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d4rcy

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Insgesamt 30 Bewertungen
Bewertung vom 03.01.2018
Wie ich dank Shakespeare in Verona die große Liebe fand
Dixon, Glenn

Wie ich dank Shakespeare in Verona die große Liebe fand


ausgezeichnet

"Wie ich dank Shakespeare in Verona die große Liebe fand" von Glenn Dixon ist die fesselnde Geschichte eines Highschool-Lehrers, der der Liebe aufgrund von herber Enttäuschungen, kritisch gegenübersteht. Um sich über das Wesen der Liebe klarer zu werden, begibt er sich auf eine Reise nach Italien, genauer gesagt nach Verona (der Stadt der Verliebten), um dort den Sommer lang Briefe zu beantworten, die von den unterschiedlichsten Menschen an Julia, der Figur aus der Tragödie "Romeo und Julia" von William Shakespeare, geschickt werden und sich Rat von ihr erhoffen.

Die Geschichte wird in Form einer Memoir erzählt und erinnert wirklich sehr an den Film bzw. das Buch "Briefe an Julia" von Lise und Ceil Friedmann. Denn auch in diesem Roman geht es um "Julias Sekretärinnen", einer Reihe von Frauen, die sich der Aufgabe verschrieben haben, diese Briefe zu beantworten.

So will nun auch Glenn, in der Hoffnung, eigene Antworten zu finden, Antworten an andere Menschen verfassen, die in diesen Briefe teils all ihre Verwundbarkeit, Einsamkeit, Freude oder Verzweiflung offenbaren, von gebrochenen Herzen, Ungewissheit ob der Art ihrer Gefühle und der großen Liebe sprechen. Zuerst fällt es Glenn schwer, aber schon bald legt er sein ganzes Herz in die Antworten.

Mir hat "Wie ich dank Shakespeare in Verona die große Liebe fand" nicht nur aufgrund der Thematik gefallen, der gefühlvollen, ergreifenden Perspektiven auf die Liebe und dem Versuch, ihr mysteriöses Wesen zu erkunden. Auch die Erzählweise fand ich sehr ansprechend, mit einem Wechsel aus Rückblenden zum Lehrer Glenn, der im Unterricht mit seinen SchülerInnen "Romeo und Julia" bespricht und der Zeit in Verona, einer wunderschönen Kulisse, die der Geschichte den letzten Schliff verleiht.

Allen in allem hat Glenn Dixon hier eine wunderschöne, herzerwärmende Geschichte zu Papier gebracht, die einen teilweise vielleicht etwas traurig oder zumindest nachdenklich stimmt, zuletzt aber auch inspirierend schön ist und Hoffnung schenkt.

Bewertung vom 26.12.2017
Die Optimierer
Hannig, Theresa

Die Optimierer


ausgezeichnet

Im Jahr 2050 leben die Menschen der Bundesrepublik Europa (kurz: BEU) in einer sogenannten Optimalwohlökonomie. Im Artikel 2, Absatz 3 des Grundgesetzes ist hier nämlich das Recht des Bürgers bzw. der Bürgerin auf einen Platz in der Gesellschaft festgeschrieben, der seinen oder ihren Fähigkeiten und Neigungen gerecht wird.

Durch die technische Entwicklung und die Übernahme redundanter Arbeiten durch Roboter ist es nun nämlich möglich, nicht mehr nach dem größten Profit, sondern nach dem größtmöglichen Wohl aller Menschen zu streben. Dafür, dass dies in der Realität umgesetzt werden kann, gibt es ausgebildete Lebensberater, die dafür sorgen, dass jeder Mensch den für ihn oder sie optimalen Beruf ausüben und damit auch dem Staat am meisten nützen kann - das Recht ist somit nämlich auch eine Pflicht, und hat man keine besonderen Fähigkeiten vorzuweisen, geht es eben in die “Kontemplation”, d.h. man scheidet aus der Arbeitswelt aus und kann seinen Hobbys nachgehen.

