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ElliP
Wohnort: 
Hessen

Bewertungen

Insgesamt 136 Bewertungen
Bewertung vom 17.02.2024
Blutrot / Die Áróra-Reihe Bd.2
Sigurðardóttir, Lilja

Blutrot / Die Áróra-Reihe Bd.2


sehr gut

Der Krimi startet rasant mitten im Gewaltverbrechen: Gudrun, Ehefrau des vermögenden isländischen Unternehmers Flosi wurde gekidnappt und ein Verbrecherschreiben verlangt ein hohes Lösegeld. Wenn nicht gezahlt würde, müsse sie sterben. Flosi ist untröstlich, steht unter Schock, will alles für die sichere Rückkehr seiner geliebten Gudrun tun und verzichtet vorerst auf die Einschaltung der Polizei, um die Übergabe und den Austausch des Geldes gegen das Leben seiner Frau nicht zu gefährden. Stattdessen kontaktiert er seinen Vermögensverwalter in Schottland, um an die extrem hohe Summe zu kommen, die er bar in einer Tasche zur Verfügung stellen soll. Und in diesem Moment tritt Arora auf, die wir schon aus dem ersten Band „Höllenkalt“ von Lilja Sigurdardottir kennen und die sich um den Transport des Geldes über die Grenzen hinaus kümmern soll.
Die ungebundene, attraktive Privatdetektivin und Finanzermittlerin lebt zur Zeit aus persönlichen Gründen übergangsweise in Island, eigentliche Heimat ist London. Sie ist erfolgreich, unabhängig, selbstbewusst und etwas spröde, aber ihr Innerstes ist von den Erlebnissen im ersten Band noch erschüttert und beschädigt – denn sie hat noch eine weitere Mission zu erfüllen: Sie ist auf der Suche nach ihrer verschollenen Schwester Isafold.
Die Ereignisse überschlagen sich, sie ist mittendrin in der Gefahrenzone, geht Risiken ein und muss außerdem auch privat ihre Gefühle und Gedanken neu sortieren und bewerten.
Sigurdardottir schafft es durch ihren kurzen, prägnanten Schreibstil, den Leser in diese fremde, nordische Welt mitzunehmen. Immer wieder ergeben sich neue Wendungen, potentielle Verdächtige tauchen auf, private und geschäftliche Verstrickungen werden sichtbar und der Leser rätselt mit. Die kurzen Kapitel erzeugen Abwechslung und Schnelligkeit und bis zum Schluss steigt die Spannungskurve – ein gelungener zweiter Band der Arora-Trilogie, bei dem nicht alles abschließend geklärt bzw. aufgedeckt werden konnte. Der Leser darf sich nun auf spannende Unterhaltung in Band 3 freuen.

Bewertung vom 03.01.2024
Zweistromland
zu Stolberg, Beliban

Zweistromland


sehr gut

Ein starker Beginn, ich bin gleich bei der Protagonistin und kann mich in sie hineinversetzen – Dilan, eine junge Juristin, in Deutschland aufgewachsen und Tochter kurdischer Eltern, fühlt sich zwischen den Welten, kurdisch, türkisch und deutsch und sie begibt sich auf die Suche nach der Geschichte ihrer Eltern. In ihrer Familie herrscht Schweigen und Zurückhaltung, sobald es um die Vergangenheit, die Zeit in der Türkei geht und neugierige Fragen werden mit Schweigen und Zurückweisung bestraft. Deshalb begibt sich die junge, schwangere Frau in der Türkei auf die Reise nach der Familienvergangenheit. Sie will herausbekommen, was die Eltern in ihrer Jugend und Vergangenheit erfahren haben, warum dieses Schweigen entstanden ist, sie ist auf der Suche nach dem verlorenen Bruder, dem Familiengeheimnis und auch der eigenen Identität.
In den verschiedenen Zeitebenen erkennt der Leser stückweise die einzelnen Steinchen des Mosaiks, ein Vexierbild, das es zu entschlüsseln gilt. Politik, die Militärdiktatur der Türkei in den 80-er Jahren, die Unterdrückung der Kurden, Gewalt und Machtmissbrauch – Themen, die sich durch den Roman ziehen.
Die Sprache ist poetisch und konkret zugleich, wir sind bei der jungen Frau, die auf der Suche nach ihrer Identität ist und bei dem Teenager, der sich ausprobieren möchte, Kräfte misst und dem Geheimnis um den mysteriösen Bruder auf die Spur kommen möchte. Wunderschöne Metaphern begleiten uns durch das „Zweistromland“ und originelle Wortschöpfungen geben dem Roman Poesie und Leichtigkeit. Wir begeben uns mit Dilan auf die Suche nach ihrer Herkunft, nach Identität und Zugehörigkeit, nach Heimat und Familie – Fragen, die jeden beschäftigen und zeitlos und aktuell immer ihre Berechtigung haben und von Beliban zu Stolberg zu einem gelungenen Debut verarbeitet werden.

