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Benutzername: 
dear_fearn
Wohnort: 
Dresden

Bewertungen

Insgesamt 61 Bewertungen
Bewertung vom 25.05.2020
Der Kaufmann und der Rinpoche
Long, Aljoscha;Schweppe, Ronald

Der Kaufmann und der Rinpoche


ausgezeichnet

Das schlanke Büchlein kommt hochwertig gebunden, mit einer tibetischen Stadt und dem Mount Everest auf dem Cover daher. Am rechten unteren Rand sind zwei Personen abgebildet, um die es gehen wird.

Dorjee Wangchuk und Sonam Tsering lernen sich als Kinder kennen. Sie sind beide Hirtenjungen, die kurz darauf zwei völlig verschiedene Wege einschlagen. Dorjee hat schon als Kind viel Ungerechtigkeit miterleben müssen und beschließt Soldat und später Kaufmann zu werden. Sonam dagegen schlägt den Glaubensweg ein, wird Mönch im Kloster und später Rinpoche.

Das Buch ist in zwei Erzählstränge geteilt. Der eine spielt in der Vergangenheit und schildert Dorjees Lebensgeschichte. Der zweite spielt in der Gegenwart. Zwar geht es auch darin um Dorjee, jedoch rückt sein Freund Sonam eher in den Fokus, der ihn als Rinpoche auf seinem Weg nach dem Tod begleitet.

Auf den 240 Seiten erfährt man als Leser viel über die Geschichte Tibets, machthabende und teilweise machtmissbrauchende Adlige, den schwächer werdenden Glauben an den Buddhismus bzw. alte Riten und über den Krieg mit China. Dorjee durchlebt diese Geschichte als Soldat und steigert sich zum reichen Kaufmann. Die von ihm miterlebten Ungerechtigkeiten verhärten jedoch seinen Geist, was ihm sein Freund Sonam immer wieder aufzeigt. Die beiden treffen sich im Laufe ihrer Leben immer wieder. Als Dorjee stirbt, liest Sonam ihm das Bardo Thödol, um ihm zur Erlösung oder zumindest zu einer vorteilhaften Wiedergeburt zu verhelfen. Während Dorjees Geist durch das Traumbardo wandert, steht ihm Sonam stets zur Seite.

Mir fiel es anfangs schwer, mich auf die Geschichte einzulassen. Sie fließt gemächlich dahin, die Wortwahl ist sehr besonnen, die Begriffe anfangs noch fremd. Aber das gibt sich schnell. Und obwohl das Buch nicht mit großen Spannungsbögen dienen kann, hat es mich als Leserin doch kontinuierlich neugierig gehalten und nie gelangweilt. Es hat mich sogar tief beeindruckt und mir viel Anreiz zum Nachdenken gegeben.

Bewertung vom 08.05.2020
Mitten im August / Capri-Krimi Bd.1
Ventura, Luca

Mitten im August / Capri-Krimi Bd.1


sehr gut

Auf Capri ist eigentlich nicht viel los. Inselpolizist Enrico Rizzi und sein Team haben eher mit Falschparkern und Diebstählen zu tun. Deshalb ist auch der Aufruhr groß, als an Capris Küste ein Mann, Jack, in einem Ruderboot tot aufgefunden wird. Die Ermittlungen beginnen und immer wieder entstehen Rangeleien mit der Mordkomission in Neapel. Auch Rizzis Team ist kein eingelaufenes Getriebe und steht sich oft selbst im Weg.

Das Buch als solches ist schön anzusehen. Die, wie ich gelernt habe, Faraglioni-Felsen auf dem Cover kommen durch die Lackierung besonders gut zur Geltung. In den Umschlagsklappen sind hübsch gezeichnete Karten abgebildet, damit der Leser sich auf der Insel und dem Umland besser zurecht finden kann.

Die Themen des Buchs sind vielfältig. Neben der Polizeiarbeit hilft Rizzi seinem Vater auf dem Hof und setzt sich für biologische Ungezieferbeseitigung ein. Auch das Mordopfer Jack und seine verschwundene Freundin Sofia beschäftigen sich mit Umweltthemen. Beide sind Studenten der Ozeanologie und haben das Ziel, den Klimawandel aufzuhalten, indem sie mit ihrer Forschungsarbeit der Versauerung der Meere entgegenwirken.

