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carola1475

Bewertungen

Insgesamt 173 Bewertungen
Bewertung vom 11.09.2024
Nacht der Verräter
Eckert, Horst

Nacht der Verräter


ausgezeichnet

Spannender und vielschichtiger Thriller um einen traumatisierten Polizisten im Konflikt zwischen Familie und Kollegen

Die Frau des Polizisten Max Bauer verschwindet spurlos von der Geburtstagsfeier seines Bruders. Julia hatte nie von ihrer Vergangenheit erzählt, deshalb weiß Max nicht, wo er mit seinen Ermittlungen ansetzen soll, er ist ratlos und enttäuscht. Er hatte Julias Weigerung, von ihrem Vorleben zu erzählen, akzeptiert, da er glücklich war, sie gefunden zu haben in einer Phase großer psychischer Belastung. Nach einem katastrophal verlaufenen Einsatz leidet Max an einer PTBS.

Max wird ausgerechnet in dieser schwierigen Situation von Kollegen unter Druck gesetzt. Seine Brüder, ebenfalls Polizisten, sollen korrupt sein und beim Drogenhandel mitmischen, er soll sie als verdeckter Ermittler bespitzeln. Max weiß nicht, wie er den Konflikt zwischen Familie und Kollegen lösen soll, ohne Schaden zu verursachen oder auch selbst zu nehmen. Er will keine Entscheidung treffen müssen.

Die Figurenzeichnung der unterschiedlichsten Charaktere ist gelungen und glaubwürdig, nur Julias dreijährige Tochter spricht und reagiert meiner Meinung nach wie ein älteres Kind. Schön für Leser, die bereits Bücher von Horst Eckert kennen, ist das kurze Auftauchen altbekannter Ermittler aus anderen Krimis des Autors.
In seinem neuen Buch konzentriert sich Eckert ganz auf die Perspektive seines ambivalenten Protagonisten und bindet Max' Entwicklung in eine spannende Handlung mit actionreichem, überraschendem Finale ein.
Wie bei Eckerts Büchern üblich, sind die Themen hochaktuell und gut recherchiert, sei es der Einsatz, der Max traumatisiert hat und der auch in der Realität stattgefunden hat oder die zunehmende Bedrohung durch Organisierte Kriminalität, hier am Beispiel des Drogenhandels durch die Mocro-Mafia und weltumspannende Kartelle. Oder auch die schwierige Einsatzplanung bei politischen Kundgebungen. Düsseldorfer Lokalkolorit kommt ebenfalls nicht zu kurz.

Horst Eckerts klarer schnörkelloser Schreibstil und kurze Kapitel, die oft mit kleinen Cliffhangern enden, sorgen für angenehmes Lesen und machen es schwer, eine Pause einzulegen. Mit hat 'Nacht der Verräter' sehr gut gefallen, der Thriller ist komplex und bleibt spannend bis zum Ende.
Ich vergebe 4,5 Sterne.

Bewertung vom 10.09.2024
Darwyne
Niel, Colin

Darwyne


ausgezeichnet

Subtil spannend, atmosphärisch und erschütternd

Der zehnjährige Darwyne lebt mit seiner Mutter Yolanda und dem inzwischen achten Stiefvater im Slum Bois Sec einer Stadt in Französisch-Guayana direkt am Amazonas-Regenwald. Der Junge ist ein Außenseiter, leicht gehbehindert und er liebt seine Mutter abgöttisch. Yolanda ist schön und klug, die Beziehung zu ihrem Sohn ist jedoch geprägt von Beschimpfungen und fragwürdigen Erziehungsmethoden.
Alarmiert durch einen anonymen Hinweis nimmt die Sozialarbeiterin Mathurine Kontakt zu Darwyne und seiner Mutter auf. Genau wie Darwyne liebt Mathurine den Dschungel und bei einem gemeinsamen Ausflug in den Wald erkennt die Pädagogin, wie besonders der Junge ist, er ist im Dschungel zu Hause und wird dort zu einem ganz Anderen.

