Benutzer
Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
herzchen.65

Bewertungen

Insgesamt 38 Bewertungen
Bewertung vom 27.02.2022
Dschinns
Aydemir, Fatma

Dschinns


ausgezeichnet

"Dschinns" von Fatma Aydemir habe ich geliebt. Hätte ich die Leseprobe nicht gelesen, hätte es mich vom Cover und Titel her nicht überzeugt, aber inhaltlich war es einfach nur toll. Sie erzählt in diesem Roman von Hüseyin und seiner Familie. Dreißig Jahre hat er in Deutschland gearbeitet, um nun seinen Traum vom Lebensabend in Istanbul zu verwirklichen. Er kaufte sich eine Eigentumswohnung und freute sich auf den Nachzug seiner Familie. Doch dann starb er plötzlich an einem Herzinfarkt. Seine Familie kommt jetzt zur Beerdigung in Istanbul zusammen. Mit einzelnen Geschichten über seine Kinder Sevda, Hakan, Peri, Ümit und seine Frau Emit zeigt Fatma Aydemir das sehr individuelle Schicksal einer immigrierten Familie. Sie alle haben mit ganz unterschiedlichen Herausforderungen zu kämpfen gehabt und sind ihren Weg gegangen.
Jede einzelne Geschichte ist so toll und ergreifend. Ein sehr intensives Buch, das mir gezeigt hat, was es für eine Familie heißt nach Deutschland zu kommen und wie unterschiedlich jedes Familienmitglied damit umgegangen ist und welche Konflikte es dabei gab. Ein sehr berührender Familienroman und ich werde mir nun auf jeden Fall ihren ersten Roman "Ellenbogen" kaufen.

Bewertung vom 27.12.2021
Der Gesang der Berge
Que Mai, Nguyen, Phan

Der Gesang der Berge


ausgezeichnet

Was für ein beeindruckendes und intensives Buch. Ich habe "Der Gesang der Berge" von Nguyen Phan Que Mai schon vor einer Weile gelesen und mir fehlen nach wie vor die Worte. Die Autorin schildert abwechselnd aus der Sicht zweier Generationen einer Familie die großen historischen Begebenheiten in Vietnam. Sei es die Besatzung, die Landreform, die große Hungersnot oder der amerikanisch-vietnamesische Krieg, sie alle haben das Land gebeutelt und viele Familien beinahe ausgelöscht. Die Großmutter Dieu Lan, einst Kind einer wohlhabenden Familie, blickt dabei auf sehr schwerwiegende Entscheidungen in ihrem Leben zurück, sie hat mehrfach den Tod gesehen, zahlreiche Familienmitglieder verloren, beinahe auch sich selbst und bis zuletzt für ihre Kinder und das Überleben der Familie gekämpft. Ihre Enkelin Huong erzählt von allem was ihr gegenwärtig widerfährt. Sie vermisst ihre Mutter, die mit ihren Onkeln in den Krieg gezogen ist und wartet auf ihre Rückkehr. Es ist ein großes Buch, das mich nicht nur geschichtlich, sondern auch emotional gefordert und begeistert hat. Die Verzweiflung eines Kindes, einer Mutter und Großmutter und die tragische Geschichte Vietnams haben mich sehr mitgenommen und lange nicht losgelassen. Ich wusste recht wenig über dieses kleine Land und empfand die historischen Gegebenheiten eingebettet in diese sehr emotionale Geschichte sehr mitreißend und erschreckend. Hätte ich nur das Cover gesehen, hätte ich wahrscheinlich nie nach diesem Buch gegriffen, die Leseprobe und die ersten Seiten haben mich sofort getroffen. Sehr toll!

