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Magnolia
Wohnort: 
Bayern

Bewertungen

Insgesamt 622 Bewertungen
Bewertung vom 28.09.2024
Ein Mörder auf der Gästeliste - Ein Weihnachtskrimi: Cosy Crime in einem eingeschneiten Herrenhaus
Fischer-Hunold, Alexandra

Ein Mörder auf der Gästeliste - Ein Weihnachtskrimi: Cosy Crime in einem eingeschneiten Herrenhaus


ausgezeichnet

Ein mörderisch guter Weihnachtskrimi für jung und alt

Ein mörderisch guter Weihnachtskrimi ist ausgelesen. „Ein Mörder auf der Gästeliste“ ist ein Cosy-Crime vom Feinsten und nicht nur für junge Leser, wie ich finde. Auch die ältere Leserschaft wird hier bestens unterhalten – ich kann dies bestätigen.

Das Monfort Lakebay Country House Hotel ist über die Weihnachtstage geschlossen, die Rileys freuen sich über ein paar entspannte Tage. Gerald, der Vater, ist ein begnadeter Koch und wird sie alle mit seinen kulinarischen Köstlichkeiten verwöhnen. Er und seine Frau Harriet feiern Weihnachten mit ihren Kindern Crispian und Zelda und auch Lilly, Zeldas beste Freundin, ist wie jedes Jahr dabei, sie gehört praktisch eh schon zur Familie.

Zelda und Lilly haben sich eine ganz besondere Überraschung ausgedacht, denn nur zu gerne möchte Zelda ihren Großvater mütterlicherseits kennenlernen. Zwischen ihm und seiner Tochter Harriet herrscht schon lange Funkstille, was Zelda sehr wohl weiß, aber vielleicht gibt es eine Versöhnung unterm Weihnachtsbaum. Die beiden Mädchen warten gespannt auf Augustus Evans, hereingeschneit – und das im wahrsten Sinne es Wortes - kommen zunächst ganz andere Gäste.

Felicia Hamilton kommt mit ihrem Mini gerade noch bis vors Tor, an eine Weiterfahrt ist jedoch angesichts der heftigen Schneefälle nicht zu denken, also wird sie im Jane-Austen-Zimmer untergebracht. Sie bleibt jedoch nicht der einzige unangekündigte Gast, auch strandet hier ein Architekturjournalist und der noch zugegene Heizungsmonteur kann seine Heimreise nicht mehr antreten, der Schnee liegt mittlerweile zu hoch, auch er wird kurzerhand einquartiert. Nun, irgendwann trifft auch Augustus Evans mitsamt Gefolge ein, das Haus füllt sich zusehends.

Schon der erste Eindruck ist sehr positiv. Sowohl die Aufmachung als auch das Personenregister mit Kurzinfo und der Hotelplan sind gerade anfangs hilfreich und auch zwischendurch mal leistet dieser Plan gute Dienste.

Die unterschiedlichsten Charaktere sind hier versammelt, allen voran ist es Augustus Evans, der die einzelnen Familienmitglieder so richtig aufmischt. Dabei bringt er auch sein nicht unbeträchtliches Erbe ins Spiel, aber nicht jeder lässt sich davon blenden geschweige denn ködern.

Lilly erzählt, was sich die Feiertage über in dem Hotel alles zuträgt. Sie ist Agatha-Christie-Fan und dank ihrer Krimileidenschaft geradezu prädestiniert als Berichterstatterin und nicht nur das, sie beobachtet, sie ermittelt mithilfe ihrer Freundin Zelda, sie ist in ihrem Element. Denn es geschieht ein Mord und auch vorher werden wir Zeuge eines Todesfalles – eine Leiche wird aus dem eiskalten Wasser gefischt. Nicht genug damit, auch ein anderes Verbrechen findet in dem eingeschneiten Hotel statt. Und jeder könnte es gewesen sein.

Es ist ein kurzweiliges Lesevergnügen für jeden Krimi-Fan, ob jung, ob alt. Die fesselnde Story ist genau wie ich es mag lange undurchsichtig, aber doch logisch nachvollziehbar. Die Charaktere – gut wie böse – sind allesamt authentisch, der Schreibstil spritzig-amüsant und sehr unterhaltsam. Dazu die gut durchdachte Story – was will man mehr. „Ein Mörder auf der Gästeliste“ ist ein in jeder Hinsicht gelungener Cosy-Crime, der gelesen werden will.