Luca Ventura hält den Hauptfokus auf Rizzi gerichtet, schwenkt aber auch immer mal auf seine Kollegin Cirillo und in die Vergangenheit zur Freundin des Mordopfers, Sofia, und ihren gemeinsamen Erlebnissen.

Wenn ich das Buch einzeln betrachte, muss ich sagen, dass mir bei den einzelnen Charakteren noch mehr Story und Tiefe gefehlt hat, vor allem bei den Polizisten. Es wurde viel angedeutet, aber wenig ausgeführt. Die Beziehungen rund um Jack und Sofia mit ihren Familien ist mir deutlich klarer vorgekommen. Als Auftakt einer Reihe betrachtet, finde ich es jedoch vollkommen in Ordnung und wünsche mir nun eine Fortsetzung, um noch mehr zu erfahren. Aus den Fehden der Polizeibüros Insel/Festland lässt sich sicher noch was machen, die Kollegen können bestimmt noch enger zusammenrücken und die jeweiligen Backstories lassen sich mit Sicherheit auch gut einarbeiten.

Die anstachelnden Rückblenden zwischendurch und ein paar aufregende Ermittlungsmomente haben dem ganzen durchaus Spannung verliehen, auch wenn das Buch ansonsten sehr ruhig und gemächlich geschrieben ist. Es muss ja nicht jeder Krimi ein "Ich-lese-die-ganze-Nacht-durch-weil-es-so-spannend-ist"-Krimi sein. So passt er deutlich besser in meinen Tagesablauf und der Kaffeekonsum bleibt in Grenzen.

Bewertung vom 28.04.2020
Pandatage
Gould-Bourn, James

Pandatage


ausgezeichnet

Danny hat ein Jahr zuvor gleich zwei geliebte Menschen verloren: Seine Frau Liz, die bei einem Autounfall ums Leben kam, und seinen Sohn Will, der neben ihr saß und überlebte, aber seither kein Wort mehr gesprochen hat. Er arbeitet hart, um seiner Trauer aus dem Weg zu gehen und nebenbei genug Geld für Miete und Essen aufzutreiben. Als er seinen Job verliert und der Vermieter ihm wegen ausstehender Zahlungen droht, beobachtet er neidisch die gut verdienenden Straßenkünstler im Park, die sorglos ihre Performances zeigen. Völlig verzweifelt kauft Danny in einem Kostümverleih das billigste Kostüm und ist seitdem als Panda unterwegs. Durch einen Zufall beobachtet er, wie zwei Jungs seinen Sohn Will im Park schikanieren, geht dazwischen und gewinnt damit die Sympathie seines Sohns und seine ersten Worte seit über einem Jahr. Allerdings als Panda, nicht als Dad. Neben ein paar Knöpfen und Jelly Beans hat er auch noch überhaupt kein Geld eingenommen. Doch er gibt nicht auf.

Dieses Buch hat fabelhaft plakative Charaktere. Es gibt den humorvollen Verlierertyp Danny, seinen eingeschüchterten Sohn Will, eine freche Stripperin, Dannys Freund Ivan, der wie ein fieser Typ wirkt, aber eigentlich ein echter Teddybär ist, einen sehr netten Lehrer und den bösen Vermieter samt Schlägerkumpel. Allein diese Personen schaffen ein richtig tolles Setting.

Die Grundstimmung des Buchs erscheint anfangs traurig und tatsächlich hatte ich bei vielen Passagen Tränen in den Augen. Trotzdem beweisen alle Charaktere Stärke, Mut und Lebensfreude. Witzige Wendungen und humorvolle Dialoge bringen Schwung ins Buch. Die jeweilige Entwicklung der Charaktere und deren Beziehung zueinander ist fabelhaft nachvollziehbar.
Das Hauptaugenmerk liegt zwar auf Danny und seiner verzwickten Situation, aus der er sich herauszuarbeiten versucht, aber auch Wills Leben seit dem Unfall wird wunderbar beschrieben, was mir teilweise wirklich sehr zu Herzen ging. Die Trauer des Jungen ist im Buch am realistischsten umgesetzt.

James Gould-Bourn hat eine schräge, emotionale Story geschaffen, die sich ratzfatz verschlingen lässt und ein wohlig-warmes Gefühl im Bauch hinterlässt.

