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meggie3

Bewertungen

Insgesamt 131 Bewertungen
Bewertung vom 16.03.2024
Der Stich der Biene
Murray, Paul

Der Stich der Biene


ausgezeichnet

Anspruchsvoller, lesenswerter Roman

„Der Stich der Biene“ erzählt die Geschichte einer Familie in einer kleinen Stadt in Irland, die bisher sehr gut situiert war. Als es dann mit dem Autohaus des Vaters, Dickie, abwärts geht, bekommen die Auswirkungen auch seine Frau Imelda, die sich in den Schulabschlussprüfungen befindende Tochter Cass und ihr jüngerer Bruder PJ zu spüren. Sie alle haben unterschiedliche Sorgen und Sichten auf das, was passiert. Der Roman beleuchtet die verschiedenen Perspektiven und Hintergründe.

Mit fast 700 Seiten ist das Buch relativ lang, ich habe es aber bis auf wenige Ausnahmen überhaupt nicht als langatmig wahrgenommen. Lediglich der Teil, in dem es um die Perspektive von Imelda ging, fand ich etwas zu ausufernd. Andererseits habe ich diesen Abschnitt als besonders wichtig für das Verständnis der Beziehung zwischen Imelda und Dickie empfunden.

Insgesamt finde ich die Beschreibung der verschiedenen Charaktere überaus gelungen. Dem Autor gelingt es sehr gut, die verschiedenen Perspektiven authentisch darzustellen, auch weil er den Sprachstil entsprechend der Protagonist*innen anpasst. Durch das Erzählen aus den verschiedenen Perspektiven bekommt man als Leser*in einen umfassenden Eindruck von den Geschehnissen und der Dynamik in der Familie.

Ich habe die Sprache als anspruchsvoll empfunden, aber nicht als anstrengend. Mir hat sie sehr gefallen. Insgesamt würde ich empfehlen, keine allzu langen Lesepausen einzulegen, da ich den Inhalt im positiven Sinne komplex finde.

Vielleicht ist es vor dem Lesen wichtig zu wissen, dass der Autor auf Anführungszeichen etc. zur Verdeutlichung von wörtlicher Rede verzichtet. Zusätzlich gibt es in den Kapiteln aus der Sicht von Imelda keine Interpunktion mit Ausnahme von Fragezeichen. Satzanfänge werden in diesen Kapiteln aber selbstverständlich großgeschrieben, sodass ich keinerlei Probleme in Imeldas Abschnitten und auch generell mit dem Erkennen von Dialogen hatte.

Insgesamt hat mir der Roman sehr gut gefallen. Ich würde ihn allen empfehlen, die Lust auf detaillierte Charaktere haben und auch bei einem dickeren Buch gerne dranbleiben.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 10.03.2024
Mutter ohne Kind
Lindner, Eva

Mutter ohne Kind


ausgezeichnet

Sehr überzeugendes und informatives Sachbuch zu einem bisher viel zu wenig besprochenen Thema

Mich hat Eva Lindners Sachbuch sehr überzeugt. Ich habe viel Neues erfahren und besonders die vielen wissenschaftlichen Quellen fand ich spannend. Auch die Einordnung von Begriffen und Zahlen insbesondere zu Beginn war sehr hilfreich und eindrücklich.

Mir hat die Mischung an persönlichen Erfahrungen von Betroffenen, die wissenschaftlichen Fakten und die Erfahrungen und Erkenntnisse von Personen, die sich schon lange mit der Thematik intensiv befassen (z.B. Hebammen, Psycholog*innen) gut gefallen. Es wird genau der richtige Ton getroffen, um über die persönliche Betroffenheit und Erschütterung auf die systematischen Missstände hinzuweisen.

Eva Lindner verfolgt mit ihrem Buch eine klare Agenda und argumentiert schlüssig, weshalb sich unser aller Umgang mit dem Thema „Fehlgeburt“ ändern muss. Angefangen bei Begriffen, über Leitlinienänderungen und Anerkennung von Trauer und Verlust bis zu politischen Veränderungen und mehr Budget und Anreize für Beratung bei Ärzt*innen.