Bewertung vom 28.09.2024
Kein Land in Sicht
Pertl, Christina

Kein Land in Sicht


ausgezeichnet

Fesselnder Auftakt um die Kriminalkommissarin Sarah Peters

Es ist der Albtraum schlechthin. Du wachst auf und weißt nicht, wo du bist. Auch ist dir schleierhaft, wie du hierher gekommen bist. Und dir ist furchtbar schlecht…

…genau so ist es ihr ergangen. Nachdem sie gefühlt ewig auf dem Boden des winzigen Badezimmers gekauert hat und der Boden gefährlich unter ihr schwankt, hievt sie sich mühselig hoch und erblickt eine Frau im Spiegel – soll sie das sein? Das Bild in dem Ausweis, den sie irgendwann findet, hat schon Ähnlichkeit mit ihr. Stephanie Mayrhofer steht da. Nun gut, der gestrige Abend muss wohl ausgeartet sein, sie hat einen kompletten Filmriss. Aber warum fühlt sich alles so falsch an? Sie befindet sich auf einem Kreuzfahrtschiff, dabei hasst sie Kreuzfahrten. Ihre Kabine teilt sie mit Annemarie, beide gehören sie einem Animationsteam an. Sie soll sich in ein ziemlich schrilles Dirndl schmeißen, gibt ihre Kollegin ihr noch mit auf den Weg. Nun gut, Stephanie fügt sich widerwillig und hofft, dass ihre Erinnerung bald zurückkommen mag.

Zwei Erzählstränge wechseln sich in diesem raffiniert konstruierten Krimi ab, wobei der erste Stephanies Sichtweise wiedergibt, während der zweite, kursiv geschriebene Strang gleich mal sehr beklemmend beginnt. „Sarah wird kommen. Bestimmt… Sie muss kommen… Hoffentlich bald… Sie ist so verlässlich…“ Dass hier jemand festgehalten wird, ist herauszulesen. Und dass dieser Jemand nicht der einzige ist, ist ebenfalls bald klar.

Das riesige Kreuzfahrtschiff ist im westlichen Mittelmeer sieben Tage unterwegs – von La Spezia, wo „der Albtraum beginnt“ bis zum Zielhafen Marseille. Stephanie begleiten wir jeden einzelnen Tag und nicht nur sie, denn hier ist eine mächtige, hochkriminelle Organisation tätig, deren Netzwerke sich über die Kontinente erstrecken. Ihr menschenverachtendes Geschäft ist auf Gewinnmaximierung getrimmt, wobei die Ärmsten der Armen die Verlierer sind. Was mit ihnen passiert, ist so unglaublich und doch wissen wir, dass diese Verbrechen tagtäglich geschehen.

Stephanies Erinnerung kommt so nach und nach zurück, auch weiß sie wieder, warum sie, die Kriminalkommissarin, hier eingeschleust wurde. Bald jedoch wird ihr klar, dass sie niemandem trauen darf.

Die Story hat mich sofort gefangen, sie hat mich gebannt immer weiterlesen lassen. Die beiden Erzählstränge haben zunächst gefühlt nicht viel miteinander zu tun, was sich aber als Trugschluss erweist. Denn bald merkt man, dass sie sich immer mehr annähern, dass das kursiv Geschriebene die ganze Dramatik dessen offenbart, was Stephanie, deren richtige Name Sarah Peters ist, aufdecken will. Beide Handlungsebenen sind nichts für schwache Nerven, wobei der kursive Teil einen sofort an die Nieren geht. Und das nicht nur im übertragenen Sinne.

„Kein Land in Sicht“ habe ich verschlungen, der Krimi überzeugt durch seinen einnehmenden, kurzweiligen Schreibstil und auch die Charaktere sind ihren Rollen gemäß glaubhaft, sie sind jeder für sich authentisch. Dieses Buch ist der Auftakt einer Krimi-Reihe um die Kriminalkommissarin Sarah Peters, die ich unbedingt weiterverfolgen werde.