Bewertung vom 14.04.2020
Wir holen alles nach
Borger, Martina

Wir holen alles nach


ausgezeichnet

Feinfühlige Geschichte mit aktuellen Themen

Sina ist alleinerziehende Mutter des achtjährigen Elvis, hat einen stressigen Job in einer Werbeagentur und ist seit einem Jahr mit ihrem neuen Freund Torsten zusammen, einem trockenen Alkoholiker. Ihr Leben ist turbulent. Sie liebt ihren Sohn sehr, aber leider hat sie nicht genug Zeit für ihn. Zum Glück gibt es Ellen. Sie ist Rentnerin, hat einen Hund als Begleiter und muss genau aufs Geld schauen, weshalb sie in aller Herrgottsfrühe Zeitungen austrägt und am Nachmittag Nachhilfestunden gibt. Als Sina ihr anbietet, Elvis während der Ferien tagsüber zu betreuen und sie natürlich entsprechend zu vergüten, willigt sie ein. Elvis liebt Ellens Hund und schließt auch die alte Dame in sein Herz. Nach einem Wochenendausflug mit Torsten und anschließend einigen Jungs aus der Klasse, kommt er verändert und still zurück. Ellen entdeckt blaue Flecken an seinem Körper und berichtet es Sina, die versucht, der Sache auf den Grund zu gehen, aber Elvis möchte nicht darüber sprechen.

Martina Borger hat in diesem kurzweiligen Buch eine Menge Themen sehr geschickt und glaubhaft untergebracht, unter anderem Altersarmut, Sucht, Mobbing, Vorturteile, Trauer und gesellschaftlichen Druck. Sie führt den Leser über die beiden Erzählstränge von Sina und Ellen in die Handlung ein, gibt Rückblicke in die Vergangenheit der beiden Frauen, um deren Verhalten und Werdegang zu beleuchten und gibt im aktuellen Geschehen beide Sichtweisen wieder, um dem Leser ein umfassendes Gesamtbild zu ermöglichen.

Die Charaktere sind nie eindimensional, weil die Autorin es versteht, negative Züge unterzubringen und die Verdächtigungen um die blauen Flecken in verschiedene Richtungen zu lenken.

Es erstaunt mich, was Martina Borger in 300 Seiten alles unterbringt und wie fantastisch feinfühlig und berührend es ihr gelungen ist. Großes Lob und noch größere Leseempfehlung.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 08.04.2020
Die unglaubliche Reise der Pflanzen
Mancuso, Stefano

Die unglaubliche Reise der Pflanzen


ausgezeichnet

Pflanzen sind wirklich erstaunlich!
...das stelle ich jedes Mal wieder fest. Vor allem vor diesem Buch von Stefano Mancuso habe ich teilweise mit fasziniert aufgerissenen Augen gehockt und gebannt seine Zeilen gelesen.

Wenn wir die Worte "Erdentstehung" und "Evolution" hören, dann denken wir zuerst an Dinosaurier oder die Darwin-Finken. Pflanzen spielen dabei kaum eine Rolle, weil sie für uns ganz selbstverständlich sind. Dem stellt der Autor nun dieses Buch entgegen.

Die Aufmachung ist fabelhaft. Hochwertiges Papier, wunderschöne Aquarelle (auch auf den Zwischenseiten) und ein Lesebändchen ist dabei.

Den Inhalt des Buchs bilden Kurzvorstellungen besonderer Pflanzen und was genau sie so besonders macht, aber auch, warum sie so geworden sind. Es geht beispielsweise um riesige, po-förmige Samen, um welche, die schwimmen können, sich durch Explosionen verbreiten oder auch nach tausenden von Jahren immer noch keimfähig sind. Es geht um anpassungsfähige Bäume, die der Trockenheit der Wüste mit tiefen Pfahlwurzeln trotzen oder sogar nach radioaktiver Strahlung wie in Hiroshima immer noch das blühende Leben sind.

Wir haben hier in Dresden die sogenannte "Splittereiche", dessen eine Hälfte im 2. Weltkrieg völlig zerfetzt wurde, aber immer noch genug (Widerstands-) Kraft besitzt, um weiter zu wachsen.

An mancher Stelle hätte ich mir eine Abbildung der Pflanzen oder der Samen gewünscht, anstatt noch einmal nachrecherchieren zu müssen, aber so konnte erstmal die Fantasie ihren Teil dazutun.

Gut fand ich, dass auch der Einfluss des Menschen hervorgehoben wurde, bespielsweise durch Ausrottung des Dodos und der mit ihm verbundenen Verbreitungsstrategie des Calvariabaums auf der Insel Mauritius, was also gleich doppelte Folgen nach sich zog.

