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Benutzername: 
eulenmatz
Wohnort: 
Hamburg

Bewertungen

Insgesamt 177 Bewertungen
Bewertung vom 11.11.2023
Die Wahrheiten meiner Mutter
Hjorth, Vigdis

Die Wahrheiten meiner Mutter


sehr gut

MEINUNG:
Mich hat bei Die Wahrheiten meiner Mutter der Titel magisch angezogen, denn ich lese einfach gern Mutter-Tochter-Beziehungen bzw. generell Bücher, in denen es intensiv um die Beziehungen innerhalb einer Familie geht und vor allem wenn diese dysfunktional sind. Außerdem habe ich Vigdis Hjorth bei einer Lesung zu diesem Buch kennengelernt und für mich war klar, dass ich das Buch lesen möchte.
Ich-Erzählerin Johanna ist nach dem Tod ihres Mannes von den USA in ihre Heimat Norwegen zurück gekehrt und ihr Ziel ist es, dass sie wieder Kontakt zu ihrer Mutter findet bzw. mit ihr sprechen möchte. Johannas Mutter weigert sich, mit ihr zu sprechen. Die Beziehung zu besagten Mann, war der Grund, weswegen es zum großen Bruch zwischen Johanna und ihrer Familie kam.
Es gibt keine so wirklich stringente Handlung, aber der Roman arbeitet auf das Ziel hin, das Johanna es schafft mit ihrer Mutter zu sprechen. Der ganze Roman ist wie ein großer innerer Monolog, in dem Johanna uns als Leserschaft teilhaben lässt, wie es zu dem Kontaktabbruch kam, wie sie aufgewachsen ist und wie schwierig die Beziehung zur Mutter war. Der Grund des Kontaktabbruch ist im weitesten Sinne der neue Mann, denn Johanna kennengelernt hat, aber am Ende hat sie die Erwartung der Eltern nicht erfüllt. Es schwiegt außerdem schwer, dass sie sich anstatt für das Jura Studium, welches sie begonnen hatte in ihrer Jugend, für die Kunst entschieden hat. 
Im Laufe des Romans entwickelt. sich Johannas Wunsch die Mutter unbedingt zu sehen zu einer Obsession und sie beginnt diese auch zu verfolgen. Da sie schon lange kein Teil mehr der Familie ist, dichtet sich sie sich auch ihrer Mutter, was diese sagen könnte, ein wenig zurecht und stellt sich vor wie eine Begegnung sein könnte. Manchmal empfand ich dieses ewige Gedankenkarussel, aus dem Johanna sich nicht so richtig befreien kann, als etwas ermüdend. Teil von Johannas Reflexion ist auch das Bewerten ihrer eigenen Beziehung zu ihrem Sohn. Spannend dabei ist aber auch, dass sie beginnt Parallelen zu sich und ihrer Mutter festzustellen. Diese Geschichte lehrt einen auch, finde ich, dass Blut eben nicht immer dicker als Wasser ist und dass es trotz aller Bemühungen nicht unbedingt zu einem Happy End kommt. Ganz im Gegenteil, muss man manchmal lernen, loszulassen, sein eigenes Leben ohne bestimmte familiäre Beziehungen zu führen und dass sich Brüche nicht immer kitten lassen. Das muss auch Johanna lernen. 

FAZIT:
Die Wahrheiten meiner Mutter ist ein sehr intensiver, tw. bitterer Roman, um eine Mutter-Tochter-Beziehung. Ich habe selten so einen Roman gelesen, der sich auf schon fast schmerzvolle Weise diesem Thema widmet, welches in der Literatur nicht selten vorkommt. Für mich war es der erste, aber sicher nicht der letzte Roman von Vigdis Hjorth.