Bewertung vom 31.12.2023
Glitsch
Schwarz, Adam

Glitsch


sehr gut

Glit(s)ch: Ausrutschen - Ein Fehler, eine Lücke im Programm, wodurch etwas ermöglicht wird, was eigentlich nicht sein sollte, ein Fehler im Computerspiel! Das passt auf die Realität von Leon, dem Antihelden des Romans, der sich in einer fremden Welt wiederfindet, immer wieder Wege nicht gehen, sich im Spiel nicht bewegen kann – wie in einem Alptraum, bei dem der Träumer die Regeln nicht bestimmt und sie nicht unter Kontrolle hat.
Ausgangslage ist die Fahrt auf einem Kreuzschiff mit der Liebsten in der Nobel-Suite – ihre finanziellen Verhältnisse machen es möglich, denn Leon – der erfolglose Schriftseller - kann mit seinem kärglichen Einkommen nichts dazusteuern. Aber dann passiert das Unerwartete, die Trennung, das Verschwinden seiner Freundin Kathrin und er macht sich auf die Suche, die zu einer existenziellen Suche nach dem eigenen Ich ausufert.
Ein kafkaesk anmutendes Vexierspiel, eine Reise ins Ungewisse, alles spielt sich auf dem Schiff ab, das unergründlich, riesig und unüberschaubar eine Gegenwelt darstellt. Auf nichts ist Verlass, Regeln werden außer Kraft gesetzt. Leon wird mit seinem Selbst, seinen Problemen, Fragen, Erfahrungen, Bedürfnissen und Wünschen konfrontiert und es geht eher um die eigene Existenz als um die Liebesbeziehung zur Freundin. Jeder bleibt sich fremd, es geht um die Angst, sich und den Verstand zu verlieren.

Sprachlich eine Wucht! Adam Schwarz schafft es, den Leser in einen Sog zu ziehen, unkonventionelle Bilder betören, verstören und ein anregendes Lesevergnügen wird geboten - ich fühle mich bis zur Mitte großartig unterhalten, danach schippert das Boot leider etwas ziellos umher, deshalb einen Stern Abzug.