Samson Freitag ist ein solcher Lebensberater - und das mit großer Leidenschaft. Zu Beginn des Buches hat er es jedoch mit der Beratung einer Frau zu tun, die folgenschwere Konsequenzen hat - nicht nur für sie, sondern auch für ihn.

Theresa Hannigs Debütroman “Die Optimierer” ist eine unglaublich spannende Zukunftsvision - ob Utopie oder Dystopie ist zunächst nicht besonders eindeutig. Eine Optimalwohlökonomie klingt ja schon mal gar nicht so übel: Roboter erledigen all die lästigen Arbeiten wie den Haushalt, jeder Mensch hat genug Geld, einen für ihn perfekten Arbeitsplatz (oder eben auch gar keinen - und das ist nicht mal schlimm), es gibt keinen Fleischkonsum mehr und mithilfe einer Augenlinse ist es jedem zu jeder Zeit möglich, auf Millionen von Daten zuzugreifen, auf technische Geräte zuzugreifen oder Zugang zum eigenen Auto oder zur Wohnung zu bekommen - sozusagen ein Computer und Schlüsselkarte in einem.

Aber je mehr man über die Welt erfährt, in der Samson so fröhlich lebt und mit Begeisterung seinem Job nachgeht, desto düsterer wird sie. So hat zum Beispiel jeder Mensch ein Sozialpunktekonto. Wer sich nicht an die Spielregeln hält, muss mit Konsequenzen rechnen - erst Stigmatisierung, dann Abschiebung, dann…? An jeder Straßenecke stehen Roboter, die kaum von echten Menschen zu unterscheiden sind, und ein wachsames Auge auf alles haben, was um sie herum passiert, während die Menschen zumeist so beschäftigt mit ihrer fortschrittlichen Technologie sind, dass sie von ihrer Umwelt kaum noch etwas mitbekommen. Es ist das perfekte System. Bis es einen fallen lässt.

All das ist unglaublich spannend und intelligent erzählt. Samson Freitag ist der perfekte Protagonist, seine Liebe zum System ist aus den bereits genannten Gründen zuerst irgendwie verständlich, wirkt aber auch wie ein riesiges Warnschild auf den Leser bzw. die Leserin. Man will ihn schon an den Schultern packen und aus dieser Trance wachrütteln, die ihn all die fragwürdigen neuen Normen und Werte so unhinterfragt übernehmen lässt. Die Bedenken seine Freundin oder seiner Eltern nimmt er gar nicht wahr, durchgängig spürt man, wie einsam ihn das in Wirklichkeit macht. Man selbst fühlt sich fast von den Nebenfiguren abgekapselt, indem man in Samsons Rolle schlüpft. Bis auch er endlich anfängt, den Status quo anzuzweifeln und selbst nachzufragen.

Theresa Hannig bringt in diesem Roman zum Grübeln, aber spickt die Geschichte mit viel Humor. Eine ungewöhnliche Mischung für einen Science Fiction-Roman, aber meines Erachtens von Anfang bis Ende perfekt umgesetzt. Eine emotionale Achterbahn, die einen fesselt, erschreckt und nachdenklich macht. Für mich definitiv eine der besten Neuentdeckungen der letzten Zeit, nicht nur aufgrund der spannenden und innovativen Zukunftsvision, sondern auch seiner Umsetzung. Hannigs klarer und trotzdem humorvoller Schreibstil gefällt mir unglaublich gut und ich freue mich schon sehr auf die Fortsetzung.

Bewertung vom 22.12.2017
Audrey & Ich / A Girls' Night In Bd.1
Holliday, Lucy

Audrey & Ich / A Girls' Night In Bd.1


sehr gut

Lucy Hollidays “Audrey & Ich” ist eine wunderbar leichtherzige und romantische Geschichte, die man nicht aus der Hand legen kann. Ihre Figuren sind liebenswert, authentisch und witzig, Hollidays Schreibstil so unterhaltsam und charmant - für mich eine echte Entdeckung im Genre, vor allem als Fan von Sophie Kinsella.