Bewertung vom 27.10.2023
Mit zitternden Händen
Persson Giolito, Malin

Mit zitternden Händen


sehr gut

MEINUNG:
Mit zitternden Händen ist mir in Hände gefallen, weil ich einfach gerne skandinavische Spannungsliteratur lese. Es wird zwar als Roman betitelt, aber der Inhalt versprach doch einige Spannung.
Alles beginnt damit, dass ein Anruf bei der Polizei eingeht, dass ein Junge auf einem Spielplatz erschossen worden ist. Dieser Junge ist Billy. Der Anruf kam von seinem besten Freund Dogge. Beide sind seit ihrer Kindheit befreundet, stammen aber aus sehr unterschiedlichen familiären Verhältnissen und auch Kulturen. Dogge stammt aus einer sehr wohlhabenden, weißen Oberschicht Familie und Billy ist eines von vielen Geschwistern aus einer Einwanderungsfamilie. Billy stammt aus Varinge, einem prekären Vorort von Stockholm. Sowohl Dogge als auch Billy werden für Drogenhandel rekrutiert. Doch eines Tages will Billy aussteigen...
Über allem schwebt die Frage, wie konnte das mit Billy passieren und ist Dogge der mögliche Täter. Falls ja, wie konnte die langjährige Freundschaft der beiden so enden. Billy lernt man nur noch über Erzählungen kennen. Es gibt immer wieder Rückblicke, in denen man erfährt, wie die Freundschaft der beiden begann und was die beiden ineinander gesehen haben. Es war sehr spannend, dass beide ganz unterschiedliche Dinge aneinander geschätzt haben. Dogge ist als Einzelkind nämlich scheinbar relativ einsam, denn sein Vater ist gestorben und seine Mutter ist schwer depressiv. Ich fand gegen Ende des Buche sehr stark, wie die Autorin Dogges Mutter zu Wort hat kommen lassen, so dass man auch verstanden hat, was ihre Beweggründe sind. Auch Dogge wird authentisch, verletzbar und mit aller Ehrlichkeit dargestellt, ohne allerdings zu Werten.
Die Autorin betrachtet auch das ganze gesellschaftliche Konstrukt zwischen dem Leben in Vororten als Personen mit Migrationshintergrund. Sie schildert schonungslos die Verhältnisse in diesen Orten und wie die organisierte Kriminalität dort Einzug gehalten hat. Nicht einmal andere Personen, die ebenfalls einen Migrationshintergrund besitzen, bleiben davon verschont. Es gibt einen weiteren Nebencharakter, der ein Lebensmittelgeschäft besitzt. Dogge und Billy klauen dort ganz offensichtlich und der Besitzer, Sudden, ist dagegen machtlos. Noch schlimmer ist es, dass auch aufgezeigt wird, wie machtlos die Polizei teilweise ist. Das zu lesen ist wirklich erschütternd. Erschütternd fand ich auch, was für "Lösungen" dafür gefunden werden, die nicht dem Täter schaden, sondern die vorsehen, dass Opfer und deren Familie in Sicherheit gebracht werden müssen.
FAZIT:
Mit zitternden Händen ist eine erschütternde Geschichte, die gleichzeitig eine gesellschaftliche Milieustudie darstellt, die erschreckt realistisch wirkt und gleichzeitig ist die Geschichte einer Freundschaft, die tragisch endet. Ich mochte vor allem den Erzählstil und dass die Autorin so viele Charaktere eingebracht hat, sodass man deren Sichten und Beweggründe auf die Geschehnisse bekommen hat.

Bewertung vom 23.10.2023
Refugium / Stormland Bd.1
Lindqvist, John Ajvide

Refugium / Stormland Bd.1


gut

MEINUNG:
Refugium ist der Auftakt zu der Stormland-Reihe von John Ajvide Lindqvist. Ich war an diesem schwedischen Thriller interessiert, weil er mit der Millenium Trilogie bzw. Reihe von Stieg Larsson verglichen wurde. Die Trilogie wurde dann von David Lagercrantz weitergeschrieben. Lindqvist soll auch im Gespräch gewesen sein, wurde dann aber nicht ausgewählt.
Die Kapitel sind sehr kurz. Innerhalb kürzester Zeit bin ich förmlich durch die Seiten geflogen. Was leider nicht aufkommt, dass ist Spannung. Für einen Thriller hätte ich hier deutlich mehr erwartet. Dann haben wir noch das ziemlich ungewöhnliche Duo - Julia und Kim, die vermutlich gewollt an Lisbeth Salander und Mikael Blomqvist erinnern sollen, nur das die Geschlechter getauscht worden sind. Es gibt allerlei Anspielungen zu der Millenium-Reihe. Julia ist selbst Autorin, nachdem sie den Polizeijob gekündigt hat und soll eigentlich die Millenium Reihe weiter schreiben. Dem Verlag gefällt es allerdings nicht und man bitte sie es komplett umzuschreiben, was sie nicht macht. Lindqvist hat hier vielleicht selbst damit abrechnet, dass er auch nicht ausgewählt worden ist. Kim Ribbing lernt Julia kennen über den Verlag, weil sie jemanden mit Hacker-Kenntnissen benötigt, um Lisbeth Salander richtig darzustellen. Zwischen beiden entwickelt sich irgendeine komische Art Liaison.
Generell hat Lindqvist in meinen Augen kein Händchen dafür Charaktere zu gestalten. Kim Ribbing soll sicherlich an Lisbeth Salander angelehnt sein inkl. schwieriger Kindheit etc., wozu es auch kursiv geschrieben Kapitel gibt. Ich habe mir oft gedacht, dass der Autor leider nicht das Prinzip berücksichtigt "Show  and don't tell". Die Dialoge zwischen den Charakteren sind auch kurz und wenig tief gehend. Ich weiß nicht, ob es an der Übersetzung liegt, aber der Schreibstil erschien mir ziemlich flach und einiges war schlecht formuliert. Vieles war einfach viel zu gewollt und kippte für mich dann ins Komische. Ich konnte die Handlung und den Fall kaum ernst nehmen. Parallel zu Julia und Kim gibt es natürlich auch noch "richtige" Ermittler und das ist Julias Ex-Mann, der ebenfalls Polizist ist und seine Partnernin Carmen. Nach richtiger Ermittlungsarbeit hatte es sich aber auch nicht angefühlt. Auch hier hat Lindqvist kein Talent einen Fall im politischen Umfeld zu konstruieren. Möglicherweise war es aber so gewollt, dass hier eine Art Parodie auf die Millenium -Reihe entsteht. ;)

