als Stimmen-Imitator und plaudert über Selbsterlebtes.

Actionmusik und ein Tarzanschrei, die skurrile Kombination als Einstieg ins Bühnenprogramm ist gelungen. Wer kann den Tarzanschrei? Für erste Lacher ist gesorgt. Jürgen von der Lippe gibt eine Anekdote zum Helden aus seiner Kindheit preis. Die Überleitung Karneval zur Trump-Perücke klappt nahtlos. Mit dem Fallschirm-Witz hebt sich nochmals die Stimmung. Martin Schulz kriegt sein Fett weg. Hätte er doch bloß Jürgen von der Lippe für den Werbeslogan engagiert. Nun ist es zu spät. Ein Brüller sind die umgewandelten Chuck-Norris-Sprüche. Das neue Solo-Programm hat es in sich, nimmt sich aktuellen Themen an und bietet viel Abwechslung. Vom ersten Moment an wird das Publikum mitgerissen. Nicht alles lässt sich über das Hörbuch transportieren. So manche Szene, in denen Interaktion, Mimik und Gestik eine Rolle spielen, lässt sich vor Ort einfach besser miterleben. Die tolle Stimmung ist greifbar und Mitlachen funktioniert ganz von alleine. „Wenn der Augapfel mehr wiegt als der Arsch hört’s bei mir auf.“ Wer kann damit gemeint sein? Vom Model bis zum Boxer, Jürgen von der Lippe macht aus allem eine Lachnummer und lässt Bilder im Kopf entstehen. Unschlagbar sind auch seine Stimmen-Imitationen. Udo Lindenberg, Peter Maffay und Herbert Grönemeyer haben es ihm besonders angetan. In einem Lied kommen alle Drei zusammen vor. Alltägliches kommt auf den Tisch. Jürgen von der Lippe sammelt nicht nur Witze sondern auch die besonders ulkigen Augenblicke des Lebens. Der Comedy-Kobold auf seiner Schulter vermasselt ihm Zuhause die ein oder andere Tour. „Alle Frauen wollen einen Mann mit Humor. Wenn sie einen haben…“ Gelacht wird von Anfang bis Ende über Motiv-Reizwäsche für Männer, Zungenbrecher, Piloten, die zu viel sabbeln und vieles mehr. Das Hörbuch übt einen unwiderstehlichen Reiz aus, Tickets für die nächste Jürgen von der Lippe-Show zu kaufen.

Der schmunzelnde Jürgen von der Lippe auf dem Cover wirkt ungewohnt zurückhaltend. Gut gewählt ist der rote Hintergrund, der die weiße Schrift hervorhebt. Auch wenn der Name „Jürgen von der Lippe“ für sich selbst spricht, mehr kreative Leidenschaft hätte das Cover verdient gehabt. Wer humorige Unterhaltung liebt, kommt an „Wie soll ich sagen..?“ nicht vorbei. Super gegen jegliches Stimmungstief.

Bewertung vom 31.10.2017
Wer ist B. Traven?
Seifert, Torsten

Wer ist B. Traven?


ausgezeichnet

„Rodeo für Anfänger“ ist Torsten Seiferts Debütroman. Aus „Der Schatten des Unsichtbaren“ wurde „Wer ist B. Traven?“ Wer verbirgt sich hinter dem Pseudonym B. Traven?

Polizeireporter Leon Borenstein erhält den Auftrag herauszufinden, wer B. Traven in Wirklichkeit ist. Die Gerüchteküche brodelt seit Jahren. Spekulationen nehmen kuriose Formen an. Das Magazin Life hat ein Kopfgeld auf B. Traven ausgesetzt. Leon muss sich beeilen, um die Story an Land zu ziehen.

