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Benutzername: 
ann-marie

Bewertungen

Insgesamt 47 Bewertungen
Bewertung vom 18.08.2022
Lügen über meine Mutter
Dröscher, Daniela

Lügen über meine Mutter


sehr gut

Eine Ehefrau wert sich … auf ihre eigene Weise
Die Autorin berichtet in ihrem Roman überwiegend aus der Sicht eines Kindes, wie das Aufwachsen in einer kleinen Familie beherrscht wird von den Gewichtsproblemen der Mutter. Wobei vor allem das Unverständnis des Vaters, der zudem im Gewicht seiner Frau die Ursache seiner eigenen Probleme sieht und mit zunehmendem Druck auf eine deutliche Gewichtsreduktion dringt.
In einer sehr interessanten Erzählweise, in kurzen Abschnitten als Erwachsene im Austausch mit der Mutter, und als noch nicht schulpflichtiges Kind als Mitglied und Beobachterin des familiären Alltags, erhält man unterschiedliche Einblicke, aber auch Antworten auf Fragen, die sich aus den Abschnitten, die der Kindheit gewidmet sind, ergeben.
Ela wächst bei ihren Eltern und den im gleichen Haus lebenden Großeltern, die Eltern des Vaters. In den 80er Jahren in einem kleinen Dorf im Hunsrück auf. Dabei werden die dort üblichen Gepflogenheiten, Erwartungshaltungen und auch Standesdünkel in authentischer Weise mit einbezogen und vermittelt. Und dabei fast spürbar die Abneigung der auf dem Land verwurzelten Schwiegereltern gegenüber Elas Mutter. Sie, Tochter schlesischer Aussiedler, kann dem Dorfleben wenig abgewinnen, findet keinen Anschluss und fühlt sich alles andere als heimisch. Berufstätig in der Verwaltung eines kleinen Unternehmens, erfährt sie von Kollegen und Vorgesetzten die Wertschätzung und Anerkennung, die jedem Menschen zusteht. Und er, der Sohn, dem ein Aufstieg, sprich ein Studium und eine entsprechende Stelle, zwar gelungen ist, dem jedoch noch immer das dörfliche Spießertum anhaftet.
Dass es sich um einen laut Klappentext "tragikomischer Roman" handelt, habe ich nicht so empfunden. Vielmehr war ich zunächst maßlos enttäuscht, dass es der Mutter nicht gelungen war, sich dem Druck ihres Ehemannes zu entziehen. Doch mit etwas zeitlicher Distanz konnte ich ihr Verhalten besser verstehen, da zu dieser Zeit für Frauen einfach die Devise galt und auch praktisch gelebt wurde, koste es was es wolle, dass man sich dem Mann fügt. Der Mann entscheidet und die Frau fügt sich. Nichts Neues für die Mutter, da sie dies bereits aus ihrem eigenen Elternhaus kennt. Sie fügt sich ihrem Mann, seien es verschiedene Diätformen bis hin zu den allseits bekannten eight watchers oder sich letztendlich der mehr oder weniger aufgezwungenen Kur zu beugen. Aber sie rebelliert auch – wie anders lässt sich erklären, dass sie nie das von ihrem Mann festgesetzte Ziel erreicht. Auch ihren Schwiegereltern zeigt sie in einer sehr subtilen Form, was sie von ihnen hält. Oder wenn sie trotz aller Widerstände ein Sprachstudium, das mit beruflichem Erfolg, der ihrem Mann ja versagt bleibt, führen könnte, durchsetzt. Trotz allem eine starke Frau, die sich auf ihre ganz eigene Weise gegen Zwänge und Bevormundungen durchsetzt.
Was sie nach meiner Einschätzung besonders auszeichnet und auch deutlich zu erkennen ist: ihre grenzenlose Liebe zu Ela, ihrer im Verlauf des Romans geborenen Schwester und eine eher Fremde, die beste Freundin Elas, in ihre Familie aufnimmt.
Der Roman lässt sich, gerade auch wegen des Schreibstils, sehr gut lesen. Setzt die Zeit und das Lebensgefühl der 80er Jahre sehr gekonnt in Szene, wobei so manche vertraute Beschreibung bzw. Erwähnung eigene Erinnerungen weckt und auch schon mal zum Schmunzeln und sich rückbesinnen einlädt. Empfehle ich gerne weiter, was Thematik und auch die umrissene Zeit betrifft.