Immer wieder habe ich es als schockierend empfunden, wie mit betroffenen Frauen und auch Männern umgegangen wird, wie wenig Aufklärung es gibt und welche Hürden es zu bewältigen gilt.

Insgesamt hat mich das Buch sehr berührt, ich habe viel Neues erfahren und mein Denken hat sich verändert. Ich denke, dass ich nach dem Lesen behaupten kann, für die Thematik sensibilisiert zu sein. Von mir gibt es eine klare Leseempfehlung, gerne auch für alle Entscheidungsträger*innen im Gesundheitswesen und der Politik.

Bewertung vom 11.02.2024
Notizen zu einer Hinrichtung
Kukafka, Danya

Notizen zu einer Hinrichtung


ausgezeichnet

Sehr eindrücklich, gut geschrieben

Ansel Packer hat die letzten Stunden seines Lebens vor sich. Als zum Tode verurteilter Serienmörder wartet er auf seine Hinrichtung. Aus Sicht seiner Mutter, seiner Schwägerin und der Polizistin, die ihn schlussendlich überführt, werden Ansels Leben, mögliche Motive und die Auswirkungen seiner Taten erzählt. Der Roman beginnt mit Ansels frühester Kindheit und endet mit seiner Hinrichtung. Zwischendurch gibt es kurze Kapitel, in denen Ansels Perspektive in den letzten Stunden seines Lebens dargestellt wird.

In diesem Buch geht es nicht darum, wer die Verbrechen begangen hat. Die Idee, das Leben des Mörders aus der Perspektive von drei Frauen, die unterschiedliche Arten von Beziehungen zu ihm hatten, zu erzählen, finde ich sehr spannend. Chronologisch ergibt sich ein Bild von Ansel, seinem Umfeld und Erklärungsansätzen, weshalb aus Ansel ein Mörder wurde und er lange unbehelligt in Freiheit leben konnte. Obwohl es nicht wie in einem Krimi um die Tätersuche geht, entwickelt Danya Kukafka viel Spannung, die bis zur letzten Seite anhält.

Die Charaktere sind sehr detailliert beschrieben und werden dabei nicht glorifiziert. Jede der Protagonistinnen hat Momente, in denen sie nicht alles richtig macht. Und das Leben jeder der Frauen wurde von Ansel beeinflusst. Das Zusammenspiel vieler Faktoren wird in diesem Roman sehr deutlich sowohl in Bezug auf die Entwicklung von einem kleinen Kind zu einem erwachsenen Serienmörder als auch darauf, wie eine einzelne Person die Leben von so vielen Menschen (negativ) beeinflussen bzw. zerstören kann.

Ich habe „Notizen zu einer Hinrichtung“ sehr gerne gelesen und kann die vielen positiven Stimmen zu dem Buch gut nachvollziehen. Absolut positiv finde ich die Rolle, die den getöteten Frauen zukommt. Sie bleiben nicht gesichtslos, sondern ihnen wird Raum gegeben. Es wird aufgezeigt, wie sie leben könnten, wenn sie ihrem Mörder nicht zufällig begegnet wären.

Bewertung vom 25.01.2024
Stille Falle / Leo Asker Bd.1
Motte, Anders de la

Stille Falle / Leo Asker Bd.1


ausgezeichnet

Starker Reihenauftakt

Zwei Studierende begeben sich auf eine Erkundungstour in einen Berg, um Höhlenregen zu finden und zu fotografieren. Sie posten noch ein Selfie. Danach werden sie vermisst gemeldet.
Leonore „Leo“ Asker ist mit ihrer Abteilung bei der Polizei mit der Suche nach den Beiden betraut. Kaum hat sie erste Ermittlungsschritte unternommen, wird sie durch ihren ehemaligen Kollegen und inzwischen Feind Hellmann abgelöst und in die Abteilung für hoffnungslose Fälle „befördert“. Schnell stößt sie im Büro ihres Vorgängers auf Hinweise, die eine Rolle bei dem aktuellen Vermisstenfall spielen könnten. Und so ermittelt sie auf eigene Faust.