Der direkte Einstieg mit einem Mordopfer und einer Portion Sarkasmus ist gelungen. Die Suche nach dem Mörder gerät mit Leons neuem Auftrag zur Nebensache. Die Frage zu Motiv und Täter bleibt. Hängt das eine mit dem anderen zusammen? Gleich zwei Rätsel, die mitreißen. Leon macht sich auf die Jagd nach einem Phantom. An der Enttarnung von Schriftsteller B. Traven haben sich schon ganz andere die Zähne ausgebissen. „Es scheint ein Fluch über Traven zu liegen. Oder um es genau zu sagen: über allen, die nach ihm suchen. In den letzten Jahren habe ich bereits drei meiner Leute auf dieses Thema angesetzt. Einer von ihnen ist bei einem Verkehrsunfall umgekommen, ein weiterer sitzt heute in einer Nervenheilanstalt und der Dritte ist nach Alaska ausgewandert.“ Keine guten Aussichten für Leon. Seine Suche führt ihn in verschiedene Länder. Kurze Kapitel ermöglichen einen guten Lesefluss. Die Geschichte spielt 1947. An jedem Handlungsort baut sich eine ganz eigene Atmosphäre auf. Leons Nachforschungen bei Filmdreharbeiten in Mexiko zu „Der Schatz der Sierra Madre“ sind ein besonderes Highlight. Er lernt Humphrey Bogart, John Huston und Co kennen. Die Szenen wirken realitätsnah und lebensecht.

Nichts läuft wie geplant. Leon muss sich einigen Herausforderungen stellen. Interessante Nebenfiguren wie Harry, María und Frank sorgen zusätzlich für einen hohen Unterhaltungswert. Das Traven-Geheimnis und eine auftauchende Gefahr halten die Spannung auf einem guten Niveau. Es bleibt undurchsichtig. Überraschende Wendungen sind effektvoll eingesetzt. Die hochgeschnellten Erwartungen kann die Auflösung nicht erfüllen. Ein Geständnis wirkt zu konstruiert. Zum Ende steigt noch einmal die Spannung. Der Ausklang ist sehr gelungen und rundet die Geschichte ab.

Das Cover mit den zurückhaltenden Farben und einer Alltagsszene passt gut zur damaligen Zeit, in der die Geschichte spielt. Neugierig macht der Titel. „Wer ist B. Traven?“ beruht auf einem wahren Rätsel, das Menschen zu zahlreichen Hypothesen angeregt hat. „Dieser Roman ist eine Verneigung vor B. Traven und seinem Werk.“ Die Leidenschaft des Autors für die Geschichte ist zu spüren. Das Buch und viele Charaktere bleiben im Gedächtnis.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 26.10.2017
Der Fall Kallmann
Nesser, Hakan

Der Fall Kallmann


gut

„Der Fall Kallmann“ ist das neueste Werk des schwedischen Autors Håkan Nesser. Der Tod eines Lehrers hinterlässt Fragen.

Gesamtschullehrer Eugen Kallmann stirbt unter eigenartigen Umständen. War es wirklich ein Unfall? Kallmanns Nachfolger Leon Berger stößt auf Notizen, die alles noch rätselhafter erscheinen lassen. Er beginnt, eigene Nachforschungen anzustellen.

