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YukBook
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München

Bewertungen

Insgesamt 278 Bewertungen
Bewertung vom 24.03.2024
Wellness
Hill, Nathan

Wellness


ausgezeichnet

Über eine Liebe und Ehe, die heftige Risse bekommt, ist schon viel geschrieben worden. Selten ging ein Autor aber so in die Tiefe wie Nathan Hill in diesem Roman.

Die Psychologiestudentin Elizabeth und der junge Fotograf Jack lernen sich 1993 in Chicago kennen und werden schnell ein unzertrennliches Paar. Der Kontrast zwischen der Phase, in der sie auf Wolke sieben schweben, und ihrer Ehe, in der Planung und Pragmatismus jegliche Romantik vertreibt, wird durch den dramaturgischen Aufbau verstärkt. Der Autor springt wild zwischen verschiedenen Zeitebenen hin und her und breitet die Herkunft und Familiengeschichte der beiden episch aus, so dass man begreift, warum sie so handeln wie sie handeln.

Nathan Hill geht nicht nur in die Tiefe, sondern auch in die Breite und entlarvt, was die Haupt- und Nebenfiguren mit ihren unterschiedlichen Überzeugungen und Illusionen für die Realität halten. Egal, ob es um Gentrifizierung, Beziehungspsychologie, Verschwörungstheorien, Algorithmen oder Spiritualität geht, über jedes Thema schreibt er so detailliert und kenntnisreich, als wäre es sein Fachgebiet. Immer wenn ich das Gefühl hatte, es wird zu ausufernd, wurde ich von einer neuen Offenbarung überrascht. Dieser großartige Roman über zwei Menschen, die lernen müssen, mit der Last ihrer Vergangenheit und den Unwägbarkeiten der Gegenwart umzugehen, ist mit viel Humor gespickt und bereitete mir trotz der über 700 Seiten ein kurzweiliges Lesevergnügen.

Bewertung vom 08.03.2024
Am Meer
Strout, Elizabeth

Am Meer


ausgezeichnet

Die innige und zugleich schwierige Beziehung zwischen den Protagonisten Lucy und William ist mir seit dem Vorgängerroman „Oh William“ vertraut. Diesmal wird ihr Verhältnis erneut auf die Probe gestellt. Das Coronavirus breitet sich in New York aus, und William bringt seine Ex-Frau in ein Haus in Maine, um sie zu schützen.

Auch für Leser, die das Paar noch nicht kennen, wird der Unterschied zwischen den Charakteren sofort sichtbar: Lucy fühlt sich überrumpelt und unterschätzt die Gefahr, während William vernunftgesteuert und tatkräftig alles Nötige in die Wege leitet. Ich konnte mich gut in Lucy hineinfühlen und erinnerte mich daran, dass auch mir der Lockdown damals so surreal vorkam. Ich war gespannt, ob die Ausnahmesituation die Verhaltensmuster, die sich nach 20 Jahren Ehe und 20 Jahre Trennung bei ihnen eingespielt haben, durchbrechen wird.

Das Talent der Autorin, subtil und mit wenigen Worten intensive Emotionen und eine existenzielle Erfahrungstiefe zum Ausdruck zu bringen, habe ich schon immer geschätzt, doch in diesem Roman erreicht dies noch eine höhere Stufe. Wie kein anderer schafft sie es, ihre aufmerksamen Beobachtungen, klugen Gedanken über zwischenmenschliche Beziehungen, Ängste und Erinnerungen an traumatische Erlebnisse in eine wunderbare Sprache zu packen. Wie die Pandemie nicht nur das Leben von Lucy, William und ihren Kindern, sondern auch New York verändert hat, ist absolut lesenswert.

Bewertung vom 04.03.2024
Der Wald
Catton, Eleanor

Der Wald


ausgezeichnet

Der Kontrast zwischen den zwei Protagonisten könnte kaum größer sein. Mira Bunting engagiert sich in der Aktivistengruppe Birnam Wood, die Gärten auf vernachlässigten Grundstücken anpflanzt. Dem Milliardär Robert Lemoine kommt die Begegnung mit ihr sehr gelegen, denn die finanzielle Unterstützung dieses Kollektivs kann er zu seinem eigenen Vorteil nutzen.

