Benutzer
Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
leseleucht
Wohnort: 
Alfter

Bewertungen

Insgesamt 151 Bewertungen
Bewertung vom 21.12.2024
Der Herzschlag der Toten
Dorweiler, Ralf H.

Der Herzschlag der Toten


ausgezeichnet

Totenphotographie
Dass es diese wirklich gegeben hat, glaubt man erst, wenn man das Nachwort von Ralf Dorweilers Krimi „Der Herzschlag der Toten“ gelesen hat. In der heutigen Zeit ist die Vorstellung, Tote in lebendige Ensembles hinein zu platzieren und sie wie Lebendige aussehen zu lassen, schon recht makaber und erhöht den Gruselfaktor des Krimis ungemein.
Die Totenphotographie spielt in dem Krimi eine entscheidende Rolle, sie gibt den Hinweis auf den Täter an einer unbekannten Frau. Dieser Fall konfrontiert den Criminalcommissar Hermann Rieker nicht nur mit seiner Vergangenheit, er könnte ihn auch, sollte er scheitern, seine Karriere Kosten. Die Hilfe der ebenso engagierten wie eigensinnigen Richtertochter Johanna Ahrens ist ihm nicht immer willkommen. Zwar kennt sie das Opfer, das Schülerin in ihrer heimlich gegründeten Schule für Frauen aus der Unterschicht war. Aber zugleich bringt sie nicht nur ihr Leben, sondern auch wieder die Karriere Riekers in Gefahr, als sie sich in die Ermittlungen einmischt und den Lockvogel gibt.
Mit den beiden Protagonisten hat Dorweiler spannende Charaktere geschaffen, die auf jeden Fall Zugpferd für die beginnende Krimireihe darstellen. Der Fall ist skurril und spannend. Wer glaubt, dass man einen Spannungsbogen kaum halten kann, wenn man als Leser ab Mitte des Romans zu wissen glaubt, wer der Täter ist, wird hier durch eine unerwartete Wende und einen actionreichen Schluss eines besseren belehrt.
Der Krimi ist nicht nur für Krimifans, die sich gerne ein wenig gruseln, sondern vermittelt auch sehr gelungen Einblicke in das Leben und die Zeit zu Ende des 19. Jahrhunderts. Eine spannende Lektüre für gute Unterhaltung mit Hintergrund!

