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Buchperlenblog
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Leipzig

Bewertungen

Insgesamt 26 Bewertungen
Bewertung vom 25.08.2020
Menschliche Dinge
Tuil, Karine

Menschliche Dinge


ausgezeichnet

Vorab noch einmal eine Triggerwarnung. In diesem Buch wird ausführlich über Vergewaltigung und Suizid gesprochen.

Zunächst lernen wir die Familie Farel kennen, Jean und seine Frau sind in der Gesellschaft hoch angesehen. Er interviewt seit vielen Jahren mit viel Esprit und politischem Gespür die Politiker Frankreichs, Claire schreibt feministisch geprägte Essays, und spricht sich entschieden gegen Vergewaltigungen aller Art aus. Doch nur eine Nacht reicht, um das Bild zu zerreißen, welches sich die Bevölkerung Frankreichs von den beiden gemacht hat.

Denn plötzlich ist ihr Sohn der Vergewaltigung angeklagt. Die betreffende Nacht erleben wir nur in kurzen Auszügen, wir wissen nicht genau, was eigentlich passiert ist. Der größte Teil enthüllt sich erst nach und nach während des Prozesses. Karine Tuil hat damit einen äußerst cleveren Rahmen geschaffen.

Ein faszinierendes Buch, das nicht mit einer, sondern gleich mit zwei Wahrheiten aufwartet. Denn auch wenn mehrere Personen ein und dasselbe Ereignis erleben, sie werden es immer anders bewerten. Ohne die Tat Alexandres in Schutz nehmen zu wollen, so fand ich mich am Ende doch nicht in der Lage, ihn direkt zum Teufel zu jagen.

Bewertung vom 17.06.2020
Der Wächter von London / Alex Verus Bd.4
Jacka, Benedict

Der Wächter von London / Alex Verus Bd.4


ausgezeichnet

In den bisherigen drei Bänden lernt man Alex Verus immer ein wenig besser kennen, erkennt welche Art der Magie er weben kann, und wo er sich besser auf seine flinken Füße verlassen sollte. Doch über seine Vergangenheit hat er ein schwarzes Tuch gebreitet. Nur hier und da erfuhren wir, dass er ein Lehrling eines gefürchteten Schwarzmagiers war, dass es einen Bruch gab und er seitdem immer wieder von Albträumen heimgesucht wird. Aber was genau ist geschehen?

Nun, Alex Verus würde uns vermutlich auch jetzt noch gern im Dunkeln tappen lassen, uns und seine neu gewonnenen Freunde. Denn seine Vergangenheit ist wenig schmeichelhaft und sogar weitaus brutaler, als ich zunächst angenommen hatte. Doch als ein junger Mann auftaucht, der Alex für frühere Taten zur Rechenschaft ziehen will, da lüpft sich plötzlich das Tuch ein wenig. Der ganze Band ist durchzogen von einem düsteren, gewaltsamen Schimmer, der uns Leser nur so durch die Kapitel fliegen lässt. Auch Alex muss sich so mancher Erinnerung stellen, die er lieber vergessen hätte. Nun kommt es darauf an, wie stark sind die neu geknüpften Freundschaftsbande? Halten sie die Vergangenheit aus?

Fazit

Wie immer bauen die einzelnen Bände der Reihe nicht zwingend aufeinander auf, so dass man auch mittendrin einsteigen kann, um ein wenig magische Luft zu schnuppern! Trotzdem ist die Reihe so unfassbar sympathisch, so anders, so humorvoll und düster zugleich, dass ich jedem von euch empfehlen würde: Fangt ganz von vorn an. Es lohnt sich.

Bewertung vom 06.05.2020
Die Kinder des Namenlosen / MAGIC(TM): The Gathering - Die Romane Bd.1
Sanderson, Brandon

Die Kinder des Namenlosen / MAGIC(TM): The Gathering - Die Romane Bd.1


sehr gut

Die Kinder des Namenlosen siedeln sich im großen Multiversum an, dass dem Kartenspiel MAGIC entspringt. Dieses gibt es bereits seit 1993 und ist wohl das erste Sammelkartenspiel dieser Art. Ich persönlich hatte bisher keine Berührungspunkte damit, aber wie ich schnell festgestellt habe: Das macht gar nichts! Denn wir bewegen uns in einem Teil dieses Multiversums, ohne wirklich Vorwissen mitbringen zu müssen.