FAZIT:
Refugium konnte ich nicht wirklich ernst nehmen und einem Vergleich mit der Millenium Trilogie hält das Buch auch nicht stand. Ich bin mir nicht sicher, ob das so gewollt war oder ob es an der Übersetzung gelegen, aber vieles war fast schon ungewollt komisch, vor allem die Charaktere. Dazu kommt der eigentlich nicht vorhandene Spannungsbogen. Ich fand es gut zu lesen, aber kann mir nicht vorstellen die Reihe weiterzuverfolgen.

Bewertung vom 19.10.2023
Nur eine Lüge - Zwei Familien, eine tödliche Verbindung
Stehn, Malin

Nur eine Lüge - Zwei Familien, eine tödliche Verbindung


gut

MEINUNG:
Von Malin Stehn habe ich bereits Happy New Year gelesen und war recht angetan von der Art, wie sie Geschichten aufbaut und den zwischenmenschlichen Beziehungen und auch Abgründen. Es war für mich klar, dass ich auch Nur eine Lüge lesen möchte.
Die Geschichte ist eigentlich relativ schnell erzählt. Emily Brandt möchte William Nihlzén heiraten. Die Familien Brandt und Nihlzén waren einst sehr gut befreundet. Allerdings gab es vor 8 Jahren einen Autounfall, bei dem William und Erik beteiligt waren. Dieser Unfall hat beide Familie entzweit. Deswegen sieht vor allem Familie Brandt der Hochzeit mit sehr gemischten Gefühlen entgegen. Es eskaliert als dann plötzlich noch eine Leiche gefunden wird, wo klar ist, dass dies kein natürlicher Tod ist.
Ich fand alle Charaktere unterschiedlich stark ausgearbeitet. Am meisten konnte ich mich in Annika rein fühlen, vor allem als man erfährt, dass Erik nach dem Unfall sein Leben nicht mehr so führen konnte, wie er es gewohnt war. Annika ist daran verzweifelt, dass scheinbar niemand auf Aufklärung interessiert war. Sie rutscht in den Alkoholismus und die Ehe zerbricht. Erik leidet natürlich selbst auch an dem, was geschehen ist, aber vor allem leidet er an dem Geheimnis, welches es noch gibt. Mats ist ebenfalls beteiligt daran. Ich fand diese beiden männlichen Stimmen eher untergeordnet. Spannend ist noch Emily, die von allem nichts weiß. Nach dem Unfall ihres Bruders hat sie versucht sich unterzuordnen, auch mit dem unterschwelligen Gefühl, dass ihre Mutter Erik wohl immer ein bisschen mehr geliebt als sie. Dieser Mutter-Tochter-Konflikt schwelt durch die ganze Erzählung. Es kristallisiert sich erst so langsam heraus. Ich konnte auch Emily gut verstehen, die einfach enttäuscht von ihrer Mutter ist und sich nicht so richtig geliebt fühlt. Für sie bedeutet die Hochzeit und die Beziehung mit William das größte Glück, welches nicht zerstört werden soll.
Die Erzählung wechselt immer zwischen Gegenwart und Vergangenheit. Das sind immer kleine Blöcke von maximal 40 Seiten. Die Kapitel sind generell recht kurz, so dass ich schnell durch die Geschichte geflogen bin. Der Schreibstil ist relativ einfach gehalten und dialog-lastig. Wie auch schon in Happy New Year gibt es viele Erzählstimmen. Ich hatte dieses Mal etwas Mühe alle auseinanderzuhalten. Denn die ErzählerInnen sind Emily, ihre Mutter Annika, ihr Bruder Erik und ihr Vater Mats. Leider niemand von der Familie Nihlzén, was ich richtig gut und auch interessant gefunden hätte, besonders die Sicht von William. Insgesamt war der Spannungsbogen für mich wieder hoch, aber ich hatte ein paar mehr spannendere Wendungen erwartet. Es wurde dann doch klar, was damals passiert ist. 