Bewertung vom 10.12.2024
Die Lungenschwimmprobe
Renberg, Tore

Die Lungenschwimmprobe


sehr gut

Für Geschichtsliebhaber
Tore Renberg hat jahrelang akribisch den wahren Fall der Anna Voigt, die des Kindsmordes beschuldigt wurde, recherchiert und zu rekonstruieren versucht. Diese intensive Auseinandersetzung hat Eingang gefunden in seinen Roman „Die Lungenschwimmprobe“, der damit zugleich dem Beginn der Rechtsmedizin ein Denkmal setzt. Die eher unbekannte Methode der „Lungenschwimmprobe“ wird eingesetzt, um ermitteln zu können, ob ein Kind bei der Geburt noch lebte oder bereits tot war.
Dass derartige Beweise Zulassung vor Gericht in der Mitte des 17. Jahrhunderts fanden, ist eine der Neuheit, die der Roman schildert, und in der sich der Zusammenprall vom Glaube und Aufklärung und der Beginn einer neuen Zeit manifestieren. Von daher ist eine Stimme aus dem Chor der damaligen Zeit, die in diesem Roman Gehör finden, die des Arztes Schreyer. Daneben geht es um den Anwalt Thomasius, der sich als Wegbereiter der Aufklärung gegen Hexenprozesse und Folter ins Feld zog und sich hier des Falls der Anna Voigt annahm. Unter anderem auch, weil Annas Vater ein reicher und einflussreicher Mann war, der nicht nur die Ehre seiner Tochter und damit seine verteidigen wollte, sondern auch gegen seinen persönlichen Widersacher ins Feld zieht. Mit den Stimmen der Aufklärung konkurrieren die, die am Althergebrachten, an der Tradition, den unerschütterlichen Grundpfeilern des Glaubens festhalten wollen, wie die Köchin aus dem Haushalt von Voigt, die für das dumm gehaltene, abergläubische Volk steht, sowie der Ankläger, der
Gesetz auch mit zweifelhaften Methoden „zum Recht“ verhelfen will. So entspannt sich ein spannender Konflikt zwischen Alt und Neu, Tradition und Fortschritt, Glaube und Vernunft, Kirche und Aufklärung. Dass es das Neue und Fortschrittliche in einer engen, mit starren Griff der Kirche gehaltenen Zeit, wo Unwissenheit und Aberglaube gern genutzte Mitteln der Manifestation der eigenen Macht darstellten, nicht leicht hatten, machen die Person des Arztes und des Anwalts deutlich, die bereit sind, für ihre Ideale auch die drohenden Konsequenzen in Kauf zu nehmen. Dabei geht es allerdings mehr um die Idee als um den konkreten Fall oder die konkrete Person der Anna Voigt, die bisweilen etwas in Vergessenheit gerät, und nicht nur Opfer von Verleumdung und Doppelmoral ihrer Zeit wird, sondern auch Opfer im Kampf von Überzeugungen. Es geht hier weniger um die Einfühlung in ihre Sicht der Dinge als stimmlose Frau, die den Männern, dem Aberglauben und den Moralvorstellungen der Zeit unterlegen ist.
Dem Autor geht es um die großen Ideen und den Fülle an Informationen, die er über diese Zeit zusammengestellt hat und der er sowohl bis in die äußeren Gestaltung des Covers und den Schreibstil beeindruckend Rechnung trägt. Allerdings muss der Leser der Leidenschaft für das historische Detail bisweilen über die 700 Seiten mit ein wenig Beharrlichkeit und Ausdauer folgen. Die Menschen sind zu sehr Träger von Überzeugungen, als lebendige Figuren, die den Leser packen und das Geschehen lebendiger machen könnten.
Sicherlich eine großartige literarische und historische Leistung für ein versiertes Publikum!

Bewertung vom 10.12.2024
Gefährliche Betrachtungen
Eckardt, Tilo

Gefährliche Betrachtungen


ausgezeichnet

Thomas Mann, neu belebt
Die Idee, anlässlich des hundertjährigen Jubiläums des Zauberberges und seines bevorstehenden hundertfünfzigsten Geburtstages neues Leben in das Thomas-Mann-Universum zu bringen, halte ich für sehr gelungen. Auseinandersetzungen mit Autor und Werk gibt es unzählige, sowohl wissenschaftliche als auch massentaugliche, in Wort und Bild. Es erscheinen auch immer wieder literarische Adaptionen seiner Werke, wie zuletzt „Zauberberg 2“ von Heinz Strunk, auf dessen Lektüre ich mich freue.
Aber Tilo Eckards Roman „Gefährliche Betrachtungen: Der Fall Thomas Mann“ ist gleich in mehrfacher Hinsicht originell: Auch wenn der Roman dann doch nicht so viel Krimi ist, wie der Untertitel nahelegt, trägt die Handlung doch Züge eines Krimis, die für Spannung sorgen. Da ist die Begegnung zwischen Thomas Mann und dem litauischen Übersetzer, den ich hier der Einfachheit halber, wie auch im Roman, „Müller“ nenne. Dieser verliert Thomas Manns Redemanuskript wider die Entwicklungen im Deutschen Reich und damit einen brisanten Stoff. Die Suche danach und das Verschwinden einer Person aus dem Haushalt Thomas Manns bieten also Stoff für Spürnasen.
Zum anderen legt Tilo Eckard die Handlung auf den abgeschiedenen Schauplatz des Ferienhäuschens der Familie Mann auf der Halbinsel Nidden, das Mann vom Geld für den Literaturnobelpreis erworben hatte, aber nur einmal besuchen konnte, da es für ihn durch den Aufstieg des Nationalsozialismus und seines Exils bald in unerreichbare Ferne rückte. Dieser Schauplatz bietet nicht nur genügenden Qualitäten für eindrückliche Naturbeschreibungen, ist es doch landschaftlich ein sehr reizvoller Ort. Nidden war darüber hinaus Künstlerkolonie und damit Rückzugsort für viele Andersdenkende, feinfühlige Köpfe, die hier ihre Ruhe und Distanz zum aufkommenden braunen Barbarismus suchten.
Damit bietet sich für Eckard ein phantastisches Panorama der Geistes- und Kulturgeschichte auf einer seiner Höhepunkte vor dem bodenlosen Fall in die Unkultur und in Spannung zu der gesamtgeschichtlichen Entwicklung der Welt mit dem aufkommenden Faschismus. Feinfühlig und voller Kennerschaft zeichnet der Autor ein differenziertes Bild, in dem der Wunsch des Künstlers nach Rückzug, Ruhe und musische Inspiration mit der empfundenen politischen Verantwortung wider den undeutschen Geist in Wettstreit tritt.
In meinen Augen eröffnet der Roman einem breiten Publikum, das nicht nur Thrill und Blutrünstigkeit als Anspruch an einen Krimi hat, die Möglichkeit, Thomas Mann in den Spannungen seiner Zeit zu begegnen und eingeführt zu werden in eine (auf andere Art) spannende Welt der Kultur- und Geistesgeschichte, die vor den politischen Hintergründen zur Stellungnahme aufgefordert ist. Ein auch heute (wieder) aktuelles Thema!