Es sieht so aus, als würde es in Libby Lomax’ Leben endlich mal weitergehen, nachdem sie ewig im Schatten ihrer Schwester stand. Nicht nur hat sie ihre erste Sprechrolle in einer Serie (zwar als pickliger Alien und nur eine Dialogzeile - aber immerhin!), in der auch noch der unglaublich gutaussehende Dillon O’Hara eine Gastrolle hat, sondern sie hat auch endlich eine eigene Wohnung und steht nicht mehr unter der Fuchtel ihrer Mutter. Doch dann geht alles schief. Sie blamiert sich vor dem Superstar und wird durch ein Missgeschick vom Set geschmissen. Um den schrecklichen Tag abzurunden ist dann auch noch ihre neue Wohnung ein absolutes Desaster. Doch dann taucht ihr großes Idol Audrey Hepburn auf einmal neben ihr auf dem Sofa auf - egal ob sie nun eine Halluzination, eine Doppelgängerin oder wer weiß was ist, Audrey weiß Rat (mal mehr, mal weniger gut).

Mir gefielen die Figuren und ihr Zusammenspiel in “Audrey & Ich” wirklich gut, obwohl sie doch fast alle die typischen Liebesroman-Rollen einnehmen. Libby ist zum Beispiel etwas klischeehaft tollpatschig, aber liebenswert - manchmal vielleicht auch ein wenig zu gutmütig, denn stellenweise war es etwas frustrierend, wie sie nicht nur sich selbst behandelt hat, sondern sich auch von anderen hat behandeln lassen. Ich hoffe, dass hier noch eine deutliche Charakter-Entwicklung in der Fortsetzung stattfindet. Gelegentlich wollte ich Libby nämlich gern schütteln und ihr sagen, dass gutes Aussehen nicht alles ist und sie sich den arroganten Schnösel Dillon O’Hara aus dem Kopf schlagen soll. Ihren besten Freund Olly hätte ich dagegen gern aus dem Buch herausgeklaut. Auch Libbys Schwester und ihre Mutter sind nicht wirklich ungewöhnliche Nebenfiguren, haben sich aber so gut in die Geschichte eingefügt, dass Lucy Holliday trotzdem etwas erschaffen hat, was neu wirkt, berührt und unterhält, selbst wenn man öfter in diesem Genre unterwegs ist.

Alles in allem war “Audrey & Ich” in meinen Augen ein wirklich rundes Leseerlebnis, das mir vor allem durch seine witzigen Dialoge viel Vergnügen bereitet hat, und ich freue mich wirklich sehr auf die Folgebände “Marilyn & Ich” und “Grace & Ich” von Lucy Holliday. Bis dahin werde ich jedoch jetzt erst einmal den Film “Frühstück bei Tiffany” schauen.

Bewertung vom 11.12.2017
Mit Sehnsucht verfeinert / Taste of Love Bd.4
Anderson, Poppy J.

Mit Sehnsucht verfeinert / Taste of Love Bd.4


gut

Hailey und Scott waren sieben Jahre lang ein Traumpaar - auch die Hochzeit stand schon vor der Tür. Aber dann nimmt Hailey plötzlich eine Stelle als Gourmetköchin in mehrere tausend Meilen entfernten Kalifornien an. Niemand scheint zu wissen, was wirklich vorgefallen ist. Drei Jahre später treibt es Hailey zurück nach Boston - wo Scott geblieben ist und die Karriereleiter erklommen hat. Doch entgegen aller Gefühle, die die beiden offensichtlich noch füreinander haben, scheint es nicht so, als könnten sie so ohne Weiteres wieder zusammenfinden.