Bewertung vom 26.09.2024
Wintersonnenwende / Wolf und Berg ermitteln Bd.2
Engman, Pascal;Selåker, Johannes

Wintersonnenwende / Wolf und Berg ermitteln Bd.2


ausgezeichnet

Spannend, dramatisch, nervenaufreibend

Wolf und Berg ermitteln zum nunmehr zweiten Mal. Während der erste Band „Sommersonnenwende“ schon allein vom Anblick her vor Hitze flirrt, so spürt man in der „Wintersonnenwende“ direkt die Eiseskälte, das Cover spricht bei beiden Bänden für sich, der erste Eindruck ist schon mal sehr positiv…

…und die Geschichte wird weitererzählt, der Prolog erinnert an den Untergang der Estonia am 28. September 1994 kurz nach Mitternacht und endet mit einer Explosion. Am Samstag, den 31. Dezember 1994 dann wird es für Lucy eng, sie kann gerade noch vor ihrem Freier durchs Fenster fliehen. Er ruft sie bei ihrem richtigen Namen – der Schock sitzt tief, denn niemand kann wissen, wie sie wirklich heißt.

Tomas Wolf, den seine Vergangenheit immer wieder einzuholen droht, ermittelt zusammen mit seinem Kollegen, der von allen Zingo genannt wird, in einem Mordfall, der sich als sehr komplex herausstellt und in den auch die oben erwähnte Lucy irgendwie drinzuhängen scheint. Andere Todesfälle folgen, sie geraten in ein gefährliches Netz aus Geheimagenten und Prostitution, dies alles vor den unwirtlichen Witterungsverhältnissen Schwedens und auch hier mischt die unerschrockene Journalistin Vera Berg mit und auch bei ihr spielt Privates am Rande mit hinein.

Die vielschichtige, durch und durch rasante Story wechselt zwischen den Hauptprotagonisten Tomas Wolf und Vera Berg - beide sind sie charakterlich so unterschiedlich wie authentisch. Ihre Ermittlungen überkreuzen sich immer wieder kurz, jedoch handeln sie unabhängig voneinander. Die kurzen Kapitel enden meist dann, wenn es besonders spannend und dramatisch wird, wobei es mitunter brutal und nervenaufreibend zur Sache geht - man sollte also weder dünnhäutig noch prüde sein.

Die Ermittlungen um diese Morde sind in sich abgeschlossen, man muss also nicht unbedingt das Vorgängerbuch kennen. Natürlich wird Wolfs Geschichte und auch die von Vera weitererzählt, auch ist zum Schluss dieses zweiten Bandes ein klitzekleiner Cliffhanger erkennbar, der auf eine Fortsetzung schließen lässt. Eh klar, dass ich mir auch dieses dritte Buch nicht entgehen lassen werde.

Bewertung vom 25.09.2024
Mrs Potts' Mordclub und der tote Bürgermeister / Mord ist Potts' Hobby Bd.3
Thorogood, Robert

Mrs Potts' Mordclub und der tote Bürgermeister / Mord ist Potts' Hobby Bd.3


sehr gut

Mrs. Potts ermittelt wieder

Auch der dritte Fall für Judith, Becks und Suzie is very british - was sonst. Das waren die beiden Vorgängerbände auch, aber dieser hier legt nochmal eine Schippe drauf, wie ich finde.

Allen voran glänzt Judith Potts mit ihrem kriminalistischen Gespür. Trotz ihrer 78 Jahre ist sie geistig topfit, unter anderem erstellt sie nach wie vor Kreuzworträtsel für Tageszeitungen, auch ist sie keine Kostverächterin, ihr Schlückchen Whiskey ist sowas wie ihre tägliche Medizin. Und auch körperlich kann sie mit den Jüngeren locker mithalten, schwimmt sie doch regelmäßig in der Themse und das am liebsten textilfrei.

Gemeinsam mit ihren Freundinnen Becks und Suzie mischt Judith wieder kräftig mit, ist doch der Bürgermeister direkt in einer Bauausschusssitzung zusammengesackt und – ist mausetot.

Da Suzie in ihrem Garten ein ganz besonderes Hotel errichten und dafür die Genehmigung erhalten will, ist sie in dieser Sitzung zugegen, sie ist sozusagen Augenzeugin. Die Polizei geht von Mord aus, da in des Bürgermeisters Kaffeetasse Spuren einer giftigen Pflanze gefunden werden. Die akribische Kleinarbeit beginnt nicht nur für die Polizei, sondern auch für die drei Freundinnen. Schließlich war Suzie hautnah am Geschehen und wer wäre da besser geeignet, die Hintergründe für diesen Mord am Bürgermeister zu ergründen, als Judith, Becks und Suzie es sind. Zunächst ist Tanika, die den Fall polizeilich bearbeitet, von der Mitarbeit der drei Ladys so gar nicht erfreut, lässt sich jedoch überzeugen, dass sie diese dringend als ihre zivilen Beraterinnen braucht.