FAZIT:
Malin Stehn hat mit Nur eine Lüge gut heraus gearbeitet, was es mit den Menschen macht, wenn Geheimnisse nicht verraten werden dürfen, wie sehr darunter gelitten wird und wie Familie dadurch zerstört werden. Ich hätte gerne noch ein paar mehr spannende Wendungen gehabt, wie in Happy New Year und mir fehlte auch die Sicht von jemanden aus der Familie Nihlzén.

Bewertung vom 14.10.2023
Paradise Garden
Fischer, Elena

Paradise Garden


ausgezeichnet

MEINUNG:
Ich muss sagen, dass ich bei Paradise Garden irgendwie zunächst skeptisch war, weil es mir erschien, als hätte ich solche Geschichte schon oft gelesen bzw. es einige Romane mit ähnlichem Aufbau gibt. Ich wollte mich allerdings eines Besseren belehren lassen und wollte dieses Buch, welches auf der Longlist des Deutschen Buchpreises 2023 gelandet ist, unbedingt für mich entdecken.
Billie ist 14 Jahre alt und wohnt mit ihrer Mutter in einer Hochhaussiedlung in einer eher sozial schwächeren Gegend. Ihre Mutter Marika versucht beide über Wasser zu halten mit zwei Jobs. Anders als man vielleicht bei solchen Lebensumständen vermuten würde, sind Billie und vor allem Marika aber stets positiv dem Leben gegenüber eingestellt und machen das Beste daraus. Ihr beider Leben wird auf den Kopf gestellt als plötzlich unerwartet Billies Großmutter und Marikas Mutter aus Ungarn kommt. Diese Platz in die liebevolle Alltagsidylle und stellt die Beziehung von Billie und Marika auf die Probe, denn Billie kann mit ihrer Großmutter wenig anfangen. Es folgt ein weiterer Schicksalsschlag, der Billie zwingt sich auf die Suche nach ihrem Vater zu machen.
Mich hat die Geschichte von Billie sofort gefesselt. Zunächst ist da die wirklich sehr liebevolle und warme Beziehung zu ihrer Mutter, die Billies einzige Familie ist. Obwohl beide wirklich in recht ärmlichen Zuständen wohnen, ist ihr Leben bunt und voller Fantasie, die vor allem Marika mit reinbringt. Wenn es allerdings um die Frage geht, was mit Billies Vater ist, dann macht Marika dicht. Mit dem Einzug von Billies Großmutter wird die Beziehung von Marika und Billie auf die Probe gestellt, denn plötzlich sind sie zu dritt. Für mich war es völlig nachvollziehbar, dass Billie darauf gereizt und ablehnend reagiert, denn schließlich kennt sie ihre Großmutter, musst ihr Zimmer dafür rausrücken und zudem ist die Großmutter auch zunächst nicht die einfachste Person und es entsteht viel Reibung zwischen ihr und Billie, aber zwischen ihr und Marika. Es schwebt auch immer die Frage über allem, was ist damals passiert, warum gab es keinen Kontakt, wieso ist Marika von Ungarn nach Deutschland gekommen?
Die Geschichte nimmt schon gleich zu Anfang noch eine weitere Wendung, die entscheidend ist für den weiteren Verlauf. Marika stirbt. Diese Zustand stellt Billies ganze Welt auf den Kopf und es hat mir beim Lesen das Herz zerbrochen, denn ich habe sofort ihre unendliche Einsamkeit gespürt, denn außer der Großmutter, die sie nicht mag und kaum kennt, bleibt dann nur ein unbekannter Vater.  Billie stellt außerdem fest, dass sie nur einen Teil von ihrer Mutter kannte und dass sie auf die Suche nach deren Vergangenheit machen muss, die auch ein Teil ihrer eigenen Geschichte ist. Ich fand das wirklich sehr feinfühlig gestaltet von der Autorin. In meinen Augen hat sie auch gut die Gefühle und den Ton eines 14-jährigen Teenagers getroffen, was nicht jedem gelingt. Billie hat die typischen Stimmungsschwankungen und ist natürlich randvoll mit Trauer. Ein bisschen unrealistisch fand ich, dass sie unbemerkt mit 14 Jahren hoch an die Nordsee fährt, weil sie dort ihren potentiellen Vater vermutet, was der Geschichte aber keinen Abbruch getan hat. Die Szene auf der Insel sind richtig atmosphärisch geschildert und ich konnte den Geruch des Meers wahrnehmen und den Wind spüren. Besonders gut hat mir auch das Ende gefallen, welches nicht übertrieben kitschig ist, aber welches Hoffnung macht, dass Billies Leben weiter gehen kann, auch ohne ihre Mutter. 
FAZIT:
Paradise Garden hat mich auf Grund meiner anfänglichen Skepsis absolut positiv überrascht und ist für mich ein großes Lesehighlight. Ich habe Billie und ihre Mutter sofort ins Herz geschlossen. Trotz aller Widrigkeiten und Verluste  in dieser Geschichte schreibt Elena Fischer hier mit größter Herzenswärme, Sensibilität und Hoffnung, dass ein Leben immer weitergehen kann. Ich freue mich sehr auf weitere Romane von der Autorin!
 