Der 4. Teil von Poppy J. Andersons „Taste of Love“-Reihe hat mir insgesamt ganz gut gefallen. So gut, dass ich gern Teil 1-3 noch nachholen würde. Und das ist ein, meiner Meinung nach, großer Pluspunkt: Jeder Teil steht für sich, kann also ohne Probleme ohne Vorwissen gelesen und genossen werden. Aber für diejenigen, die die vorherigen Bände gelesen haben, gibt es kleine Belohnungen in Form von wiederkehrenden Figuren. Das Konzept finde ich sehr schön.

Auch Andersons Schreibstil ist eine Lesefreude. Dynamisch, authentisch, locker, witzig. Genau richtig für die Geschichte, die hier erzählt werden soll. Diese war alles in allem okay, d.h. nicht herausragend, aber meiner Meinung nach typisch für das Genre. Das heißt: Sie liest sich wahnsinnig schnell und angenehm, ist aber etwas austauschbar. Wir haben ein Liebesdrama mit typischen Problemen und ein Paar, von denen sich niemand so richtig seine Fehler eingestehen mag. Womit wir auch schon bei den beiden Hauptfiguren wären. Die waren beide leider sehr stur (zum Haareraufen stur!) und benahmen sich manchmal wie Teenager. Besonders wenn man dann nach und nach ihre Hintergrundgeschichte kennenlernt, wird es gelegentlich etwas frustrierend. Das muss nicht grundsätzlich schlecht sein, für mich gehört es auch dazu, die Protagonisten auch mal durchschütteln und ihnen sagen zu wollen, was sie tun sollten. Aber dadurch, dass sie für ihr Alter und ihre lange Beziehung doch manchmal sehr dramatisch waren, fiel es mir etwas schwer, Sympathien aufzubauen und schlussendlich mit ihnen mitzufiebern. Es fehlte mir letztendlich der emotionale Bezug zu den Figuren.

Ich hätte es auch schön gefunden, wenn es ein paar mehr Nebenfiguren gegeben hätte oder sich zumindest die existierenden Figuren mehr hätten entwickeln dürfen, um aus ihren vorhersehbaren, leicht klischeebehafteten Rollen herauszutreten (insbesondere meine ich hierbei Haileys besten Freund, die Haushälterin ihres Vaters, Mandy oder Scotts Freund Mitch - bei diesen stand ihre Funktion, die sie in der Geschichte zu erfüllen haben, leider einfach etwas zu deutlich im Vordergrund bzw. war zu deutlich zu erkennen, dafür, dass ihre Persönlichkeiten sonst etwas in den Hintergrund traten).

Trotzdem hatte ich Spaß mit dem Buch und habe bekommen, was ich erwartet habe. „Mit Sehnsucht verfeinert“ eignet sich perfekt für einen freien Abend oder mal für ein wenig Entspannung zwischendurch, die „Taste of Love“-Reihe hat ein schönes Konzept (Liebe und Essen, wer mag diese Kombination nicht?) und es gibt ein bisschen Drama, gekleidet in einem ansprechenden Roman. Ich hatte lediglich meine Probleme mit den Figuren - aber ich glaube, dass das einfach sehr individuell ist und bin gespannt und neugierig auf die anderen Paare der Reihe. Ich könnte mir sehr gut vorstellen, dass Leser der Reihe und Fans der Autorin sowie alle, die ungefähr wissen, was sie zu erwarten haben, auf jeden Fall auf ihre Kosten kommen werden und diesen Teil ebenfalls genießen können.

Bewertung vom 19.10.2017
Stille
Kagge, Erling

Stille


sehr gut

„Je stiller es wurde, desto mehr hörte ich.“ (Erling Kagge in "Stille")
Stille ist nicht einfach nur die Abwesenheit aller Geräusche. Es gibt glückliche Stille, entspannte Stille, aggressive Stille, traurige Stille, beruhigende Stille, wohltuende Stille. Von dieser Stille - und auch von der Stille in sich selbst -, ihrem Wesen, wo sie zu finden ist und von ihrer Wichtigkeit erzählt Erling Kagge in 33 Geschichten.