Nun, die drei Meisterdetektivinnen sind ein unschlagbares Team, sie gehen forsch und unerschrocken zu Werke, werden von Mal zu Mal besser, sind draufgängerisch, schrammen oftmals gerade mal so am Erlaubten vorbei und schrecken auch vor zweifelhaften Methoden nicht zurück. So manche Szene ist herrlich skurril, anderes mutet schon arg überspitzt an.

Und natürlich wird der Fall gelöst – mit Judiths tatkräftiger Unterstützung, was sonst. Auch dieser dritte Band ist ein kurzweiliger Lesespaß – ein Cosy Crime, wie er sein soll.

Bewertung vom 25.09.2024
Sing, wilder Vogel, sing (eBook, ePUB)
O’Mahony, Jacqueline

Sing, wilder Vogel, sing (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Irlands Große Hungersnot

Jaqueline O’Mahony beschreibt in ihrem großartigen Roman „Sing, wilder Vogel, sing“ die Tragödie von Doolough 1849 inmitten der Großen Hungersnot (1845 bis 1852) in Irland. Es ist die junge Honora, der wir in dieser Geschichte folgen werden.

„Du hattest schon immer Feuer im Blut, seitdem du ein kleines Mädchen warst, das niemand haben wollte. Dieses Feuer wird dir nützen. Und nun geh, Mädchen.“ Die alte Alice hat sich ihrer angenommen, nachdem Honoras Mutter bei der Geburt gestorben war, denn keiner sonst im Dorf war ihr wohlgesonnen, sie galt schon immer aus Außenseiterin. Und auch, wenn Alice sie gelehrt hat, zu überleben, so ist es doch die Große Hungersnot, die sie und die anderen im Dorf auf der Suche nach Nahrung ihre Hütten verlassen lässt.

Der Hungermarsch bringt nichts als Leid, viel zu viele überleben ihn nicht. Irgendwie schafft es Honora dann auf ein Schiff über den großen Teich, das gelobte Land bringt ihr jedoch nicht das erhoffte Leben, auch hier muss sie viel erdulden und erleiden. Und doch gibt sie nicht auf, sie ist eine Kämpfernatur, ihr wurde noch nie etwas geschenkt. Nicht in Irland, ihrem Geburtsland und auch später nicht, als sie sich in Amerika behaupten muss.

Die Autorin verwebt geschickt ihre fiktive Geschichte um ihre Protagonistin Honora mit der großen Hungersnot in Irland und der mit der indigenen Urbevölkerung Amerikas, die durch die Territorialansprüche der Einwanderer immer mehr zurückgedrängt wurden. Geprägt von Hunger, von Entbehrungen und dem stetigen Kampf ums Überleben blicken wir in so manch menschliche Abgründe. Auch blitzt Freundschaft immer mal wieder durch und Liebe oder das, was man dafür halten könnte.

In der Nachbemerkung erinnert O‘Mahony an die Tragödie von Doolough. „Was hätte eine Überlebende getan? Sie hätte Irland verlassen und wäre nach Amerika gegangen…“ Diese Gedanken waren es, die sie nach den historischen Verbindungen zwischen den Iren und den indigenen Amerikanern haben suchen lassen. Das Endergebnis – dieses Buch – ist ein äußerst lesenswertes Zeugnis dieser Zeit. Eindrucksstark, lebendig und absolut glaubhaft geschildert.

Bewertung vom 20.09.2024
Hoffnung der Frauen / Die Berghebamme Bd.1
Winterberg, Linda