Leon Bergers Frau Helena ist bei einem Schiffsunglück vor Ostafrika ums Leben gekommen. Tochter Judith blieb verschollen. Gibt es einen Zusammenhang zwischen dem Todesfall Kallmann und Judiths Schicksal? Nicht die einzige Frage, die aufkommt. Eugen Kallmann hatte eine besondere Gabe. Hat sie ihm am Ende das Leben gekostet? Die Geschichte wird in unterschiedlichen Perspektiven aus der Sicht von Leon, Andrea, Ludmilla, Igor, Ulrika und Charlie erzählt. Dadurch verlangsamt sich das Tempo über die gesamte Buchlänge. Das rätselhafte, Undurchsichtige um Kallmann bildet den roten Faden. Der Schwedischlehrer war ein Eigenbrötler, aber er hat Andeutungen gemacht, die alles in einem besonderen Licht erscheinen lassen. Verstreute Puzzlestücke setzen sich nur im Zeitlupentempo zusammen. Es gibt gleich mehrere Personen, die Kallmanns Tod nicht loslässt. Er war bei Schülern und Lehrern beliebt. Die erwartete Spannung kommt nicht auf. Es gibt keine actionreichen Szenen. Der Autor setzt auf Charaktere und Rätsel. Das Thema „Rassismus“ nimmt bald Raum ein. Falsche Fährten führen in die Irre. Es bleibt nicht bei einem rätselhaften Mord. Charlie Mattis wird zur Schlüsselfigur. Weiß er mehr als alle anderen? Dichtung oder Wahrheit? Selbst kleinste Hinweise werden zu undurchsichtigen Schemen. Wer hat Geheimnisse? Die Geschichte umfasst eine längere Zeitspanne. Wer hat welche Schuld auf sich geladen? Endlich scheint die Auflösung nahe. Tatsächlich zieht sich alles bis zum Ende hin. Spannung auf den letzten Metern. Die Paukenschläge kommen fast auf nüchtern beiläufige Art und Weise. Der Effekt hat Intensität. Sehr gelungen!

Das Cover gibt das Düstere und Undurchsichtige wieder. Der Titel wurde gezielt unspektakulär platziert. Es entsteht der Eindruck, einen Thriller oder Krimi in den Händen zu halten. Dadurch schnellen die Erwartungen hoch. „Der Fall Kallmann“ erinnert an ein Bühnenstück und lebt von den Figuren. Es fällt schwer zu akzeptieren, dass packende Szenen ausbleiben. Überzeugend ist der Lesefluss. Raffinesse lässt sich im Nachhinein feststellen. Charlie, Andrea und Eugen erweisen sich als die eigentlichen Hauptfiguren, die am ehesten im Gedächtnis bleiben.

Bewertung vom 22.10.2017
Celfie und die Unvollkommenen
Pfeiffer, Boris

Celfie und die Unvollkommenen


sehr gut

„Celfie und die Unvollkommenen“ ist das neueste Werk von Autor und Theaterregisseur Boris Pfeiffer. Nicht nur Celfie, auch ihre Heimat gerät in Gefahr.

Celfie Madison wurde von Glenn Despott in die Menschenwelt entführt. Alles ist ihr fremd. Sie sucht Hilfe und will unbedingt zurück nach Farbek. Celfie ahnt nicht, dass ihr Glenn längst dicht auf den Fersen ist. Gibt es einen Ausweg?

Der Einstieg mit Celfies Flucht aus dem Moonson Tower ist gelungen. Es kommt Spannung auf. Was ist passiert? Die Puzzleteile setzen sich langsam zusammen. Originell ist die Idee der lebendigen Bilder und Celfies bunter Heimat Farbek. Was plant Glenn Despott? Celfie hat es mit einem hinterhältigen Gegner zu tun, der sein wahnsinniges Ziel unbeirrt verfolgt. Die Namen sind häufig so gewählt, dass sie etwas über die Charaktere verraten. Nicht ganz lebensnah und zu hölzern wirken anfangs die Dialoge. Das gibt sich im Laufe der Geschichte. Mit Celfies besonderem Fluchtweg steigen Spannung und Atmosphäre. Ein besonderes Talent verleiht ihr zusätzlich Persönlichkeit. Die Hauptfigur kommt sympathisch rüber. Zu viel Raum nimmt das Thema „Angst“ ein. Die Menschenwelt wird sehr trist dargestellt. Machtgier, Unterdrückung, Armut, das überwiegend Negative wiegt schwer. Der Kontrast zur unbekümmerten Farbek-Welt ist groß. Ist die Erde in einer Phantasiezeit gemeint? Das Übertriebene hätte es nicht gebraucht. Graffitis sind aus unserer Zeit, und es fällt leicht, sich in die Geschichte hineinzuversetzen. Celfie muss ihr Abenteuer nicht alleine bestehen. Ihre Mitstreiter sind besonders und erhöhen den Unterhaltungswert. Der Kampf Gut gegen Böse wird auf originelle Weise dargestellt. Ist Glenn Despott allen einen Schritt voraus? Im letzten Buchdrittel nehmen die Emotionen zu. Bei einem Handlungsort werden die hochgeschnellten Erwartungen etwas enttäuscht. Sehr schräg ist die Auflösung um Glenns Plan. Parallelen zur Realität sind aber auch auf den letzten Meter zu erkennen. Einheitsbrei gegen Vielfalt, Manipulation gegen Kampfgeist um die Freiheit. Wer gewinnt am Ende? Selbst der Showdown hat Ungewöhnliches parat.

