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Benutzername: 
Luisabella
Wohnort: 
Hamburg

Bewertungen

Insgesamt 191 Bewertungen
Bewertung vom 24.06.2024
Malnata
Salvioni, Beatrice

Malnata


sehr gut

»»Die Leute geben ihr diesen grausamen Namen«, fuhr er fort […]. »Sie hat ihn immer wie eine Rüstung getragen. Sie ist ein stolzes, starkes Mädchen. Was andere sagen, kümmert sie nicht. Und das ist heutzutage das Einzige, worauf es ankommt.«« (S. 132) 💔

Monscia in der Lombardei, 1935. Die behütet, im gutsituierten, katholischen, strengen Elternhaus aufgewachsene Francesca soll vor allem eins sein: Ein braves Mädchen, das sich fügt, schön und still ist. Ihr Leben lang hat sie daran geglaubt, bis ihr Weltbild durch ihre neue Freundin ins Wanken gerät. Sie lernt die ein Jahr ältere Maddalena, die von allen Malnata [‚Die Unheilbringende‘] genannt wird, kennen 🍒 und mit deren beiden Gefährten Filippo & Matteo ein ganz neues Leben:

»Jetzt, wo ich mit den Malnati zusammen war, die ich früher nur aus der Ferne beobachtet hatte, schien es mir, als würde die Welt bei ihnen beginnen. Als würde mein Leben noch einmal von vorne anfangen.« (S. 87)

Sie verbringt einen ‚idyllischen‘ Sommer mit diesem Trio, und findet in Maddalena ihre erste Freundin.💘 Trotz dieser schönen Momente, passieren sehr schlimme Dinge. 🍊🦎🐈‍⬛ Dabei lernt Francesca mit Maddalena sich gegen Regeln aufzulehnen, aus dem starren Erwartungen des Patrichariats auszubrechen und zu sich selbst zu stehen. Schnell wird deutlich, wie hart das Leben zu Maddalena war und, dass die Gesellschaft diejenigen abstraft, die vermeintlich Leid und Unglück bringen — insbesondere, wenn sei weiblich, rebellisch, eigenwillig, kritisch sind, sich nicht an Regeln halten und Gerechtigkeit fordern.

»»Ich hätte es nicht für möglich gehalten.« [Francesca] — »Was?« [Maddalena] — »Dass man sich auflehnen kann«, antwortete ich. »Das habe ich von dir gelernt.«« (S. 174) 👯‍♀️

»Malnata« von Beatrice Salvioni (übersetzt aus dem Italienischen von 🇮🇹 Anja Nattefort) zeichnet sich durch den rauen Ton, Gewalt sowie das historische, faschistische Setting, aber auch die Lichtblicke durch Freundschaft & Liebe aus.💔❤️‍🔥 Der Roman hat mich gefesselt und ich habe das Buch förmlich verschlungen 🥵💔 Es ist ein absoluter Pageturner 💥, dennoch passen einige Dinge nicht ganz zusammen:

⠃Das Alter der beiden Protagonistinnen finde ich mit ca. 12-14 deutlich zu jung für die beschriebene Geschichte, Konversationen & Entwicklungen. Sicherlich muss man das Setting im faschistischen Italien im Jahre 1935 dabei berücksichtigen, und ebenso die harten Schicksalsschläge, die Maddalena sicherlich haben älter und eigenständiger werden lassen, als vergleichsweise Gleichaltrige. Dennoch war dies nicht für mich in sich nicht stimmig.

🇮🇹 Der völkerrechtswidriger Angriffs- und Eroberungskrieg des faschistischen Königreichs Italien gegen das Kaiserreich Abessinien (Äthiopien) in Ostafrika (03.10.1935-05.05.1936) hätte m.E. nach geframed und zumindest in einem Nachwort erläutert werden sollen.

🗯️ Dasselbe gilt für mich für die wiedergegebenen faschischten Parolen, die zwar durch Malnatas Kommentar kritisiert werden. Insgesamt ist Malnata aber die einzige Figur, die in diesem Setting die politische Lage und Faschismus kritisiert und again ist dies für das Alter ebenfalls sehr fragwürdig, insbesondere vor dem Hintergrund ihrer Bildung sowie der Umstände ihrer Familie. Durch Francescas Vater wird allenfalls deutlich, dass es Mitläufer*innen gab. Das historische Setting ist für mich daher ausbaufähig, wobei ich natürlich verstehe, dass dies nicht der Fokus der Story war. Dennoch frage ich mich, warum genau dieses Setting gewählt worden ist

💎 Die im Vordergrund stehende feministische Freundschafts-Coming-of-Age Story ist — vor dem Hintergrund der genannten Kritikpunkte 🤏🏼 — wirklich sehr stark, eindringlich, fesselnd erzählt. Eine Hymne an die Freundschaft, die gemeinsam für Gerechtigkeit kämpft und das Beste aus allen zuvorbringt und wachsen lässt.

