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Bewertungen
Insgesamt 71 BewertungenBewertung vom 19.09.2023 | ||
Zaghafte Striche auf dem Papier, die zu Buchstaben, zu Wörtern werden, Wahrheiten und Gedanken. Wortketten, die sich um das Herz gelegt hatten, sie lösen sich auf, fallen wie Herbstlaub aufs trockene Gras, auf die Seiten. Werden etwas Handfestes, werden sichtbar, diffundieren vom Innen ins Außen. Sie überschreiten die magische Grenze: „The Magic Border“. |
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Bewertung vom 15.08.2023 | ||
Von melodischer Leichtigkeit und Poesie sind die Worte, mit denen Valery Tscheplanowa in ihrem autobiographisch inspirierten Debütroman „Das Pferd im Brunnen“ die Bilder dreier Frauen zeichnet, dreier Generationen, die sich vom Zweiten Weltkrieg und der Perestroika bis in die Gegenwart erstrecken, von einem kleinen Dorf in Norddeutschland bis nach Russland - und zwischen den Welten: Walja. Über kurze, keinem zeitlichen Faden folgenden Szenen nähert sie sich ihrer Mutter Lena, der Großmutter Nina und deren Mutter Tanja an, den Frauen, die die Wurzeln pflanzten, aus denen sie heute deren Erinnerungen weiterlebt. |
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Bewertung vom 13.08.2023 | ||
"Uns wird beigebracht, dass wir uns um all das einen riesen Kopf machen müssen. Als würde jede Entscheidung, die wir treffen, einen ganz bestimmten Weg vorgeben." (S. 35) |
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Bewertung vom 10.08.2023 | ||
Ach, was hat mir diese Reise nach Nincshof Spaß gemacht! Voller Zärtlichkeit und wärmendem Humor erzählt Johanna Sebauer in ihrem Debütroman „Nincshof“ die Geschichte eines ganz besonderen Sommers für die Bewohner:innen eines kleinen Dorfes im Burgenland, dessen Existenz seit jeher auf Legenden fußt. Es geht um das Erinnern und Vergessen, um das, was im Leben zählt, um das, was Familie und Heimat, Glück für einen Menschen bedeuten. Nach und nach lernen wir die unterschiedlichen Bewohner:innen kennen, allen voran Erna, eine alte Dame, die seit jeher in Nincshof wohnt. Einen jeden Morgen erinnert die erdrückende Stille sie daran, dass sie Witwe ist, einsam, ihr Leben ohne ihren viel zu früh verstorbenen Ehemann sinnlos. Von allen nur „die Neue“ genannt, sucht Isa Bachgasser, die als Regisseurin bereits einige Preise für ihre Filme gewonnen hat, nach einem Burnout Ruhe und hofft sie in Nincshof zu finden. Nach der Geburt ihrer Tochter hatte die Probleme, sich in der neuen Rolle als Mutter ein, in ihrem neu geformten Körper wiederzufinden, von einem Augenblick auf den anderen nur noch „Vieh im Molkereibetrieb“ (S. 272) zu sein, dem Urteil anderer ausgesetzt. |
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Bewertung vom 07.08.2023 | ||
Bei euch ist es immer so unheimlich still In zwei, sich allmählich annähernden Zeitebenen erzählt Alena Schröder in ihrem neuen Roman "Bei euch ist es immer so unheimlich still" die Geschichte von Silvia und ihrer Mutter Evelyn. Nach all den Jahren treffen sie im Sommer 1989 unverhofft wieder aufeinander, war der Kontakt zwischen Mutter und Tochter nach Silvias Flucht aus dem elterlichen Nest, das keines war, nur ein seidener Faden, der immer wieder zu reißen drohte. Seit dem Tod ihres Mannes Karl vor einigen Jahren war Evelyn alleine, hatte sein Verlust ihr den letzten Meter Boden unter den Füßen geraubt, nachdem sie bereits mit ihrem Ruhestand jene Zielstrebigkeit verloren hatte, die ihr so zu eigen war. |
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Bewertung vom 28.07.2023 | ||
Sie ist wie eines der Rehe in den Hamptons, von denen keiner weiß, wie sie auf ihr Grundstück gekommen sind; eine Wanze in einer scheinbar perfekten Welt, in der das Schicksal sie nicht vorgesehen hat; die Antiheldin, abhängig von Tabletten und der Güte ihrer Sugar Daddys. Emma Cline hat mit Alex eine Protagonistin geschaffen, die mir mit jeder Seite mehr ans Herz gewachsen ist. Dabei ist sie eigentlich diejenige, die für ihre Taten – Diebstahl, Betrug, Urkundenfälschung – belangt werden sollte. Es ist diese feine Beobachtungsgabe Clines, der klare Blick auf die Gesellschaft, die Reichen und Schönen, die im System zuoberst stehen, der eine so bittersüße Umkehr von Gut und Böse bewirkt und Alex ihrer Rolle als „Bad Girl“ entheben – teilweise zumindest. Sie bewegt sich auf einem schmalen Grat, aber sie sieht keinen anderen Weg, sind es ihre Obsession zu Simon und ihre Angst vor ihrem Ex-Freund Dom, die ihre Spirale der Verwüstung weiter vorantreiben. |
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Bewertung vom 24.07.2023 | ||