Wer befürchtet, ihm sei das Buch zu spirituell, muss keine Angst haben. Das ist es nicht. Erling Kagge beschreibt seine Perspektive auf die Stille als eine rein praktische. Es geht um seine Erlebnisse während seiner Extremtouren, z.B. in der Arktis, oder in seinem Alltag. Es geht um Musik, Sport, Familie, Kunst und Technik. Wir lesen von Konversationen mit Familienmitgliedern, Freunden und Wissenschaftlern.

Das Buch ist keine Anleitung „Finden Sie die Stille in sich in nur 33 Schritten!“. Es ist ein Gespräch mit dem Autor Erling Kagge. Man bekommt gute Ratschläge, lustige, traurige oder spannende Anekdoten und etwas, worüber man auch noch Stunden oder Tage nach der Unterhaltung nachdenken kann. Es ist also eines dieser besonderen Gespräche, an die man im Alltag immer mal wieder zurückerinnert wird - wenn man denn für sich selbst etwas daraus entnehmen konnte. Besonders relevant: Die Stille zu entdecken, der man begegnet, wenn man Handy, Fernseher und PC ausschaltet.

Stille ist eins dieser typischen Bücher, die einem entweder gefallen oder eben nicht. Kann ich mich mit dem Autor identifizieren? Ist er mir sympathisch? Kommt mir das, wovon er schreibt, irgendwie bekannt vor? Ist das alles nicht der Fall, dann denke ich, neigt man auch dazu, das Geschriebene als sehr banal und nichtssagend zu empfinden. Das Buch ist persönlich. Es ist fast wie ein Eintrag in einem privaten Blog. Diejenigen, die es nicht interessiert, klicken eben weg. Aber dadurch, dass uns als Leser ein Buch in die Hand gelegt wird, müssen wir uns entscheiden, ob wir das Buch einfach weglegen, es einfach schnell von vorne bis hinten durchlesen oder ob wir uns die Zeit nehmen, zuzuhören. Für mich war das gewählte Medium ein weiterer Kommentar, eine weitere der 33 Geschichten. Mal haben diese mir sehr gut gefallen, mal weniger, aber allein die Lektüre hat mich, persönlich, etwas näher zu meiner eigenen Stille gebracht.

Optisch und haptisch ist das Buch sehr gelungen. Nimmt man den Schutzumschlag ab, der in seiner Schlichtheit das Thema Stille zu vermitteln scheint, erwartet einen genau das Gegenteil. Die Seiten fühlen sich wunderbar glatt und wertig an.

Mir hat das Buch vor allem aufgrund seiner Thematik gefallen. Erling Kagge ist zudem ein interessanter Autor, der er schafft, mich in das „Gespräch“ mit dem Buch zu verwickeln. An mancher Stelle hätte es mir besser gefallen, wenn die Ansätze noch ein bisschen wissenschaftlicher gewesen wären, aber eigentlich habe ich das zu Beginn des Buches auch nicht erwartet, von daher ist das in Ordnung so, wie es war. Der Schreibstil hat mir gut gefallen. Ebenso die Mischung aus Anekdoten, Zitaten, Gesprächen und sogar Bildern. Man darf natürlich nicht erwarten, dass dieses Buch sein Leben verändert und manchmal driftet es auch in Gemeinplätze ab oder spricht von sowieso offensichtlichen Dingen. Aber… sind sie wirklich so offensichtlich? Das muss jeder selbst herausfinden. Für mich war Stille von Erling Kagge ein besonderes und angenehmes Leseerlebnis.

Bewertung vom 19.10.2017
Die Lichter von Paris
Brown, Eleanor

Die Lichter von Paris


sehr gut

Eleanor Browns Die Lichter von Paris erzählt die Geschichte von Madeleine und Margie, zwei Frauen aus zwei Generationen, gefangen zwischen den Erwartungen, die an sie gestellt werden, und auf der Suche nach Selbstbestimmung, nach Liebe und nach Glück.