Die beiden kommen aus völlig verschiedenen Welten, handeln aus unterschiedlichen Interessen und doch sind sie sich ebenbürtig, was ihre Willensstärke und ihr Talent für Lügen und Täuschungen betrifft. Wie sie miteinander in Tuchfühlung gehen, sich gegenseitig provozieren und einen verbalen Schlagabtausch liefern, zählte für mich zu den Höhepunkten des Romans. Diese Konstellation bringt allerdings eine neue Dynamik in das Kollektiv und hat ungeahnte Folgen. Weitere Protagonisten kommen ins Spiel, die Ereignisse überschlagen sich und ich flog nur so über die Seiten.

Eine temporeiche, raffinierte Story über hochbrisante Themen, die uns derzeit beschäftigen, gepaart mit charismatischen Figuren und psychologischer Tiefe machen den Roman zu einem Thriller, den man nicht mehr aus der Hand legen kann. Ich werde ganz sicher noch mehr von Eleanor Catton lesen.

Bewertung vom 01.03.2024
Das Hotel am Fuße des Vulkans
Maynard, Joyce

Das Hotel am Fuße des Vulkans


sehr gut

Dass die Hauptfigur Irene nach einem schweren Verlust nur noch weg will von San Francisco, ist verständlich. Als sie spontan in einen Bus steigt und in einem Hotel in einem mittelamerikanischen Dorf landet, wo sie fürsorglich aufgenommen wird, scheint es das Schicksal diesmal gut mit ihr zu meinen.

In blumiger Sprache entfaltet Joyce Maynard einen exotischen Schauplatz in üppiger Natur, in den man mit allen Sinnen eintaucht, ähnlich wie in das gelungene Buchcover. Für Irene ist „La Llorona“, das von einer weisen, außergewöhnlichen Frau geführt wird, genau die richtige Unterkunft, um auf andere Gedanken zu kommen. Erfreulicherweise zeichnet die Autorin kein reines Paradies, sondern einen bezaubernden, aber auch maroden Ort, wo Schönheit und Vergänglichkeit, warmherzige und hinterhältige Menschen Seite an Seite existieren.

Tragische, heitere und erstaunliche Lebensgeschichten von Gästen, Angestellten und Dorfbewohnern treffen aufeinander. Manche berührten mich emotional, manche schienen mir etwas zusammenhanglos aneinandergereiht, doch am Ende liefen viele Fäden auf überraschende Weise zusammen. Es ist ein lebensbejahender Roman, der zeigt, wie man am Tiefpunkt seines Lebens wieder Hoffnung und Mut für einen Neuanfang schöpfen kann.

Bewertung vom 25.02.2024
Riverman
McGrath, Ben

Riverman


sehr gut

Ben McGrath erzählt eine wahre Geschichte über Dick Conant, der mehr als zwanzig Jahre mit seinem Kanu auf Flusswegen quer durch die USA unterwegs war. Das allein bietet schon genügend spannenden Lesestoff. Die Tatsache, dass sein Kanu im Dezember 2014 gefunden wurde ohne jegliche Spur des Fahrers und der Autor der Sache nachgeht, verleiht dem Roman eine besondere Note.

Angetrieben wird er sowohl von seinem journalistischem als auch persönlichem Interesse, denn ganz zufällig lernte er den Flusswanderer in Piermont am Westufer des Hudson kennen, als dieser von Kanada nach Florida paddelte. Mich interessierte vor allem, warum sich ein Mensch auf solch ein verrücktes und gefährliches Abenteuer einlässt. Diese Frage blieb dank seinen Tagebüchern und einem biografischen Exkurs, den Berichten von Dick Conants Familienangehörigen und zahlreichen mitunter skurrilen Bekanntschaften entlang des Flussufers nicht unbeantwortet.

Erstaunlich ist, wie unterschiedlich sie den unermüdlichen Kanufahrer in Erinnerung behalten haben. Manche sahen in ihm nur einen armen Schlucker und Außenseiter, die meisten jedoch waren fasziniert von seiner starken Persönlichkeit, sahen in ihm gar einen zeitgenössischen Volkshelden. Ich habe Ben McGrath auf seiner Recherchereise, auf der er ähnlich wie Dick Conant wertvolle Freundschaften schließt, gern begleitet und gesellschaftliche Randgruppen, die sonst nicht so im Fokus stehen, kennengelernt.