Bewertung vom 22.12.2023
Ausgelöscht
Prammer, Theresa

Ausgelöscht


sehr gut

Ein Thriller zum Miträtseln, atemberaubend, spannend geschrieben und der Leser versucht wie bei Agatha Christie den Fall zu lösen und die neuen Informationen immer wieder einzufügen. Es bleibt lange Zeit verwirrend und Fragen über Fragen entstehen: Wem können wir trauen? Wer ist unglaubwürdig? Wer ist the good and the bad guy? Wessen Erinnerungen sind „echt“, wessen wurden „manipuliert“? Diese erschreckende Erkenntnis lässt kein Licht im Dunklen zu, denn unter Umständen wissen sogar die Beteiligten nicht, was in der Vergangenheit wirklich passiert ist.
Am Anfang, also vor dem eigentlichen Beginn des Romans, steht ein großes Experiment, dass das Leben von Patienten mit PTB völlig auf den Kopf stellt: Aufgrund einer Behandlung und einer Neu-Programmierung soll das Trauma aufgelöst und die psychische Grundlage für eine gesunde, normale Entwicklung geschaffen werden. Mit gutem Willen und Forschergeist werden die ersten Patienten von ihren negativen Erlebnissen befreit, ein genialer Geniestreich gelingt und die Psychologen stürzen sich euphorisch in ihre Untersuchung – aber wie gestaltet sich die Zukunft der Probanden tatsächlich? Konnten die einschneidenden Erfahrungen, die Schuldgefühle, die tabuisierten Erinnerungen gelöscht werden und die Lebensbejahung und die Lebensqualität ab diesem „Reset“ wieder hergestellt werden? Was ist mit den ahnungslosen Opfern / Patienten passiert? Diese Fragen sind die Basis für die kriminalistischen Untersuchungen von Psychologen, Ärzten und Kommissaren, die Hand in Hand arbeiten. Wir lernen die Ermittler aus Österreich und Berlin kennen, den unberechenbaren Täter, dessen Handlungen alle überrascht, die Opfer, hübsche Frauen, die alle äußerliche Ähnlichkeiten aufweisen und die angeschlagene österreichische Psychologin, die diesen Fall lösen soll. Aber alleine ist das nicht zu schaffen und unter Zuhilfenahme alter Kontakte begibt sie sich auf eine Reise in die Vergangenheit.
Die unterschiedlichen Perspektiven und Zeitebenen gilt es zu entwirren und gemeinsam mit der Psychologin den Fall zu lösen. Und Theresa Prammer schafft es mal wieder, den Leser auf eine atemberaubende Reise mitzunehmen, bei der man den Thriller nicht mehr zur Seite legen kann.

Bewertung vom 02.12.2023
Das Hotel am Fuße des Vulkans
Maynard, Joyce

Das Hotel am Fuße des Vulkans


gut

Das Schicksal schlägt immer wieder zu: Es passiert so viel, ganz schreckliche Einschnitte im Leben Irenes, der Tod als ständiger Begleiter. Sie verliert die wichtigsten Menschen in ihrem Leben - als kleines Mädchen ihre Mutter und als junge Frau ihre große Liebe und ihren Sohn.
Den Auftrag der Oma, bei der sie als Waise aufwächst, auf keinen Fall ihre Identität preiszugeben, finde ich nicht nachvollziehbar, das macht ihr Leben unnötig schwer, belastet ihre Beziehungen und sie hat das Gefühl, alles alleine mit sich ausmachen zu müssen, ihre Schicksalsschläge im Gespräch mit guten Freunden nicht teilen zu können. Deshalb bleibt sie sich selbst und anderen immer ein Stückweit fremd, wahre Nähe und Begegnung sind nicht möglich. Irene ist sympathisch, trotzdem bleibt sie distanziert und ihre Verhaltensmuster bis zum Schluss nicht nachvollziehbar – sie steht sich und ihrem Glück immer wieder selbst im Weg, sie lernt nicht – weder aus eigenen Fehlern noch aus denen ihrer Freunde und Familienmitglieder. Das ist schade und eine verpasste Chance, sie ergibt sich ihrem Schicksal und nimmt vieles hin. Natürlich will Irene ihrem eigenen Leid entkommen, sich nicht mehr erinnern, sie ist auf der Flucht vor ihrer Vergangenheit – aber so sind Aufarbeitung, Überwindung und Neuanfang natürlich nicht möglich.