Die Bewohner von Verlasen, einem kleinen Dorf in Anfurten sehen sich einer ständigen Bedrohung gegenüber. Dämonen und Geisterwesen durchstreifen die Wälder und holen sich die Seelen der Dorfbewohner. Das Schutzlied, welches Tacenda seit einigen Jahren für sie singt, wiegt sie in Sicherheit, doch die Gefahr ist nicht gebannt. Als die Eltern der beiden Schwestern mit den magischen Gaben getötet werden, will man den Herrn des Herrenhauses, Davriel Cane, gesichtet haben. Doch was treibt ihn an, die Seelen seiner Untertanen zu stehlen? Tacenda wird von ihrer Wut auf den Fürsten getrieben, und stattet ihm einen Besuch ab – mit einem Eispickel bewaffnet.

Die ersten zwei, drei Kapitel des Buches hatte ich ein wenig Probleme, das muss ich zugeben. Die Einführung von Tacenda und ihrer Schwester Willia war mir zu allgemein, zu wenig detailliert. Ich hatte keine genaue Vorstellung von ihr, konnte mich nicht in ihr frühes Leid hineinversetzen. Das ändert sich, sobald Fürst Davriel nebst seiner illustren Dämonenhorde erscheint. Dieser Charakter ist herrlich angelegt. Er ist snobistisch, selbstverliebt, ein wenig überheblich und wunderbar sarkastisch. Ein amüsanter Antiheld im besten Sinne! Dass sich die Wege der jungen Tacenda und des Fürsten, der lieber Nickerchen hält als sich um die Belange seiner Untertanen zu kümmern, verstricken, wirkt sich auf beide Seiten in guter sowie schlechter Weise aus.

Das Abenteuer ist ein wenig verworren, und hier und da spitzen karge Hintergrundinformationen raus, mit denen ich (noch) nicht viel anzufangen wusste, die aber den Lesefluss nicht behinderten. Da es sich hierbei um eine Reihe handeln soll, bin ich doch sehr gespannt, ob wir näheres in künftigen Büchern erfahren werden, die sich mit dem Fürsten Davriel beschäftigen. Im Herbst geht es jedoch erst einmal mit dem Auftakt einer weiteren MAGIC-Reihe los, das dadurch vermutlich bald wieder in aller Munde sein dürfte.

Wer ein wenig Erfahrung in der Welt der Rollenspiele mitbringt, dem fallen auf jeden Fall die typischen Klassen ins Auge, denen die Charaktere angehören. Willia ist die klassische Kriegerin, Tacenda eine Bardin, die mit ihren Liedern unterstützend in das Kampfgeschehen eingreift. Fürst Davriel besitzt eine besonders interessante magische Fähigkeit, mit deren Hilfe er Zauber und Talente aus den Köpfen der Menschen stehlen kann, um sie selbst zu verwenden. Auch ist die Rede immer wieder von Priestern, Helden, Paladinen und was sich noch so in einem Rollenspiel finden lässt. Eine helle Freude also für Spielbegeisterte!

Bewertung vom 22.05.2019
Im Leben bleiben
Dyk, Paul van

Im Leben bleiben


sehr gut

In der Nacht zum 28. Februar 2016 verändert sich das Leben des weltweit gefragten DJ Paul van Dyk in Sekundenschnelle. Ein Loch im Boden der Bühne in Utrecht, mäßig abgedeckt mit schwarzem Tuch, ein sechs Meter tiefer Fall. Dass er noch lebt und über seinen Unfall berichten kann, ist ein kleines Wunder.

Rezension

Ich bin kein großer Anhänger der elektronischen Musik. Natürlich kenne ich den Namen Paul van Dyk, habe sicherlich schon das ein oder andere Mal zu seiner Musik getanzt, aber weiter ging mein Interesse nie. Auch von seinem Unfall, dem Sturz in die Tiefe erfuhr ich erst spät. Warum ich zu der Lektüre gegriffen habe? Weil mich der Mensch interessiert, das Schicksal, nicht die Berühmtheit.

Interessanterweise beginnt das Buch aus der Sicht Margaritas, Pauls Verlobte zu dem Zeitpunkt. Sie ist es, die ihm über die schwere Zeit hinweg hilft, die immer für ihn da ist und die das Unmögliche möglich macht: Leben. Abwechselnd erzählen nun Paul und Margarita von der Zeit nach dem Unfall, der Klinikaufenthalt in Utrecht und Berlin, die Phasen der Genesung daheim. Immer präsent: die Liebe der beiden, die sie vor der Verzweiflung gerettet hat. Denn Paul ist zwar sehr ambitioniert und kämpft um seine Gesundheit, die anfangs sehr unwahrscheinlich schien, doch ist es Margarita, die ihm die nötige Kraft gibt.