Bewertung vom 10.12.2024
Lina und der Schnee-Engel
O'Farrell, Maggie

Lina und der Schnee-Engel


ausgezeichnet

Wunderschöne Aufmachung
Ein alter Glaube besagt, dass der Schneeengel für den Menschen, der ihn gemacht hat, zum Schutzengel wird. So erscheint Linas Schneeengel ihr während ihrer langen Krankheit und gibt ihr Mut und Hoffnung, wieder gesund zu werden. Daraufhin sucht sie ihn immer wieder, um sich zu bedanken, aber sie versucht auch, anderen die Magie der Schutzengel zuteil werden zu lassen.
Die Geschichte ist manchmal ein wenig traurig, manchmal auch ein wenig furchteinflößend, wenn der Engel aus dem Nichts erscheint oder wenn Lina ihn durch gefährliche Aktionen herbeizurufen versucht. Aber ich denke, dass man das Buch mit kleineren Kindern zusammen liest und ihre Fragen und Ängste thematisieren kann.
Ich finde, dass gerade das Unbegreifliche, das ein Wunder ausmacht, in diesem Buch gut zum Ausdruck kommt. Insbesondere in der phantastischen Aufmachung. Die Bilder verbreiten einen Zauber und eine magische Kraft, die den Engel umgibt, auf beeindruckende Weise. Sie sind für mich ein Sinnbild dafür, welche Schönheit in der Welt und im Leben möglich sind, und geben allein damit schon Hoffnung darauf, dass Wunder möglich sind.
Für mich vermittelt das Buch die Freude am Schauen, am Lesen und Zuhören sowie Trost, Hoffnung und das Gefühl, nicht allein zu sein.

Bewertung vom 01.12.2024
Lucy und das Dunkel
Szymanik, Melinda

Lucy und das Dunkel


ausgezeichnet

Wie fühlt sich einer, vor dem alle Angst haben?