Der Plot ist so simpel wie sofort einnehmend: Wir schreiben das Jahr 1999, die junge Madeleine ist unglücklich verheiratet und ihr Traum vom Malen ist mittlerweile wirklich nur noch ein Traum. Sie verbringt ihr Leben zwischen gesellschaftlichen Verpflichtungen und für sie unerfüllbaren Erwartungen - bis sie eines Tages die Tagebücher ihrer Großmutter Margie findet, die trotz 70 Jahren Zeitunterschied genau dieselben Probleme und dasselbe Schicksal zu haben scheint. Auch Margie hatte einst Träume und fühlte sich gefangen in den gesellschaftlichen Umständen, doch dann floh sie in die Pariser Boheme. Inspiriert durch ihre Geschichte entschließt sich schließlich auch Madeleine, ihr Leben in die Hand zu nehmen.

Das Besondere an diesem Roman ist also vor allem die Erzählung in abwechselnder Perspektive. Insbesondere die Kapitel, in denen Margies Leben in den 1920er Jahren beschrieben wird, wecken die Sehnsucht nach Paris, nach Abenteuern und Freiheit. Nicht nur Margies Entwicklung, sondern auch die Menschen, denen sie auf ihrer Reise begegnet, sind wundervoll, authentisch und detailliert beschrieben. Hier schafft es Eleanor Brown, mich wirklich zu überzeugen. Ganz im Gegensatz zu den Kapiteln, in denen es um Madeleine geht - und das, obwohl doch die Geschichten beider Frauen so viele Ähnlichkeiten aufweisen. Aber die Figur Madeleine als moderne Frau hat mich durch ihr oft fehlendes Rückgrat und all die Rechtfertigungen zu oft frustriert.

Nichtsdestotrotz hat mir Die Lichter von Paris sehr gut gefallen, einfach weil es eine Achterbahn der Gefühle war, mal lebensbejahend, mal traurig und herzbrechend, oft sehr nachvollziehbar. Aber am Ende steht vor allem eine wichtige Lektion: Um wirklich frei zu sein und uns selbst zu verwirklichen, müssen wir uns all den unrealistischen und ungewollten Erwartungen entledigen, und einfach nur für uns selbst leben. All das verpackt in dieser Familiengeschichte, die ja auch zum Teil historischer Roman ist, macht das Buch für mich sehr empfehlenswert. Kleine Abstriche bei den Charakteren, die teilweise sehr klischeebelastet waren und eine manchmal vorhersehbare Geschichte, führen insgesamt zu einem Punkt Abzug, schmälern jedoch den Lesegenuss nur unwesentlich.

Bewertung vom 14.10.2017
Der gefährlichste Ort der Welt
Johnson, Lindsey Lee

Der gefährlichste Ort der Welt


gut

Gruppenzwang, Angst, die Highschool, Druck von Familie und Freunden, Privilegien und dieser schwer erträgliche Zustand zwischen Kindheit und Erwachsensein, Social Media, Drogen, Mobbing, folgenschwere Entscheidungen sowie die Bemühungen einer Lehrerin, das Leben der Schüler zu bereichern und zu verbessern. Um diese Dinge geht es in Der gefährlichste Ort der Welt von Lindsey Lee Johnson.

Der Klappentext klingt nach einem typischen Young Adult Drama im Stil von z.B. 13 Reasons Why oder Riverdale, war aber jedoch ganz anders als erwartet. Lindsey Lee Johnson schafft es durch ihre Erzählweise, den Leser bzw. die Leserin trotz eines Ensembles größtenteils unsympathischer Charaktere in das grausame Geschehen zu ziehen. Man geht gleichzeitig gern und ungern mit ihnen auf die Reise durch ihr Leben.