Bewertung vom 07.10.2023
Die Einladung
Cline, Emma

Die Einladung


gut

MEINUNG:
The Girls habe ich damals von Emma Cline gelesen. Hier ging fiktiv um den Fall Charles Manson, mit dem ich mich bis dato noch nicht so sehr beschäftigt habe. Emma Cline beweist sich als feine Beobachterin menschlicher Abgründe. Ähnliches habe ich von Die Einladung erwartet.
Die Geschichte ist eigentlich schnell erzählt - Protagonistin Alex ist mit ihrem älteren Lover Simon in dessen Haus in den Hamptons. Dort passiert ihr ein kleiner Fauxpas und sie muss das Haus verlassen. Zurück nach New York kann sie auch nicht, weil sie sich es dort mit allen Leuten verscherzt hat, in dem diese beklaut und ständig belügt. Alex kann man gut und gerne als Hochstaplerin bezeichnen, wenn sie einem nicht im gleichen Atemzug wirklich leid tun würde. Alex muss sich also in den Hamptons irgendwie obdach- und mittelos mit nichts als einer Tasche voll Kleidung durchschlagen. Ihr Ziel ist Simons Gartenparty am Ende der Woche, in die sie alle Hoffnung setzt, Hoffnung zu Simon zurückkehren zu können.
Alex ist eine Person, die gut lügen kann und sie sich versucht mit ihrem Charme, ihrer Dreistigkeit und ihrem Körper durchzubringen. Man muss Alex zu Gute halten, dass sie weiß, wie das "Game" bei weißen, privilegierten "Rich people" der Oberschicht funktioniert, denn sie kann sich relativ problemlos mit einschleusen und mit durch schnorren lassen. Es gibt paar Personen, die sich genauso wie sie selbst nach Aufmerksamkeit, Liebe und Geborgenheit sehnen, denn das bekommen die häufig noch recht jungen Nebencharaktere nicht, weil ihre Eltern lieber mit Geld verdienen beschäftigt sind anstatt sich um ihre Sprösslinge zu kümmern. Ich habe das oft als so trostlos und deprimierend empfunden und es hat sich mal wieder bestätigt, dass Geld allein auch nicht glücklich macht. Die Leuten besitzen so viel, dass sie nicht mal merken, wenn etwas fehlt bzw. Alex etwas mitgehen lässt. Ich habe ein bisschen mit Alex mitgefiebert, da es jemanden gibt, der mit ihr noch eine Rechnung offen hat. Das Ende kam ziemlich abrupt und ich hätte gerne gewusst, wie es weiter geht, aber eigentlich kann man es sich denken.

FAZIT:
Emma Cline zeigt mit Die Einladung ein sehr gut beobachtet, aber gleichzeitig deprimierendes Bild des weißen, amerikanischen Oberschicht auf. Mittendrin Protagonistin Alex, die irgendwie wie eine Verliererin dieses System wirkt und keinen Ausgang mehr findet. Eine interessante Gesellschaftsstudie, allerdings mit ein paar kleinen Längen.