Bewertung vom 18.08.2022
Pferdeliebe und Reiterglück - Alles, was du über Pferde und Ponys wissen musst
Waidmann, Angela

Pferdeliebe und Reiterglück - Alles, was du über Pferde und Ponys wissen musst


ausgezeichnet

Ein absolutes Pferdebuchhighlight - unverzichtbar!
Ein wunderbares Buch, das jedes Reiterherz, sei es noch klein oder bereits erwachsen, höherschlagen lässt.
Auf knapp 200 Seiten wird in sehr ansprechender Weise die Pferdewelt dargestellt. Vor dem Hintergrund, dass Pferdeliebe mehr beinhaltet, als auf dem Rücken der Pferde die Welt zu erkunden und – so wie in vielen Pferderomanen geschildert, Abenteuer zu erleben. Ziel dieses Buches, das eher einem Nachschlagewerk, ein sehr gelungenes im Übrigen, ähnelt, wird auf verschiedene Aspekte sehr informativ eingegangen und gerade der angedachte Leserkreis, Kinder ab ca. 6 Jahre, für den Umgang und die Bedürfnisse dieser wundervollen Tiere sensibilisiert.
Unterteilt ist das überaus reich bebilderte Buch in zwei große Abschnitte: zum einen die Darstellung und damit verbundene Beantwortung vieler Fragen im Zusammenhang mit Pferden und Reiten und zum anderen ein interessanter und aufschlussreicher Ausflug in die Vielfalt der Pferderassen. Ihr äußeres Erscheinungsbild aber auch ihre Verwendung bzw. ihr jeweiliger Einsatz, nicht nur im Reitsport.
In einzelnen Kapiteln, bei denen in der Inhaltsangabe jedes Kapitel zusätzlich mit einem aussagekräftigen kleinen Bild versehen ist, wird auf verschiedene Aspekte wie Ausrüstung und Pflege, die Bedürfnisse der Pferde, die Beziehung zwischen Mensch und Pferd und weiteres vermittelt – alles unter dem tragenden Motto eines wertschätzenden Verhaltens von Menschen gegenüber Tieren.
Besondere Berücksichtigung soll aber auch die graphische Gestaltung erfahren. Mit sehr viel Liebe zum Detail, beginnend mit den kleinen Piktogrammen zu den einzelnen Kapitelüberschriften in der Inhaltsangabe, zeichnet sich dieses Buch durch eine zusätzliche farbliche Gestaltung der einzelnen Seiten des jeweiligen Kapitels aus: Jede Seite weist einen farbigen Rahmen aus, wobei z.B. die unteren Seitenabschnitt in grüner Farbe und mit unregelmäßigen Spitzen versehen eindeutig als Gras zu erkennen sind – eine Kleinigkeit, aber ein Zeichen dafür, mit wieviel Kreativität an die optische Gestaltung herangegangen wurde.
Ein Buch, für Kinder gedacht, mit dem sich aber auch Erwachsenen sehr gerne beschäftigen werden. Mit sehr viel Liebe zum Detail, einer hervorragenden und überaus ansprechenden Gestaltung. Reich bebildert und mit aufschlussreichen Informationen, die viele Fragen auf eine sehr verständliche aber auch empathische Weise beantworten und immer wieder auf die Verantwortung, Pflege und Bedürfnisse gegenüber Tieren hinweisen.