Alles in allem habe ich den Roman sehr gerne gelesen.💛 Ich kann den Roman unter Berücksichtigung der CN (*) und der genannten Kritik sehr empfehlen — er ist und bleibt ein krasser Pageturner mit starken, authentischen Figuren und großartiger Kritik am Patrichariat. 🔥🖤

Highlight waren für mich Diamanten Sätze 💎 wie: »Eine erwachsene Frau zu sein, bedeutete, einem Mann, wenn er sagte: »Du gehörst mir«, in die Augen zu sehen und ihm zu antworten: »Ich gehöre niemandem.«« (S. 250) 🔥🔥🔥

[* CN: s3xueller Missbrauch, Gewalt, Suizid, Misogynie, Tod]

Bewertung vom 18.06.2024
Wo die Asche blüht
Que Mai, Nguyen, Phan

Wo die Asche blüht


gut

Nach ihrem vielfach ausgezeichneten und übersetzten Bestseller »Der Gesang der Berge« verdichtet die Autorin Nguyễn Phan Quế Mai auch in ihrem neuen Roman historische Ereignisse aus der Zeit des Vietnamkriegs zu einer eindrucksvollen und berührenden Geschichte.

»Wo die Asche blüht« (übersetzt aus dem US-Amerikanischen »Dust Child« von Claudia Feldmann) arbeitet mit drei Erzählsträngen auf zwei Zeitebenen und erzählt von Amerasier*innen und dem Vietnamkrieg am Beispiel der fiktiven Geschichte der beiden Schwestern Trang und Quỳnh im Vietnam 1969. Als junge Frauen gehen die beiden Schwestern nach Saigon, um als Barmädchen schnelles Geld an den Amerikanern zu verdienen und den Eltern aus den Schulden zu helfen sowie Geld für die eigene Zukunft und Bildung zu sparen. Für viele junge Frauen entpuppte sich diese Arbeit in den Bars anders, als zunächst angenommen und führte zu

Parallel zu diesem Erzähl- und Zeitstrang wird zum einen die Suche von dem Mann Phong beschrieben, der als Kind einer Vietnamesin und eines ehemaligen GIs, der in einem Waisenhaus aufwuchs, und seinen Vater sucht, um in die USA auswandern zu können. Zum anderen wird die Rückkehr eines amerikanischen Veterans nach Vietnam erzählt, der sich damit nicht nur seinen inneren Dämonen und Kriegstraumata stellen muss, sondern auch seiner Vergangenheit und Verantwortung.

Bereits mit ihrem Debütroman hat Nguyễn Phan Quế Mai gezeigt, was für eine großartige Erzählerin sie ist und wie gekonnt sie historische Ereignisse und Vergangenheit in einem fiktionalisierten Kontext einem großen Publikum zugänglich macht. Auch in ihrem zweiten Roman liest sich klar heraus, über was für ein umfangreiches Fachwissen die Autorin verfügt (sie hat hierzu ebenfalls promoviert!). Dennoch hatte dieser zweite Roman einige Längen für mich und war mir etwas zu vorhersehbar. Nichtsdestotrotz behandelt dieser Roman wichtige Themen, die viel zu wenig Beachtung finden, sehr gut und ich mag die Art des Schreibens sehr.

Insgesamt eine klare Leseempfehlung für den neuen Roman der Autorin, auch wenn mir das Debüt noch besser gefallen hat. ❤️

P.S.: Schade finde ich, dass das Cover im Original so viel schöner und passender ist, als die deutsche Version. (Dies war beim Vorgänger ebenso.)