Die Zeichnung von Celfie wirkt zu trist und traurig und passt so gar nicht zur schillernden Hauptfigur. Fluschfummel auf der Buchrückseite ist viel besser gelungen. Der kreative Titel zieht die Aufmerksamkeit aufs Buch. „Celfie und die Unvollkommenen“ ist für Kinder ab 11 Jahren gedacht und eine Ode an die Phantasie. Nicht ganz ausgeschöpft wurde das Potential der originellen Ideen. Mehr Tempo, Spannung und Abenteuer wären möglich gewesen. Aber auch so ist „Celfie und die Unvollkommenen“ ein mitreißender Lesespaß für alle, die phantasiereiche Geschichten lieben.

Bewertung vom 06.10.2017
Außer sich
Salzmann, Sasha Marianna

Außer sich


weniger gut

Für ihr Romandebüt „Außer sich“ erhielt Autorin Sasha Marianna Salzmann 2017 den Literaturpreis der Jürgen Ponto-Stiftung.

Die Zwillinge Alissa und Anton wachsen in einer Zweizimmerwohnung in Moskau und in einem westdeutschen Asylheim auf. Ein paar Jahre später, Alissa hat es wegen ihres Mathematikstudiums nach Berlin verschlagen, verschwindet Anton spurlos. Mit dem einzigen Hinweis, einer Postkarte aus Istanbul, macht sich Alissa auf die Suche nach ihrem Bruder.

Die Personenauflistung am Anfang des Buches erweist sich bald als hilfreich. Nicht immer sind die verwandtschaftlichen Verhältnisse leicht zu überblicken. Im Laufe der Geschichte wird von einigen Schicksalen erzählt. Nach einer schrecklichen Ehe heiratet Alissas Mutter Valja Kostja. Auch Kostja offenbart seine dunkle Seite. Die Themen des Romans sind Gewalttätigkeit, Misshandlung, Missbrauch und Mobbing. Ali und Anton leiden unter den Ausrastern ihres Vaters. Mit 16 Jahren läuft Ali von Zuhause weg. Bricht Anton später mit der Familie, um endlich einen Schlussstrich unter die unglücklichen und bitteren Jahre zu ziehen? Sein Aufbruch scheint geplant. Alissa liebt ihren Bruder und versucht ihn wieder aufzuspüren. Was ist aus ihm geworden? Lebt er noch? Spekulationen werden angeheizt. In Rückblicken wird auch von den Großeltern der Zwillinge Etja und Schura erzählt. Ihre große Liebe, ihr schicksalhaftes Leben sorgt für Atmosphäre. Eine richtige Nähe baut sich zu keinem der Charaktere auf. Der Leser wird zum stillen Beobachter. Es geht um Träume, Wünsche, Sehnsüchte, die viel zu oft zerstört werden. Ungewöhnlich sind Erzählstil und Beschreibungen. Emotionen werden in düsteren Szenen verarbeitet. Die Diskriminierung von Juden, Hass, Ungerechtigkeit, der Schrecken des Krieges, dank der Rückblicke und Alis Heute keine leicht verdauliche Lesekost. Zentrale Bedeutung hat die Suche nach dem Sinne des Lebens. „Warum kann das nicht passieren? Das Zeichen einem sagen: dahin sollst du, hier einsteigen, hier aussteigen, bei diesem Menschen bleiben und von hier unbedingt weg. Dass es irgendein Zeichen dafür gibt, dass wenigstens irgendetwas stimmt. Wozu hat man das Scheißschicksal erfunden?“ Enttäuschungen pflastern nicht nur Alis Weg. Gibt es nur Unglück? Wird sich alles zum Positiven wenden? Der Glaube daran fällt schwer. Im letzten Buchdrittel nimmt die Intensität der Geschichte zu. Überraschend dramatische Szenen sorgen für Spannung. Das Ende kommt zu schnell und ist leider nicht zufriedenstellend.