Bewertung vom 18.08.2022
Drei Tage im August
Stern, Anne

Drei Tage im August


ausgezeichnet

Nur drei Tage - intensiv, berührend, ergreifend
Die Autorin, auch bekannt durch ihre Romane um Fräulein Gold, lässt auf knapp 350 Seiten drei Augusttage im Olympiajahr 1936 in Berlin erleben, wobei die allseits bekannte Straße "Unter den Linden", und hier vor allem die (fiktive) Confiserie Sawade eine tragende Rolle spielt.
Dieses mit süßen Versuchungen unterschiedlicher Art und Herstellung ausgestattete kleine Geschäft ist der ganze Lebensinhalt der Mitte Vierzigjährigen Elfie, die nicht nur auf eine alles andere als unbeschwerte Kindheit zurückblicken kann sondern so lange sie zurückdenken kann, mit Schwermut zu kämpfen hat. Kleine Alltagsrituale erlauben ihr zwar, den beruflichen Alltag zu meistern doch Lebensfreude und Lebensleichtigkeit sind ihr fremd. Ein beliebter und belebter Ort, Sawade. Anziehungspunkt für vielerlei Kunden, wie z.B. der Besitzer einer Bar, El Hamady oder die betagte Bewohnerin des Hauses, Madame Conte, wobei letzterer im Verlauf der Romanhandlung noch eine ganz besondere Rolle zufallen wird. Erlaubt sie doch Elfie einen Blick in die Zeit des Bezugs der von ihr noch immer bewohnten Wohnung, vor allem aber in ihr Leben als jung verwitwete Mutter von zwei heranwachsenden Jungen, das mehr und mehr nicht dem Bild entsprach, das zur damaligen Zeit galt.
In der Nachbarschaft von Sawade befindet sich der Laden des jüdischen Buchhändlers Franz Marcus, dem die politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen, gerade auch in Bezug auf seine Herkunft mehr und mehr zu schaffen machen und ihn letztendlich vor eine schwere Entscheidung stellen.
Darüber hinaus gibt es weitere Akteure, die mit viel Liebe und Empathie individuell und überzeugend zum Leben erweckt werden und dafür sorgen, dass man sich das geschilderte Umfeld mitsamt den dort lebenden Menschen und ihren individuellen Schicksalen und Entwicklungen sofort vorstellen und auch mitleben kann. So verschieden die Menschen, so unterschiedlich die Sorgen, Nöte und Probleme und die Kämpfe und Bemühungen, alles in den Griff zu bekommen bzw. sein Leben zu meistern.
Nur drei Tage lang kann man sie begleiten. Eine sehr kurze Zeitspanne jedoch gefüllt mit vielen Impulsen, Eindrücken und Einblicken, die gerade im Hinblick auf die bekannten historischen Ereignisse und Entwicklungen geradezu einladen, mit den sich daraus ergebenden weiteren Entwicklungen der Charaktere zu beschäftigen. Es reicht vollkommen aus, diese unterschiedlichen Charaktere über drei Tage begleiten zu können, um sich das ganze Ausmaß dessen, was auf sie wartet, vorstellen zu können. Durch Elfie, El Hamadi, den Buchhändler Franz oder auch das kleine Blumenmädchen Rosa, dem niemand zu Hilfe eilt als es von zwei Polizisten abgeführt wird und von dem man ahnt, dass es nicht wiederkehren wird, wird man mit dem sich in langsamen Schritten nähernden Grauen konfrontiert. Von dem auch die Beschreibung der mit der Olympiade verbundenen Fröhlichkeit, Leichtigkeit und Euphorie nicht ablenken kann.
Zu Beginn des Romans etwas schwierig die kurzen Einschübe der Linden, die teilhaben lassen an ihren eigenen Gedanken und Erinnerungen an die Straße "Unter den Linden". Aber zunehmend interessanter werden und die Ereignisse dieser drei Augusttage wunderbar abrunden und zu einem gelungenen Gesamtbild beitragen.
Dieser Roman hat mir sehr gut gefallen. Vor allem, weil offengelassen wird, wie es mit den einzelnen Charakteren weitergeht. Dafür aber anregt, sich eigene Gedanken zu machen, weil die realen historischen Ereignisse bekannt sind.