[3.5/5 ★ ]

Bewertung vom 17.06.2024
Herr Kiyak dachte, jetzt fängt der schöne Teil des Lebens an
Kiyak, Mely

Herr Kiyak dachte, jetzt fängt der schöne Teil des Lebens an


ausgezeichnet

»Wie geht es Herrn Kiyak, will der Psychologe wissen. Herr Kiyak dachte, jetzt fängt der schöne Teil des Lebens an, umschreibe ich vorsichtig Papas Lage. So eine Nachricht platzt immer überraschend rein, erklärt er mir. Ist das so?, frage ich. Krankheit kommt in den Plänen der meisten Menschen nicht vor, meint der Psychologe, wenn es eintritt, wirft es alle aus der Bahn. Bei uns, fange ich zögerlich an, legt man sich einfach hin, richtet letzte Grüße aus und stirbt.« (S. 88)

In ihrem neusten Buch »Herr Kiyak dachte, jetzt fängt der schöne Teil des Lebens an« nimmt die Autorin & Journalistin Mely Kiyak die Krebserkrankung ihres Vaters zum Anlass, um über die gemeinsame Vater-Tochter-Beziehung zu schreiben. Dabei erzählt sie Anekdoten & Berichte aus dem Leben ihres Vaters, der als Gastarbeiter aus der Türkei nach Deutschland kam; kritisiert das deutsche Gesundheitssystem und den Umgang mit Gastarbeiter*innen; und zeigt, dass einfach Krankheiten elendig ungerecht sind und, wie sehr Krankheit Betroffene und Angehörige treffen kann. Der Roman ist sehr vielschichtig und facettenreich, aber dabei keineswegs überfrachtet. Die abwechselnden Erzählungen und insbesondere der Schreibstil machen dieses Buch so besonders.

»Der Gastarbeiter hat die Dämpfe tief in seine Lunge eingeatmet und sich über die Jahre einen schönen Krebs als Gastgeschenk erarbeitet.« (S. 123)

Doch trotz all dieser ernsten, schweren und wichtigen Themen gelingt es der Autorin mit einer scheinbaren Leichtigkeit, dies alles in Worte zu fassen und so zu formulieren, dass mensch abwechselnd weinen und lachen möchte. Ein unglaublich berührender Roman, der direkt ins Herz geht. ❤️‍🩹

Der Roman hat mich an das Buch »Das Leben ist ein vorübergehender Zustand« von Gabriele von Arnim erinnert und diese Thematik aus der Perspektive einer Tochter widergespiegelt.

Ganz ganz große Leseempfehlung — ebenso für ihr biografisches Buch »FRAUSEIN«. 🖤

[4.5/5 ★]

Bewertung vom 28.05.2024
Und alle so still
Fallwickl, Mareike

Und alle so still


gut

»«Das Patriarchat kann sich darauf verlassen, wann immer irgendwo ein Kind oder eine alte Person umfällt, kommt eine Frau und hebt es auf», sagt Barbara.« (S. 176)

Jetzt stell Dir vor, Frauen streiken kollektiv. Sie liegen gemeinsam auf dem Boden und liegen einfach still dort. Ohne laute Forderungen, ohne Protestschilder, weil uns allen ja klar sein müsste, warum sie da liegen. Und damit legen sie unsere Gesellschaft lahm. …

Genau dieses Szenario schreibt Autorin Mareike Fallwickl in ihrem neuen feministischen Roman »UND ALLE SO STILL«. Sie schreibt darüber, wie es wäre, wenn Frauen sich solidarisch niederlegen und damit auch ihre Tätigkeiten — die bezahlten Jobs und viel wichtiger die unbezahlte Care-Arbeit. Sie schafft mit ihren drei Protagonist*innen, der Berichterstattung, Gebärmutter und Pistole 🔫 verschiedene Perspektiven auf das Patrichariat und kritisiert dieses: Sie zeigt auf, was Care- und Sorgearbeit uns abverlangen; wie fragil unser Gesundheitssystem ist; entlarvt die Lügen, die der Kapitalismus uns allen verkauft und führt uns vor, wie wir alle — unabhängig vom eigenen Geschlecht — unter dem Patrichariat, den toxischen Glaubenssätzen und mangelnder Solidarität leiden. 💥

»Der Schmerz, der mit fehlender Solidarität einhergeht, nutzt sich nie ab. Und es ärgert sie, dass er jetzt so nah bei ihr steht wie ein alter Freund.« (S. 73) — Mareike’s neuer Roman liest sich wie ein brennendes, feministisches Plädoyer für Solidarität und Schwesternschaft❤️‍🔥