Das Buch kann ich jedem Pflanzeninteressierten nur ans Herz legen, es sind Anekdoten, die mich wirklich begeistert haben.

Bewertung vom 06.04.2020
Einfach alles!
Lloyd, Christopher

Einfach alles!


sehr gut

Den Geschichtsunterricht habe ich früher gehasst. Oft mussten wir Jahreszahlen auswendig lernen und uns die dazugehörigen Ereignisse merken, wovon ich absolut kein Fan war. Unser Unterricht war "ein bisschen hiervon und ein bisschen davon", ohne richtige Zusammenhänge. Wer mit den Zahlen auf Kriegsfuß stand, hatte verloren.

Dahingehend finde ich das Buch super. Es verfolgt eine chronologische Reihenfolge und bedient sich einer "24-Stunden-Uhr", auf der die Menschheitsgeschichte nur einen klitzekleinen Teil ausmacht. Natürlich startet das Buch deshalb mit dem Urknall, gefolgt von erstem Leben, Dinosauriern und irgendwann schließlich der Menschheitsentstehung. So können Kinder die Erdgeschichte gut begreifen: Am Anfang passiert erstmal ewig lang nix weiter, und dann plötzlich alles auf einmal. Wir Menschen sind nur ein klitzekleiner Bestandteil vom großen Ganzen, haben aber inzwischen massiven Einfluss auf den Planeten.

Die Gestaltung des Buchs ist grandios. Sehr schöne grafische Elemente, am äußeren Rand eine Gliederung durch Farbstreifen, um sich besser in den Abschnitten orientieren zu können, tolle Grafiken und teilweise Fotos (die für mich etwas aus der Reihe tanzen). An mancher Stelle hätten ein paar mehr Landkarten zum besseren Nachvollziehen beitragen können, aber es ist alles in allem sehr übersichtlich und verständlich.

Die ersten Kapitel fand ich sehr gut, weil ich mich für die Erdentstehungsgeschichte interessiere. Alles verfolgt einen gemeinsamen Weg. Ab Auftauchen der Menschen wurde es mir dann zu unübersichtlich. Hier überschlagen sich die Ereignisse: viele Kontinente, viele Völker, viele Kriege und Einzelpersonen, die wichtige Rollen gespielt haben. Da aber alles so gut aufgearbeitet wurde, hatte ich doch den ein oder anderen "ach, guck an"-Moment.

Größter Makel des Buchs: Die vielen Rechtschreibfehler, die hoffentlich in der zweiten Auflage ausgemerzt werden. Bis fast zum Schluss konnte ich großzügig darüber hinweglesen, aber als Hitlers Partei durch einen Buchstabenverdreher als "NDSAP" bezeichnet wurde, musste ich doch kurz mal tiiief durchatmen.

Fazit: Begleitend zum Geschichtsunterricht finde ich das Buch durchaus für Kinder interessant und zur Auffrischung der Allgemeinbildung auch für Erwachsene geeignet.

Bewertung vom 25.03.2020
Die stummen Wächter von Lockwood Manor
Healey, Jane

Die stummen Wächter von Lockwood Manor


weniger gut

Letzten Oktober hatte ich "Das Geheimnis von Shadowbrook" gelesen, was wirklich spannend und gruselig zugleich war. Es gab ebenfalls ein Familiendrama auf einem britischen Anwesen und eine Frau der Naturwissenschaften, die sich beweisen muss. Das war wirklich ein tolles Buch, weshalb ich mir nach Lesen des Klappentextes auch von diesem hier viel erhofft hatte... Wohl zu viel erhofft!

Jane Healey hat die Zeit des zweiten Weltkriegs für ihre Geschichte gewählt, Hetty als Beauftragte des Museums zum Schutz ihrer Sammlung von Tierpräparaten auf ein entlegenes britisches Anwesen ziehen lassen, auf dem sie in ständigen Zwist mit dem Hausherrn Major Lockwood gerät, aber sich dafür mit seiner Tochter Lucy anfreundet. Ständig verschwinden Dinge oder wechseln ihren Platz, zudem werden sowohl Hetty als auch Lucy von Albträumen geplagt.

Im Buch gibt es zwei Satzarten: Regulär ist Hettys Erzählpart und der von Lucy ist kursiv. Das hätte man meiner Meinung nach geschickter trennen können, denn der Wechsel strengt unheimlich an und ist irgendwann nur noch nervenraubend. Vor allem, weil in Lucys Erzählparts eigentlich kaum wichtige Inhalte verpackt sind, sondern sie immer wieder in Erinnerungen an die verunglückten Mutter und Großmutter schwelgt und von ihren wiederkehrenden Albträumen berichtet.