Am Schluss stehen zwar trotzdem Belohnung und ein Happy End, aber nicht aufgrund ihres klugen und selbstbestimmten Handelns, sondern aufgrund eines Zufalls – ein Ende wie im Märchen: das Gute wird belohnt und wir hinterfragen nichts. That’s it.
Thema des Romans ist die Lebensreise, die Reise ins Ungewisse dient als Metapher für Aufbruch, Suche, Neuanfang - ein schönes Motiv, das der Lektüre seinen Reiz verleiht.
Und in diesem Kontext reihen sich eine Fülle an Geschichten aneinander, z.T. wird es etwas unübersichtlich, die Müllkönigin, die Echsenmänner, eine Chinesin, Zwillinge, Neugeborene, Adoptierte, Verliebte, Verlobte, Diebe, Polizisten, Mütter und Kinder, Ariadne, Frederico, Leila und wie sie alle heißen. Es erinnert mich etwas an 1001 Nacht, wo immer neue Geschichten erzählt werden, ein Erzählfluss den Leser unterhält, Farben und Gerüche und Töne aufeinandertreffen, immer wieder poetisch und voller Sinneseindrücke. Aber trotz der vielen sinnlichen Eindrücke und breitgefächerten Erzählstränge bleibt mir diese bunte Welt trist und eindimensional, ich werde weder ergriffen noch leide oder lache ich mit den Figuren – ich bleibe ein stiller, leicht irritierter Betrachter einer fremden Welt, die nicht die meine ist.

Bewertung vom 22.11.2023
Weiße Tränen
Schrocke, Kathrin

Weiße Tränen


ausgezeichnet

„Weiße Tränen“ – ein Jugendroman, in dem es um Alltagsrassismus, aber auch um Freundschaft, erste Liebe, Homosexualität, Loyalität und erste Erfahrungen mit dem Tod geht, der spannend in die Welt der Jugendlichen eintaucht und den Leser nachdenklich zurücklässt, da sich sicherlich jeder in der einen oder anderen Rolle wiederfinden kann bzw. Verhaltensmuster bei sich entdeckt, die es zu hinterfragen gilt.
Was bedeutet Freundschaft für mich? Inwieweit ist auf mich Verlass, dass ich meinen Standpunkt in einer Gruppe vertrete, auch wenn der allgemeine Konsens ein anderer ist? Inwieweit versuche ich, die Perspektive meines Gegenübers zu verstehen? Mich in die Welt und die Erfahrungen eines anderen hineinzuversetzen? Inwieweit bin ich bereit, meine eigenen Privilegien zu überdenken, zu hinterfragen und auch aufzugeben? Kann ich mir selbst trauen und mir eine eigene Meinung bilden und danach handeln? Viele wichtige Fragen, die für Jugendliche in der Phase der Ich-Findung, Selbsterkenntnis und Entwicklung von besonderer Bedeutung sind. Wer bin ich? Wer will ich sein?
Anhand der Geschichte von Lenni, seinem Freund Serkan, dem beliebten, attraktiven It-Girl der Theatergruppe, dem Sohn des Bürgermeisters und dem allseits beliebten Lehrer erfahren wir, was es bedeutet, wenn plötzlich ein Fremder dazukommt und die gewohnte Sichtweise durcheinanderbringt, feste Strukturen und Verhaltensmuster auf einmal neu bewertet und gesprengt werden. Spannend und kurzweilig, unterhaltsam und zum Nachdenken anregend schafft die Autorin Kathrin Schrocke den Spagat zwischen Unterhaltung und Bildung, nach der Lektüre wird sicherlich die eigene Position neu überdacht und bestenfalls auch verändert. Der Roman bietet auf alle Fälle viele mögliche Diskussionsanlässe – sicherlich geeignet für die Lektüre in der Schule.