Hoffnung der Frauen / Die Berghebamme Bd.1


sehr gut

Reihenauftakt um die Berghebamme

Das Angebot der Stadthebamme Hilde Garhammer hat Maria Roßacker gleich nach ihrer mit Bravour abgelegten Prüfung gerne angenommen. Den Brief, den sie von Max, ihrem Freund aus Kindertagen, erhalten hat, hat sie verdrängt, denn was soll sie in Brannenburg? Dort wurde sie, das Findelkind, nie akzeptiert und nicht nur das, als Bankert wurde sie beschimpft. Max bittet sie dennoch, zurückzukommen, um die Nachfolge der alten Hebamme Alma anzutreten, was Maria nach reiflicher Überlegung dann doch macht. Zurück im Dorf spürt sie auch jetzt diese feindselige Stimmung ihr gegenüber, allen voran ist es die alte Hebamme Alma, die gegen sie wettert, die seit mehr als vierzig Jahren hier die Kinder zur Welt holt. Dass sie nun vom Bürgermeister und dem Gemeinderat in den Ruhestand versetzt worden ist und die junge Maria als ihre Nachfolgerin bestimmt wurde, ficht sie nicht an und so manche werdende Mutter auch nicht, sie schwören nach wie vor auf Alma. Auch der örtliche Pfarrer hält an Althergebrachtem fest wie etwa die von der Hebamme seit jeher ausgeführte Nottaufe - dafür hat Alma immer Weihwasser dabei, was Maria als unhygienisch ablehnt. Ihre fortschrittliche Arbeitsweise missfällt so manchen hier, aber davon lässt sie sich nicht beeindrucken.

Wir sind in Brannenburg, das liegt in Oberbayern, im Jahr 1893. Mangelnde Hygiene bei der Geburt war oftmals für die Müttersterblichkeit und auch die ihrer Neugeborenen verantwortlich. Im Nachwort weist die Autorin auf den Arzt und Geburtshelfer Ignaz Semmelweis hin, der vor 200 Jahren die Ursachen des Kindbettfiebers entdeckt hat. Heute wissen wir, wie wichtig Hygienestandards sind, Ende des 19. Jahrhunderts aber war dies eher nicht der Fall. Am Beispiel dieser beiden so unterschiedlich denkenden und agierenden Hebammen und auch so manch verbohrtem Dörfler wird dies nur allzu deutlich.

Vor diesem Hintergrund erzählt Linda Winterberg Marias Geschichte. Sie ist mit Leib und Seele Hebamme, ihre fortschrittlichen Methoden gefallen nicht jedem. Ihre Außenseiterrolle als lediges Kind, das im Waisenhaus aufwächst, ist gut nachvollziehbar geschildert, auch die damals betriebenen Gebäranstalten, in denen sich die Mütter ihrer Kinder diskret entledigen konnten, ist Thema. Und natürlich spielt auch die Liebe mit hinein. Die Diskrepanz der ewig Gestrigen und derer, die Neues annehmen können und es auch wollen und auch die so unterschiedlichen Charaktere sind gut herausgearbeitet.

Der erste Teil der „Berghebamme – Hoffnung der Frauen“ schildert die damalige Zeit, den vielfach verbreiteten Aberglauben, auch die Ausgrenzung derer, die anders leben, deren Start ins Leben unter schwierigen Bedingungen nicht einfach war und macht den medizinischen Fortschritt in punkto Schwangerschaft und Geburt deutlich, auch wenn für meine Begriffe dann und wann etwas zu sehr auf die Tränendrüse gedrückt wird. Davon mal abgesehen ist es ein durchaus gelungener Reihenauftakt.

Bewertung vom 17.09.2024
Die Frauen jenseits des Flusses (eBook, ePUB)
Hannah, Kristin

Die Frauen jenseits des Flusses (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Die starken Frauen hinter der Front

Die McGroths lassen es sich nicht nehmen, zu Ehren ihres Sohnes Finley, der in den Krieg zieht, eine Abschiedsparty zu geben. Nach Vietnam wird er gehen. Seine Schwester Frankie schreibt ihm regelmäßig und auch von ihm erhält sie lustige Briefe und bunte Postkarten, er erzählt von Partys in Saigon, die Truppen werden anscheinend gut unterhalten.

„Frauen können doch auch Helden sein“ meint Finleys bester Freund. So hat sie das noch nie gesehen, aber warum eigentlich nicht. Als frisch gebackene, examinierte Krankenschwester ist sie nicht gefordert, außerdem will sie weg von daheim. Sie trifft auf einen Kriegsversehrten mit nur einem Bein, er ist auf eine Mine getreten – in Vietnam.

So reift ihr Plan, es ihrem Bruder gleichzutun. Anfängliche Hürden hat sie überwunden und nun ist sie angekommen, der erste Eindruck ist ernüchternd. Bald aber arbeitet sie sich ein, ihr Beruf wird ihr zur Berufung. Sie sieht viel Leid, zu viele der viel zu jungen Männer, halbe Kinder noch, werden in Leichensäcken heimgeflogen und wenn sie Glück haben – so man es als Glück bezeichnen will – kehren sie als körperliche und seelische Krüppel heim. Frankie findet zwei Freundinnen, die auch später dann, als sie alle wieder in der Heimat sind, für sie da sind. Und auch die Liebe gibt ihr Halt, wenngleich diese eher bitter denn süß ist.