Bewertung vom 26.07.2022
Träume / Das Tor zur Welt Bd.1
Georg, Miriam

Träume / Das Tor zur Welt Bd.1


ausgezeichnet

Auf zu neuen Ufern
Der Hamburger Hafen wird oft als das "Tor zur Welt" bezeichnet – einfach, weil Waren aus der ganzen Welt dort ankommen und auch wieder in die ganze Welt verschickt werden. Damit auch Ausgangspunkt für Reisen in ferne Länder, oftmals verbunden mit einem Abschied von der vertrauten Heimat in Deutschland. Um der Härte des Alltags zu entfliehen oder auch nur, um noch einmal ganz neu anzufangen und sich geheime Ziele und Wünsche zu erfüllen.
Vor diesem Hintergrund schildert die Autorin die Schicksale von Ava und Claire, beide unterschiedlichen Gesellschaftsschichten angehörend und doch zu Freundinnen werdend. Ava, die von ihren bereits nach Amerika ausgewanderten Eltern in Deutschland zurückgelassen wurde und die Wartezeit bis auch zu ihrer beabsichtigten Auswanderung durch schwere und anstrengende Arbeit bei einer Familie im Alten Land, tätig als Moorbauern, überbrückt. Bald hat sie genügend Geld gespart, um endlich die Reise nach Amerika antreten zu können und nach ihren Eltern zu suchen.
Claire, die keine finanziellen Probleme kennt und in einem gut betuchten Elternhaus aufwächst, schlägt sich dagegen mit einem ganz anderen Problem herum: der Mann, den sie liebt, ist mit ihrer besten Freundin verheiratet – ein echtes Dilemma und schier unlösbar.
Beide Frauen lernen sich durch ihre Tätigkeiten in der "Auswandererstadt" Hamburg kennen und werden, trotz des Standesunterschieds, zu Freundinnen.
Geschildert werden die Ereignisse des Romans sowohl aus Sicht von Ava als auch aus der Sicht von Claire. Dabei findet die Vergangenheit episodenhaft eine ergänzende und aufklärende Berücksichtigung, wobei die geschickte Einbindung dieser Zeitabschnitte bzw. Ereignisse in das reale Romangeschehen zu keinen Brüchen führt und sich als sehr hilfreich erweist. Besonders hervorzuheben in dieser fiktiven Romanhandlung sind allerdings die Blicke hinter die Kulissen, und hier insbesondere auch die Skrupellosigkeit der Menschen, die sich auf den ersten Blick als hilfreiche und unterstützende Kenner des Auswanderergeschäfts darstellen und doch ganz anderes im Sinn haben, das umzusetzen mit erheblichen finanziellen Verlusten der Auswanderungswilligen verbunden ist. Diese Schilderungen berühren, da das ganze individuelle Drama nun mit Romanfiguren verknüpft wird und es wenig Phantasie bedarf, um dies auch als damalige übliche Realität zu begreifen.
Ein flüssiger und leichter Schreibstil, der zudem auf sehr viel Empathie und auch umfangreiche Hintergrundrecherchen schließen lässt, sorgen für ein angenehme, fesselnde aber auch teilweise sehr berührende Leseereignis. Den Charakteren wird eine Authentizität verliehen, die eine leichte und rasche Identifizierung erleichtert. Die Charaktere überzeugen – in ihrer Gefühlswelt, in ihren Gedanken, in ihren Aktionen, in ihrem Verhalten. Und dank des offenen Endes ist man schon sehr gespannt auf den zweiten Teil, der noch in diesem Jahr erscheinen wird.

Bewertung vom 26.07.2022
Findelmädchen
Bernstein, Lilly

Findelmädchen


ausgezeichnet

Ein familiärer Neubeginn in den 50er Jahren
Sofern man bereits den Roman "Trümmermädchen" der gleichen Autorin kennt, so lernt man nun im "Findelmädchen" das Schicksal der Kinder von Anna, Hauptperson des ersten Bandes, kennen und kann Helga und Jürgen ein wenig durch das Köln der 50er Jahre begleiten. Dabei wird mit sehr viel schriftstellerischem Hintergrundwissen der Wiederaufbau Deutschlands, aber auch die damit verbundenen Herausforderungen der Nachkriegszeit im individuellen Alltag aufgezeigt und lebensecht dargestellt.
Helga und Jürgen, die nach dem spurlosen Verschwinden und dem noch immer im Krieg vermissten Vater bei nahen Verwandten in Frankreich sicher und behütet aufwachsen, erhalten die freudige Nachricht, dass der Vater nicht nur lebt, sondern nach Deutschlang zurückgekehrt ist. Schnell sind sie wieder vereint und versuchen, ihr Leben neu zu organisieren. Dies beinhaltet vor allem für die beiden Kinder, sich mit einer beruflichen Zukunft auseinanderzusetzen, wobei Helga leider sehr schnell leidvoll feststellen muss, dass ihre Vorstellungen in keinster Weise mit den Plänen ihres Vaters übereinstimmen. An Stelle des erhofften Besuchs eines Gymnasiums muss sie sich mit der damals üblichen maximalen Schulausbildung für junge Mädchen, das Absolvieren einer Haushaltungsschule, zufriedengeben. Die zu dieser Ausbildung gehörende praktische Abschnitt verbringt Helga in einem Waisenhaus und wird dort immer öfter mit den psychischen und physischen Misshandlungen der dunkelhäutigen kleinen Bärbel konfrontiert, was sie nicht unbeteiligt nur zur Kenntnis nimmt, sondern nach Möglichkeiten such, diesem ein Ende zu bereiten.
Auch wenn Helga's Geschichte viel Raum einnimmt, so kommen weitere Charaktere wie der Vater mit seiner bisher unbekannten, aber sehr erhellenden Vergangenheit, und auch die Mutter, sehr geschickt immer mal wieder in die Geschichte eingewoben mit Tagebucheinträgen, sodass sich manche Frage beantworten lässt. Darüber hinaus finden sich einige weitere sehr interessante Charaktere, die wie alle anderen Protagonisten auch, mit sehr viel Empathie ins Leben gerufen wurden und mit denen sich zu identifizieren sehr leicht fällt. Jedes einzelne Schicksal, jede individuelle Lebenswegentscheidung und –entwicklung wird überzeugend, sehr verständlich und realistisch dargestellt – ein wunderbarer Lesegenuss und auch dank des flüssigen und leichten Schreibstils wird dieser Roman einer meiner diesjährigen Lesehighligts werden. Wobei einmal mehr auch in diesem Roman die schwierige und mühsame Selbstverwirklichung junger Frauen, aber auch die gesellschaftliche Erwartungshaltung, auf eine sehr unterhaltsame und fesselnde Weise dargestellt wird. Ein Grund mehr, in der heutigen Zeit leben zu können.