Bewertung vom 13.08.2021
Junge mit schwarzem Hahn
vor Schulte, Stefanie

Junge mit schwarzem Hahn


weniger gut

Die Leseprobe zu "Junge mit schwarzem Hahn" von Stefanie vor Schulte mochte ich sehr. Es ist eine mittelalterliche bis märchenhafte Erzählung über den elfjährigen Martin, der sich seinen Weg durch die Welt sucht. Bis auf auf einem Hahn besitzt der Junge nichts, sein Vater hat seine gesamte Familie ermordet, von den Dorfbewohnern wird er gemieden und eine Verbindung mit dem Unheil und dem Teufel wird ihm nachgesagt. Als dann ein Maler, der das Altarbild der Kirche fertigen soll, in das Dorf kommt, beschließt Martin mit ihm zu ziehen und entdeckt dabei eine schaurige Welt voller Aberglauben, Tyrannei und ständig neuen Herausforderungen.
An sich klingt das sehr spannend und auch der Anfang lässt viel erwarten, dann folgt allerdings eine sprudelnd bunte Mischung aus Ideen und Einfällen, die in ihrer Häufigkeit sehr wirr und plötzlich rüberkommen. Nichts wird wirklich länger erzählt und so fand ich die Geschichte innerhalb kürzester Zeit auch sehr überladen. Vieles ist nur kurzzeitig von Bedeutung und ich konnte keine Nähe zu dem Jungen aufbauen, noch hat mir das Lesen dann noch Spaß gemacht. Nach der Hälfte habe ich das Buch wieder zur Seite gelegt, für mich war es leider nichts.

Bewertung vom 12.07.2021
Drei Kameradinnen
Bazyar, Shida

Drei Kameradinnen


sehr gut

"Drei Kameradinnen" von Shida Bazyar war für ich ein sehr schweres und aktuelles Buch, das ich nicht so einfach durchlesen konnte. Es ist keine wirklich zusammenhängende Geschichte. Es sind mehr einzeln aneinandergereihte Ausschnitte und Erinnerungen aus aus dem Leben von Kasih und ihren Freundinnen Hani und Saya. Die drei Frauen sind in der gleichen Stadtrandsiedlung aufgewachsen, haben einen Migrationshintergrund und sehen sich ständig mit Vorurteilen und Rassismus konfrontiert. Ihre Erfahrungen und Geschichten werden von Kashi selbst erzählt. Man merkt häufig ihre Wut und Aggression. Sie unterstellt ihren Lesern oft auch rassistisch zu sein oder alles besser wissen zu wollen und doch nichts zu wissen. Es ist ein Buch, das direkt in die Konfrontation mit den Lesern geht und mich sehr zum Nachdenken gebracht hat. Die Autorin macht mit diesen Geschichten zumindest sehr deutlich in wie weit Vorurteile und Überzeugungen unser Leben lenken und wie der vorhandene Rassismus dadurch sehr häufig noch angefeuert wird bis es zur Eskalation kommt. Das Cover mit der Flamme finde ich daher auch sehr gut gewählt. Mir hat das Buch insgesamt sehr gut gefallen, aber ich hätte mir gerne etwas mitreißenderes gewünscht. Daher dann auch nur 4 Sterne.

Bewertung vom 04.01.2021
Ada
Berkel, Christian

Ada


sehr gut

Christian Berkels "Der Apfelbaum" habe ich sehr gern gelesen. Ich wollte nun unbedingt wissen wie diese sehr persönliche Geschichte weitergeht. Ada kehrt mit ihrer jüdischen Mutter Sala nach Berlin zurück. Einst in Leipzig geboren, aus dem Nachkriegsdeutschland nach Argentinien geflohen und vaterlos aufgewachsen, versucht sich Ada nun wieder in ihrer fremden Heimat, deren Sprache sie nicht spricht, zu finden. Sie lernt nun endlich ihren Vater kennen, doch glücklich wird sie nicht. Über zu vieles wird nicht gesprochen, erst recht nicht mit ihr. Als sie dann noch einen kleinen Bruder bekommt, quält sie sich noch mehr, sie rebelliert und ihre Sehnsucht nach Freiheit und Unabhängigkeit wächst.
Der Autor erzählt sehr eindrücklich von der Zeit der 50er und 60er Jahre im Wirtschaftswunderland Deutschland und von den Problem des Schweigens zwischen den Generationen. Ada hat mich mit ihrem Handeln oft sehr gefordert. Sie ist nicht immer ganz leicht sie zu verstehen und doch ist sie mir sehr ans Herz gewachsen. Das Buch lässt sich locker und leicht lesen. Die vielen Bilder aus der Zeit des Umbruchs, die vielen realen Ereignisse und die Schilderung über die Suche nach sich und die Hoffnung endlich anzukommen haben mich dabei sehr beeindruckt und mich an die Geschichte meiner Familie denken lassen. Christian Berkel ist für mich ein großer Erzähler und freue mich schon jetzt auf den nächsten Teil.