Bis auf ein paar mal Bombenalarm und Offiziersbesuch bekommt man als Leser wenig vom zweiten Weltkrieg mit. Die Reichweite und Tragik des Kriegs erhält kaum Platz im Buch. Eigentlich hätte ich auch erwartet, dass die Liebesgeschichte, die ich überraschend und gut gelungen fand, mehr tabuisiert wird und dadurch mehr soziale Ängste entstehen, aber nein, das wird mit "Wir wahren einfach den Schein" abgetan. Ganz nett fand ich allerdings, das Hetty für alle Personen, die sie trifft, Vergleiche zu Tieren findet, an die sie sie erinnern.

Im Vordergrund der Geschichte steht vor allem Lucys psychische Misshandlung, unter der sie noch immer leidet, und Hettys Besessenheit von ihrer "Säugetiersammlung", die eigentlich ja auch noch Vögel und Insekten enthält, aber sei's drum. Passagenweise fand ich das sehr ermüdend, weil eigentlich immer das gleiche passiert: Lucy hat Albträume, Hettys Tiere bewegen sich, verschwinden oder werden zerstört, sie hat Streit mit dem Major und hat selbst auch einige Albträume, allerdings ohne jeden Sinn.

Erst gegen Ende kommt die Handlung nochmal in Fahrt, wodurch auch alle Geheimnisse aufgelöst werden. Der Leser wird konfrontiert und schockiert von menschlichen Abgründen und Grausamkeiten.

Insgesamt ist das Buch also eigentlich von der Storyline her okay, bei den Charakteren habe ich allerdings Tiefe vermisst. Sie bleiben sehr oberflächlich, unnahbar, öffnen sich nicht, wirken auch irgendwie unsympathisch.

Bewertung vom 16.03.2020
Drei
Mishani, Dror

Drei


ausgezeichnet

Hat mich echt gepackt

Das Buch hat mich echt kalt erwischt. Ich hatte mich im Vorfeld überhaupt nicht mit der Handlung beschäftigt und bin demnach auch ohne Erwartungshaltung herangegangen. So viel kann ich schon mal verraten: Ich fand es klasse, aber es hat mir den Schlaf geraubt.

Das Buch ist in drei Erzählabschnitte unterteilt.
Der erste Abschnitt befasst sich mit Orna, einer alleinerziehenden Mutter, die gerade eine schlimme Scheidung hinter sich hat. Über ein Dating-Portal lernt sie einen Mann kennen, auf den sie sich schließlich einlässt. Dieser Abschnitt ließ mich einigermaßen sprachlos zurück, denn das Ende kam für mich abrupt und vollkommen unerwartet.
Abschnitt zwei befasst sich mit Emilia, die nach dem Tod des alten Mannes, den sie zwei Jahre lang gepflegt hat, neue Orientierung und Halt sucht. Sie findet Zuflucht in der Kirche, aber vor allem auch bei einem Mann. Diesen Abschnitt habe ich mit anhaltender Gänsehaut gelesen und beendet.
Das Finale ist der dritte Abschnitt mit Ella, einem Wechsel der Zeitform zu Futur, etwas anders aufgebaut, aber wirklich spannend. Und ich meine damit schwitzige-Handflächen-spannend!

Dror Mishani ist ein männlicher Autor und schreibt aus der Sicht dreier Frauen. Das merkt man ihm an, denn alle drei bleiben für mich distanziert und auf gewisse Weise unnahbar. Ich finde aber, gerade das macht den Thrill aus. Alles ist unerwartet, weil man sich als Leser so schwer in die Frauen hineinversetzen kann, geschweigedenn in den Mann, den ich bis zum Ende des Buchs nicht wirklich durchschauen konnte.

Das Buch besticht mit der realistischen Handlung, die mir immer noch Gänsehaut über den Rücken treibt. Einzig gegen Ende gab es mir ein bisschen zu viele Zufälle und "Bauchgefühl" bzw. Intuition, aber trotzdem ist es mehr als gelungen! Klare Leseempfehlung!