Bewertung vom 27.06.2022
Kaiserstuhl
Glaser, Brigitte

Kaiserstuhl


sehr gut

Kann champagner Wunden heilen?

In dem Roman um Henny, die Tochter eines erfolgreichen deutschen Weinhändlers und ihrer großen Liebe Paul, ein Elsässer, von dem sie nach Kriegsende verlassen wurde, werden überaus geschickt die Verhandlungen in den Jahren 1962 bis 1963 zwischen Frankreich und Deutschland, die letztendlich zum Abschluss des s.g. Elysée-Vertrags führten, mit einbezogen. Dabei gelingt es der Autorin, diese Entwicklungen in einer sehr verständlichen Weise darzustellen, wodurch sich neue Einblicke in das Deutsch-Französische Verhältnis ergeben.
Paul Duringer erhält 1962 den Auftrag, eine ganz besondere Flasche Champagner zu finden, die so viele Jahre nach Kriegsende als Symbol für die Plünderung der französischen Weinregionen durch die Nazis stehen soll. Im Zuge seiner Nachforschungen sucht er auch die inzwischen wieder recht erfolgreiche Weinhandlung von Henny Köpfer auf. Ein nahtloses Anknüpfen an die gemeinsame Zeit stellt sich jedoch als nahezu unmöglich heraus, denn die Kriegsereignisse und ein Verrat haben ihre Spuren hinterlassen.
Dass Paul Duringer nicht der einzige Interessent an diesem Champagner ist lässt sich im Verlauf des Romans sehr schnell feststellen und verleiht dadurch dem ganzen Geschehen auch eine gewisse Spannung.
Mit Hilfe des von der Autorin verwendeten sehr bildhaften Erzählstils lernt man recht schnell die Bevölkerung und den Alltag kennen. Zudem wird dadurch das Verständnis gerade für die Zeit des Krieges in diesem Landstrich auf eine sehr leichte und überzeugende Weise mit Leben gefüllt.
Ein flüssiger Schreibstil nimm bereits nach kurzer Zeit gefangen und man versinkt regelrecht in längst vergangenen Zeiten. Die Charaktere sind überzeugend und realistisch dargestellt und gerade die Schilderung der Beziehung zwischen Henny und Paul, geprägt von Verletzungen aus der gemeinsamen Vergangenheit, sind schlüssig, verständlich und nachvollziehbar dargestellt.
Eine überaus interessante Kombination verschiedener Themenbereiche wird in diesem Roman überaus gelungen und überzeugend dargestellt. Dabei kommt weder die Schilderung geschichtliche Ereignisse noch persönlicher Gefühle und Entwicklungen zu kurz. Gerade im Hinblick auf ein besseres Verständnis für die Entwicklung des deutsch-französischen Verhältnisses stellt dieser Roman eine Bereicherung dar.