Eine vollständige Liste aller Dinge, die ich vergessen habe Die Erinnerungen an ein Leben verändern sich im Laufe der Zeit, werden blasser, nehmen andere Gestalten an und manifestieren sich als diese Schatten im Gedächtnis, schreiben die Geschichte eines Lebens um. Doch letztlich ändert auch die Frage nach der Wahrhaftigkeit nichts mehr an dem Ist-Zustand, befindet die Protagonistin aus Doris Knechts neuem Roman „Eine vollständige Liste aller Dinge, die ich vergessen habe“, hat sie schließlich ganz andere Probleme: Sie muss eine neue Wohnung finden. Und sie muss sich daran gewöhnen, alleine zu wohnen. Mit Hund. In lakonischen, anekdotenhaften Kapiteln erzählt Knecht aus der Perspektive ihrer Protagonistin von ihren gegenwärtigen Aufgaben, von den Dingen, die sie ein Leben lang begleiteten und solchen, die sie verloren hat, von Zeiten in ihrem Leben, die sie veränderten und prägten, etwa einem gewalttätigen Exfreund, einer Abtreibung, der Geburt ihrer Zwillinge. Dem ersten Moment in ihrem Leben, in dem sie sich gesehen und umsorgt fühlte. Und flugs fallen gelassen wurde, als sie ihre Aufgabe als Gebärmaschine erledigt hatte, nur noch Hülle war (vgl. S. 141). Es sind immer wieder diese Momente, Schlagwörter eines Lebens, die sie zu umfassenderen Betrachtungen des Lebens und der Gesellschaft, ihrem Wandel mit den Jahren veranlasst, etwa dem gesellschaftlichen Blick auf die Rolle der Frau oder das Familienleben, die Immobilienpreise und das Leben als paradoxes Konstrukt. Dabei hinterfragt sie aber auch immer wieder ihr eigenes Verhalten und das Bild, das sie anhand ihrer Erinnerungen und Wahrnehmung weiterträgt. |
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Bewertung vom 16.06.2023 | ||
Tilda hat es sich zur Gewohnheit gemacht, Menschen anhand der Dinge, die sie aufs Kassenband legen, zu erraten. Bei mir wären das wohl Brokkoli, Vly-Joghurt, Bananen, vegane Chickenchunks. Und Schokolade, ganz sicher. Ich könnte Stunden im Supermarkt verbringen, im Urlaub immer der erste Suchbegriff bei Google Maps, und entsprechend groß war mein Lächeln, als ich die ersten Seiten von „22 Bahnen“, dem Debütroman von Caroline Wahl, las. Doch die Leichtigkeit wurde bald von Beklemmung abgelöst, dem Blick hinter die Fassade. Eindrücklich beschreibt die Autorin die familiären Umstände, die Tilda zu kitten versucht: die Krankheit ihrer Mutter, die Ungewissheit und Armut, die Gewalt – und wie sie zugunsten ihrer Schwester zurücksteckt. Tilda ist selbstlos, verantwortungsbewusst, liebevoll im Umgang mit Ida, tut alles, im ihr ein sicheres Leben zu ermöglichen. Und wenn es das Geld zulässt, Miracoli statt Gut & Günstig zu kaufen. |
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Bewertung vom 06.05.2023 | ||
Malibu, 1983. Wenn Nina sich konzentrierte, konnte sie hören, wie das Meer an den Klippen bricht; der Soundtrack ihres Lebens. Sie hatte immer davon geträumt, am Meer zu wohnen, in einem Bungalow, der auf Stelzen über dem Meer schwebte – wie in ihrer Kindheit. Aber Brandon hatte eine Villa auf der Klippe gewollt. Glas und Beton, seelenlos. Und nun war weg, der Verräter: Er hatte sie verlassen für Carrie Soto, den Up-and-Coming-Star der WTA. Am liebsten würde sie im Bett bleiben, die Augen wieder schließen und sich dem Rauschen der Wellen hingeben, einfach niemanden mehr sehen, aber: heute ist die Nacht der Nächte, die jährliche Sommerparty der berühmten Riva Geschwister. Die Party ist DAS Event des Jahres. Von Jahr zu Jahr wird sie immer größer und man bildete sich etwas darauf ein, sagen zu können, dass man dabei gewesen war. Nina möchte ihre Freunde nicht enttäuschen – und sie möchte stark sein, auch wenn in ihr alles zerbrochen ist. Doch nicht nur Nina leidet unter der Trennung von ihrem Mann, auch ihre Geschwister tragen Geheimnisse mit sich, die ihnen jegliche Vorfreude auf die Party nehmen. Und was sie alle noch nicht wissen: Es wird eine Nacht, die sie niemals vergessen werden, und nichts wird jemals wieder so sein, wie es war. |
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Bewertung vom 24.04.2023 | ||
Mit leisen Tönen beginnt "Morgen und für immer", der Debütroman von Ermal Meta (aus dem Italienischen von Peter Klöss), zärtliche Durtöne plätschern vom Fluss nahe des kleinen Bauernhauses her, ab und an durchdrungen vom kläglichen Versuch des kleinen Kajan, dem Klavier Töne zu entlocken. Schon früh sah sein Großvater etwas in ihm, sah, dass er mit der Musik einmal etwas Großes erschaffen würde. Und er sollte recht behalten. |
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