Die zarte Freundschaft zwischen Influencerin Elin und Multi-Jobber Nuri zeigt: Es gibt Hoffnung und wir alle profitieren von einer faireren, humaneren und emphatischeren Welt. »Danke, dass du auf mein Angebot, ehrlich zu sein, mit Ehrlichkeit reagiert hast.« (S. 134) ❤️‍🩹

Für mich hört der Roman genau da auf, wo es so richtig spannend wird: Was passiert nach dem in Gang setzen der Revolte? Wie kann das Feuer aufrechterhalten werden? 🔥 Die Figuren dieses Romans sind teilweise überzeichnet und es gibt sehr detailreiche Beschreibungen, die ich etwas zu ausufernd finde (auch wenn die Kritik dadurch natürlich umso deutlicher wird). Dadurch hat das Buch für mich an Spannungskraft verloren. Dennoch hält Mareike Fallwickl auch mit diesem Roman gekonnt unserer Gesellschaft den Spiegel vor, polarisiert mit der Utopie und regt zum Diskurs an. 💬

Ein starker, wütender, feministischer Roman, von dem ich mir eine Fortschreibung wünsche.

»«Es ist gut, dass Frauen Sorgenotstände auffangen, dass sie sich an menschlichen Bedürfnissen orientieren und nicht an Macht, Profit und Wettbewerb», sagt Barbara und zieht ihre Hand wieder zurück, «es ist gut, dass sie sanft sind und zugewandt und unterstützend. Aber so, wie wir momentan leben, gehen sie dabei drauf.» […] «Frauen sollten sich das nicht abtrainieren, sie sollten nicht aufhören damit», fügt Barbara hinzu, «aber Männer sollten endlich damit anfangen.»« (S. 238)

Habt Ihr das Easter Egg 🐣 aus »DIE WUT, DIE BLEIBT« entdeckt? 👀

[3.5 / 5 ★]

Bewertung vom 12.05.2024
Happy Hour
Granados, Marlowe

Happy Hour


schlecht

Die Storyline von »HAPPY HOUR« von der Autorin, Filmemacherin, Podcasthost & bildender Künstlerin Marlowe Granados (übersetzt aus dem amerikanischen Englisch von Stefanie Ochel) klingt großartig: Isa Epley ist einundzwanzig Jahre alt und weise genug, um zu wissen, dass der Sinn des Lebens im Vergnügen liegt. CHEERS🍸🗽 Gemeinsam mit ihrer Bestie Gala verdient sie sich gerade so viel Geld, dass sie auf der Upper East Side in die Welt der Reichen & Schönen teilhaben können und sich einladen zu lassen. Was kostet es, Teil dieser Partywelt zu sein und was ist Isa bereit zu zahlen?

Was eine großartige Klassismus- und Gesellschaftskritik sowie ein NY-City Coming-Of-Age Roman hätte sein können, bleibt mir leider zu oberflächlich und erreicht mich emotional überhaupt nicht. Sehr schade, hatte ich mir von der Storyline und dem Cover so viel mehr erhofft. Leider hat das mit dem Roman und mir nicht gepasst.

Bewertung vom 12.05.2024
Windstärke 17
Wahl, Caroline

Windstärke 17


ausgezeichnet

»Leifs Mundwinkel zucken, und in diesem Moment will ich nichts lieber, als ihn ganz zum Lachen zu bringen.« (S. 100) 🥹

Hand auf’s Herz: Wer hat das Debüt »22 Bahnen« von Caroline Wahl letztes Jahr nicht verschlungen und sich krass in Tilda & Ida und wahrscheinlich auch ein klitzekleines bisschen 🤏🏼 in Viktor verliebt? 🥵 Eben. 🤝🏼 Folgerichtig hat mein Herz einen kurzen Aussetzer gemacht, als ich den neuen Roman von Caro in der Vorschau entdeckt habe. And here we are falling in love again: Diesmal steht Ida - Tildas jüngere Schwester - im Zentrum der Erzählung. Die kleine Ida ist erwachsen, geblieben ist die Wut in ihr.

»Manchmal denke ich, dass Schreien einfach das Einzige ist, das wirklich hilft. Alternative wäre Armabhacken, nicht metaphorisch gemeint. Wo soll der ganze Scheiß denn sonst hin?« (S. 43)

Nach dem Tod der alkoholkranken Mutter droht Tilda in einer Depression zu ertrinken. Tilda — inzwischen promovierte Mathematikerin und Mutter von fünfjährigen Zwillingen — lädt ihre jüngere Schwester zu sich nach Hamburg ein. Ida steigt in Hamburg nicht aus, sondern fährt mit dem Zug bis zur Endstation Stralsund und strandet auf Rügen.