Bewertung vom 28.10.2023
Der Geruch von Ruß und Rosen
Rabinowich, Julya

Der Geruch von Ruß und Rosen


ausgezeichnet

Julya Rabinowichs Roman handelt von Medina, einer starken Heldin auf dem Weg zu sich selbst in Verbindung mit ihrer Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Ihre Familie, die Krieg und Flucht aus einem ungenannten Land hinter sich hat, ist nun ohne Vater in Deutschland angekommen und versucht, einen neuen Halt und ein neues Zuhause zu finden. Mutter, Tante, Oma, kleiner Bruder versuchen gemeinsam mit Madina den Neuanfang, bewältigen die Vergangenheit aber jeweils anders und mit unterschiedlichen Zielsetzungen mithilfe von Therapeuten, Lehrern, Freunden und auch Bekannten aus der alten Heimat. Immer wieder taucht die Sehnsucht auf und Amina, die geheimnisvolle, schöne Schwester der Mutter und Medina machen sich auf die Suche nach dem Vater und der Vergangenheit. Amina öffnet sich nur wenig und ihre Motive bleiben vorerst unklar, warum sie in das ehemalige Kriegsgebiet fährt, was sie von der neuen Familie ihres verstorbenen Vaters erwartet, wie sie sich ihre Zukunft vorstellt.
Sprachlich ein Kunstwerk, ein berührender Text, voller sprachlicher Schönheit, ungewöhnlicher Metaphern, dicht, poetisch und auch wieder umgangssprachlich mit knappen Sätzen und direkten Aussagen. Die Sehnsucht der Menschen nach Frieden, Normalität, Anerkennung und Toleranz wird immer wieder deutlich und dem Leser wird vor Augen geführt, welche Schicksalsschläge, Traumata, Unsicherheiten, existentielle Sorgen und einschneidende Erlebnisse die Menschen mit Fluchterfahrungen mit sich tragen, sie prägen und welche Schwierigkeiten entstehen können.
„Der Geruch von Ruß und Rosen“ ist ein großartiger Roman, der mich immer wieder sehr bewegt hat. Ich wünsche Madina alles Gute auf ihrem weiteren Weg, für ihr Studium, für ihre Träume und ihr weites, mutiges Herz!
Voller Empathie habe ich die junge Protagonistin begleitet, zurück in die alte, zerstörte Heimat, vor neue Herausforderungen gestellt, alte Geheimnisse und Tabus entwirrend, ungeahnte Konflikte bewältigend - ein großartiger Charakter auf der Suche nach Sinn und Wachstum. Die sensible, kluge Lektüre kann uns zum Nachdenken anregen und Toleranz, Offenheit, Menschenliebe fördern und im Idealfall helfen, die eigene Position zu überdenken und das eigene Verhalten zu reflektieren.

Bewertung vom 12.10.2023
Endlich frei! Der queere Coming-out-Ratgeber
Schättin, Marco

Endlich frei! Der queere Coming-out-Ratgeber


ausgezeichnet

Marco Schättin hat diesen Ratgeber aus dem Hintergrund der eigener Erfahrung eines schwulen Coming-Outs geschrieben und möchte anderen eine Ermutigung und Unterstützung geben, diesen für ihn so befreienden Schritt gut vorbereitet zu gehen.
Das Buch umfasst drei große Teile: Erfahrungsberichte von Menschen mit LTGBQIA+ Hintergrund, die beschreiben, wie es ihnen in ihrem Leben und bei ihrem Coming-Out erging, einen Sachteil von verschiedenen Autoren mit Hintergrundinformation und einen Reflexionsteil, in dem der/ die Lesende sich über verschiedene Fragen auf sein eigenes Coming-Out vorbereiten kann und Sicherheit gewinnen kann, ob, wie und wann er sich outen möchten.
Diese Buch macht Mut, viele positive Erfahrungen werden beschrieben, aber auch Schwierigkeiten und mögliche negative Erfahrungen nicht verschwiegen, es ist sehr abgewogen und individuell, lädt ein, sich seinen eigenen individuellen Weg zu suchen. Es ist sehr gut lesbar, informativ und kurzweilig, viele verschiedene Aspekte werden angesprochen, ohne dass es überfrachtet ist. Besonders angenehm finde ich, dass auch die Sicht der Umgebung mitberücksichtigt wird und auch für deren mögliche Schwierigkeiten und Ängste und dem daraus resultierenden Fehlverhalten Verständnis und Geduld entwickelt wird.
Sehr wertvoll scheint mir der dritte Teil, der als Arbeitsbuch gestaltet ist mit Aufgaben, um positive Erfahrungen zu sammeln, sein Selbstbild als queerer Mensch zu festigen und sich innerlich auf die einzelnen möglichen Schritte des Coming-Outs vorzubereiten.
Ein sehr gelungener Ratgeber, sicher eine große Hilfe für viele.