Mir hat der Krimi von Anders de la Motte außerordentlich gut gefallen. Die Personen, insbesondere Leo Asker, sind sehr gut beschrieben. Sie hat ihr Päckchen zu tragen, wie die Protagonist*innen in den meisten Krimis. Allerdings ohne, dass es zu viel oder ins Unrealistische abdriften würde. Wie auch die Ermittlungsarbeit und andere Einschübe, werden die privaten Details bruchstückhaft und kontinuierlich häppchenweise dargeboten. Das hat für mich einen Großteil der Spannung ausgemacht. Auch gelingt es Anders de la Motte den Spannungsbogen von Beginn an aufrecht zu erhalten und durch kluge Wendungen immer wieder zu überraschen.

Ich bin Leos Ermittlungen sehr gerne gefolgt und kam als Leserin gar nicht umhin, mitzurätseln. Der Schreibstil lässt sich sehr gut lesen. Mir hat das Lesen großen Spaß gemacht!

Anders de la Motte ist für mich eine Neuentdeckung und ich werde sicherlich sowohl weitere Bände um Leo als auch schon bereits erschienene Krimis von ihm lesen.

Bewertung vom 31.12.2023
Höllenkalt / Die Áróra-Reihe Bd.1
Sigurðardóttir, Lilja

Höllenkalt / Die Áróra-Reihe Bd.1


gut

Hat mich leider nicht vollkommen überzeugt

Áróra lebt in Großbritannien und ist als Privatermittlerin im Bereich der Wirtschaftskriminalität tätig. Ihre Schwester Ísafold lebt in Island, wo beide Schwestern einen großen Teil ihrer Kindheit verbracht haben. Als Áróras Mutter einige Wochen nichts mehr von Ísafold hört und diese nicht erreichen kann, bittet sie Áróra nach Island zu reisen und nach ihrer Schwester zu sehen. Widerwillig macht sich Áróra auf den Weg, die keinen Kontakt mehr zu ihrer Schwester pflegt – zu oft hat sie Ísafold nach den brutalen Attacken ihres Freundes verarztet und zu letztlich nicht erfolgreichen Beratungen begleitet. Immer ist Ísafold zu ihrem Freund zurückgekehrt.

Doch nun kann auch Áróra ihre Schwester nicht finden und auch sonst scheint niemand zu wissen, wo sich Ísafold aufhält. Áróra begibt sich auf die Suche nach ihr und wird dabei von dem isländischen Polizisten Daniel unterstützt.

Mir war Áróra leider eher unsympathisch und ich hatte auch Schwierigkeiten, ihr Verhalten in einigen Situationen nachzuvollziehen. Protagonist*innen müssen mir nicht unbedingt sympathisch sein, damit ich ein Buch gut finden kann, allerdings hilft es mir beim Lesen schon, wenn ich ihr Handeln verstehen kann. Ein Pluspunkt ist für mich die starke Beschreibung von Áróras innerem Konflikt in Bezug auf ihr Verhältnis zu ihrer Schwester. Es muss sehr schwer auszuhalten sein, die Misshandlungen und häusliche Gewalt, der Ísafold ausgesetzt ist, zu ertragen und nichts tun zu können.

Der Schreibstil lässt sich sehr gut lesen und der Krimi ist durchaus spannend. Meinem Empfinden nach wurden aber zu viele Themen untergebracht und so zum Teil nur angeschnitten, ohne sie weiter zu vertiefen. Etwas weniger wäre da mehr gewesen.

Positiv finde ich aber die sehr unterschiedlichen Charaktere, die zumeist authentisch beschrieben sind und den Krimi dadurch interessant und besonders machen.

Ob ich den nächsten Teil der Trilogie lesen werde, kann ich noch nicht genau sagen.

Bewertung vom 19.11.2023
Nur eine Lüge - Zwei Familien, eine tödliche Verbindung
Stehn, Malin

Nur eine Lüge - Zwei Familien, eine tödliche Verbindung


ausgezeichnet

Richtig spannend!