Colin Niel ist Evolutionsbiologe und Ökologe, hat in Französisch-Guayana gelebt und weiß den Regenwald bildhaft und eindrücklich mit Flora, Fauna und Geräuschen ganz faszinierend zu beschreiben, auch das Leben im Slum schildert er glaubhaft. Die Charaktere sind authentisch und wecken Emotionen verschiedenster Art. Der Schreibstil ist angenehm zu lesen, bleibt bei der Handlung eher distanziert und fesselt, wenn es um den Regenwald geht.
Erzählt wird aus den Perspektiven Darwynes, Mathurines und des Stiefvaters und eine subtile Spannung verdichtet sich zu einer erschütternden Schlussphase der Geschichte. Niel schreibt sozialkritisch, was das aussichtslose Leben der migrantischen Slumbewohner angeht, macht auch den achtlosen umweltzerstörerischen Raubbau an der Natur und die Entfremdung der Menschen von der Natur zum Thema und selbst Mathurines unbedingter Kinderwunsch passt in die Geschichte.
Das düstere Cover des Buchs mit den mächtigen, auch fühlbaren Wurzeln eines Regenwaldbaums ist passend gewählt. 'Darwyne' hat mich beeindruckt und mir sehr gut gefallen.

Bewertung vom 10.09.2024
RAUCH
Sigurdardóttir, Yrsa

RAUCH


ausgezeichnet

Spannend, atmosphärisch und komplex

Eine Clique von fünf Freunden aus Studientagen reist auf die Westmännerinseln zum Begräbnis einer Freundin aus dem Studentenwohnheim. Besonders Trausti, der inzwischen in den USA lebt, freut sich über das Wiedersehen und es ist seine Perspektive, aus der auf der einen Zeitebene erzählt wird. Die zweite Zeitebene spielt einige Tage später und die Ereignisse werden dem Leser aus Idunns Sicht geschildert, die Rechtsmedizinerin, die von Reykjavik auf die Inseln reist, um zwei Tote zu untersuchen.

Es entstehen Diskussionen und Spannungen innerhalb der Clique und Misstrauen und Chaos nehmen während der Tage im Ferienhaus immer mehr zu. Es kommt zu Handlungen, die auf der zweiten Zeitebene zu polizeilichen Ermittlungen führen. Idunn und ihr Team haben es mit verwirrenden Erkenntnissen zu tun. Und Idunn, die von den Westmännerinseln stammt und gehofft hatte, nicht mit ihrer Familie konfrontiert zu werden, macht die Begegnung mit Alexandra zu schaffen, ihrer Halbschwester.
Die beiden Zeitebenen im Abstand einiger Tage wechseln sich ab und erhöhen so die Spannung ganz erheblich. Obwohl klar ist, dass die Ermittlungen mit der Clique zu tun haben müssen, erschließt sich dem Leser zunächst nicht, was genau vorgefallen ist.

Yrsa Sigurdardóttirs Schreibstil ist fesselnd und eindringlich und auch die Westmännerinseln und das unberechenbare Wetter dort werden von der Autorin wieder eindrücklich beschrieben. Wie immer in ihren Island-Romanen, spielen Natur und Wetter eine wichtige Rolle und tragen zur bedrohlichen Stimmung bei.

Die Geschichte ist gekonnt konstruiert, komplex, voller Wendungen und Überraschungen bis zum Ende. Mir hat der Thriller sehr gut gefallen, er hat mich bestens unterhalten.

Bewertung vom 09.09.2024
Bis in alle Endlichkeit
Kestrel, James

Bis in alle Endlichkeit


ausgezeichnet

Sehr spannend, düster, komplex und überraschend

Das düstere Cover mit dem auffällig in Rot dargestellten Titel passt zum Buch. Sehr gut gefällt mir, dass der Einband direkt bedruckt wurde und ein Schutzumschlag sich so erübrigt.

