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Juti
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Insgesamt 681 Bewertungen
Bewertung vom 05.11.2024
Möchte die Witwe angesprochen werden, platziert sie auf dem Grab die Gießkanne mit dem Ausguss nach vorne
Stanisic, Sasa

Möchte die Witwe angesprochen werden, platziert sie auf dem Grab die Gießkanne mit dem Ausguss nach vorne


sehr gut

Gute Tipps

Selten konnte ich meinen Kommentar mit gleich 2 guten Tipps beginnen.

1. Beginnt mit der dritten Geschichte ab Seite 47. Vorher lest ihr nur langweiliges Migrantengedöns.

2. Stellt euch nicht die Frage nach dem Zusammenhang der Geschichten. Es gibt zwar den Proberaum und die Hauptfiguren kommen im vorletzten Kapitel wie in einem Theaterstück noch einmal auf die Bühne, aber jede Geschichte hat ihren Wert an sich. Das letzte Kapitel ist mehr ein Witz, aber ein guter.

Ansonsten kann ich über das Buch nur Gutes berichten. Wer hat je die Mülltrennung so gut beschrieben? Wer hat uns schon von Winsen an der Luhe berichtet? Wer hat Doppelkopf in die Literatur eingeführt? Und immer erzählt er mehr als eine Geschichte, so dass du denkst, dass das Memory-Spiel letztlich Beiwerk wird. Insbesondere verwechselst du den im Titel erwähnten Spielausgang.


Ich will hier nicht wie sonst Kapitel für Kapitel durchgehen, das haben andere bereits getan. Wegen des langatmigen Beginns muss ich aber doch einen Stern abziehen, also 4 Sterne für "Möchte die Witwe angesprochen werden, platziert sie auf dem Grab die Gießkanne mit dem Ausguss nach vorne".

Bewertung vom 01.11.2024
Romantik
Görner, Rüdiger

Romantik


gut

brav und bieder

Verglichen mit „Der gedichtete Himmel“ von Stefan Matuschek ist dieses Buch das deutlich schwächere. Auch der Untertitel und angedeutete Schwerpunkt „Ein europäisches Ereignis“ kann an diesem Urteil nichts ändern, weil der internationale Charakter der Romantik Schnee von gestern ist.

Er schreibt selbst, dass die Erfindung der Klassik international keine Anhänger findet. Goethe und Schiller sind Romantiker. (27)
Beide Autoren sind Literaturwissenschaftler und setzen ähnliche Schwerpunkte, doch neue Begriffe wie „Kippfigur“ bei Matuschek suchst du bei Görner vergebens.

Schon die Einleitung des Buches, die ja eine Gesamtdarstellung sein soll, hat gewisse Mängel. Warum wird die ehrenwerte Caroline nicht beim Salon der Gebrüder Schlegel genannt? (13) Warum werden romantische Bewegungen überhaupt an nur einer Person festgemacht? (24) Sind Bamberg und Berlin wirklich Städte des Weingenusses? (14)

Merken wir uns lieber Chateaubriand, der wie Humboldt Welterfassungsliteratur geschrieben hat. (18) Neu war mir, dass Lord Byrons Tochter Ada Lovelace „Poetin der Mathematik“ war. (26)
Auch bei Ironie denkt er nicht nur an Heine sondern auch an Johann Peter Hebel und Jean Paul „Vorschule der Ästhetik“. (32)

Ich will nicht verschweigen, dass der Autor sich gut in der Literatur, der Kunst und der Musik auskennt, allein das ist es auch. Gut gefällt mir der Gedanken, dass Erzählen im Erzählen einer Reflexion über das Erzählen gleichkommt. (103) Eben das Erkunden der Natur ist ein Hauptanliegen der Romantik. (105) Auch wusste ich nicht, dass der Ausruf „Noch ist Polen nicht verloren“ von Uhland stammt. (150f)

Einmal verlässt er mit Ricarda Huch und der Hinwendung zur Zahl die künstlerische Ebene, wenngleich er mit Malfattis Null, die Nichts und Unendlichkeit zugleich ist, gleich wieder dort landet. (197) Über die Ruine in der Romantik (232) haben sich dagegen schon viele andere ausgelassen.

Es sind immer wieder Kleinigkeiten, die für Überraschungen sorgen. So sorgte George Eliot mit ihrer Übersetzung der Jesus-Biografie des Hegel Schülers David Friedrich Strauß in England für Aufsehen (279).


Ich will nicht kleinlich sein, habe ich doch neue Erkenntnisse gewonnen und der Autor kann nichts dafür, dass Musik nicht mein Spezialgebiet ist. Die dargestellten Mängel erlauben aber nicht mehr als 3 Sterne.