Irgendwann dann ist Frankies Dienst in Vietnam zu Ende, daheim aber wartet keiner auf sie. Sie wird angespuckt und beschimpft, die „Heldin“ ist nicht willkommen. Sie sucht Hilfe, findet jedoch keine. Nicht bei ihrer Familie und bei den Vietnam Veteranen auch nicht, denn es sind ausschließlich Männer, die gekämpft haben, hört sie, Krankenschwestern zählen da nicht. Und sie spürt den unbändigen Zorn einer ganzen Nation, die das sofortige Kriegsaus fordert.

Kristin Hannah hat es wiederum geschafft, mich sofort mitzunehmen. Es ist nicht mein erstes Buch von ihr und ganz bestimmt wird dieses hier auch nicht das letzte sein. Ihre Schilderung vom Alltag inmitten eines schrecklichen Krieges, geprägt von dem unbedingten Willen, Leben zu retten, erschüttert mich bis ins Mark. Über lange Passagen lese ich gebannt weiter und verfolge schweren Herzens ihren täglichen (und oftmals auch nächtlichen) Einsatz hinter der Front. Sie arbeiten bis zur Erschöpfung, denn so lange Verwundete nicht versorgt sind, heißt es weitermachen. Und viel zu oft begleiten sie die letzten Atemzüge eines Schwerverwundeten, mehr ist nicht mehr möglich. Diese Arbeit geht an die Substanz und auch nach ihrer Rückkehr kann sie nicht abschalten. Sie erträgt die ignorante Gesellschaft nicht, sie hat Albträume, sie findet nicht aus diesem viel zu tiefen Loch, die Nachwirkungen all dessen, was sie erlebt hat, drohen sie zu zerstören.

Die Autorin beschreibt diese innere Zerrissenheit so intensiv, so hautnah und einfühlsam, der Krieg und der damit einhergehende Verlust sprechen aus jedem Absatz, aus jeder Zeile. Neben der Kriegsmüdigkeit und der Ignoranz von „denen da oben“, die nur zu deutlich spürbar ist, sind es auch bedingungslose Freundschaften und Liebe in vielen Facetten, von denen ich lese, die nicht aus bleiben, die wichtig sind und in schweren Zeiten emotional stützen. Es ist ein aufwühlendes Buch, ein trotz des Leides zutiefst menschliches Buch, das unbedingt gelesen werden sollte.

Bewertung vom 17.09.2024
Juli, August, September
Grjasnowa, Olga

Juli, August, September


ausgezeichnet

Den eigenen Wurzeln nachspüren

Lou lebt mit ihrem zweiten Ehemann Sergej und ihrer Tochter Rosa in Berlin. Als erfolgreicher Pianist ist Sergej ständig unterwegs, auch Lou führt als Kunsthistorikerin ein nicht gerade häusliches Leben, wenngleich ihr Beruf wegen Rosa momentan eher zweitrangig ist, sie also ihre Tage mit Kind gezwungenermaßen daheim verbringt. Wäre da noch das Gerücht um eine Trennung von Sergej, das nicht verstummen will. Ein Gerücht, das immer wieder aufflammt.

Und nun steht der 90. Geburtstag von Lous Großtante Maya an, sie hat in ein Resort auf Gran Canaria eingeladen. Auch Lou und Rosa sollen mit, denn – so meint Lous Mutter – es könnte Mayas letzter Geburtstag sein. Also, werden die Flüge gebucht. Sie sind die ersten, die dort eintreffen, so nach und nach trudelt dann die ganze jüdische Verwandtschaft ein.

Der Roman wird aus Lous Sicht erzählt, untergliedert in diese drei titelgebenden Monate. Der Juli führt zunächst zu Lou, Rosa und Sergej, zu ihrem ganz normalen Alltag. Und auch wenn sie jüdisch sind - mit russischen Wurzeln - so leben sie diesen Glauben nicht, kennen sich mit diesen Ritualen so gar nicht aus. Nun, es geht nach Gran Canaria und später dann fliegt Lou alleine nach Tel Aviv. Hier will sie ihren Wurzeln nachspüren, dabei erfährt sie so einiges aus früheren Tagen, erfährt von ihren Vorfahren und ihrem beschwerlichen Dasein.