Bewertung vom 01.02.2024
Schreibwelten
Johnson, Alex

Schreibwelten


ausgezeichnet

Als Literaturliebhaber möchte man doch gern mal in die Räume hineinschnuppern, in denen berühmte Werke wie „Große Erwartungen“ von Charles Dickens oder „Der Report der Magd“ von Margaret Atwood entstanden sind. Gelegenheit dazu bietet dieses Buch, in dem die Arbeitsplätze von 50 Schriftstellern und Schriftstellerinnen vorgestellt werden. Für mich liegt der Reiz besonders darin, dass die Räume nicht fotografiert, sondern von James Oses farbig und ganzseitig mit vielen Details illustriert werden.

Manche Locations hatten sogar einen direkten Einfluss auf den Inhalt der Romane wie der Garten von Anton Tschechow in „Der Kirschgarten“ und „Die Möwe“. Die Schreiborte von Arthur Conan Doyle und den Bronté Schwestern zeigen, dass Mobile Office und Coworking Space gar keine modernen Phänomene sind. Das Zuhause sagt ja viel über den Menschen, der darin wohnt, aus. Zusätzlich erfährt man Interessantes über die bevorzugten Schreibhaltungen, -werkzeuge, -mobiliar und -routinen der Autoren. So fangen manche immer am 8. Januar ein neues Buch an während andere je nach Genre unterschiedliche Tintenfarben benutzen.

Wenn ich mir einen Schreibort aussuchen könnte, wäre es der Ferienbungalow Goldeneye von Ian Fleming mit Blick auf die jamaikanische Oracabessa Bay. Die Reise durch die vielfältigen Schreibwelten rund um die Welt ist ein informatives und visuelles Vergnügen – schade nur, dass der deutschsprachige Raum nicht dabei ist. Nützlich ist die Liste am Ende, welche Orte besichtigt werden können. Im Emily Dickinson Museum in Amherst, Massachusetts kann man sich sogar für zwei Stunden an Dickinsons winzigen Schreibtisch im Schlafzimmer setzen und selbst schreiben.

Bewertung vom 20.01.2024
Lass mich dir von einem Mann erzählen, den ich kannte
Fletcher, Susan

Lass mich dir von einem Mann erzählen, den ich kannte


sehr gut

Die Nervenheilanstalt Saint-Paul in Saint-Rémy-de-Provence ist ein ungewöhnlicher Schauplatz für einen Roman. Zu den Patienten gehörte von Mai 1889 bis Mai 1890 allerdings kein Geringerer als Vincent van Gogh, nachdem er sich ein Ohr abgeschnitten hatte. Der intensive Briefwechsel zwischen ihm und seinem Bruder Theo inspirierte die britische Schriftstellerin Susan Fletcher dazu, eine Geschichte zu schreiben, in der der Maler das Leben von Jeanne Trabuc und ihrem Mann Charles, der die Heilanstalt leitete, stark beeinflusste.

Für Jeanne, die unter dem monotonen Alltag und der festgefahrenen Ehe leidet, ist van Goghs Ankunft eine langersehnte Abwechslung. Immer wieder sucht sie ihn heimlich auf und beobachtet ihn bei der Arbeit. Seine leidenschaftliche Art zu malen und ihre Gespräche wecken nicht nur Erinnerungen an ihr lebhaftes Temperament in der Jugend, ihre Träume und die einst innige Beziehung zu Charles – sie regen auch all ihre Sinne an und machen ihr klar, was sie in ihrer Ehe vermisst.

Genauso wie in diesem Roman beschrieben, stelle ich mir vor, wie van Gogh inmitten von Olivenhainen und Lavendelfeldern viele seiner berühmtesten Werke geschaffen hat. Von der Kraft der Kunst und der Liebe handelt diese Geschichte, deren poetische, sinnlich aufgeladene Sprache mir besonders gefallen hat.

Bewertung vom 09.01.2024
Schönwald
Oehmke, Philipp

Schönwald


ausgezeichnet

Der Roman beginnt mit der Eröffnung eines queeren Buchladens in Berlin – für die Schönwalds eigentlich ein Grund zum Feiern, doch junge Aktivisten ruinieren die Feier. Sie konfrontieren die Familie mit schweren Anschuldigungen, die nur ein Auslöser dafür sind, dass ganz andere Geheimnisse ans Licht kommen.