Dort sitzt Ida nach ein paar Umwegen am Frühstückstisch des Ehepaares Marianna und Knut und isst gemeinsam mit diesen Brötchen mit Eszet-Schnitten (Kindheitsnostalgie pur 🤌🏼). Diese beiden Norddeutschen nehmen Ida - typisch nordisch eben 🤍 - ohne viele Fragen zu stellen auf und ganz langsam lernt Ida, das Leben wieder zu schätzen. Und während Ida sich mit ihrer Wut, Trauer, Verlust, Vertrauen, Fürsorge, Schreibblockade und vielen alten und neuen Gedanken und Erlebnissen auseinandersetzen muss, isst sie Botinchen, Eszet-Brötchen oder Käsekuchen mit Marianne, wirft sich in die Ostsee und kämpft gegen die Wellen und vor allem sich selbst an 🌊, spielt Elfer-Raus & Phase10 & UNO mit Leif und Marianne und verliebt sich.

»Marianne: Ida, du bist so eine schlechte Verliererin. Das ist nur ein Spiel.
Ich: Ich bin keine schlechte Verliererin.
Ich bin eine schlechte Verliererin.« (S. 81)

Mit ihrem neuen Roman »WINDSTÄRKE 17« macht die Autorin Caroline Wahl genau da weiter, wo sie mit ihrem Debütroman »22 BAHNEN« letztes Jahr aufgehört hat (und zahlreiche Preise für dieses krasse Debüt erhalten hat). Steile These von mir: Egal, was Caro mit ihrem unverwechselbaren Sound aus wahnsinnig feiner Beobachtungs(-wieder-)gabe, Humor, Ironie, Ehrlichkeit und Stil schreibt, ich werde es lesen und lieben. ❤️‍🔥

»Wir schwimmen ins offene Meer, ich tauche so tief, bis es wehtut, und meine, beim tiefsten Punkt kurz seine Hand über mein Bein streichen zu spüren, ärgere mich über meinen Körper, der umgehend eine neue Berührung will, die nicht kommt, und begreife irgendwie, dass es wahrscheinlich immer so sein wird mit ihm. Dass ich mich nie darauf werde verlassen können, dass eine neue Berührung kommt. Dass immer was dazwischenkommen kann und dass er wahrscheinlich nicht so sehr eine Berührung will von mir wie ich von ihm.« (S. 121)

Es sind diese feinen Sätze, diese ehrlichen Beschreibungen von Gefühlen, zwischenmenschliche Beziehungen, Identitätssuche, Alltäglichem, die Empathie erzeugen, Erinnerungen wecken, Gefühle hervorrufen und damit jede*n von ganz woanders abholen und vermutlich auf eine andere Weise berühren. Und das ergibt einfach ein wahnsinnig gutes Buch.

»Es riecht nach Herbst, obwohl es noch nicht Herbst ist, und es weht eine schwache Brise, drei Windstärken schätze ich. Mindestens 17 Windstärken in mir, als wir durch das Tor gehen.« (S. 252) 🌊


In Short auf Norddeutsch (aka Northern German humbleness): Der Roman ist schon ziemlich OK.

Nochmal für alle: Caro did it again 🔥 und hat ein großartigen Roman rausgehauen. Große Liebe hier 🩵 Lest es & liebt es 🌊💙

[CN: Depression, Verlust, Trauer, Tod]

P.S.: Und die kurzen Einblicke auf Tilda’s & Viktor’s Leben made my heart ful. Exakt der richtige Mix aus Rückbezügen auf das Debüt. 🥹

Bewertung vom 12.05.2024
Sorry not sorry
Landsteiner, Anika

Sorry not sorry


sehr gut

»Wer sich von Scham befreien will, muss sich ihr stellen.« (S. 17)

& genau dieses sich-der-eigenen-Scham-stellen ist in den allermeisten Fällen einfacher gesagt als getan. Aber das, was wir dadurch erreichen können, ist so wertvoll: Selbstermächtigung und einen andere Hoheit auf unsere Schamgefühle und die auslösenden Situationen / Gedanken / Geschichten.