Durch den roten, gespiegelten Farbklecks, die Vögel und den riesigen Titel wirkt das Cover kreativ. Auch durch die Farbkombination fällt das Cover ins Auge. „Außer sich“ ist schwer in Worte zu fassen. Der Roman hat etwas Unnahbares, trotz der geballten Emotionen. Eine Aussichtslosigkeit schwingt auf vielen Seiten mit. Düster, traurig, kein Buch für jemanden, der mit sich selbst hadert oder eine schwere Zeit durchlebt.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 02.10.2017
Das Erwachen des Feuers / Draconis Memoria Bd.1
Ryan, Anthony

Das Erwachen des Feuers / Draconis Memoria Bd.1


ausgezeichnet

„Draconis Memoria – Das Erwachen des Feuers“ bildet den Auftakt zur neuen Trilogie von Autor Anthony Ryan. Bekannt wurde er mit seinem Debüt „Das Lied des Blutes“, Band 1 der Rabenschatten-Reihe.

Drachenblut verleiht Blutgesegneten besondere Kräfte. Deshalb werden Drachen gejagt und stehen vor der Ausrottung. Im Auftrag des Drachenblut-Syndikats macht sich der unregistrierte Blutgesegnete Claydon Torcreek zusammen mit Onkel Braddon und seiner Crew auf die gefährliche Suche nach dem weißen Drachen. Ist das mächtige Geschöpf nur eine Legende oder gibt es ihn wirklich?

Der Prolog mit rätselhaften Ereignissen ist ein gelungener Einstieg in die Geschichte. Die stellvertretende Direktorin der Abteilung Kerberhafen Lodima Bondersil, Mitglied des Drachenblut-Syndikats, erweist sich als Schlüsselfigur. Sie glaubt an die Existenz des weißen Drachen und ist der festen Überzeugung, dass ihre Lieblingsschülerin Ethelynne Drystone eine länger zurückliegende, fehlgeschlagene Expedition überlebt hat. In drei Handlungssträngen werden die Abenteuer von Dieb Claydon, Eisenboot-Akademie-Absolventin Lizanne Lethridge und Leutnant Corrick Hilemore erzählt. Jeder von ihnen begibt sich auf eine gefährliche Reise. Nach einem längeren Kapitel fällt es anfangs schwer, sich wieder auf eine andere Geschichte umzustellen. Für Spannung sorgen die Widrigkeiten und Herausforderungen, denen sich die Hauptfiguren stellen müssen. Alle geraten häufig in Lebensgefahr. Das hohe Tempo hält über 723 Seiten an. Es fällt leicht mit dem eigensinnigen, mutigen Clay mitzufiebern. Sind alle Menschen, die ihm am Herzen liegen, tot? Hoffnung bleibt trotz Aussichtslosigkeit. Ein grausiger Krieg bricht aus. Kampfszenen häufen sich und sind oft schwer zu ertragen. Intrigen, Gier, Familienfehden, der Plot hält für alle Protagonisten unliebsame Überraschungen bereit. Sind alle Drachen abgrundtief böse? Der Mythos des geflügelten Ungeheuers fließt auf originelle Weise in die Geschichte ein. Drachen gibt es in unterschiedlichen Farben. Sie unterscheiden sich auch in der Kraft ihres Blutes. Gruselig, was die Menschen mit den Drachen anstellen. Die Story hat es in sich. Kurz vor Schluss geht es noch mal richtig packend zu. Zwar ist der Cliffhanger am Ende nicht ganz so gut gelungen, aber die Neugierde auf den zweiten Band war längst schon vorher geweckt.