Privatdetektiv Lee Crowe findet früh am Morgen vor einem Hochhaus in einer heruntergekommenen Gegend San Franciscos eine tote junge Frau auf dem Autodach einer Luxuslimousine. Er macht Fotos, um sie an die Medien zu verkaufen. Er lässt keine Gelegenheit aus, Geld zu verdienen, obwohl er gerade einen großen Auftrag beendet, der sich über Wochen erstreckt hat. Seine Methoden hierbei zeichnen das Bild eines professionellen und cleveren Ermittlers, der hartnäckig und ohne Skrupel sein Ziel verfolgt.
Sein nächster Auftrag kommt von der Mutter der toten jungen Frau. Sie kann nicht glauben, dass ihre Tochter Selbstmord begangen hat, wie die Polizei schnell schlussfolgert. Lee nimmt Ermittlungen auf, die sich zuerst mühsam gestalten, viele Fragen aufwerfen und allmählich Unglaubliches zu Tage fördern.

James Kestrel schreibt bildhaft und fesselnd, schafft eine düstere Atmosphäre um Lees Ermittlungen, vermittelt aber auch die Schönheit der Küstenlandschaft nördlich von San Francisco. Erzählt wird aus Lees Ich-Perspektive, die Figurenzeichnung ist gelungen und wird immer komplexer, auch durch die Thematisierung seiner persönlichen und beruflichen Niederlagen in der Vergangenheit. Der gelegentliche schwarze Humor seiner Gedanken lockert die beklemmende Geschichte etwas auf und trotz seiner Abgebrühtheit kann er noch schockiert werden, wie sich im Lauf der Geschichte herausstellt.
Andere Charaktere, hauptsächlich die Reichen und Mächtigen, entsprechen ihren Klischees, sind aber durchaus glaubwürdig.
Die wissenschaftlichen Aspekte des Thrillers fand ich unvollständig erklärt, da blieben bei mir Fragen offen. Trotzdem habe ich diese durchgehend spannende Geschichte, die noch vor dem Bestseller „Fünf Winter“ entstanden ist, gern gelesen und wurde gut unterhalten. Ich vergebe 4,5 Sterne und eine Leseempfehlung.

Bewertung vom 03.09.2024
Das Smartphone
Meller, Marc

Das Smartphone


gut

Mehr als ein Gedankenspiel?

Paulas Leben gerät aus den Fugen, als sie ihr altes Handy beim Kauf eines 'neuen' Gebrauchten in Zahlung gibt und der Händler darauf eine Spyware entdeckt. Am nächsten Tag ist der Mann tot. Paula wird von der Polizei verdächtigt und wird mit unerwarteten Entwicklungen konfrontiert.

Die Charaktere werden gut beschrieben und sind glaubhaft, wobei einer der Protagonisten es dem Leser nicht leicht macht, seine Zuverlässigkeit einzuschätzen. Die Handlung beginnt spannend und fesselnd und entwickelt ein hohes Tempo. Man merkt dem Autor seine Erfahrung als Drehbuchschreiber an, ich konnte mir alle Szenen bildhaft vorstellen. Marc Mellers Schreibstil ist angenehm und flüssig zu lesen.

Die Geschichte ist komplex und hat mich mit vielen wissenschaftlichen und technischen Details überrascht, die ausführlich und auch wiederholt geschildert werden, wodurch die Spannung immer wieder ausgebremst wird. Dennoch fand ich die Gefahren von Künstlicher Intelligenz, die epigenetische Daten verarbeitet, von Konzernen missbraucht werden und so auch für die Gesellschaft ungeahnte Konsequenzen haben könnte, gut recherchiert, sehr interessant und auch erschreckend.

Die Handlung wird für mich durch zu viele Zufälle voran getrieben, es gibt meiner Meinung nach unnötige Nebenstränge und manchmal konnte ich das Vorgehen der Protagonistin Paula nicht nachvollziehen.
Das Cover in schwarz und rot mit einer türkis dargestellten Frequenz ist ein Hingucker, wobei ich den Untertitel für irreführend halte. Trotzdem hat mich 'Das Smartphone' gut unterhalten und ich habe das Buch gern gelesen.
Ich vergebe 3,5 Sterne.