Bewertung vom 03.06.2022
Das Leben, ein wilder Tanz / Die Polizeiärztin Bd.3
Sommerfeld, Helene

Das Leben, ein wilder Tanz / Die Polizeiärztin Bd.3


sehr gut

Polizeiärztin, Ehefrau und Mutter im Berlin der 20er Jahre

Nun heißt es Abschied nehmen und eine überaus interessante Zeitreise in die Großstadt Berlin der 20er Jahre des vergangenen Jahrhunderts beenden. Noch einmal zurückzukehren zu Magda und ihren Freundinnen, noch einmal bei der Aufklärung eines Verbrechens mitzufiebern, noch einmal vertraute Charaktere ein Stück weit auf ihrem Lebensweg zu begleiten und teilzuhaben an wichtigen und entscheidenden Meilensteinen. Dies alles wird wunderbar erfüllt in dem nun vorliegenden dritten und letzten Band.
Magda, noch immer auf der Suche nach Otto, dem kleinen Bruder von Elke, die dank der Unterstützung von Magda bereits ein neues und glückliches zu Hause gefunden hat. Gerade dieser Aspekt berührt mich immer wieder aufs Neue und von Anfang an hofft und wünscht man gerade diesen beiden Geschwistern ein "happy-end".
Celia, die voll großer Hoffnungen und Erwartungen in die Ehe mit dem aus betuchtem Hause stammenden Edgar gestartet ist, sieht sich nach der Geburt der gemeinsamen Tochter und dem Tod des Schwiegervaters mit unerwarteten Schwierigkeiten konfrontiert, die alles in Frage stellen, was sie sich für ihren weiteren Lebensweg vorgestellt hat.
Doris, deren Begabung und Traum einer Karriere als Schauspielerin sich zunehmend erfolgreich entwickelt, muss sich die Frage stellen, ob sie alles hinter sich zurücklassen will, um in Amerika nicht nur an ihre Erfolge in Deutschland anknüpfen möchte, sondern dort einen weiteren Karrieresprung ins Auge fasst.
Und auch einen mysteriösen Todesfall gilt es wieder zu klären: Xenia von Xanten, finanziell sehr gut gestellt reist nach Berlin, um das bekannte Berliner Nachtleben der damaligen kennenzulernen. Doch dieser Ausflug hat tödliche Konsequenzen.
Wieder einmal gelingt es der Autorin, Zeit, Sitten, Erwartungshaltungen, Moralvorstellungen mit den Wünschen, Träumen und Zielen junger Frauen zu verknüpfen und lebensecht darzustellen. Eine Identifizierung mit den weiblichen Hauptcharakteren gelingt mühelos und man ist teilweise erschüttert über das, was heutzutage selbstverständlich ist, damals aber notfalls hart erkämpft werden musste – sofern es gelang. Auf alle Fälle interessant, drei Frauen mit unterschiedlichen Talenten und Begabungen kennenlernen und sie auf dem Weg zur Verwirklichung ihres beruflichen Lebenstraums mit all den Problemen der damaligen Zeit begleiten zu können.
Auch das Verbrechen, das aufzuklären ist und dessen Schauplatz, ist nicht nur fesselnd beschrieben, sondern eröffnet auch sehr interessante Einblicke in gesellschaftliche Kreise und die schillernde Welt des opulenten Nachtlebens einer Großstadt.
Als gekonnten und überzeugenden Abschluss dieser Serie empfinde ich Magdas und Konrads Fragen an eine Zukunft in der Großstadt Berlin vor dem Hintergrund der aufziehenden braunen Wolken des beginnenden Nationalsozialismus, da auch diese historische Entwicklung im Romangeschehen Berücksichtigung findet.