Bewertung vom 17.11.2020
Die Sommer
Othmann, Ronya

Die Sommer


gut

Ronya Othmanns Roman "Die Sommer" wollte ich unbedingt lesen um mehr über die Situation in Syrien und der Kurden zu erfahren. Die Geschichte fing auch sehr gut an und hat die Unterschiede zwischen Deutschland und Syrien gezeigt, aber auch die Schwierigkeiten der Migranten in Deutschland. Layla gehört nicht richtig dazu, weder in Deutschland noch in den Ferien bei ihrer Oma in Syrien. Sie wird immer eine Außenstehende bleiben und sich immer wieder erst eingewöhnen müssen. Layla liebt ihre Oma und die Zeit in ihrer Heimat, doch der Krieg soll die Familie über Jahre trennen und dann alles verändern.

Dieses Buch war interessant, aber für mich war es kein richtiger Roman. Die Autorin beschreibt sehr viele Situationen und Zustände in Laylas Leben, ihrer Verwandten und ihrer Heimat sehr genau, aber eine wirkliche Handlung konnte ich nicht entdecken. Es ist wie eine sehr lange Einleitung und als die Geschichte dann endlich los geht, ist der Roman schon zu Ende. Häufig hat mir die Motivation gefehlt weiterlesen zu wollen und die Geschichte zog sich hin. Das Erzählte fand ich zwar stellenweise sehr schlimm und tragisch, aber mit den Charakteren hat mich einfach nichts verbunden. Nur die Oma habe ich sehr geliebt und trauere ihrem Schicksal noch immer hinterher. Ich hatte mir mehr erhofft oder etwas anderes. Daher nur drei gut gemeinte Sterne.

Bewertung vom 17.08.2020
Ein Sonntag mit Elena
Geda, Fabio

Ein Sonntag mit Elena


ausgezeichnet

Ich habe das Buch "Ein Sonntag mit Elena" von Fabio Geda vor einigen Tagen beendet und seine Worte hallen noch immer nach. Es ist eine berührende Geschichte eines Mannes, der einst als Ingenieur durch die Welt reiste, aber im Laufe der Zeit den Bezug zu seinen drei Kindern und vor acht Monaten auch seine Frau verlor. Eine zufällige Begegnung mit Elena und ihrem Sohn soll nun alles ändern und ihm wieder das Wesentliche im Leben vor Augen führen. Erzählt wird diese Familiengeschichte von Gulia, seiner jüngsten Tochter.
Mit sehr viel Empathie und Feingefühl beschreibt Fabio Geda seine sehr unterschiedlichen Charaktere. Sie alle haben verschiedenes erlebt und Fehler gemacht oder noch nicht den Mut gefunden ihre Ziele und Wünsche umzusetzen. Es ist ein schöner, leiser, nachdenklicher Roman über die Kraft der Begegnung und dem, was daraus folgt. Ein sehr tolles Buch für laue Sommerabende.

Bewertung vom 04.05.2020
Offene See
Myers, Benjamin

Offene See


ausgezeichnet

"Offene See" ist für mich eine Liebeserklärung an die Natur, die Lyrik, die Freundschaft und das Leben. Benjamin Myers erzählt sehr detailliert, ruhig und poetisch von der Schönheit der Natur und einer wundersamen Freundschaft zwischen Dulcie und dem 16jährigen Robert. Eigentlich möchte er sein Elternhaus verlassen um das Meer und die Welt zu erkunden, aber als er auf die ältere Dame trifft, bleibt er bei ihr und ihrem Hund Butler hängen. Er pflegt ihr Anwesen und hilft ihr zeitgleich in die Vergangenheit zu blicken und neuen Mut für die Zukunft zu gewinnen. Dabei zeigt sich ihm eine Welt, die keinen Regeln und Konventionen folgt und die in der Abgeschiedenheit und Nähe zum Meer aufblühen kann.
Bei der offenen See habe ich mit einem aufbrausenden Wellengang gerechnet und wurde mit etwas ganz anderem, entschleunigendem belohnt. Es ist ein sehr toller und ruhiger Roman, der mich über das Leben, die Menschheit und die Endlichkeit nachdenken ließ und zeigt, dass Begegnungen das Leben in ganz andere Bahnen lenken können.