Die Familien Brandt und Nihlzen sind viele Jahre eng befreundet, vor allem durch das gemeinsame Fußballspielen der Söhne Erik Brandt und William Nihlzen. Als die Beiden mit 19 Jahren einen schweren Autounfall haben, durch den Erik gelähmt und seine mögliche Fußballkarriere beendet ist, zerbricht die Freundschaft der Familien. Acht Jahre später findet die Hochzeit von Eriks Schwester Emily mit dessen ehemaligem besten Freund William statt – ein großes gesellschaftliches Event mit Lokalpresse und gemietetem Schloss. Allerdings überleben nicht alle die minutiös geplante Hochzeit…

Mich hat „Nur eine Lüge“ positiv überrascht. Ich mag normalerweise Thriller, in denen man zumindest teilweise klassische Ermittler:innen begleiten kann. Dies ist bei „Nur eine Lüge“ nicht der Fall und trotzdem fand ich den Thriller unfassbar spannend. Die Kapitel sind kurz und bilden die Perspektiven von Emily, Erik sowie deren Mutter und Vater ab. Außerdem wird in zwei Zeitsträngen erzählt: der eine befasst sich mit der Zeit des Unfalls vor acht Jahren, der andere mit der Gegenwart rund um Emilys und Williams Hochzeit. Durch die vier Perspektiven und die beiden Zeitstränge kann man als Leser:in wunderbar miträtseln und die Spannung wird durch zahlreiche Wendungen durchgängig hochgehalten. Die Protagonist:innen waren mir nicht alle sympathisch, das hat aber dem Mitfiebern keinerlei Abbruch getan. Durch die unterschiedlichen Perspektiven wurde dennoch gelungen eine Nähe zu den Protagonist:innen geschaffen. Der Schreibstil lässt sich sehr leicht lesen und der Thriller gehört mit Sicherheit zu den spannendsten, die ich dieses Jahr gelesen habe. Weitere Bücher von Malin Stehn werde ich auf jeden Fall lesen.

Insgesamt hat mir „Nur eine Lüge“ wirklich gut gefallen. Ich wollte den Thriller zu keiner Zeit aus der Hand legen, weil ich ihn als wirklich spannend empfunden habe. Ich werde ihn weiterempfehlen.

Bewertung vom 16.11.2023
Glutspur / Liv Jensen Bd.1
Engberg, Katrine

Glutspur / Liv Jensen Bd.1


sehr gut

Komplexer Reihenbeginn mit Luft nach oben für die kommenden Bücher

Die ehemalige Kriminalbeamtin Liv, seit neuestem Privatdetektivin, wird von ihrem Mentor bei der Polizei um Mithilfe in einem Fall gebeten. Es geht um einen Mord an einem Journalisten vor drei Jahren, der bisher ungelöst blieb.
Hannah, Livs Vermieterin, beschäftigt sich mit dem Suizid ihres Bruders Daniel, der wegen Mordes an seiner Frau im Gefängnis gesessen hat.
Nima arbeitet in der Nähe von Hannah und Liv und ist Spezialist für Oldtimer. Er wird von der Polizei verdächtigt, eine Museumsangestellte getötet zu haben.

Die Zusammenhänge werden erst relativ spät deutlich, sodass ich viel Zeit hatte, um mitzurätseln. Insgesamt habe ich den Plot als stimmig und auch durchaus als realistisch empfunden.
Leider war mir der Krimi etwas zu überfrachtet, worunter die Spannung zu leiden hatte. Engberg hat viele mögliche Spuren, Motive und Themen aufgemacht, die für sich alle interessant sind. Nur leider hat die Fülle der Themen ein tieferes Eindringen verhindert. Da wäre etwas weniger vielleicht mehr gewesen.
Dennoch gefällt mir Katrine Engbergs Schreibstil gut und auch die Charaktere Nima, Liv und Hannah finde ich spannend. Alle drei haben ihre Themen, die bestimmt in den kommenden Büchern noch mehr Platz finden. Besonders überzeugend fand ich die Beschreibung von Livs Ermittlungsarbeit, die sehr detailliert beschrieben wird.