Anhand ihrer eigenen Empfindungen von Körperscham, Identitätsscham und Statusscham setzt sich die Autorin & Journalistin Anika Landsteiner mit Scham in einer ‚persönlichen und gesellschaftlichen Spurensuche‘ (S. 17) auseinander. In 10 Essays diskutiert sie, überdenkt sie, reflektiert sie, zerlegt sie die Scham in ihre Einzelteile und schafft ein neues Ganzes: Eine empowernde, inspirierende und feministische Perspektive auf Scham. 💥

»Mich zu schämen, hat mich in meinem Leben immer wieder ausgebremst. Verunsichert. Beleidigt. Verletzt. Entblößt. Erst indem ich über die Emotion geschrieben und sie nicht nur als lästig empfunden habe, kann ich sie als einen Schlüssel zur Selbstreflexion nutzen. […] Sie schärft meinen Bullshit-Radar.« (S. 241)

Yes, I am Anika-Fan-Girl 💘 (#sorrynotsorry) und ich liebe, wie sie schreibt. Da macht das Genre keinen Unterschied: Ihre Romane (»Nachts erzähle ich dir alles« 🥐 & »So wie du mich kennst« 🗽) habe ich sehr geliebt 🥹, aber auch auf ihre regelmäßigen Newsletter 💌 freue ich mich immer in meiner Inbox. Dementsprechend MUSSTE ich ihr erstes populärwissenschaftliche Sachbuch lesen: »SORRY NOT SORRY — über weibliche Scham« von Anika Landsteiner 💜💚 ist im Verlag Rowohlt Polaris erschienen.

Ich bewundere sehr, wie mutig und persönlich Anika über diese wichtige, feministischen und gesellschaftskritischen Themen schreibt. Aber ich hätte mir bei den Essays mehr Tiefgang, mehr wissenschaftliche Bezüge und einen stärkeren Fokus auf Schamgefühle und die gesellschaftliche, soziologische, feministische, differenzierte Auseinandersetzung damit gewünscht. Für Personen, die sich viel mit Feminismus auseinandersetzen, sind Anikas persönliche Erlebnisse und ihre Reflektion zu den verschiedenen Themengebieten neu. Daneben werden sehr viele ‚feministische Basics‘ aufgegriffen, das passiert mit guten Rückbezügen, aber hätte es für mich in diesem Kontext nicht gebraucht. Das ich daher von dem Buch enttäuscht bin, liegt sicherlich zum einen an meinen Erwartungen und zum anderen an meinem Vorwissen. Alle Personen, die sich bislang wenig mit Feminismus auseinander gesetzt haben, werden hier viel lernen können.

All in all: Eine sehr persönliche, feministische Auseinandersetzung mit weiblicher Scham, die mich inspiriert und meine eigene Reflektion bereichert hat. 💜 Schlussendlich empfehle ich allen Anikas Schreiben -- egal welches Buch, daher auch 4 (anstatt nur 3.5 / 5 Sternen, und #sorrynotsorry).

Bewertung vom 10.05.2024
Hallo, du Schöne
Napolitano, Ann

Hallo, du Schöne


gut

»Sylvie fing wieder an, Romane zu lesen, und genoss das trunkene Vergnügen, in fiktionale Welten einzutauchen. Sie war dankbar, mit beiden Beinen fest genug auf der Erde zu stehen, um das tun zu können.« (S. 157) 📖

Diese schöne Beobachtung einer der Protagonist*innen aus »HALLO DU SCHÖNE« über das Lesen fühle ich sehr. 🤝🏼 Mensch braucht dafür die nötige innere Ausgeglichenheit. 💭

In ihrem neuen Roman »HALLO DU SCHÖNE« schreibt Dozentin und Autorin Ann Napolitano, übersetzt aus dem amerikanischen Englisch von Werner Löcher-Lawrence, über vier sehr unterschiedliche und miteinander verbundene Schwestern Julia, Sylvie, Cecelia & Emelie und deren Leben.

»William dachte, dass seine Verlobte [Julia] mit dem Taktstock eines Dirigenten durch die Welt ging, während Sylvie ein Buch mit sich trug und Cecelia einen Pinsel. Emeline dagegen hatte die Hände frei, um helfen oder das Kind einer Nachbarin nehmen und trösten zu können.« (S. 69)

Julia verliebt sich auf dem College in den Basketballer William 🏀 und so entwickelt sich eine Lovestory, die nicht für alle Zeit gemacht war. Und manchmal ist das Leben eben so, weil sich daraus andere Chancen ergeben. 🚀

Ann Napolitano schreibt davon, was es heißt, ein Teil einer tollen ‚Schwesterngirlande‘ 👯‍♀️👯‍♀️ zu sein; seine Träume aus den Augen zu verlieren, um sie mit umso größerer Entschlossenheit wieder aufzunehmen; vom Finden, Scheitern und Neu-Finden der Liebe; über den Preis und die Kraft der Liebe; über Zusammenhalt und Familie.