Bewertung vom 26.09.2023
Sylter Welle
Leßmann, Max Richard

Sylter Welle


gut

MEINUNG:
Max Richard Leßmann mag ich sehr aus seinem Pdocast "Niemand muss ein Promi sein", aus dem er aber ausgestiegen ist. Er schreibt auch Gedichte, die ich sehr mochte, weil sie einfach einen Nerv bei mir getroffen haben. Umso gespannter war auf seinen ersten Roman Sylter Welle.
Sylter Welle als Roman zu beschreiben, empfinde ich nicht als richtig. Es ist wohl mehr eine autofiktionale Erzählung, wobei mir nicht sicher bin, ob es überhaupt fiktionale Anteile enthält. Schon aus dem Podcast wusste ich, dass er seine Großeltern auf Sylt oft besucht, wenn sie dort Urlaub machen. Davon erzählt auch dieses Buch, welches zeitlich ungefähr 3 Tage, also vermutlich ein Wochenende umfasst. In den drei Tagen genießen die drei ihren Urlaub und Max lässt aber immer in großen Teilen mit einfließen, wie seine Kindheit mit seinen Großeltern war und über diverse Familienkonstellationen und auch Familiengeheimnisse. In dem Buch spürt man die große Liebe zu seinen Großeltern, die durchaus nicht immer einfach sind und auch Meinungen vertreten, die vielleicht der Generation entsprechen, aber nicht mehr unserer heutigen Zeit. 
Die erste Hälfte fand ich irgendwie recht ereignislos. Es plätschert so vor sich hin. Der Autor nimmt uns mit in seiner Kindheitserinnerungen mit den Großeltern. Wir erfahren, dass es seine Großeltern väterlicherseits sind und dass der Vater noch zwei Brüder hat. Es gibt viele Cousins und Cousinen. Die Familie ist relativ groß. Das Buch ist gespickt von liebenswerten Anekdoten, wie z.B. das Aufziehen eines Vogels in der Kindheit seines Vaters. Mich hat es angerührt, aber emotional nicht komplett berührt, was aber auch daran liegt, dass ich selbst kein bis kein gutes Verhältnis zu meinen Großeltern hatte. Ich kann also vieles nicht mit eigenen und vergleichbaren Erinnerungen unterfüttern, sondern habe nur als Ausstehende gelesen. Besonders stark fand ich die Schlussszene mit Max' Opa, welche auch nochmal zeigt, dass die Großeltern ein gewisses Alter erreicht haben und die gemeinsamen Momente limitiert sind.

FAZIT:
Sylter Welle ist eine Liebeserklärung an Max Richard Leßmanns Großeltern. In seiner Danksagung beschreibt es ganz gut damit, dass man nicht immer einer Meinung sind muss, um sich zu lieben. Ich finde, dass Max definitiv schreiben kann, auch wenn ich dem Großeltern--und Sylt-Thema jetzt nicht so viel abgewinnen konnte.