Bewertung vom 21.08.2024
Scandor
Poznanski, Ursula

Scandor


ausgezeichnet

Was kostet Dich die Wahrheit?

Ursula Poznanskis neues Buch beeindruckt schon mit dem auch haptisch außergewöhnlichen Cover, genau so kann ich mir Scandor vorstellen, den innovativen unfehlbaren Lügendetektor.

Philipp und Tessa gehören zu den Teilnehmern an einem Wettbewerb, bei dem Scandor getestet werden soll. 100 Kandidaten stellen sich der Herausforderung, jederzeit unbedingt ehrlich zu sein, dem Gewinner winkt ein Preisgeld von 5 Millionen Euro. Wer ausscheidet, muss sich seiner größten Angst stellen.

Die beiden jungen Leute lerne ich bereits beim Bewerbungsgespräch kennen, sie sind authentisch gezeichnete liebenswerte Protagonisten, aus deren jeweiligen Sicht erzählt wird und denen ich gespannt durch den Wettbewerb folge. Die kleinste unbedacht ausgesprochene Unwahrheit führt zum Ausscheiden und es wird schnell deutlich, wie anstrengend jede Begegnung mit anderen Menschen wird, wenn auf jedes geäußerte Wort geachtet werden muss.
Die Figurenzeichnung ist glaubhaft, alle wichtigen Charaktere wecken bei mir Interesse und Gefühle, der Schreibstil ist angenehm zu lesen und 'Scandor' fesselt von Anfang bis Ende. Selbst die Struktur der Geschichte trägt zur Spannung bei, denn jedes Kapitel beginnt mit der Anzahl der noch vorhandenen Kandidaten und es werden auch Momente des Ausscheidens mancher Teilnehmer beschrieben.

Es gibt Begegnungen im Wettbewerb, die Protagonisten wie Leser gleichermaßen verblüffen und Fragen aufwerfen und die Auflösung am Ende hat mich wirklich überrascht. Ursula Poznanski ist ein packendes spannendes Buch gelungen, das Jugendlichen wie Erwachsenen gefallen wird.

Bewertung vom 17.08.2024
All das Böse, das wir tun
Dazieri, Sandrone

All das Böse, das wir tun


sehr gut

Spannend und komplex

Die junge Amala wird am Tor ihres Elternhauses entführt, es gibt keine Lösegeldforderung, keine Kontaktaufnahme des Entführers, keine Ermittlungsergebnisse. Ihre Tante Francesca, eine Anwältin, geht Prozesse durch, an denen sie beteiligt war und stößt auf den Fall des 'Persers', den sie vor 30 Jahren erfolglos verteidigt hat. Der Mann soll mehrere Mädchen entführt und getötet haben, starb im Gefängnis und war wahrscheinlich unschuldig. Ist der wirkliche 'Perser' zurück? Francesca beginnt zu ermitteln und bekommt bei ihrer Suche nach Amala bald Hilfe von dem undurchsichtigen Gerry aus Israel.

Auf einer zweiten Zeitebene, 30 Jahre früher, ist die Protagonistin Itala Corruso mit dem Fall des vermutlichen Serienmörders junger Mädchen beschäftigt, der 'der Perser' genannt wird. Itala, ihre Kollegen, eigentlich ihr gesamtes Umfeld sind korrupt, die beschriebenen Ereignisse und die derbe Sprache fand ich ziemlich abstoßend. Das Wissen um die Vergangenheit ist jedoch notwendig, um die Entwicklung in der Gegenwart zu verstehen.
Der immer deutlich gekennzeichnete Wechsel zwischen den Zeitebenen, verschiedene Perspektiven und Cliffhanger an den Kapitelenden tragen zur Spannung bei und erfordern auch Konzentration beim Lesen.