Das Bilderbuch „Lucy und das Dunkel“ nimmt auf eine wunderbare Weise die Angst vor dem Dunkel und macht die Entdeckung des Dunkeln zu einer spannenden und heiter unbeschwerten Abenteuerreise, wie sie nur die kindliche Wahrnehmung erzeugen kann.
Zum einen sind es die tollen Bilder, die die Geschichte so bestaunenswert machen. Auch die dunklen Farben wirken hier nicht bedrohlich, sondern sie bringen die helleren zum Strahlen und erschaffen so eine Atmosphäre, die es ohne sie nicht gäbe: Wer sähe die Schönheit der Sterne ohne die Dunkelheit des Alls? Wer wüsste die Buntheit der Welt zu schätzen ohne den Kontrast zum Dunklen?
Und das genau ist zum anderen das Reizvolle an diesem Buch: die Frage, wie die Welt wohl ohne das Dunkel wäre! Denn das Dunkel begibt sich mit seiner neuen kleinen Freundin Lucy, die zunächst nicht im Dunkeln schlafen wollte, eine abenteuerliche Reise zu den dunklen Orten, den Höhlen, den Friedhöfen, dem Abendhimmel. Und oh Wunder: das Dunkel, das zuvor jeder zu fürchten, nicht zu mögen und zu verbannen schien, wird von allen schmerzlich vermisst.
Ein berührendes Bilderbuch, nicht nur fürs Auge, auch fürs Herz! Es eröffnet einen neuen Blick auf die Welt, insbesondere den Teil, der im Dunkeln liegt und vor dem wir daher gerne die Augen verschließen. Und es nimmt die Angst vor dem Dunkel, das nicht Feind, sondern eigentlich Freund ist. Mit diesem Wissen lässt es Groß und Klein gleich viel besser schlafen!

Bewertung vom 01.12.2024
Lass uns tanzen, Fräulein Lena
Aden, Hanna

Lass uns tanzen, Fräulein Lena


gut

Ernstes Thema mit rührseligem Unterton
In dem Fortsetzungsband um das Flüchtlingsmädchen Lena im Nachkriegsdeutschland, „Lass uns tanzen, Fräulein Lena“ von Hanna Aden sind die zarten Bande zwischen Lena und dem Apothekenhelfer Rainer, permanent unter Druck. Da ist zum einen Rainers Exverlobte, die mit Intrigen ihre Rivalin und Rainer auseinander bringen will. Sie verbreitet böse Gerüchte um das Flüchtlingsmädchen, das es eh schwer hat in der eingeschworenen Gemeinde, die in den Flüchtlingen nichts Gutes sieht. Aber auch der aus dem KZ heimgekehrte Erwin belastet die Beziehung der beiden insofern stark, als Lena um ein dunkles Geheimnis weiß, das Rainers Schwager mit sich trägt und das Erwin zu finsteren Plänen Anlass gibt. Zum Glück erhält Lena Unterstützung von der lebenslustigen Berlinerin Doro. Und auch, dass ihre Mutter und ihre ältere Schwester aus Dänemark zu ihr ziehen können, ist etwas, was Lena mit ihrem Schicksal versöhnt. Nur vom Vater fehlt noch immer jede Spur.
Die Autorin zeigt mit den verschiedenen Figuren ein breites Spektrum, wie die deutsche Nachkriegsgesellschaft mit ihrer Vergangenheit und Verstrickung in Schuld und Verantwortung umgeht. Da sind die, die in die Zukunft blicken, nach einem Neuanfang streben und das Leid und die Not des Krieges genauso vergessen wollen, wie die schlimmen Taten mancher unter ihnen, die dieses Elend mit verursachten haben. Aber da gibt es auch andere, die die Vergangenheit nicht ruhen lassen können oder wollen, entweder weil sie sie nicht loslässt und sie die Spuren des Leidens täglich mit sich tragen oder weil sie die, die sich schuldig gemacht haben, nicht einfach so davon kommen lassen wollen oder noch viel mehr davon abhalten müssen, wieder eine bedeutende Rolle in der Gesellschaft einzunehmen.
Leider strebt das Buch am Ende zu sehr zu einer versöhnlichen Lösung für alle, dass wichtige Handlungsstränge mit einer kurzen Lösung beschnitten werden und wenig zufriedenstellend zu Ende gedacht werden. Auch ist das Buch bisweilen doch sehr rührselig, was mich in eine verhaltene Distanz zur Handlung und zu den Figuren gebracht hat, obwohl ich von der Zeit, den Lebensumständen und eben der Frage nach dem Umgang mit der eigenen Geschichte bzw. einem sehr dunklen Teil von ihr eigentlich immer wieder sehr fasziniert bin.