Insgesamt habe ich „Glutspur“ gerne gelesen. Im Vergleich zu der Reihe um Jeppe Körner und Anette Werner ist aber noch Luft nach oben. Den nächsten Band werde ich aber sicher lesen.

Bewertung vom 16.11.2023
Kein guter Mann
Izquierdo, Andreas

Kein guter Mann


ausgezeichnet

Ein wunderschöner Roman

Walter ist seit vielen Jahre Postbote und übt diesen Beruf durchaus leidenschaftlich aus. Allerdings hat er auch die Angewohnheit stur und unnachgiebig zu sein. So wird er nach etlichen Beschwerden in die Christkindfiliale der Post strafversetzt und bekommt die Aufgabe, Kindern zu antworten, die ihre Wunschzettel geschickt haben. Er hadert mit seiner neuen Beschäftigung, bis er einen Brief von Ben in der Hand hält, adressiert an den lieben Gott. Walter beginnt einen Briefaustausch mit dem Zehnjährigen, der es alles andere als leicht hat…

Ich habe Walter sehr gerne begleitet, mitgefiebert und ihn mit jeder Seite mehr ins Herz geschlossen. Der Schreibstil lässt sich sehr gut lesen und ist kurzweilig. Die Protagonist:innen, insbesondere Walter, werden sehr vorstellbar und liebevoll beschrieben. Auch wenn sich Walter zu Beginn des Romans nicht unbedingt durch besonders nette Aktionen auszeichnet, war er mir eigentlich durchgängig sympathisch. Obwohl einige schwere und ernsthafte Themen Teil des Romans sind, ist es Andreas Izquierdo gut gelungen, eine angenehme Balance zwischen ernsthaften und leichten Tönen zu finden. Im Laufe der Geschichte wird durch Rückblenden immer deutlicher und klarer, weshalb Walters Leben so verlaufen ist und weshalb er handelt, wie er handelt.

Der Roman ist eine gute Erinnerung daran, nicht immer alles zu glauben, was so erzählt wird. Und das zweite Chancen manchmal eine gute Sache sind.

Mir hat der Roman von Andreas Izquierdo außerordentlich gut gefallen. Es ist eine sehr berührende und schöne Geschichte und ich habe die Protagonisten sehr ins Herz geschlossen. Ich würde das Buch auf jeden Fall weiterempfehlen und auch verschenken.

Bewertung vom 21.10.2023
Nie gut genug
Curran, Thomas

Nie gut genug


ausgezeichnet

Sehr informatives Sachbuch, aber kein Selbsthilfebuch

Thomas Curran beschreibt in seinem Buch „Nie gut genug“, was Perfektionismus ist und welche negativen Folgen er hat, wie Perfektionismus entsteht und wie mit Perfektionismus umgegangen werden kann. Er schreibt sehr flüssig und das Buch lässt sich wirklich gut lesen. Curran nutzt zum einen wissenschaftliche Studien und Presseartikel, aber er bezieht sich auch auf Gespräche mit anderen Wissenschaftler:innen und eigenen sowie ihm berichteten Erlebnissen. Diese Mischung macht das Lesen sehr spannend.

Der Aufbau des Buches ist nachvollziehbar und die Kapitel knüpfen sinnvoll aneinander an. Deswegen würde ich empfehlen, die Kapitel in der vorgegebenen Reihenfolge zu lesen, wobei es sicherlich möglich ist, auch nur einzelne Kapitel auszuwählen. Ab spätestens der Hälfte des Buches wird es dann sehr gesellschaftskritisch bzw. wird das nach Wachstum strebende Wirtschaftssystem angeprangert. Thomas Curran legt den Zusammenhang von Ökonomie, Gesellschaft und Kultur und dem Individuum mit Perfektionismus schlüssig dar. Wer darauf aber weniger Lust hat und einen klassischen Ratgeber lesen möchte, wird von „Nie gut genug“ vielleicht enttäuscht sein.