Bewertung vom 16.03.2020
Der Empfänger
Lenze, Ulla

Der Empfänger


sehr gut

Ulla Lenze erzählt in ihrem Roman "Der Empfänger" von dem rheinländischen Auswanderer Josef Klein, der während des Zweiten Weltkriegs in das Spionagenetzwerk des Naziregimes in den USA gerät. 1925 betritt Josef Klein die andere Seite des Atlantiks. Sein Neuanfang in New York fällt ihm nicht leicht. Durch einen Zufall trifft er auf Arthur, der ihm eine Stelle in seiner Druckerei anbietet. Mit zunehmendem Einfluss Hitlers und Deutschlands auf die Welt wird auch der Ton in den USA rauer. Das zeigt sich dann auch in den Aufträgen und die Druckerei arbeitet zwischen den Fronten der weißen und schwarzen Bevölkerung.
Josef ist Hobbyfunker und empfängt über seine selbstgebaute Funkstation Meldungen aus aller Welt und schickt ebenso kurze Nachrichten hinaus. Durch eine weitere Bekanntschaft erhält er dann ein Jobangebot als Funker, das er zunächst begeistert annimmt. Doch durch die Zusammenarbeit mit Max und Ludwig, aber auch die Verschlüsselung der versendeten Daten, dämmert es ihm langsam, dass es sich hier nicht um keinen normalen Job handelt. Er ist Teil eines großen Spionagenetzwerks und als er das erkennt, steckt er schon viel zu tief drin. Diese politischen Verstrickungen fernab der deutschen Heimat und den Blick auf den Zweiten Weltkrieg über Europa hinaus fand ich sehr spannend. Leider bin ich mit Josef nicht warm geworden. Seine Naivität und das Schönreden seiner Funktion und der politischen Einflüsse waren für mich sehr anstrengend und erinnerten mich häufig an die Verdrängung der Brutalität hierzulande. Das Buch empfand ich trotz vieler Begegnungen und der sich entwickelnden Liebe zu Lauren als eine sehr kühle und unemotionale Berichterstattung. Es war interessant, allerdings hätte ich mir etwas mehr Gefühl gewünscht, verstehe es aber auch, dass man sich mit dieser Thematik eher unbefangen auseinandersetzen sollte.

Bewertung vom 16.03.2020
Das Haus der Frauen
Colombani, Laëtitia

Das Haus der Frauen


gut

Hätte ich "Der Zopf" von Laetitia Colombani nicht so geliebt, hätte ich ihren neuen Roman wahrscheinlich gar nicht erst wahrgenommen. Äußerlich spricht mich dieses Buch so gar nicht an, aber inhaltlich habe ich eine ähnlich schöne Geschichte erwartet. "Das Haus der Frauen" beginnt mit einem Schicksalsschlag für Solène. Sie ist eine erfolgreiche Anwältin, doch nach einem verlorenen Prozess stürzt sich ihr Mandant in den Tod und sie bricht zusammen. Auf Anraten ihres behandelnden Arztes sucht sie sich eine Ehrenamtstelle und landet als Schreiberin im Palast der Frauen. Sie stößt auf die Sorgen und Probleme zahlreicher Frauen, die in dieser Einrichtung Zuflucht suchten, öffnet sich und lernt das Leben nach und nach mit anderen Augen zu sehen. Diese Geschichte war ganz schön und ab und zu hat mich das Schicksal der Frauen sehr berührt und mich daran denken lassen, wie gut wir es doch haben und dass ein Großteil unserer Probleme hausgemacht und nichtig sind. Die Autorin erzählt dann aber auch noch von der Kämpferin Blanche Peyron und der Geschichte, wie es zu diesem Frauenhaus kam. Das war mir persönlich zu viel, alles zu schnell und der Zusammenhang mit Solénes Geschichte, war mir sehr lange nicht klar. Wenn ich nicht wüsste, dass dieser Teil auf einer wahren Gegebenheit beruht, hätte ich das in dieser Form für sehr ausgedacht, kitschig und übertrieben gehalten. So bin ich nun etwas hin und her gerissen, zum Weiterempfehlen reicht es nicht ganz.