Bewertung vom 18.09.2023
Marschlande
Kubsova, Jarka

Marschlande


ausgezeichnet

MEINUNG:
Marschlande ist nach Bergland, welches ich schon vor 2 Monaten mit großer Begeisterung gelesen habe, das zweite Buch von Jarka Kubsova. Auch hier habe ich wieder die Geschichte zweier Frauen - heute und damals - erwartet.
Dieses Mal nimmt uns Jarka Kubsova mit in die Hamburger Marschlandschaft und in das Leben von der real existierenden Abelke Bleken in 1580. Außerdem lernen wir in der Gegenwart die Geografin  Britta Stoever kennen, die mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern in die Marschlandschaft zieht. Für die Familie hat Britte ihre Arbeit als Geografin ausgegeben. Britta wird in der neuen Umgebung nicht so richtig heimisch und unternimmt immer mehr ausgedehnte Spaziergänge in die Landschaft. Bei einer ihrer Spaziergänge stößt sie auf Abelke Bleken und beginnt zu recherchieren.
Gleich zu Anfang erfahren wir, wie das Leben von Abelke Bleken zu Ende gegangen ist, nämlich durch eine sogenannte Hexenverbrennung. Ihre Geschichte wird dann allerdings noch einmal rückwärts erzählt. Sie hat alleine eine Hofe bewirtschaftet. Es kommt zu eine großen Flut, die den Deich tw. zerstört. Als sogenannte Hufnerin ist sie Besitzerin ihres Hofes, was aber auch bedeutet, dass sie für den angrenzenden Teil des Deiches verantwortlich ist, so auch für die Reparatur. Man gibt ihr ein paar Monate Zeit, aber keine Hilfe. Es ist klar, dass dies mit Absicht geschieht, damit man ihr den Hof entziehen kann.
In der Gegenwart lernen wir Britta kennen, deren Unglück mir förmlich schon auf der ersten Seite ins Gesicht gesprungen ist. Ihrem Mann zuliebe sind sie in die Marschlande gezogen. Britta fühlt sich dort sehr unwohl. Sie hat nur einen Halbtagsjob, der Kinder und des Haushalts zu liebe und entspricht damit leider immer noch dem heutigen Bild der Rolle der Frau in einer klassischen Familienkonstellation. Man kann davon halten, was man möchte, aber vor allem hat mich relativ schnell ihr Mann sauer gemacht. Mich hat weniger diese Konstellation gestört als wie respektlos und wenig wertschätzend er mit ihr umgeht. Außerdem gibt er ihr oft das Gefühl, dass sie so, wie sie ist, nicht richtig bzw. nicht angepasst genug ist. Wenn es Streit gibt, dann bestraft er sie mit tagelangen Schweigen für ihren vermeintlichen Fehler. Für mich grenzte das an emotionale Gewalt. Gut, dass auch Britta irgendwann spürt, wie es um ihre Ehe bestellt ist. Ein wenig hilft ihr dabei die Recherche zu Abelke. Spannend sind die parallelen zwischen den beiden Frauen, aber auch die Gegensätze. 
Sehr wichtig und aufschlussreich fand ich das Nachwort der Autorin, wo sie nochmal eine Reflexion des Themas, vor allem zum Thema Hexen macht, welches oft viel zu romantisiert wird, obwohl es ganz klar gegen intelligente, selbständige Frauen mit eigenem Willen gerichtet war. Vor allem solche, die sich dem männlichen Patriarchat und deren Kontrolle entziehen wollten. Heute würde man dies sicher als Femizid bezeichnen. Interessant sind auch die Hinweise zur Entstehung der (Haus-)frau von heute und wie sich das Bild der Frau in der Gesellschaft und der privaten, häuslichen Situation gewandelt hat. Es hat mir Augen geführt, wie absurd es ist und wie falsch ich tw. lag, in dem ich glaubte, dass die Rolle der Frau damals noch schlechter war. Was nicht so ganz stimmt. Leider macht mich das immer noch sehr wütend beim Lesen, aber zumindest habe ich jetzt eine geschichtliche Erklärung dafür und habe von Jarka Kubsova ein paar Lektüre-Tipps.

FAZIT:
Marschlande ist ein Buch über zwei Frauen, die in einem 1570 und in der heutigen Zeit für Selbstbestimmung und Gleichberechtigung kämpfen. Es spannend, wie man die Parallelen ziehen, wie sich Feminismus entwickelt hat. Eine Geschichte, die gemächlich ihre Wirkung entfaltet und die vor allem durch das starke Nachwort noch einmal lange nachhallen und zum Nachdenken anregen wird.

Bewertung vom 23.08.2023
Happy Place
Henry, Emily

Happy Place


weniger gut

MEINUNG:

Emily Henry war eine Autorin, die ich schon lange für mich entdecken wollte. Happy Place - Urlaub mit dem Ex ist mein erstes Buch von der Autorin und ich habe mich hier auf einen schöne Liebesgeschichte für den Sommer gefreut.

In dem Buch war so viel von künstlichem Drama, dass ich es kaum ausgehalten haben und oft ans Abbrechen gedacht habe. Dagegen steht eine fast nicht vorhandene Handlung. Harriet und Wyn kreisen umeinander rum und es sofort klar, dass beide noch ganz viel füreinander empfinden, was die Autorin nicht müde wird in ausschweifenden, vor Kitsch und Liebesschwüren triefenden und nicht-enden wollende Szenen zu beschreiben und die ganze Zeit steht die Frage im Raum - Warum haben sich die beiden getrennt? Man muss hier tapfer durchhalten, um auf diese Frage eine Antwort zu bekommen. Scheinbar hat Wyn Schluss gemacht und  sowohl Harriet als auch die Leserschaft weiß nicht warum. Die Geschichte wechselt immer wieder mal zwischen Gegenwart und Vergangenheit. So erfährt, wie sich die beiden kennen und lieben gelernt haben. Sie haben sich geschworen sich immer zu lieben. Diese Szenen zwischen den beiden waren mir ein bisschen zu viel des Guten, weil einerseits zu lang, zu oft und wirklich bis in kleinste Detail beschrieben, was sie aneinander lieben. Mir fiel es stellenweise wirklich schwer, dass Buch nicht einfach abzubrechen. Grund dafür ist auch, dass es schwer fällt ihre Trennung nachzuvollziehen und damit fehlte mir auch der Ernst. Bei solchen Büchern ist es mir wichtig, dass hier auch eine emotionale Bindung aufbauen und mitfiebern kann. Beides war leider nicht gegeben. 