Titel und Cover lassen Fantasy-Fanherzen höher schlagen. Der mächtige Drache beeindruckt. Dagegen wirkt die Hauptfigur winzig. Gut gewählt sind die düsteren Farben, die das Abenteuerliche unterstreichen. „Draconis Memoria – Das Erwachen des Feuers“ hinterlässt Eindruck. Dank hohem Unterhaltungswert und interessanten Charakteren, allen voran Clay, Silbernadel, Steelfine, Lizanne und Hilemore, bleibt Band 1 im Gedächtnis.

Bewertung vom 10.09.2017
Als der Teufel aus dem Badezimmer kam
Divry, Sophie

Als der Teufel aus dem Badezimmer kam


gut

„Dieses Buch widme ich den Unproduktiven, den Kindern, den Ausgehungerten, den Träumern, den Nudelessern und „Niedergeschlagenen“.“ „Als der Teufel aus dem Badezimmer kam“ von Autorin Sophie Divry erinnert an das berühmte Ölgemälde „Der arme Poet“ von Carl Spitzweg.

Sophie steht als Langzeitarbeitslose das Wasser bis zum Hals. Das Geld geht aus, der Monat ist noch lang und Rechnungen trudeln ein. Ein bürokratisches Debakel verschärft ihre Misere. Als einzige Rettung erweist sich die gutherzige Bertrande, die es sich zur Lebensaufgabe gemacht hat, notleidenden Menschen zu helfen. Aber auch ihre Essenseinladung ist nur ein Tropfen auf dem heißen Stein.

„Ein Improvisationsroman voller Unterbrechungen und ohne Anspruch auf Tiefgang.“. Widmung und Hinweis machen die Autorin sympathisch. Die Geschichte wird in der Ich-Perspektive aus Sicht der Autorin/Hauptfigur erzählt. Sophie schreibt über Geldprobleme, alltägliche Hürden, die viele Künstler am Beginn ihrer Laufbahn (und oft auch noch später) beschäftigen. Ausbleibende Aufträge als freie Mitarbeiterin bei einer Tageszeitung bringen Sophie in eine prekäre Lage. Der Kühlschrank ist meistens leer. Hunger, Selbstmitleid und Zweifel quälen Sophie. Ihr persönlicher Dämon Lorchus, mit seinen haarsträubenden Vorschlägen zur Problembeseitigung, macht ihr das Leben auch nicht gerade leichter. Die alte Dame Bertrande mit ihrer aufopfernden Art hinterlässt bleibenden Eindruck. Nicht ganz nachzuvollziehen ist, warum sich Sophie in ihrer Notlage nicht an Familie, Freunde oder Hilfsinstitutionen wendet. Gibt es ihren besten Kumpel Hector wirklich? Dass er plötzlich im Badezimmer mit Sophies Dämon spricht, lässt Fragen aufkommen. Auch die Gedanken-Kommentare von Sophies Mutter kommen anscheinend aus heiterem Himmel. Eine konfuse Aufzählung setzt den Gemütszustand der Hauptfigur in Szene. Auf den ersten über hundert Seiten stellt sich schnell die Frage wo Sophies Energie und Kampfeswillen bleibt. Ihre Erlebnisse lassen sich gut nachvollziehen, die Hürden und Tiefpunkte, die es zu überwinden gilt. Manchmal möchte man sie schütteln und wachrütteln. Klar scheint, dass die Wende zum ultimativen Glück kurz bevorsteht. Immer auffälliger wird die Buchgestaltung mit der Typografie in Bewegung, fetter Schrift, Zeichen und Bildern. Ein Highlight ist die Geschichte für Kinder „Der Konsonantenfresser“. Im letzten Buchdrittel geht es beim Thema „Vorurteile“ ernsthaft zur Sache. Nicht so richtig zufriedenstellend ist das Ende. Es kommt irgendwie auch etwas plötzlich. Schräg wird’s im anschließenden Bonusteil. Mit dem Exposé gelingt die Kurve zum passenden Ausklang.