Olga Grjasnowa ist ein gut lesbares Buch gelungen, das eine Familie näher beleuchtet und das neben dem Familiären auch die angespannte Weltpolitik thematisiert. Die Hauptprotagonistin Lou ist eine weltoffene junge Frau, die ihre Herkunft hinterfragt. Dabei werden so manche geschönte „Wahrheiten“, die ein Leben lang immer weitergesponnen werden, aufgedeckt. Und das auf eine amüsante Weise, garniert mit so einigen Drinks.

Es ist die Geschichte einer durchaus modernen jüdischen Familie, deren Glauben eher Nebensache ist und die Suche einer Frau nach ihrer Identität. Es ist das etwas andere Leseerlebnis, gut und kurzweilig geschrieben, das mit einem Ende aufwartet, dem ich sehr viel abgewinnen kann.

Bewertung vom 10.09.2024
Nur nachts ist es hell (eBook, ePUB)
Taschler, Judith W.

Nur nachts ist es hell (eBook, ePUB)


sehr gut

Eine Familie inmitten des Zeitgeschehens

Judith W. Taschler wählt für dieses Buch eine ganz besondere Form des Erzählens. Elisabeth, die Ich-Erzählerin, schreibt an eine Person die Geschichte ihres Lebens. Erst spät wird sichtbar, dass Christina, ihre Großnichte, diese Zeilen erhält. „…als der erste große Krieg ausbrach, war ich ein Mädchen und eine alte Frau, als der zweite endete. In der Zwischenzeit kämpfte ich als Ärztin an anderen Fronten.“

Elisabeth Brugger hat ein Ziel vor Augen, das für sie in jener Zeit schier unerreichbar ist – wir befinden uns Anfang des 20. Jahrhunderts. Ärztin will sie sein, als Frau jedoch ist dieser Weg mehr als steinig. Ihr Bruder Eugen unterstützt sie in ihrem Vorhaben, dann auch Georg, den sie heiratet und mit dem sie zwei Söhne bekommt. Nach ihrem Medizinstudium arbeiten sie in ihrer gemeinsamen Praxis. Irgendwann dann kommt eine verzweifelte Frau zu ihr, die sie abweist. Sie will Leben erhalten und keines schon im Vorfeld töten. Eine Engelmacherin ist oftmals der letzte Ausweg aus dieser Hoffnungslosigkeit, leider überleben viele den Eingriff nicht. Kann sie, die Ärztin, davor die Augen verschließen?

Sie erzählt von ihrer Familie, von den Zwillingsbrüdern Carl und Eugen und von einem Geheimnis, das die beiden umgibt. Sie gibt Einblick in die Zeit des Nationalsozialismus und der damit einhergehenden Judenverfolgung, auch schreibt sie von ihrer Arbeit als Lazarettschwester während des Ersten Weltkrieges, von ihrer ersten Liebe und von denen, die später folgen. Es ist noch sehr viel mehr, das sie niederschreibt, dazwischen erinnert sie sich an das politische und gesellschaftliche Leben, an die Goldenen Zwanziger Jahre, die nicht für alle golden waren, erwähnt die Spanische Grippe, das Attentat in Sarajevo im Juni 1914 und dessen Folgen, kommt als Lazarettschwester nach Siebenbürgen, Fürst Vlad III. sei hier erwähnt, weiß vom Börsencrash und Firmenschließungen, von Hitler und der Entdeckung des Penecillins, tanzt Charlston und Shimmy, hört Jazz…

Ja, das hört sich jetzt ziemlich chaotisch und zeitlich komplett durcheinandergewirbelt an. Nicht unbedingt in dieser Reihenfolge, aber genau diese Erzählweise prägt das Buch. Dieser Mix ist durchaus beabsichtigt, was jedoch das Lesen ziemlich erschwert. Eben noch erwähnt sie den Zweiten Weltkrieg und die jüdische Familie, die versteckt wird, dann ist sie im Alter, um im nächsten Augenblick im Jahre 1916 zu landen. Diese Brüche sind es, die sich anfühlen, als ob man ins eiskalte Wasser geschmissen wird, um ernüchtert wieder aufzutauchen. Die jeweiligen Passagen sind allesamt gut erzählt, sie ziehen ihre Leser ganz tief hinein, die Autorin versteht es, zu fesseln. Diese Sprünge jedoch haben mich immer wieder innehalten lassen, sie haben meinen Lesefluss schon gestört. Und doch ist es ein Buch, das das Zeitgeschehen gut eingefangen hat, das durchaus lesenswert ist.