Bewertung vom 01.12.2024
Die Weihnachtsgeschichte

Die Weihnachtsgeschichte


gut

Schöne Bilder, aber keine neue Botschaft
„Die Weihnachtsgeschichte“ wird nacherzählt von Rolf Toman. Dabei darf man das Nacherzählen ganz wörtlich nehmen. Sehr eng an Lukas 2 angelehnt, lesen wir den wohlbekannten Text in vereinfachter und kindgerechter Sprache. Für die erste Begegnung mit dem Text sicherlich hilfreich, aber ohne neuen Wert. Vielmehr fühle ich eine Distanz zum Text und zum Geschehen. Es wird eher berichtet oder wiedergegeben, aber es fehlt ein persönlicher Bezug. Besonders am Ende wird das deutlich, als von der Bedeutung Jesu in der Vergangenheitsform die Rede ist: „Viele sahen in ihm den ‚Retter der Welt‘, hofften und glaubten, dass seine Botschaft der Nächstenliebe das Leben der Menschen verändern würde.“ Hoffen und glauben wir Christen das heute nicht auch noch?
Die Bilder dagegen setzen die Botschaft zum Teil sehr schön um: Dass Jesus mit seiner Geburt ein Licht in die Welt gebracht hat, finden wir in vielen Bildern, in denen vor dunklem Hintergrund häufig eine Lichtschein zu finden ist, was einen sehr schönen Effekt hat. Bisweilen muten die Bilder ein wenig an naive Malerei an, haben dann aber auch einen etwas kitschigen Effekt.
Für Erstleser der Weihnachtsgeschichte sicherlich in Ordnung, aber der Botschaft neuen Atem einzuhauchen, vermag dies Bilderbuch nicht.

Bewertung vom 01.12.2024
Die Mission beginnt / Amanda Black Bd.1
Gómez-Jurado, Juan;Montes, Bárbara

Die Mission beginnt / Amanda Black Bd.1


ausgezeichnet

Batman trifft James Bond
Die neue Serie um Amanda Black schafft eine actionreiche Unterhaltung mit viel dark Phantasy um die junge Amanda, die zu ihrem zwölften Geburtstag das Vermächtnis ihrer Familie enthüllt. Ihre Eltern sind verschollen oder tot. Sie ist bei ihrer Tante in einer winzigen Wohnung und immer in Geldnöten aufgewachsen. Da erreicht sie ein Brief, der alles verändert und der ein großes Abenteuer beginnen lässt. Dabei ist es gut, dass sie nicht nur auf einmal besondere Fähigkeiten hat, sondern auch einen Freund an ihrer Seite, Eric, ein Computernerd, Mobbingopfer und ebenso in Sorge um den verschollenen Vater, sowie ihre Tante und den mysteriösen Butler Benson. Darüber hinaus steht ihr ein ganzes Arsenal an Spezialausrüstung zur Verfügung: Kleider, die sich in Flugmonturen verwandeln, Brillen, mit denen man kommunizieren kann, Drohnen usw.usf. . Da fühlt man sich gleich erinnert an Batmans Butler und Speziallabor sowie an die ganzen Spionageartikel, die James Bond auf seinen Missionen gute Dienste tun. Denn Amandas erste Prüfung ist nicht nur lebensgefährlich, sondern von ihr hängt der Fortbestand der jahrhundertalten Black-Dynastie ab. Das Erbe, das ihr an ihrem Geburtstag in die Hände gefallen ist, könnte mit einem Handstreich gleich wieder verloren sein.
Das Jugendbuch bietet neben Spannung auch eine rührende Freundschaftsgeschichte. Es ist phantasiereich geschrieben und flüssig zu lesen. Die Kapitel sind kurz und überschaubar. Einige spannende Höhepunkte verleiten zum Weiterlesen. Bilder, die ein wenig an Manga erinnern, bieten anschauliche Abwechslung. Ich denke, dass das Buch die Geschmäcker seiner Adressaten voll und ganz treffen dürfte.