Cover und Titel stimmen auf eine humorvolle Geschichte ein. Der rote Hintergrund und die Teufelshörner fallen ins Auge. Die hochgeschraubten Erwartungen kann „Als der Teufel aus dem Badezimmer kam“ nicht ganz erfüllen. In vielem, was Sophie erlebt, wird sich aber der ein oder andere wiederfinden. Das Buch hätte mehr Mut machen können. Unterhaltungswert hat es allemal. Ironie und Humor kommen an.

Bewertung vom 08.09.2017
Grillwetter / Anwalt Fickel Bd.4
Hess, Hans-Henner

Grillwetter / Anwalt Fickel Bd.4


ausgezeichnet

„Grillwetter“ ist nach „Herrentag“, „Der Bobmörder“ und „Das Schlossgespinst“ Band 4 der Anwalt Fickel-Reihe von Autor Hans-Henner Hess. Durch seinen neuen Fall muss sich Anwalt Fickel regelrecht durchwursteln.

Der Insolvenzverwalter Ludwig Enzian ist wie vom Erdboden verschwunden. Hat er sich im Unternehmen Krautwurst Feinde gemacht und wurde ermordet? Ausgerechnet ein alter Sportkamerad von Fickel ist in den Fall verwickelt.

Die Geschichte beginnt spannend mit einer Verfolgungsjagd und einer kniffeligen Gefahrensituation. Das Eintauchen in Band 4 und Mitfiebern mit Fickel fällt leicht. Sehr unterhaltsam ist der ganz eigene Erzählstil. Autor Hans-Henner Hess weiß den Leser mit einer urigen Hauptfigur und skurrilen Situationen zum Schmunzeln zu bringen. Anwalt Fickel hat Ecken und Kanten und hält sich nicht immer an die Regeln. Aus der Herausforderung auf der Landstraße entsteht Fickels neuester Fall. Eine Wurstfabrik erweist sich als Zentrum der sich überschlagenen Ereignisse. Trotz eines Geständnisses bleibt es undurchsichtig und rätselhaft. Was ist am Tattag wirklich geschehen? Fickel wird von Tatsachen überrascht und muss erkennen, dass der Fall viel schwerwiegender ist als gedacht. Die erhoffte entspannende Zeit mit Fernbeziehung Astrid rückt in weite Ferne. Fickels immer wieder durch neue Nachrichten und Ablenkungen über den Haufen geworfene Reisepläne entwickeln sich zum Running-Gag. Der nicht sehr kompetente, träge und gutmütige Anwalt bekommt es ausgerechnet wieder mit seiner taffen Ex-Frau zu tun, die sich ungewohnt umgänglich gibt. Was ist da los? So richtig will das Misstrauen nicht zu Fickel durchdringen. Das liegt wahrscheinlich daran, dass sich die Ereignisse mal wieder überschlagen. Situationskomik von der ersten bis zur letzten Seite. Egal wie ernst sich die Lage hochschaukelt, es gibt am laufenden Band etwas zum Schmunzeln. Das Überleben der Thüringer Bratwurst liegt nicht nur Fickel am Herzen. Bleibt die Frage: „Wer ist der Mörder, und was ist das Motiv?“ Zwar gibt es am Ende keine große Überraschung, aber der Humor kommt auch auf den letzten Metern nicht zu kurz.

Der Titel hat Witz. Das Cover hätte gerne kreativer und humorvoller sein können. Wer Anwalt Fickel noch nicht kennt, kann problemlos mit Band 4 einsteigen. Aufgrund des hohen Unterhaltungswertes von „Grillwetter“ wird der begeisterte Leser auch zu den ersten Bänden greifen. Fickel bleibt im Gedächtnis, eben weil er ein herrliches Unikat ist und so gar nicht zum Helden taugt.