Bewertung vom 06.03.2020
Hör mir zu, auch wenn ich schweige
Greaves, Abbie

Hör mir zu, auch wenn ich schweige


gut

Pures Drama

Nachdem Frank seine Frau Maggie ein halbes Jahr lang angeschwiegen hat, unternimmt sie einen Selbstmordversuch. Am Krankenbett beginnt Frank nun, ihr trotz Koma Stück für Stück zu berichten, was ihn zu seinem Schweigen getrieben hat und erzählt dem Leser dabei die Geschichte ihrer bisherigen 40 Ehejahre.

Das Buch dreht sich hauptsächlich um drei Charaktere: Frank, Maggie und ihre gemeinsame Tochter Eleanor. Viele Nebenfiguren gibt es nicht, nennenswert wäre noch die liebenswerte Krankenschwester Daisy und die enge Freundin Edie.

Abbie Greaves' Schreibstil macht das Buch zu einem echten Pageturner. Das ist auch nötig, sonst wäre es schwer zu ertragen. Alle Protagonisten haben Probleme mit Angst, emotionalem Rückzug und Verschwiegenheit. Niemand scheint offen miteinander zu sprechen, vieles wird für sich behalten, obwohl alle Beziehungen von übermäßiger Liebe geprägt sind. Man beobachtet die Familie quasi in ihrem Abwärtsstrudel, ohne Ausblick auf Besserung. Ständig gibt es Resümees wie "Ich hätte es verhindern können", "Hätte ich es damals schon ahnen sollen?" u.ä. - sehr nervenaufreibend, erzeugt Spannung.

Frank wechselt in seinen Erzählungen immer wieder von Gegenwart zu Vergangenheit, was teilweise sehr verwirrend ist. Maggies Erzählteile ähneln seinen zu sehr, hier hätte sprachlich noch besser differenziert werden können. Die Zwischensequenzen in Franks momentane Situation waren für mich haarsträubend, zu viel des Guten, zu lasch. Das Ende empfand ich als zu verklärt und weichgespült.

Für traurige Geschichten habe ich ja ein Faible, von daher fand ich's eigentlich ganz gut, teilweise war es mir aber zu viel Drama und Effekthascherei, am Ende auch noch Kitsch.

Bewertung vom 06.03.2020
Ausgestorben - Das Buch der verschwundenen Tiere
Gladysz, Katarzyna;Wajs, Joanna

Ausgestorben - Das Buch der verschwundenen Tiere


ausgezeichnet

Etwas für Nerds

Los geht's mit einem Überblick über die einzelnen Zeitabschnitte auf der Erde (Kreidezeit, Pleistozän, Eozän etc.). Diesen Zeitabschnitten werden Seite für Seite die jeweiligen Erdbewohner zugeordnet, in Kategorien sortiert und ihre besonderen Merkmale beschrieben. Der Seitenaufbau ist immer ähnlich. Einleitend gibt es ein großes Gesamtbild, auf dem alle Tiere des Abschnitts abgebildet sind, manchmal sogar richtig in ihrem jeweiligen Lebensraum in Szene gesetzt. Die Grafiken sind einfach, aber hübsch. Je weiter man in der Zeit voranschreitet, desto bekannter kommen einem die Tiere vor. Es tauchen kleine Säugetiere auf, Affen, Vögel, auch Insekten. Das verschafft einen guten Überblick.
Es werden einige wichtige Paläonthologen benannt, außerdem Ausgrabungsstätten und Fundorte, und es gibt eine Weltkarte mit den berühmtesten Museen, die Skelette und andere Funde beherbergen.
Natürlich gibt es auch eine Übersicht über Theorien, woran die Dinosaurier verendet sind und warum auch heutzutage noch so viele Arten aussterben oder vom Aussterben bedroht sind. Grund ist natürlich der Mensch, Einschränkung des Lebensraums und verändertes Klima. Deshalb hinterlässt der Anblick des fröhlichen Dodos auf dem Cover einen bitteren Beigeschmack.
Das Buch empfinde ich für 8-jährige noch als etwas zu schwer, da sind wohl eher die Bilder und teilweise Namen interessant. Optimal ist vermutlich ein Alter von 12. Einige Begrifflichkeiten, z.B. peinlicherweise "borealer Nadelwald", musste ich erst nochmal nachschlagen. Die Fülle und Dichte an Informationen ist ziemlich hoch, das kann man sich unmöglich alles merken. Die Schrift ist für einen Grundschüler auch recht klein gewählt. Im Prinzip ist es ein hübsch aufgemachtes Lexikon, mit großen Bildern, das einen Ehrenplatz im Bücherregal erhält und gern wieder in die Hand genommen werden wird.