Es werden viele Themen (Depression, Suizidversuch, Familienbande, Krebs, Queerness, Pflegeelternschaft und und und) in diesem dicken Roman untergebracht, bei denen mir einige zu kurz kamen (trotz des Romanumfangs von 500 Seiten). Auch die Idealisierung von Schwesternschaft (ich habe selbst 3 jüngere Schwestern, die ich sehr liebe) war mir stellenweise too much. Dennoch ging mir das Ende dann doch - auch trotz einiger Längen - etwas zu schnell. Aber vielleicht erzählt die Autorin die Geschichte aus Alice Sicht noch einmal weiter, wer weiß? Toll fand ich die verschiedenen Erzählperspektiven, wodurch dieser Roman nicht wertet, was mir sehr gut gefällt. 🫰🏼

Ein Roman, den ich gerne gelesen habe und allen empfehlen kann, die in eine schöne Geschichte eintauchen wollen. 💜

P. S.: Und das Cover ist einfach so schön.

[3.5/5 ☆ ]

Bewertung vom 22.04.2024
Yellowface
Kuang, R. F.

Yellowface


gut

Mit »YELLOWFACE« schafft Rebecca F. Kuang - übersetzt aus dem US-Amerikanischen von Jasmin Hamburg - genauso wie auch mit ihrem ersten Roman »BABEL« erneut einen absoluten 💥 B o o k s t a g r a m H y p e 💥 Ich meine, wessen Feed war Ende Februar nicht gelb geflutet? 🤝🏼



Is it worth the hype?
Meine 2 Cents gibt’s hier, unterschieden in YES 💛 & NO 🟡 Argumente:



💛 Wie auch in »BABEL« schreibt Rebecca F. Kuang kritisch über die Literaturbranche. War es in »BABEL« das Thema Übersetzung das in der Dark-Fanatasie eingebettet war, bekommt im neuen Roman »YELLOWFACE« die Verlagsbranche ihr ‚Fett weg‘. Es ist ein Mix aus Blick hinter die Kulissen und Kritik an der Entstehung / Entwicklung von Manuskripten zu Büchern von Agentur über Lektorat, bis zu Marketing & Social Media Macht.

💛 Moderne, aktuelle Gesellschaftskritik meets Satire 💥 Die Autorin rechnet satirisch-kritisch am Beispiel ihrer Protagonistin und der gestohlenen Romane mit unserer Gesellschaft ab: (Anti- Asiatischem-) Rassismus, Own Voice, Cancel Culture, kulturelle Aneignung, Kapitalismus, Power of Marketing, Social-Media-Himmel-Hölle 😈

🟡 Überzeichneter, unterhaltsamer, aber relativ leicht vorhersehbarer Plot mit Thriller-Vibes 🥞

🟡 Die Kritik ist vor allem durch den Kontext eindeutig und könnte noch komplexer herausgestellt werden. Letztlich ist von der Storyline »YELLOWFACE« auch das Werk von June, erzählt es die Ereignisse aus ihrer Sicht. Somit ist der wahre Plottwist an »YELLOWFACE« die Tatsache, dass es genau das Gegenteil eines Shitstorms auslöst. (Meta-Meta-Ebene …) Have you thought about it? 💭

🟡 Das Buch ist sehr schwarz-weiß und will polarisieren. Dadurch wird die moralisch sehr fragwürdig handelnde Protagonistin June (aka Juniper Hayward, 27 Jahre) nicht nur klischeehaft und überspitzt dargestellt, sondern ihre selbstgerechte Art und Denkweise wird nicht reflektiert, sie entwickelt sich nicht und gerade eine tiefgehendere Auseinandersetzung (und aus meiner Sicht gespickt mit einem Lernen aus den eigenen Fehlern (wenn man dies schon nicht aus fremden Beispielen gelernt hat)) wäre gerade das Interessante gewesen.