Bewertung vom 20.08.2017
Am Ende der Welt ist immer ein Anfang
Blumencron, Maria

Am Ende der Welt ist immer ein Anfang


weniger gut

„Am Ende der Welt ist immer ein Anfang“ ist das neueste Werk von Schauspielerin, Filmemacherin und Autorin Maria von Blumencron. Fiktion trifft auf Biografisches. Hauptfigur Maria versucht ihr chaotisches Leben in geordnete Bahnen zu lenken.

Die Abhängigkeit von Sizilianer Rocco Brigatoni macht Maria zu schaffen. Sie erkennt, dass hinter seinen Versprechungen, sie beruflich groß rauszubringen, nur heiße Luft steckt und er sie finanziell ausnimmt. Zeit, das Leben und bisherige Entscheidungen neu zu überdenken. Wohin soll der Weg führen?

„Eine fiktionalisierte Lebensbiografie, meine Geschichte… und ein Roadmovie.“ Das Vorwort samt Kurz-Beschreibung des Romans macht die Autorin sympathisch. Maria pendelt zwischen Rocco in Hamburg und ihrer Eltern-WG mit ihrem Ex-Mann Hank und 11 jährigem Sohn Johannes hin und her und lebt weit über ihre Verhältnisse. Kumpel und Steuerberater Fredde öffnet Maria die Augen. Es muss sich dringend etwas ändern. Der Aufbau der Geschichte mit den Einschüben „Erinnerungen an Wolken-Oma“ und schlimmen Kindheitserlebnissen wirkt konfus. Es entsteht der Eindruck eines Flickwerks, das aus vielen Puzzlestücken besteht. Die Hauptfigur ist sehr überzeichnet. Nicht immer lässt sich ihr Verhalten nachvollziehen. Einerseits ist sie wild, fröhlich, spontan und will das Leben genießen, andererseits plagen sie Selbstzweifel und sogar Selbstmordgedanken. Letzteres nimmt man ihr nicht ab. Sie hat einen großen Freundeskreis, der sie auffangen kann, und eine Familie. Eine interessante Persönlichkeit ist Marias Mutter Frizzi. Wahrheiten kommen ans Licht. Ihr Schicksal berührt wie das ihrer Tochter.

Der Roman braucht lange, um in Fahrt zu kommen. Ein neuer Handlungsort scheint die Wende zu sein, umso überraschender das sich alles anders entwickelt. Der Fokus wurde aufs Biografische gelegt. Irrungen und Wirrungen kommen nicht wie ein unterhaltsamer Roadmovie rüber. Auch geht der Humorfaktor mit dem zweiten Ich Lucy nicht auf. Das Spirituelle, die Suche nach Erleuchtung, nimmt zu viel Raum ein. Erst mit einer besonderer Begegnung erhält die Geschichte Intensität. Humor und Schmunzelszenen sorgen für Unterhaltung.

Marias großes Herz, ihr Einsatz für die Exil-Kinder und Tibet beeindruckt. Hinter allem steckt Energie und Leidenschaft. Es fällt leicht, ihr das Glück der großen Liebe zu wünschen. Das Ende ist gut gelungen. Beim Ausklang und Epilog hat Lucy das letzte Wort. Trotzdem ist der Epilog dank zusätzlicher, zufriedenstellender Infos ein guter Abschluss.

Das Cover verspricht eine abenteuerliche Geschichte. Der Titel macht neugierig. Die Kurzbeschreibung hat bei mir andere Erwartungen geweckt. Es war nicht damit zu rechnen, dass das Thema „Religion“ so viel Raum einnimmt. Vieles hätte gut in einen Ratgeber gepasst. Die fehlende Einordnung von Anfang an und der Aufbau haben dem Buch nicht gut getan.