Bewertung vom 18.11.2024
Wenn nachts die Kampfhunde spazieren gehen
Brüggemann, Anna

Wenn nachts die Kampfhunde spazieren gehen


gut

Luxusprobleme oder echte?
Der Roman „Wenn nachts die Kampfhunde spazieren gehen“ von Anna Brüggemann erzählt ein kompliziertes Mutter-Töchterverhältnis. Regina hat das Gefühl, ihr Leben vergeudet zu haben an ihren Mann und ihre zwei Töchter. Sie hätte so viel erreichen können. Und das, obwohl ihre Eltern sie nie gefördert, noch nicht einmal beachtet haben. Reginas Mann ist ihr zu eintönig und langweilig, Antonia, ihre älteste Tochter, zu plump und passiv. Einzig Wanda, die jüngste, könnte vor den Augen der Mutter Gnade finden, sieht sie sich doch in ihr. Allerdings kreist Regina so narzisstisch um sich selbst, dass sie auch Wanda nicht wirklich sieht. Diese heischt um die Liebe ihrer Mutter durch Dünnsein und Erfolgreich sein. Sie ist ihr in ihrer lieblosen, selbstbezogenen Art dabei sehr ähnlich. Antonia kommt da eher auf den stillen, ruhigen Vater. Sie hält aus, wartet ab, will nur sein und in Ruhe gelassen werden. Doch wer keine Grenzen setzen kann, dessen Grenzen werden auch nicht beachtet.
Die Geschichte der drei Frauen liest sich vom Stil her recht leicht. Bisweilen ist ihr Gezänk, Gezeter und Selbstmitleid ermüdend bis erschreckend. So kaltherzig Regina bisweilen mit und über Töchter und Enkeltöchter spricht, das schockiert schon. Ihr Selbstverliebtheit, die sich unter anderem in dem Ansinnen ausdrückt, ihre Memoiren als ein großes Zeitzeugnis für die Frauengeneration 1948 festzuhalten, ist frappierend bis komisch. Dabei geht es auch einmal wieder um die Rolle der Frau, ihr Recht auf Selbstverwirklichung, wie es Wanda als Bloggerin über Feminismus, Finanzen, Frauen- und sonstigen Woke-Themen für sich zu beanspruchen versucht. Und doch endet auch sie mit zwei Kindern in der Job-Familien-Aufreibungsfalle und wünscht sich bisweilen nichts mehr als Ruhe und Versorgtsein. Auch hier scheint mehr Ironie als Ernst im Spiel zu sein, wenn die Autorin immer wieder auf die nachhaltigen, veganen Statussymbole einer modernen Influencer-Woman-Mom anspielt. Ernst nehmen kann man das nicht. Dann eher schon Wandas permanente Selbstzweifel über Aussehen und Geliebtwerden über Lust und Unabhängigkeit, derer sie sich in ihren Blogs vergewissert. Ist das die neue Frau von heute?
Am sympathischsten ist sicher Antonia, die nie weiß, was sie will oder ob sie überhaupt etwas will, aber das annimmt, was sich ihr bietet. Sie schmeißt ihr Studium, findet aber in der Physiotherapie ihren Job. Sie sucht Beziehungen, findet keine Liebe, aber bekommt eine uneheliche Tochter, die ihr ganzes Glück ist. Sie wird herumgeschubst, abserviert, aber sie ist die einzige, die bei sich ankommt oder immer schon bei sich war. Bodenständig, ohne überreflektiertes Selbst- und Rollenbewusstsein. Sie hat ein distanziertes Verhältnis zu ihrer Mutter, sie weiß, dass sie von ihr nicht geliebt wird, so wie sie ist, und nimmt es an. Was aber lässt sie an ihrer Liebe zur Mutter festhalten?
Die Figuren sind ein wenig groblinig dahingeworfen. Es findet zu wenig Entwicklung statt. Reginas Gekeife und Wandas Gejammer machen es schwer, eine Beziehung zu ihnen zu entwickeln. Man sieht sie eher aus einer ironischen Distanz. Antonias Passivität ist bisweilen nur schwer zu verstehen.
Insgesamt finde ich den Roman eher unterhaltend als tiefgreifend.