Bewertung vom 08.10.2023
Und hinter mir das Nichts
Obermanns, Berthe

Und hinter mir das Nichts


sehr gut

Berthe Obermanns zweiter Roman „Und hinter mir das Nichts“ beschäftigt sich mit der Suche nach Sinn, der Frage nach dem Wert und der Sinnhaftigkeit des Lebens, Vergangenheit und Zukunft, Lüge und Wahrheit – mit der Existenz im Hier und Jetzt und der Bewältigung der eigenen Geschichte.
Das alles wühlt Sara, Psychotherapeutin und Protagonistin, extrem auf. Ihr Leben läuft aus dem Ruder, als sie erfährt, dass ihr Patient Martin Mangold sich das Leben genommen hat. Es trifft sie keine Schuld und in der letzten gemeinsamen Sitzung zeichnete sich dieser Schritt nicht ab, aber dennoch will sie sein Motiv verstehen. Sie macht sich auf die Suche nach seinem Leben und seiner Person, möchte nachvollziehen und sich ihm annähern, gerät dabei aber unvermittelt auf die Suche nach dem eigenen Ich. Sie hinterfragt ihre Lebensbedingungen, die festgefahrene Beziehung zu Steffen, dem eigentlich perfekten Traumprinzen aus glücklicher Familie, erinnert sich an ihre erste große Liebe zu dem geheimnisvollen Yannik und flieht in die Einsamkeit. Sie bricht aus bzw. alte Verbindungen ab, trifft auf Unverständnis, will sich nicht mehr verstellen oder rechtfertigen und das Kartenhaus ihres Lebens, das auf Lügen aufgebaut ist, stürzt zusammen.
Am Ende ist nicht mehr klar, was real ist und was in ihren Gedanken passiert, sie wirkt wie im Wahn, auf der Flucht, auf der Suche - nach dem Ende, dem Tod?
Saras getriebenen Gedanken, Verwirrung und Nihilismus erinnern mich an Sylvia Plath's „Bell Jar“ und auch die Sprache ist extrem dicht. Berthe Obermanns ist eine Sprachkünstlerin, die es versteht, den Leser zu verstören und zu bannen, ein Sog geht von ihren Texten – wie auch ihrem Erstling „Gleich unter der Haut“ – aus. Eine großartige Erzählerin voller Intensität und wir können gespannt auf ihre zukünftigen Werke sein.

Bewertung vom 08.10.2023
So kommt das Gute in die Welt
Stewart, Alexandra

So kommt das Gute in die Welt


ausgezeichnet

Der richtige Weg ins Glück
Ein wunderbares Jugendbuch, das von den Großen und Guten der Weltgeschichte erzählt. Viele bekannte Gestalten tauchen neben unbekannten Weltverbessern auf und es geht um die kleinen und großen Themen, die das Leben und die Lebensbedingungen verbessern können – initiiert von den 30 Helden und Heldinnen, deren Biografien, Taten und besonderen Anliegen zum Nachdenken anregen und auch immer als Vorbild dienen können – Naturschutz, Kampf gegen Rassismus, Liebe und Freundlichkeit zu Tieren und zu den Menschen. Wer war z.B. Harriet Tubman? - In Amerika ist sie spätestens seit Whiteheads „Underground Railroad“ berühmt und durch ihr couragiertes und selbstloses Verhalten Vorbild für viele. Was macht z.B. Lady Di so besonders? Was hat es mit der Kraft der Freundlichkeit auf sich und welche Personen können mich bewegen und motivieren?

Ein inspirierendes Kinder- und Jugendbuch ab ca. 12 Jahren, das zum Nachdenken anregen und zum Handeln ermuntern kann – wir haben mehr Möglichkeiten als gedacht, wir können den Weg zur Mitmenschlichkeit und Freundlichkeit wählen und die Welt zu einem besseren Ort machen!