Natürlich darf man keine hohe Literatur erwarten, habe ich auch nicht, doch mitunter ist der Stil doch schon sehr einfach gehalten, teilweise ermüdend die Kraft der Liebe wiederholt. Das soll nicht abwertend klingen, aber es hätten dafür auch andere Fakten in das Buch gepasst. Es fehlen zeitliche Faktoren, denn Paul stand nur Monate später nach seinem Unfall, der fünf Hirnquetschungen verursacht hat, bereits wieder auf der Bühne. Die Rehamaßnahmen wurden kaum erwähnt, der finanzielles Aspekt komplett ausgeblendet. Muss natürlich nicht erzählt werden, wäre aber interessant gewesen.

Eingestreut findet man immer wieder Pauls Liebe zur Musik, die so fest in ihm verwurzelt ist, dass sie eine innere Stütze ist. Die Folgen des Sturzes sind heute noch für ihn spürbar, werden es vielleicht für immer bleiben und doch bleibt er im Leben, lebt seinen Traum.

Fazit

Ein wenig mehr Inhalt hätte es sein dürfen, ein paar mehr Fakten, ein paar weniger Liebesbekundungen. Aber man merkt deutlich, was Paul wichtig ist. Und somit ist dieses Buch vor allem eins: persönlich.

Bewertung vom 12.05.2019
Die Entflohene
Huisman, Violaine

Die Entflohene


ausgezeichnet

Catherine muss ihr Leben lang kämpfen. Um die Liebe der Mutter, den Erfolg, ihre Beziehungen, um ihr eigenes Überleben. Schon als Kind fühlt sie sich zurückgelassen, allein in einem Kinderkrankenhaus, ohne den Beistand ihrer Mutter. Diese früh fehlende Bindung ist das erste Glied einer langen Kette, die aus ihr einen manisch-depressiven Menschen machen werden. Violaine Huisman, die jüngste der beiden Töchter von Catherine, rekonstruiert in einem atem(be)raubenden Lauf das Leben der eigenen Mutter, von ganz unten nach ganz oben und wieder zurück. Kein Stillstand, immer ein Kampf. Dabei beruft sie sich oftmals auf Erzählungen, die die Mutter immer wieder zum Besten gab, thematisiert sowohl ihr Liebes- als auch ihr Sexualleben ausführlich. Catherine war impulsiv, sie lebte immer am Rande zum Wahnsinn. Alkohol, Drogen, wechselnde Liebhaber, das alles bestimmte das Leben der Mutter und so auch das von Violaine und ihrer Schwester. Der Vater ist ein hohes Tier in der Geschäftswelt, der allabendlich vorbeikommt, um die Kinder zu Bett zu bringen. Doch die Beziehung zur Mutter ist lang zerbrochen, auch wenn sie sich immer noch lieben. Man lernt Maman durch die Augen der Tochter kennen, versteht ihre Exzesse selten, schüttelt stumm mit dem Kopf.

Doch dann kommt der zweite Part und hier lernt man die Frau hinter dem impulsiven Leben kennen. Catherine, die Frau, die siebenmal ihren Nachnamen wechselte und doch immer noch nicht weiß, wer sie nun eigentlich ist. Die sich in sich selbst verliert, in postnatalen Depressionen, im Rausch zwischen Liebe und Verzweiflung. Catherine, die Schöne, die aus der Arbeiterschicht nach ganz oben gelangte und die doch das einfache Leben auf dem Land liebte. Catherine, die voller Gegensätzlichkeiten war, die Mutter und Frau zugleich sein wollte und doch immer wieder an ihre Grenzen kam.

Es ist ein mitreißender Roman, in einem ungewöhnlichen Stil geschrieben. Lange Sätze, verschachtelt wie bei Thomas Mann, viele Gedanken ineinander verwoben. So, wie vermutlich auch Catherines Leben war. Von allem ein bisschen zu viel. Atemlos rannte ich dem Leben hinterher, das sich da vor mir ausbreitete, atemlos und zutiefst erschöpft, als ich am unvermeidlichen Ende ankam. Aber glücklich; glücklich dieses wunderbare Stück Literatur gefunden zu haben.