Bewertung vom 10.11.2024
Die Mitford Schwestern / Starke Frauen im Schatten der Weltgeschichte Bd.6
Benedict, Marie

Die Mitford Schwestern / Starke Frauen im Schatten der Weltgeschichte Bd.6


ausgezeichnet

Abgründe
In ihrem Roman „Die Mitfordschwestern“ zeichnet die Autorin Marie Benedict ein schillerndes Porträt der drei britischen Schwestern Diana, Nancy und Unity in den Jahren 1932 bis 1940. Diana avanciert zur Ehefrau des Führers der englischen Faschisten. Da kommt ihr gerade recht, dass ihre jüngere, recht unkonventionelle, und nicht in die Kreise des englischen Adels so recht passende Schwester Unity leidenschaftlich für die faschistische Bewegung in Deutschland und insbesonderen deren Führer Adolf Hitler zu schwärmen beginnt. Ihr gelingt es, die Eltern davon zu überzeugen, sie in Deutschland eine Schule besuchen zu lassen, und macht durch ihre Hartnäckigkeit Hitler auf sich aufmerksam. Bald gehören die beiden Schwestern zum engsten Kreis der Hitlervertrauten. Und Diana erhofft, mit seiner Hilfe die Faschisten in England zu etablieren. Fassungslos muss die mittlere der Schwestern, die Schriftstellerin Nancy, mitansehen, wie nicht nur ihre Schwestern, sondern auch ihre Eltern sich immer mehr in den Dunstkreis des Faschismus begeben, während einer ihrer anderen Schwestern mit den Kommunisten in Spanien gegen die Faschisten kämpft. Bald ist es nicht mehr genug, nur in ihren literarischen Werken den Faschismus kritisch zu verspotten. Bald muss Nancy den Schutzmantel der Fiktion abwerfen und Stellung beziehen. Wie weit wird sie gehen, ihre Schwestern zu verraten und England vor dem deutschen Feind zu beschützen?
Immer im Wechsel von Nancy, Diana und Unity beschreibt die Autorin die Ereignisse. Doch nur Nancy lässt sie in Ich-Perspektive denken, fühlen und sprechen. Mit ihr gemeinsam sehen wir mit Entsetzen in die Abgründe, die sich ihr in ihren geliebten Schwestern auftun. Mit Schrecken verfolgt man, wie sie dem Führer und seiner Bewegung verfallen. Die eine fanatisch glühend, die anderen kalt kalkulierend. Beides mit entsetzlichen Folgen.
Denkt man vielleicht am Anfang noch, dass ein umfangreicher Roman, der hauptsächlich Gedanken und Gefühlswelten zeichnet, schnell langweilig und anstrengend werden könnte, so sieht man sich bald in dieser Annahme getäuscht. Packend und ergreifend verfolgt der Leser die Geschehnisse mit zunehmender Spannung. Dabei gehören sicherlich alle Sympathien Nancy, die sich zwischen familiärer Verbundenheit und vaterländischer, aber auch moralischer Pflicht zu entscheiden hat. Dabei kämpft auch sie mit persönlicher Tragik: der fehlenden Liebe der Mutter, der Unmöglichkeit, ein Kind zu bekommen, der Unzuverlässigkeit des sprunghaften Ehemannes. Bei all dem aber versucht sie, das Gesicht der Menschlichkeit zu wahren. Ein gutes Vorbild in einer Zeit, die in ähnlichen Schatten zu versinken droht.