Nichtsdestotrotz gab es leider viele Punkte, die meinen Lesegenuss geschmälert haben. Die verschiedenen Perspektiven waren mir irgendwann einfach zu viel - auf viel zu wenig Platz. Dadurch blieben die Figuren für meinen Geschmack zu flach und nicht komplex genug, um glaubwürdig zu sein. Trotzdem: sie sind nicht perfekt, was wiederum gut ist. Aber es gibt so einige Stereotype, die sich gegenseitig durch die Geschichte jagen, genau so wie Ereignisse und Tragödien.

Auch wenn mich das Buch also manchmal in seinen verschiedenen Perspektiven verloren hat, so hat mich die Handlung doch immer wieder eingeholt und zum Weiterlesen gebracht. Obwohl ich ein paar Probleme mit den Figuren habe, finde ich dennoch, dass es eine wichtige Geschichte ist, die gerade heute noch an Bedeutung zunimmt. Daher spreche ich trotz den 3 von 5 Sternen, die ich gebe, eine Empfehlung aus. Ich mag Lindsey Lee Johnsons Erzählweise und ihren Schreibstil und hätte einfach gehofft, dass sie mehr Raum zur Entfaltung der Geschichte gehabt hätte.

Bewertung vom 02.10.2017
Die Schlange von Essex
Perry, Sarah

Die Schlange von Essex


sehr gut

Nach dem Tod ihres Mannes kehrt die intelligente und neugierige junge Witwe Cora Seaborne ihrem eingeschränkten und langweiligen Leben in London den Rücken zu und begibt sich in Begleitung ihres elfjährigen Sohnes und seines Kindermädchens nach Essex an die Küste. Als sie dort von Gerüchten einer mythischen Schlange erfährt, ist ihr Interesse geweckt - während die Dorfbewohner in Angst und Schrecken sind, reizt sie der Gedanke, eine neue Spezies entdecken.

Außerdem macht sie Bekanntschaft mit William Ransome, dem Pfarrer von Aldwinter. Während Cora glaubt oder gar hofft, dass die Schlange von Essex real ist, bringt Will der gottlose Aberglaube des Dorfes fast zur Verzweiflung. Trotz ihrer komplett unterschiedlichen Persönlichkeiten und ihren gegensätzlichen Ansicht, verbindet Cora und Will jedoch eine starke Anziehungskraft.

Die Schlange von Essex hat mir insgesamt sehr gut gefallen. Es ist ein wunderschön geschriebenes Werk aus dem Genre der Historical Fiction, angelegt im viktorianischen England der 189er Jahre. Seine größte Stärke sind die sehr unterschiedlichen, interessanten Figuren - allen voran die unkonventionelle Protagonistin Cora. Sie alle stellen zusammen ein außergewöhnliches Ensemble dar, mit je ganz eigenen Eigenschaften, Macken und Verschrobenheiten. Und diese stehen letztendlich auch im Zentrum des Romans.

Die Handlung selbst hätte jedoch um einiges straffer sein können, an manchen Stellen hat Perry durch die ausschweifenden Nebenstränge der Geschichte leider meine Aufmerksamkeit und meinen emotionalen Bezug zu den Figuren und dem Plot verloren.

Nichtsdestotrotz war Die Schlange von Essex eine spannende, interessante Lektüre - da sie meiner Meinung nach auch mal mutig neue Wege abseits von narrativen Klischees beschreitet, ein authentisches und atmosphärisches (manchmal gespenstisches) Setting hat und in wunderschöner Prosa geschrieben ist, die mich immer wieder dazu animierte, das Lesen zu verlangsamen und die Sprache und den Schreibstil zu genießen.

Ich würde dieses Buch jedem empfehlen, der nicht unbedingt viel rasante Action erwartet, dafür aber an Figuren interessiert ist, die den Plot v.a. durch intelligente und einfühlsame Gespräche, Charaktere, Emotionen und Beziehungen voranbringen.