Zitat: Heine über Tieck:
In Dresden sah ich einen Hund.
Der einst sehr scharf gebissen.
Doch fallen ihm jetzt die Zähne aus.
Er kann nur bellen und pissen. (50)

Bewertung vom 14.10.2024
Die Vegetarierin
Kang, Han

Die Vegetarierin


gut

Überraschung

Ich leihe mir ein fast 10 Jahre altes Buch aus der Bücherei aus und während ich es lese, wird die Autorin Literaturnobelpreisträgerin. Da sag ich nur richtiger Riecher.
Doch deswegen gibt es keinen Extrastern, ganz im Gegenteil: Die Latte liegt höher.

Mag ja sein, dass es am Alter des Buches liegt, mag ja sein, dass wir uns in Korea befinden, dass aber wegen des Verzichtes von Fleisch eine Ehe zugrunde geht, mag ich nicht glauben, selbst wenn das Geschäftsessen mit viel Fleisch wohl zum Statussymbol gehört.

Gerade als die unglaubwürdigen Gewaltorgien des Ehemanns überhand zu nehmen drohten, begann ein neues Kapitel: Der Ehemann hat die Scheidung eingereicht, der künstlerische Schwager übernimmt die Regie. Und wir erleben mit, wie die Vegetarierin immer mehr zur Pflanzen wird und glaubt mit ihren Brüsten Photosynthese zu betreiben.

Als der Schwager auch noch verrückt wird, landen beide in der Psychatrie aus der der Mann aber fliehen kann und spurlos verschwindet. Die Vegetarierin wird von der Ärzten und ihrer Schwester gepflegt. Mehr verrate ich nicht.


Mehr als 3 Sterne erteile ich trotz Nobelpreises nicht. Dafür ist das erste Kapitel zu unglaubwürdig und das letzte zu langatmig. Ich kenne andere, die dieses Bändchen beiseite gelegt haben, aber für meine neutrale Bewertung spielt das natürlich keine Rolle.

2 von 5 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 07.10.2024
Baedeker Reiseführer Rom
Schaefer, Barbara

Baedeker Reiseführer Rom


schlecht

Außer dass die Galleria Borghese als eins der meistbesuchten Touristenziele genannt wird, findet sich nichts über sie im Buch. Dabei hätte ich bei der Nachlese der Reise so gut einen Führer gebraucht, der mir zeigt, welches Kunstwerk ich aufgenommen.

Lens hilft manchmal weiter, aber eben auch nicht immer. Wer Rom gründlich ansehen will, braucht wohl für jedes Gebäude einen eigenen Führer oder das Internet.

Baedecker sollte mal klären, welche Reisende seine Zielgruppe sind, so lange gibt es aber nur 1 Stern.

Bewertung vom 06.10.2024
Georges-Henri Pingusson und der Bau der Französischen Botschaft in Saarbrücken.
Dittmann, Marlen und Kolling, Dietmar

Georges-Henri Pingusson und der Bau der Französischen Botschaft in Saarbrücken.


ausgezeichnet

gerettetes Kulturdenkmal

Was musst du machen, wenn du ein Gebäude vor dem Abriss bewahren willst? Du musst die Schätze des Hauses in die Öffentlichkeit tragen.

Genau dieses leistet der vorliegende Band. Die ehemalige französische Botschaft in Saarbrücken besteht aus drei Teilen: dem schmalen und hohen Verwaltungsgebäude, der heute nur noch eine übergroße Schallschutzwand der Stadtautobahn ist, dem Empfangsgebäude, das heute nicht mehr über den Ehrenhof betreten werden kann, weil die Autobahn den Weg versperrt und die ehemalige Botschafterwohnung, die heute durch Büros genutzt wird.

Nach dem Krieg hätte ganz Saarbrücken von französischen Stadtplanern wieder aufgebaut werden können, doch die Verhinderung der Europastadt und die Vereinigung mit der Bundesrepublik Deutschland führten dazu, dass die Botschaft der einzige Bau Pingussons in Saarbrücken blieb. Deswegen ist das Haus besonders erhaltenswert.

Schade nur, dass der Garten nicht als genauso erhaltenswert angesehen wird. Die Erweiterung der Handelskammer raubt ihm wieder ein Stück. Und der Zustand des Restes ließe sich verbessern.

Um einen anderen Zugang zum Gebäude als durch den Garten zuzulassen, wäre es wünschenswert, wenn die Stadtautobahn abgerissen werden würde. Aber das ist wohl Zukunftsmusik. 5 Sterne

Bewertung vom 03.10.2024
Kairos
Erpenbeck, Jenny

Kairos


sehr gut

politische Beziehungsgeschichte

Dieser Roman schildert die Beziehung zwischen der jungen Katharina und dem älteren Hans, der wohl verheiratet ist, aber trotzdem das junge Ding nicht missen will. Katharina ist dagegen total verknall in Hans und erlaubt dem Bonusfreund Vadim nicht sie zu küssen, so dass er mit ihrem Busen vorlieb nehmen muss.