In meinen Augen hätte man auf Grund der Länge des Buches von über 400 Seiten hier deutlich mehr aus den Nebencharakteren machen können, denn die waren durchaus interessant und vielfältig. Harriet hat zwei Studiumsfreundinnen, Sabrina und Cleo, die ebenfalls interessante PartnerInnen und Lebensläufe haben. Alle sechs treffen sich in einem Sommerhaus in Maine, welches Sabrinas Vater gehört. Das gewählte Setting hat mir auf jeden Fall sehr gefallen und ich sehne mich schon wieder an die amerikanische Ostküste. Neben dem Fokus zwischen Harriet und Wyn hätte ich mir hier deutlich mehr Rahmenhandlung und spannende Nebenschauplätze/ Konflikte zwischen den anderen Paaren gewünscht.

FAZIT:

Happy Place gehört leider nicht zu den Büchern, die mich überzeugen konnten. Mir fehlte einfach eine erkennbare Handlung und der Grund, warum sich Harriet und Wyn getrennt haben, erschloss sich mir auch so lange überhaupt nicht.  Ich bin mir unsicher, ob einem anderen Buch von der Autorin nochmal eine Chance geben möchte.

Bewertung vom 22.08.2023
Düstergrab / Frida Paulsen und Bjarne Haverkorn Bd.6
Fölck, Romy

Düstergrab / Frida Paulsen und Bjarne Haverkorn Bd.6


sehr gut

MEINUNG:

Düstergrab ist der sechste Band der Elbmarsch-Krimi um die Ermittler Frida Paulsen und Bjarne Haverkorn. Bisher habe ich alle Bände der Reihe gelesen und empfehle auch sie in der Reihenfolge zu lesen, um sich nicht bei den Privatleben der ermittelnden Personen zu spoilern. Meine Bisher liebsten Teile waren Nebelopfer und Sterbekammer.

Düstergrab beginnt mit der Beerdigung von einem ehemaligen Schulfreund von Frida Paulsen. Der neue Fall beginnt damit, dass auf eben jenem Schulfreund die Leiche eines Mädchen gefunden wird, dass schon ein paar Jahre als vermisst galt, ebenso ihre Zwillingsschwester. Das Mädchen trägt recht unübliche Kleidung für unsere heutige Zeit - ein Kopftuch und ein altertümliches Kleid. Nach und nach stoßen Bjarne und Frida auf noch weitere Ungereimtheiten.

Ich muss positiv erwähnen, dass es in diesem Fall der Fokus wieder mehr auf der Ermittlungsarbeit liegt als auf dem Privatleben von Frida, wie es in Nebelopfer der Fall war. Natürlich erfährt man auch etwas über Thorben, der jetzt in Süddeutschland arbeitet. Frida muss sich mit dem Gedanken einer möglichen Fernbeziehung auseinandersetzen, bleibt aber fokussiert auf den Fall. Wie gewohnt geht es gleich rasant los und der Spannungsbogen wird konstant gehalten. Die Kapitel sind, wie für Thriller und Krimis normal, relativ kurz und ich bin förmlich durch die Seiten geflogen. Bjarne, der eigentlich beim LKA in der neuen Abteilung für Cold Cases arbeitet, kann kurzfristig "ausgeliehen" werden für die Ermittlungen eines Cold Cases, nämlich das Verschwinden der beiden Zwillingsschwestern betreffen. Mir hat es auch wieder gefallen, dass es einen zweiten Handlungsstrang/ Fall gibt, der parallel zu eigentlichen Fall verläuft und einen Kollegen von Frida betrifft. Bei den Krimis von Romy Fölck kann man immer gut miträtseln und bekommt dann trotzdem noch ein paar unerwartete Wendungen. Meiner Meinung nach entwickelt sich Romy Fölck mit jemand Buch weiter und schafft mehr Komplexität.  

FAZIT:

Düstergrab ist der sechste Band der Elbmarsch-Krimireihe und ist wieder gut gelungen. Ich bin förmlich durch die Seiten geflogen und schätze die Entwicklung des Falls und der Autorin. Ich freue mich auf die nächsten Bände!