🖤 Zwischen all dieser Kritik gab es auch schöne Liebeserklärungen 💘 an das Schreiben und die Macht von Literatur:

»Wenn wir lesen, sehen wir die Welt durch die Augen anderer. Literatur baut Brücken; sie macht unsere Welt größer, nicht kleiner.« (S. 129) 🖤

»Nichts ist so nah an echter Magie wie das Schreiben. Schreiben heißt, etwas aus dem Nichts zu erschaffen, Türen zu anderen Welten zu öffnen. Schreiben gibt dir die Kraft, dein eigenes Reich zu formen, wenn die Realität zu sehr schmerzt.« (S. 267)

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SO ALL IN ALL: Mir persönlich war die Geschichte zu überzeichnet, oberflächlich, vorhersehbar und platt. Ja, es ist ein unterhaltsamer Roman (aus meiner Sicht mit einigen Längen), der sich gut lesen lässt. Dem großen Hype kann ich mich nicht anschließen, und für mich ist es kein inhaltliches Highlight. Aber ich schätze, dass der Roman einfach sehr polarisiert, wie auch schon der Vorgänger-Roman »BABEL«. Vor allem zeigt der Hype um dieses Buch sehr gut, wie viel Auswirkung richtig gutes Marketing haben kann. 🤝🏼


Are you fan 💛 or did the hype make you read it💥?

Bewertung vom 18.04.2024
Das glückliche Paar
Dolan, Naoise

Das glückliche Paar


sehr gut

»Bei jedem anderen Paar wäre «Der Bräutigam hat die Braut wahrscheinlich vor ein paar Jahren mit der Brautjungfer betrogen» schon die Megakatastrophe. Aber für dieses glückliche Paar an diesem glücklichen Tag lief das total unter business as usual.« (S. 246)

In ihrem neuen Roman »Das glückliche Paar« 🦢 (übersetzt aus dem Englischen von Anke Caroline Burger) entlarvt Autorin Naoise Dolan messerscharf unsere Lügen, die wir uns selbst und anderen erzählen und seziert die Beziehungen von Celine & Luke & Archie & Maria & Phoebe & Vivian, wobei sie uns eigentlich einen Spiegel vorhält. G R O S S A R T I G 🤝🏼🧡🩷

Die erfolgreiche Pianistin Celine und der Marketingexperte Luke sind ein seit einigen Jahren ein Paar, das eben einfach beschließt, zu heiraten. Aus fünf verschiedenen Perspektiven wird die Beziehung, die Verlobungsfeier und das Leben reflektiert, während die Zeit unweigerlich auf die Hochzeit zu steuert. Das Ménage à trois zwischen Celine, Luke und Archie wird dabei genauso analysiert, wie die queeren Ex-Beziehungen der beiden als auch die Einflüsse des Patrichariat.

»Das Leben winkte einem nur selten mit eindeutigen red fags. Meistens sah man nur kleine, rote Stofffetzen. Die konnten ein Muster bilden. Oder sie waren einfach nur rote Punkte.« (S. 58) 🚩🎈

Pointiert, intelligent, scharfsinnig, humorvoll, reflektierend und sarkastisch schreibt die Autorin eine moderne Lovestory 🦢💘 . Wie man so gut, Charaktere so stimmig beschreiben kann, hat mir extrem gut gefallen. 😮‍💨 Naoise ist damit eine extrem gute Charakterstudie gelungen 👀 Im Verlauf des Romans werden bestimmte Szenen wieder aufgegriffen und Lesende erhalten so mehrere Perspektiven auf Situationen und Gespräche, die es einem ermöglichen alle Figuren gleichermaßen dafür zu feiern / lieben / hassen / sympathisch zu finden oder eben nicht — das obliegt den Lesenden selbst. Wer kennt sie nicht?!: Die Person, die einfach keine Entscheidung treffen kann? Die Person, die trotz deutlicher Signale wegsehen will? Die Person, die einfach nicht loslassen kann?

»«Ich weiß, dass du [Luke] sie [Celine] liebst», fügte Vivian hinzu. «Wahrscheinlich liebt sie dich auch. Aber man kann sich lieben, ohne dass man deswegen auf lange Sicht für eine gute Partnerschaft geeignet ist. […]« (S. 224)

Ich für meinen Teil kann sagen, dass ich mich extrem gut unterhalten, abgeholt und unsere modernen Beziehungen analysiert fühle. 🥵 Ein Banger 💥, den ich kaum aus der Hand legen konnte, und sehr empfehlen kann. 🦢🩷❤️🧡