Bewertung vom 09.09.2024
Deine größte Angst (eBook, ePUB)
Bürgel, Matthias

Deine größte Angst (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Eine teuflische Amokfahrt

Falk Hagedorns Plan, sich komplett von der Ermittlungsarbeit zurückzuziehen, scheitert genau in dem Moment, als er sich über den Jungen beugt. Er selber hat sich aus dem Rollstuhl auf den Boden zu dem Schwerverletzten fallen lassen und kann gar nicht fassen, dass er für Leon – so heißt der Junge – nichts mehr tun kann. Kurz zuvor hat sich ein weißer Vito durch den gut besuchten Konstanzer Weihnachtsmarkt regelrecht gepflügt und eine Schneise der Verwüstung hinterlassen. Den Hilfskräften und den Überlebenden bietet sich ein grauenhafter Anblick.

Der ermittelnde Hauptkommissar Marius Bannert bittet Falk um seine Mitarbeit und auch der Bürgermeister ersucht ihn, Therapiesitzungen für die Opfer anzubieten. Die Stadt stellt dafür Räumlichkeiten zur Verfügung. Es melden sich acht Personen, die auf diese Weise das entsetzliche Attentat mit Hagedorns professioneller Hilfe einigermaßen verarbeiten wollen. Falk Hagedorn war als LKA-Fallermittler tätig und führt nun mit einem Kollegen eine Psychotherapeutische Praxis.

Es ist der mittlerweile vierte Band um den Fallanalytiker Falk Hagedorn. Selbst wenn man die Vorgängerbände nicht kennt, werden zwischendurch genug Infos ins Geschehen involviert, sodass man ein gutes Gesamtbild von den Hauptakteuren bekommt, was ich sehr zu schätzen weiß, denn nicht immer hat man Gelegenheit, eine Reihe vollständig zu verfolgen. Matthias Bürgel, der Autor, ist als Kriminalbeamter mit all den menschlichen Abgründen bestens vertraut, er weiß, wovon er schreibt. Und leider ist so ein Szenario traurige Wirklichkeit, immer wieder erreichen uns Nachrichten von Amokfahrten, in denen Unschuldige zu Tode kommen oder aber mit lebenslangen Folgen zu kämpfen haben.

Schon der Prolog zieht mich komplett ins Geschehen, ich bin zutiefst entsetzt. Später dann sind Schlagzeilen von weiteren Todesopfern zu lesen, irgendwann sind es schon siebzehn Tote, die zu beklagen sind. Dann sind es die Therapiesitzungen, die für zusätzliche Bestürzung sorgen. Innerhalb der Gruppe können sie frei reden, es sollte nichts nach außen dringen, auch alle Handys und anderweitiges Aufnahmegerät sind zum Schutze aller nicht gestattet. Auch Falk kommt hier an seine Grenzen, seine Vergangenheit droht ihn erneut einzuholen.

Zwischendurch wird eine ganz andere Stimme laut, irgendwo in Konstanz lauert einer – so wie es den Anschein hat -mit unlauteren Absichten. Wer ist dieser Jemand und warum bekommt er hier seinen für ihn durchaus ergötzlichen Auftritt? Es sind noch so etliche Ungereimtheiten und finstere Typen, die nicht recht zugeordnet werden können. Auch innerhalb der Gruppe kommt so einiges ans Tageslicht, das sehr zu denken gibt. Daneben läuft die polizeiliche Ermittlungsarbeit ziemlich schleppend, schnelle Erfolge wären durchaus erwünscht.

Dieser Thriller hat mich von der ersten bis zu buchstäblich letzten Seite nicht losgelassen. Es ist ein durchaus realistisches Szenario, das der Autor hier verarbeitet. Die Merkmale und Eigenheiten seiner Charaktere einschließlich der Täterperson sind allesamt glaubhaft angelegt, ganz vorne ist es natürlich Falk Hagedorn, von dem wir eine ganze Menge erfahren. Die gar teuflische Amokfahrt mit den todbringenden Geräuschen und dem Tumult drumherum hat mich schockiert innehalten lassen, ich hatte so manchen Gänsehautmoment, habe spannende und abscheuliche Szenen durchlebt, garniert mit hinterhältigem Machtgehabe. Kurz - ein Thriller, der es in sich hat.