'All das Böse, das wir tun' überzeugt mit einer komplexen Handlung, wobei besonders die Szenen aus Amalas Gefangenschaft erschrecken und berühren. Die Figurenzeichnung lässt die Charaktere lebendig werden, außergewöhnlich ist Gerry mit seinen geistigen Fähigkeiten und anderen Besonderheiten, ein äußerst interessanter Protagonist.
Sandrone Dazieris Schreibstil ist bildhaft und angenehm zu lesen, gelegentlich empfand ich Beschreibungen jedoch als zu ausführlich und detailliert. Insgesamt hat mich der durchgehend spannende Thriller mit dem düsteren in Schwarz und Rot gehaltenen passenden Cover gut unterhalten, mir aber nicht so gefallen wie die Trilogie um Dante Torre und Colomba Caselli.

Bewertung vom 13.08.2024
Freunderlwirtschaft
Hartlieb, Petra

Freunderlwirtschaft


ausgezeichnet

Vetternwirtschaft und Korruption als Basis des Erfolgs

Das schlichte und doch durch die Farbgebung auffallende Cover des Buchs passt sehr gut zum Thema. Es geht um junge, erfolgreiche, konservative österreichische Politiker, die eloquent und dynamisch auftreten und vordergründig stets zum Wohle des Landes handeln.
Der Tod von Landwirtschafts- und Tourismusminister Max Langwieser unter ungeklärten Umständen zieht Ermittlungen der Wiener Mordkommission nach sich unter der Leitung von Alma Oberkofler. Schon im Prolog lerne ich die Kommissarin kennen, sie hat sich nach einem traumatischen Erlebnis in der Kindheit entschlossen, Polizistin zu werden und hat die Stelle in Wien erst vor wenigen Tagen angetreten. Gern verfolge ich ihre Ermittlungen, die von Vorgesetzten und Politikern immer mehr erschwert werden und nur langsam zu Erkenntnissen führen. Alma ist sympathisch und engagiert und durch Rückblenden in ihre Vergangenheit vervollständigt sich mein Bild von der Protagonistin.
Eine zweite Erzählperspektive kommt durch Jessica hinzu, die Verlobte und Lebensgefährtin des toten Ministers. Sie ist aus Wien geflohen und es bleibt zunächst unklar, ob und was sie mit Max' Tod zu tun hat. Ihre gedanklichen Rückblenden erhellen immer mehr, was in den Tagen vor dem Ereignis passiert ist und auch die politische Entwicklung ihres Verlobten seit der Jugend.

Petra Hartliebs Schreibstil ist lebendig, bildhaft und zeichnet sich durch feinen Humor aus. Ihre Figurenzeichnung ist einfühlsam und glaubhaft und sorgt bei mir für Mitgefühl, ein Schmunzeln oder Wut, je nach dem. Auch die Entwicklung der Protagonistinnen überzeugt. Mit der Figur der nachbarschaftlichen Buchhändlerin scheint die Autorin sich selbst augenzwinkernd in die Geschichte geschrieben zu haben, das gefällt mir.

'Freunderlwirtschaft' ist ein ruhiger Krimi, dennoch spannend, da lange unklar bleibt, wie es zu Max' Tod kam und der Leser außerdem einen Einblick in die fiktiven, dennoch möglichen, politischen Gegebenheiten bekommt.

Die Autorin zeichnet eindringlich das Porträt moderner Politiker, die über ein weit gespanntes Netzwerk verfügen und die vor kaum etwas zurückschrecken, um sich Vorteile zu verschaffen, persönliche und auf parteipolitischer Ebene.

Trotz eventueller österreichischer Besonderheiten ist die dargestellte 'Freunderlwirtschaft' sicher nicht auf unser Nachbarland beschränkt, Vetternwirtschaft, Filz oder Klüngel gibt es überall.