Das ganze wäre nichts Besonderes, wenn nicht eine deutsch-deutsche Geschichte hinzukäme. Beide leben in Ost-Berlin, Katharina hat entfernte Verwandtschaft im Westen und Hans muss dort gelegentlich arbeiten.

So zeichnet der Roman das Bild der DDR-Kulturszene in allen Facetten und das ist es auch, was es preiswürdig macht. Ich fand es aber gerade anfangs schwer, den roten Faden zu behalten. Dies kann aber daran liegen, dass ich es im Urlaub lesen musste und nie zusammenhängend Zeit fand. 4 Sterne

Zitat: Warum fährt Honecker nicht gerne U-Bahn? Weil bei der Abfahrt des Zuges immer „zurücktreten“ gerufen wird. (293)

1 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 01.10.2024
DUMONT Reise-Taschenbuch Reiseführer Rom
Schultz, Tanja

DUMONT Reise-Taschenbuch Reiseführer Rom


gut

Lieblingsorte

Vielleicht ist die Zeit der klassischen Reiseführer vorbei. Wikipedia weiß doch mehr als jedes Buch je wissen wird. Doch gut gefallen hat mir die Rubrik Lieblingsorte. Sonst hätte ich die Piazza di Siena in der Villa Borghese glatt übersehen.

Anstatt aber über das Flüchtlingsschiff auf dem Petersplatz zu schreiben, gibt es nur einen Bericht über angebliche Nachwuchsprobleme bei der Schweizer Garde.

Insgesamt 3 Sterne

Bewertung vom 26.09.2024
Reclams Städteführer Rom
Höcker, Christoph

Reclams Städteführer Rom


gut

Zu klein

Stadtführer schwer wie ein Ziegelstein wird niemand auf die Reise mitnehmen. Aber dieses Band ist nahezu umgekehrt: Du hast ständig Angst, es zu verlieren.

So lese ich die Einleitung gerne im Hotelzimmer. Unterwegs bei Wind und Wetter jedoch, bleibt das Bändchen nicht offen. So wirst du auf den Baedecker ausweichen.

Wir loben dennoch die große Mühe, den filtrierten Inhalt und geben 3 Sterne.

Bewertung vom 12.09.2024
Heidelberg. Jahrbuch zur Geschichte der Stadt
HEIDELBERGER GESCHICHTSVEREIN (Hrsg.)

Heidelberg. Jahrbuch zur Geschichte der Stadt


sehr gut

Die Trennmauer

Dieses Jahrbuch lohnt sich wegen des Essays über die Trennmauer. Ewald Kessler begründet sehr schön, warum die Mauer zweimal abgerissen und erst auf Verlangen der pfälzischen Schutzmacht Preußen wiederhergestellt wurde. Das war noch im 18. Jahrhundert. Nach dem Unijubiläum 1886 mussten dann die römischen Katholiken vor dem Reichsgericht in Berlin den Wiederaufbau der Mauer erstreiten. Erst 1936 konnte die Trennmauer endlich abgerissen werden, weil die Römer erkannt hatten, dass der Besitz der Chorkirche nur Geld kostete, aber keinen Nutzen brachte.

Ich habe naturgemäß nicht alles gelesen, aber gerade die Berichte über den Krieg kommen nicht über das übliche Niveau von Lokalhistorikern hinaus. Deswegen 4 Sterne

Bewertung vom 12.09.2024
Petrus und Paulus in Jerusalem und Rom
Zwierlein, Otto

Petrus und Paulus in Jerusalem und Rom


gut

Thema gegessen

Mehr als 10 Jahre nach der Debatte kann ich nur sagen, dass alles gesagt wurde. Immerhin konnte man hier den Urheber des Sturms im Wasserglas Zwierlein nachlesen, der den anderen zumindest die Gelegenheit gegeben hat, ihre Meinung zum Martyrium der Apostel darzustellen.

Selbst wenn der Bonner biblisch recht hat – es mutet doch seltsam an, dass nach der Apostelgeschichte Petrus und Paulus in unterschiedlichen Gegenden unterwegs waren, aber letztlich beide im Rom nennen – , so sind ihm doch keine Archäologen hinzugesprungen.

Gegen ihn sprechen Quellen in den Apokryphen und auch das Argument, dass keine andere Stadt beansprucht das Grab der Urapostel für sich, wird nicht wirklich mit der Behauptung widerlegt, dass der Märtyrerkult erst im 3. Jahrhundert angefangen habe.

So brauchst du in diesem unterhaltsamen Buch dank des klarer Ergebnises gar nicht alles zu lesen. 3 Sterne.