Für mich verdient das Buch 4 von 5 Sternen, da es ein sehr anregendes Lesevergnügen war und die Figuren allesamt so interessant waren, so dass mich die sich entfaltenden Beziehungskonstellationen immer weiter zum Lesen getrieben haben, die Geschichte mich jedoch durch manche Längen und Nebengeschichten nicht komplett überzeugen und mitreißen konnte.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 08.09.2017
Als der Teufel aus dem Badezimmer kam
Divry, Sophie

Als der Teufel aus dem Badezimmer kam


ausgezeichnet

Viele Menschen definieren sich über ihren Beruf. Ihren Status. Ihren Lebensstil. Sophie ist Mitte 30, arbeitslos und hat 17,70€ auf dem Konto. All das zuvor genannte hat sie nicht mehr und als wäre das nicht Belastung genug, lässt die nächste Zahlung ihrer Grundsicherung quälend lange auf sich warten. In ihrem bescheidenen Zuhause zwischen angeschlagenem Geschirr, einem einsamen angeknacksten Stuhl und einer kaputten Klospülung versucht Sophie, an Geld zu kommen, einen Job zu finden oder vertreibt sich die Zeit damit, Trübsal zu blasen und einen Roman zu schreiben, um den nagenden Hunger zu vergessen. So deprimierend sich das anhört, so fantasiereich und voller Humor ist jedoch Sophies Art, diese Situation zu bewältigen.

„Als der Teufel aus dem Badezimmer kam“ hat eindeutig etwas von einem Meta-Roman, es geht um die Schriftstellerin Sophie (Divry?) und ihr Werk, auf das auch immer wieder innere Stimmen und Nebenfiguren scheinbar direkten Einfluss nehmen. Durch die Form und den Schreibstil wird die Geschichte seinem anfänglichen Versprechen „ein Improvisationsroman voller Unterbrechungen“ zu sein, meiner Meinung nach also absolut gerecht und das ganze Buch liest sich schon fast eher wie ein Tagebuch, gespickt mit zahlreichen Anspielungen auf Literatur und französische Kultur, diversen Neologismen und mal umgangssprachlichen, modernen, mal mit fast frivolen, mal eleganten, fast poetischen, mal mit schwülstigen Passagen - je nach Kontext. Ein sprachliches und literarisches Potpourri.

Und auch ein emotionales Potpourri bekommt der Leser ab, sobald er sich auf Sophie eingelassen hat. Von einem lustigen, selbstironischen Moment voller schwarzer Humor hin zur Nachdenklichkeit hin zum Mitleiden und wieder hin zum Schmunzeln.

Meiner Meinung nach besonders hervorzuheben ist die Typografie des Buches. Diese wurde so bedacht und gleichzeitig mit so viel Kreativität eingesetzt, dass ich sie in dieser Art und Weise einmalig finde. Sie schafft es, das zu unterstreichen, was gesagt wird und transportiert so noch viel stärker die Emotionen aus dem Text, ohne nervig oder deplatziert zu wirken.

Für mich ist „Als der Teufel aus dem Badezimmer kam“ eine Liebeserklärung an die Literatur, an das Buch und den Akt des Schreibens. In dieser scheinbar einfachen, sehr alltäglichen Geschichte steckt auch etwas Philosophie und viel zum Nachdenken. Manchmal ist man geneigt, Passagen zu überlesen - aber dann überlegt man es sich doch noch mal anders.

Alles in allem ein Roman, den ich mit sehr viel Freude gelesen habe. Ein Roman, der deutlich aus dem Mainstream heraussticht und so ganz anders ist als man erwartet. Vielleicht ist er nicht in jeder Hinsicht perfekt (teilweise gab es doch ein paar Längen - etwas, was bei einem Improvisationsroman wohl nicht allzu verwunderlich ist), aber er ist durchaus etwas Besonderes. Ich persönlich bin jetzt auf jeden Fall gespannt auf Sophie Divrys weitere Werke.