Bewertung vom 26.04.2022
Strahlemann
Schaefer, Fritz

Strahlemann


sehr gut

Ein humorvoller Ausflug in eine alles andere als unbeschwerte Kindheit
Der bekannte Moderator Fritz Schäfer zeichnet in seinem autobiographischen Werk "Strahlemann" für ich wichtige Stationen vor allem aus seiner Kindheit und Jugendzeit auf. Assoziiert man mit dem Titel zunächst einmal eine schöne und unbeschwerte Kindheit, so eröffnen sich bereits nach wenigen Seiten ganz andere Lebensumstände, die die alles andere als strahlend waren.
Aufgewachsen mit seiner gehandicapten Schwester bei der alleinerziehenden Mutter wird Fritz schon sehr früh mit Alltagsproblemen konfrontiert, die man zum einen keinem Kind zumuten möchte und die er dank seines großen Herzens, vor allem seiner Aufgeschlossenheit und Liebe den Familienangehörigen, allen voran seiner Schwester, und seiner Kämpfernatur und Offenheit auf interessante und berührende Weise zu meistern wusste.
Ein flüssiger, eingängiger und mitreißender Schreibstil lassen schon schnell ein- und abtauchen und dank des chronologischen Aufbaus des Buches wächst man gleichzeitig mit dem Autor heran. Man lernt die Menschen, die ihn prägten, aber auch die Einflüsse, die verarbeitet werden mussten, kennen. Dabei wird auch nicht davor zurückgescheut, gesellschaftliche Vorbehalte und auch Missstände anzusprechen. Dies vor allem in den Abschnitten, die das Verhalten der Mitmenschen gegenüber seiner gehandicapten Schwester gegenüber zum Inhalt haben.
Dabei gelingt es dem Autor zudem meisterhaft, eine Zeit, Menschen und Ereignisse zu beschreiben, die man sehr leicht mit eigenen ganz persönlichen Ereignissen und wichtigen Menschen ergänzen kann. Gleichsam ein Ausflug in die eigene Kindheit, wobei sie sich durchaus von der des Autors unterscheiden kann.
Ein warmherziges, bezauberndes Buch, das sich sehr leicht lesen lässt und bei dem man leider schneller auf der letzten Seite ankommt, als man zu Beginn der Lektüre gedacht und erwartet hat. Am besten liest man es ohne viele Unterbrechungen – einfach, weil es von Anfang an gefangen nimmt und man wissen will, wie es weitergeht.

Bewertung vom 31.01.2022
Unser kostbares Leben
Fuchs, Katharina

Unser kostbares Leben


ausgezeichnet

Mitten in Deutschland – vor gut fünfzig Jahre …

Eine wunderbare Lesereise in eine Zeit, an die ich mich selbst noch gut erinnern kann. In etwa gleichaltrig mit den zu Beginn des Buches knapp zehnjährigen Freundinnen Minka und Caro, konnte ich in dem Roman von Katharina Fuchs vieles von dem wiedererkennen, was mir aus dieser Zeit bekannt und vertraut ist. Zeit und Atmosphäre ist sehr gut getroffen und detailreich bis in Kleinigkeiten sehr gekonnt und treffend wiedergegeben. Wird zu Beginn noch die sorglose Unbeschwertheit der heranwachsenden Freundinnen in den Vordergrund gestellt, weist jedoch die gemeinsame und gewagte Rettungsaktion einer Krötenwanderung auf das erwachende Interesse der beiden Freundinnen und ihres unbekümmerten Freundes Guy auf den in den Folgejahren sehr problematischen und zerstörerischen Umgang mit Umwelt und Natur hin. Aber auch den gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen dieser Jahre wird in dem Roman auf überzeugende und nachdrückliche Weise Zeit und Raum gegeben. Dies über die Jahre immer wieder verknüpft mit der Entwicklung und dem Lebensweg der Hauptprotagonisten.
Sehr interessante Einblicke in eine Zeit, die man als Kinder oder Jugendliche vielleicht selbst erlebt hat, mit der man sich auch identifizieren kann, die jedoch völlig neue Einblicke eröffnet, die man erst jetzt, da erwachsen und um Lebenserfahrung reicher, erkennt und versteht. Diese Zeit bekommt auf einmal eine ganz andere Bedeutung und man taucht tief ein in die verheerenden, rücksichtslosen und ausbeutenden Eingriffe in Natur und Umwelt deren weitreichende Folgen damals vertuscht wurden, jedoch nicht unentdeckt blieben. Und in diesem Zusammenhang hautnah mitzuerleben, wie sich Menschen zusammenschlossen, um letztendlich in einer neuen Partei, die s.g. "Grünen", sich für den Erhalt, vor allem aber den Schutz von Umwelt und Natur einzusetzen.
Dies nur ein Beispiel für die in den 70er und 80er Jahren wichtige und prägende Themen, die neu zu betrachten und zu werten für mich ein besonderes, wichtiges und großes Anliegend dieses Romans ist. Noch einmal jung sein, noch einmal diese Zeit mit- und nachzuerleben, aber mit dem Verständnis und den Kenntnissen eines Erwachsenen – dies ist der Reiz, den dieser Roman auf hervorragende und authentische Weise ausübt. Für mich eine gelungene Zeitreise in die eigene Vergangenheit, die ich jedem empfehlen kann.