Bewertung vom 04.08.2024
Tode, die wir sterben / Svea Karhuu & Jon Nordh Bd.1
Voosen, Roman;Danielsson, Kerstin Signe

Tode, die wir sterben / Svea Karhuu & Jon Nordh Bd.1


ausgezeichnet

Gelungener, spannender Auftakt einer neuen Serie

Der seit wenigen Monaten verwitwete Kommissar Jon Nordh und die junge Svea Karhuu, die nach einem misslungenen Einsatz als verdeckte Ermittlerin von Stockholm nach Malmö versetzt wird, sollen als neu gegründetes Sonderteam den Tod eines 13jährigen Jungen aufklären, der bei einer Schießerei im Gangmilieu zum Opfer wurde.
Die beiden interessanten Protagonisten werden detailliert eingeführt, sie sind glaubhafte authentische Charaktere mit Ecken und Kanten. Ihnen bleibt kaum Zeit, sich besser kennen zu lernen, trotzdem müssen sie sich aufeinander verlassen und sich vertrauen. Ich begleite sie gern bei ihren spannenden Ermittlungen, die zu komplexen und auch unerwarteten Erkenntnissen führen. Die Autoren binden dabei aktuelle politische und gesellschaftliche Probleme in die Handlung ein, mit denen nicht nur Schweden konfrontiert ist.

Das Verhältnis zwischen Privatem und Beruflichem ist für mich gelungen, der trauernde Jon ist als alleinerziehender Vater von zwei kleinen Kindern überfordert und er hat unbeantwortete Fragen zum Tod seiner Frau. Auch die toughe Svea muss sich mit ihrer Vergangenheit und ihrer ungewissen Zukunft auseinandersetzen. Beider Gefühle sind glaubhaft ausgearbeitet und nachvollziehbar. Auch andere Figuren, die in der Geschichte eine Rolle spielen, finde ich überzeugend charakterisiert.

Erzählt wird abwechslungsreich aus personaler Perspektive Jons oder Sveas, und es gibt eine dritte Erzählstimme, die zunächst rätselhaft bleibt.
Der Schreibstil der Autoren ist bildhaft, lebendig und sprachgewandt und ist sehr angenehm zu lesen. Der vielschichtige Krimi-Fall wird abgeschlossen, aber es bleiben Fragen zu Jon und Svea offen, so dass ich mich auch deshalb auf den für den Sommer 2025 angekündigten zweiten Band der neuen Serie freue.

Bewertung vom 29.07.2024
Pi mal Daumen
Bronsky, Alina

Pi mal Daumen


sehr gut

Mathematik macht keine Unterschiede

In Alina Bronskys neuem Roman mit dem gelungenen augenzwinkernden Cover geht es um die ungewöhnliche Freundschaft zwischen der 53jährigen Moni, familiär sehr eingespannt, mit mehreren Enkeln und Nebenjobs, und dem 16jährigen Oscar, einem talentierten, ich-bezogenen Überflieger ohne soziale Kompetenz und mit autistischen Zügen.
Die Beiden lernen sich als unerfahrene und verwirrte Erstsemester beim Mathematikstudium kennen und Oscar, aus dessen nüchterner Ich-Perspektive erzählt wird, hilft Moni anfangs gönnerhaft, sich im Universitätsleben zurecht zu finden.

Die warmherzige, immer hilfsbereite Moni und der nie um mathematische Tipps und Empfehlungen zur besseren Strukturierung des Alltags verlegene Oscar profitieren voneinander und Oscar ist zunehmend fasziniert von Moni und ihrem Hintergrund. Beide Charaktere entwickeln sich und es macht Spaß, sie im Privatleben und beim Studium zu erleben. Die liebenswerte Moni habe ich schnell ins Herz geschlossen.

Alina Bronskys Schreibstil ist angenehm und leicht zu lesen, die Geschichte ist durch Oscars einerseits weltfremde und andererseits sachliche Erzählweise sehr humorvoll und unterhaltsam. Monis und Oscars Figurenzeichnung ist gelungen, während ich Nebenfiguren überspitzt dargestellt finde.
Mir gefällt, welche Rolle die Mathematik als Wissenschaft in der Geschichte spielt. Die Autorin weiß das Wesen der Mathematik gut zu vermitteln und auch wenn ich mit mathematischen Details manchmal nicht viel anzufangen wusste, hat das mein Lesevergnügen keineswegs beeinträchtigt. Diese Geschichte um die Freundschaft zweier Außenseiter hat mir gut gefallen und ich spreche gern eine Leseempfehlung aus.