Kapitelweise lernen wir die einzelnen Familienmitglieder näher kennen, die im Laufe der Handlung gezwungen werden, ihr Leben zu bilanzieren – zumal sie sich ernsthaft fragen müssen, wie gut sie einander überhaupt kennen. War „Never complain, never explain“ das richtige Lebensmotto? Dass der Autor zeitlich vor und zurückspringt, die Ereignisse aus verschiedenen Perspektiven erzählt und uns häppchenweise neue Bruchstücke und Einsichten liefert, ist dramaturgisch raffiniert und verstärkt den Eindruck, dass die Fassade immer mehr bröckelt. Auch an aktuellen Debatten und originellen Ideen mangelt es nicht, zum Beispiel die Background-Geschichte des jüngsten Sohnes Benni und wie er mit seiner Frau Emilia zusammenkommt.

Die unterschiedlichen Charaktere sind sehr gut ausgearbeitet, der Sprachstil anspruchsvoll und mit subtilem Humor angereichert. „Wir sind eine Familie mit über Generationen weitergegebenen Strukturen und Kommunikationsformen“ ist für mich ein Schlüsselsatz in diesem Roman, der eine scheinbar heile Familie entlarvend und unterhaltsam seziert.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 17.12.2023
Weihnachten in Prag
Rudis, Jaroslav

Weihnachten in Prag


sehr gut

Eine Reise verläuft oft anders als geplant. Wenn man so interessante Begegnungen hat wie Jaroslav Rudiš in dieser Geschichte kann das aber durchaus bereichernd sein. Als der Ich-Erzähler an Heiligabend mit dem Zug in Prag ankommt und seine Freunde, mit denen er verabredet ist, nicht erreicht, schlendert er allein durch die verschneite Stadt und macht Bekanntschaft mit drei verloren wirkenden Gestalten, die jeder auf seine Art einen besonderen Bezug zu Prag haben.

Auf ihrem gemeinsamen Streifzug tauschen sie Erinnerungen und philosophische Gedanken aus. Dabei hat man als Leser nicht nur die historischen Gebäude und Brücken, die urigen Kneipen und das typische Essen vor Augen, sondern spürt auch, wie geschichtsträchtig die Stadt ist. Die melancholische Stimmung wird durch die wunderbaren Illustrationen des tschechischen Comiczeichners Jaromír 99, mit dem der Autor eng befreundet ist, unterstrichen. Fernab von überfüllten Weihnachtsmärkten und vom Konsumrausch entfaltet die Kurzgeschichte einen besinnlichen und magischen Zauber.

Bewertung vom 13.12.2023
Die LEGO-Story
Andersen, Jens

Die LEGO-Story


ausgezeichnet

Das Leben schreibt die besten Geschichten, besonders wenn sie von Jens Andersen erzählt werden. Der dänische Schriftsteller hat schon mit der Biografie über Astrid Lindgren sein Talent bewiesen. Diesmal widmet er sich der Familien- und Firmengeschichte von LEGO. Mich interessierte vor allem, wie sich ein Hersteller von Plastikbausteinen und -figuren im Zeitalter von digitaler, computergesteuerter Unterhaltung am Markt behaupten kann.

Das Buch zog mich von Anfang an in den Bann, weil der Autor nah an den Menschen ist, die die Firma gegründet und weiterentwickelt haben: vom visionären und wagemutigen Gründer Ole Kirk Christiansen über seinen Sohn Godtfred, einem ideenreichen Designer und Strategen, bis hin zur dritten Generation, in der Kjeld Kirk Kristiansen das Unternehmen durch raues Fahrwasser navigierte und die Höhen und Tiefen aus seiner Sicht schildert.

So konnte ich hautnah miterleben, wie LEGO von einer kleinen Fabrik im jütländischen Billund zum globalen Exportunternehmen aufstieg und welche Erfolge und Rückschläge das rasante Wachstum mit sich brachte. In jedem Kapitel erwarteten mich neue spannende Einsichten, sei es zur Produktentwicklung, Firmenphilosophie, Personalpolitik, zu Marketingstrategien oder zur Vorbereitung des Generationswechsels.

Zahlreiche Fotos von Familie, Mitarbeitern und Geschäftspartnern, die die Firma mitgeprägt haben, von früheren LEGO-Schachteln, Verkaufsschlagern und Werbeflyern tragen zum Lesevergnügen bei. Das Buch zählt zu den interessantesten Firmenporträts, die ich bisher gelesen habe!