Bewertung vom 12.12.2021
Was die Hoffnung verspricht / Die Dorfschullehrerin Bd.1
Völler, Eva

Was die Hoffnung verspricht / Die Dorfschullehrerin Bd.1


ausgezeichnet

Eine junge Frau lässt sich von der deutsch-deutschen Grenze nicht aufhalten
Helene, eine knapp dreißigjährige verwitwete Lehrerin, nimmt zu Beginn des Jahres 1961 eine Stelle an einer kleinen hessischen Dorfschule, nur wenige Kilometer von der damaligen Zonengrenze entfernt an. Über ihr vorhergehendes Leben in der noch im Aufbau befindlichen DDR gibt sie nur wenig preis und die Vorbehalte der Dorfbevölkerung schwinden mehr und mehr, da sie sich durch ihre Unterrichtsform und ihre den Schülern zugewandte Art deutlich vom Lehrerkollegium abhebt. Sie gewinnt nicht nur die Herzen ihrer Schüler, sondern setzt sich für sie ein. Sei es gegenüber Lehrerkollegen oder auch schon mal gegenüber Eltern. Auch wenn die Dorfgemeinschaft nicht davon ausgeht, dass Helene lange bleiben wird, handelt es sich doch um ein sehr ländliches und abgeschiedenes Dorf, so verfolgt Helene einen ganz besonderen Plan, den sie beharrlich verfolgt und in den sie niemanden einweiht.
Mit diesem Roman gelingt es der Autorin, einen Teil der deutsch-deutschen Geschichte aufzuzeigen und transparent zu machen, die von der ersten Seite an fesselt. Dabei wird nicht nur die Schulstruktur dieser Zeit, etwa in Form der üblichen Doppelklassen und den damit verbundenen besonderen beruflichen Herausforderungen an Lehrkräfte sehr authentisch und überzeugend dargestellt. Sondern auch die Herausforderungen, Auswirkungen und Herausforderungen, die mit dem Aufbau der DDR verbunden waren. Dazu wird ein weiterer Erzählstrang genutzt, in dem die Familie von Helenes Vater und auch ihre bei ihm lebende Tochter Marie eine wichtige und tragende Rolle spielt. Dabei sehr faszinierend mitzuerleben, wie gerade in der Charaktere der Ehefrau von Helenes Vater die Erkenntnis reift, dass der praktische Sozialismus nicht mit den ersten Erwartungshaltungen und Hoffnungen übereinstimmt.
Ein Roman, der von überzeugenden Charakteren getragen wird und Einblicke vor allem in den ostdeutschen Alltag und die zunehmenden Probleme und Einschränkungen, unter denen die dort lebenden Menschen noch viele Jahrzehnte leben mussten, werden auf eine sehr anschauliche und realistische Weise dargestellt. Auch wenn es sich um zwei Erzählstränge handelt, findet man sich in der jeweiligen Geschichte sehr gut zurecht und es ergibt sich ein überzeugendes und zunehmend spannendes Gesamtbild. Hat man selbst in den frühen 60er Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts seine eigene Schulzeit erlebt, so findet man sich, gerade in so vielen Kleinigkeiten sofort wieder. Und, als etwas besonderes empfinde ich das Einflechten von so manchem Gespräch in Kirchdorf in dem dort herrschenden Dialekt. Gerade dies bewirkt eine lebhafte Vorstellung von dem Dorfleben und Dorfgeschehen und erzeugt eine glaubwürdige Authentizität. Im Übrigen trägt auch die Einbindung von amerikanischen Streitkräften in der nächstgelegenen Stadt, zu einem gelungen Zeitkolorit bei. Gekonnt die zunächst nur freundschaftliche Beziehung zwischen Helene und einem GI, die im Verlauf der Geschichte sicher eine besondere Rolle spielen könnte …
Dieser Roman hat mich von Anfang an begeistert, gefesselt und mich eine Zeitreise antreten lassen, an deren Ende ich viel darüber erfahren habe, wie sich grobe Zusammenhänge im täglichen Leben der damaligen Zeit ausgewirkt haben. Freue mich und bin sehr gespannt auf den Folgeband!