Fazit
Wer Lebensgeschichten mag, der kommt hier voll auf seine Kosten. Denn wenn Catherine eines tat, dann war es leben. Violaine Huisman zeichnet das Bild ihrer Mutter schonungslos und ohne rosa-Brillen-Verklärung und schreibt damit eine wunderbare Hommage an ihre eigene Mutter, die so viel gab, um zu leben.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 30.04.2019
So schöne Lügen
Burton, Tara Isabella

So schöne Lügen


ausgezeichnet

Louise ist weder besonders hübsch, noch besonders reich, noch in irgendeiner Art überhaupt besonders besonders. Kein Wunder also, dass sie es in New York zu nichts gebracht hat bisher. Doch dann lernt sie Lavinia kennen. Lavinia ist das Leben, pur und ohne Schranken. Lavinia reißt sie mit sich fort und zeigt ihr eine Welt, die Louise vorher verborgen war. Alles ist gut, solange man sich an Lavinias Regeln hält.

Sozial verbunden

Der Mensch ist von Natur aus ein soziales Wesen. Wir wollen jemanden haben, der uns liebt, der uns vielleicht sogar bewundert. Wir wollen dazugehören. Auch Louise will das. Ein Segen, als sie Lavinia kennenlernt, und sich ihr die Welt der Reichen und Schönen öffnet. Zuerst. Doch schon bald stellt man fest: Der Segen ist kurz, die Mühsal groß. Will man weiter dazugehören, muss man spuren. Lavinias Launen aushalten, ihr gefallen und immer schön bitte, bitte machen. Louise weiß das. Louise kann das sehr gut. Louise schafft es, sich einen Platz an Lavinias Seite zu erkämpfen.

Doch stetig kann man die Veränderung beobachten, die in Louise vorgehen. Was einst Freude barg, wird nun zum Spießrutenlauf. Das eigene Leben ist völlig außer Kontrolle geraten, wenn man weit über seinen Verhältnissen lebt, ja leben muss, um interessant genug zu sein. So sehen weder Lavinia noch ihre durchaus intelligenten Freunde, wie Louise vom stillen Mauerblümchen zum gefragten Partyanhänger mutiert. Und sich am Ende völlig verliert, und doch zu ihrem Ursprung zurückfindet. Auch wenn der besser verborgen geblieben wäre.

So schöne Lügen ist eine gelungene Beobachtung der heutigen Gesellschaft der jungen Reichen und Schönen. Ein Spiel, das nur wenige wirklich beherrschen, ohne unterzugehen. Dabei schafft es die Autorin brilliant, die Wandlung von Louises Persönlichkeit in Szene zu setzen. Anfangs kommt sie kaum zu Wort, schweigt viel, ist nur anwesend. Später blüht sie auf, wird frecher, nimmt sich Freiheiten heraus. Um dann das eigene Biest in sich zu entdecken, ohne das man in dieser Gesellschaft untergeht. Sie enthüllt einen harten Kern, der sie vor dem Untergang bewahrt.

Die ganze Zeit über fühlte ich mich an zwei großartige Figuren der Literatur erinnert: Die großen Partys des großen Gatsby in all ihrer Dekadenz, wenn auch mit modernen Geschmacklosigkeiten durchsetzt. Und dann haben wir da Holly Golightly, die Elegante, Beliebte, die tragische Person, die Lavinia in all ihrem Glamour darstellt. Die andere mit sich reißt, um das Abenteuer Leben zu genießen, die niemandem helfen kann, nicht einmal sich selbst. Und die doch von allen angebetet wird.

Der Stil des Buches ist alles andere als gewöhnlich, und vermutlich scheiden sich hier die Geister. Er ist lakonisch, er ist weder verschwurbelt noch trocken. Er ist – meiner Ansicht nach – genau so, wie eine solche Geschichte erzählt werden muss. Weder besonders nah an den Personen, noch von oben herab, er nimmt mit und wahrt doch den nötigen Abstand, um die Partys zu genießen, ohne sich selbst in ihnen zu verlieren. Nicht wie Louise. Oder Mimi. Oder all die armen Seelen, die jemals in Lavinias Dunstkreis eingetreten sind und untergingen im gesellschaftlichen Strudel.

Fazit

Für mich ein absolutes Highlight, das mir da in die Hände gefallen ist. Ein modernes Märchen der Gesellschaft, das, durchsetzt mit Prunk und Glamour, doch immer wieder auf die eigentliche Tragik des Lebens zurück kommt.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.