Ich habe mir beim Lesen des Buches Zeit genommen und es nicht in einem Rutsch durchgelesen. Insbesondere der dritte Teil zum Thema „Wo kommt der Perfektionismus her?“ gliedert sich in mehrere Kapitel, die mich persönlich durchaus emotional etwas runtergezogen haben. Zwischendurch Pausen zu machen hat mir da geholfen. Ich habe viel gelernt und auch eine andere Sicht auf den Perfektionismus erhalten. Das Buch lässt mich aber auch ein bisschen schwermütig zurück, da sich einfach sehr viel gesellschaftlich/ökonomisch ändern muss (nach Curran), um Perfektionismus den Nährboden zu entziehen. Hoffnung machen mir die Tipps und Hinweise, die jede*r individuell berücksichtigen kann. Diese sind jedoch nicht Hauptaugenmerk des Buches, sondern eher die gesellschaftlichen Veränderungen, die aus Currans Sicht nötig sind.

Ich würde das Buch allen empfehlen, die sich tiefergehend mit Perfektionismus auseinandersetzen möchten, aber sich nicht in akuten Krisen befinden. Ein Selbsthilfebuch ist es nicht, aber ein sehr informatives, gut geschriebenes Sachbuch.

Bewertung vom 06.10.2023
Die Wahrheiten meiner Mutter
Hjorth, Vigdis

Die Wahrheiten meiner Mutter


gut

Zwiegespalten

Um ehrlich zu sein, bin ich nach den vierhundert Seiten ziemlich ratlos und befürchte, dass das Buch und ich einfach nicht gut zusammenpassen.

In dem Roman geht es um die 60-jährige Johanna, die Norwegen und ihre Familie vor dreißig Jahren etwas überstürzt verlassen hat und nun wieder zurück in ihre Heimatstadt gezogen ist. Zu ihrer Mutter und Schwester hat sie keinen Kontakt mehr, der Vater ist längst verstorben. Recht schnell wird deutlich, was vor dreißig Jahren geschehen ist und wie der fehlende Kontakt zwischen Johanna und vor allem ihrer Mutter zu erklären ist. Der Roman ist aus Johannas Perspektive geschrieben, die jetzt, wo sie zurück in Norwegen ist, Kontakt zu ihrer Mutter sucht und diesen auch erzwingen will. Die Mutter blockt Johannas Kontaktaufnahmeversuche ab. Als Leser:in erfährt man über vierhundert Seiten, was Johanna über ihre Familie denkt, was sie erwartet und wie sie sich das Seelenleben und die Beweggründe ihrer Mutter vorstellt. Außerdem liest man Anekdoten aus Johannas Vergangenheit, die Johannas Sichtweise stützen.

Den Schreibstil habe ich zum Teil als schön, aber teilweise auch als anstrengend wahrgenommen. Einige Sätze waren wirklich sehr lang und insbesondere, wenn die Natur und Landschaft beschrieben wurden, nahmen die langen Sätze mit vielen Kommas meinem Empfinden nach etwas Überhand. Die Kapitel waren sehr kurz, bestanden teilweise nur aus zwei eher philosophischen Zeilen, die ich nicht immer verstanden habe. Mich lässt der Roman etwas zwiegespalten zurück: Zum einen ist mir Johanna ziemlich schnell auf die Nerven gegangen, zum anderen gelingt es der Autorin aber gerade dadurch, ein sehr eindrückliches Bild der so stark verletzten Johanna zu zeichnen.

Abschließend muss ich sagen, dass der Roman nicht mein Lieblingsbuch werden wird, vielleicht auch weil ich Johannas Gedanken und Handeln ab einem bestimmten Zeitpunkt kaum noch nachvollziehen konnte. In Erinnerung wird er mir aber auf Grund seiner Eindrücklichkeit bleiben. Ich habe leider keinen richtigen Zugang zu dem Buch finden können. Wer diesen aber findet, liest vielleicht ein ganz anderes, tolles Buch.