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Lisega

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Insgesamt 1384 Bewertungen
Bewertung vom 24.07.2020
Städtebeschimpfungen
Bernhard, Thomas

Städtebeschimpfungen


ausgezeichnet

„Die schönsten Gegenden in Österreich haben immer die meisten Nazis angezogen. Salzburg, Gmund, Altaussee – das sind nichts als Nazinester.“

Der österreichische Schriftsteller Thomas Bernhard provozierte Zeit seines Lebens mit seinen Werken. Die vielen scharfzüngigen, polemisierenden Monologe seiner dramatischen Figuren stecken voller wortmächtiger Gemeinheiten. Seine Schimpftiraden gegen Städte hat der Bernhard-Kenner Raimund Fellinger in dem Band „Städtebeschimpfungen“ gesammelt, die auch als kongeniale Lesung veröffentlicht wurden.
Von A wie Altaussee über O wie Oslo bis W wie Wien werden Bernhards wüste Attacken auf alle möglichen Orte aus seinen Werken, Briefen und Reden alphabetisch geordnet versammelt. Österreich ist natürlich eine besondere Zielscheibe, aber auch viele deutsche Städte kriegen ihr Fett weg. In dieser Sammlung sind aber auch die Reaktionen darauf vereint, was das Ganze zu einem besonderen Hörerlebnis macht. So beschimpfte etwa 1974 eine Figur in Bernhards Theaterstück „Die Macht der Gewohnheit“ die Stadt Augsburg als Lechkloake – was den damaligen Oberbürgermeister prompt dazu veranlasst hat, einen empörten Brief an den Bernhard-Verleger Siegfried Unseld zu schreiben. Ohne Zweifel wirken Bernhards Tiraden am besten, wenn man sie hört, v.a. wenn zwei so begnadete Sprecher wie Peter Simonischek und Michael König am Werk sind. Simonischek darf in den Zitaten aus Bernhards Werk seine ganze Klasse ausspielen und mal verächtlich, mal wütend, mal angeekelt Rumätzen. Das macht ihm hörbar Spaß. Michael König dagegen stellt Dokumente (v.a. Zeitungsartikel und Briefe) über die legendären Bernhard-Skandale (auch das Augsburger Beispiel) vor, welche das Bild komplettieren. Bei über drei Stunden Laufzeit kommen hier ganz schön viele Hasstiraden zusammen. Man sollte „Städtebeschimpfungen“ lieber nicht am Stück durchhören, aber in kleineren Dosierungen ist das Hörbuch ein köstlicher Spaß!

Bewertung vom 30.06.2020
Wackersdorf

Wackersdorf


ausgezeichnet

Das Kürzel WAA ist jedem noch geläufig, der die 80er Jahre in Bayern bewusst miterlebt hat. Die Auseinandersetzung um den Bau der Wiederaufarbeitungsanlage für Brennstäbe in der Oberpfalz wurde über Jahre erbittert geführt, ziviler Widerstand traf auf eine unnachgiebige Regierung unter FJS. Die legendäre Protestbewegung wird im Film „Wackersdorf“ aus der Perspektive eines Lokalpolitikers der betroffenen Region geschildert. Das packende Polit-Drama lebt sicher vom starken Hauptdarsteller Johannes Zeiler, der den widerspenstigen Landrat Schuierer als willensstarken, aber oberpfälzisch unaufgeregten Mann mit Rückgrat spielt; der Film ist aber auch bis in die kleinste Nebenrolle top-besetzt, seien es strickende Teilnehmer bei Bürgerversammlungen, schnarchige Minister oder aalglatte Lobbyisten und Staatssekretäre. Obwohl es um die bis dato größte zivile Widerstandsbewegung geht, erzählt Oliver Haffners Film die Geschichte in meist leisen, unaufdringlichen Bildern – die lautesten Szenen sind tatsächlich Original-Aufnahmen der Proteste samt harter Polizeieinsätze. Toller Film!

Bewertung vom 29.06.2020
Bruder Cadfael und das Geheimnis der schönen Toten (eBook, ePUB)
Peters, Ellis

Bruder Cadfael und das Geheimnis der schönen Toten (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

In diesem Krimi mit Bruder Cadfael stellt ein grausiger Fund im sogenannten "Töpferacker" den scharfsinnigen Benediktinermönch wieder mal vor ein Rätsel: Als die Mönche im Sommer 1143 das vor kurzem eingetauschte Stück Land pflügen, stoßen sie auf die notdürftig verscharrte Leiche einer Frau. Wer war sie und woran starb sie? Wer hat sie dort begraben? Unter Verdacht gerät Bruder Ruald, der einst als Töpfer mit seiner schönen Frau Generys auf dem Anwesen lebte, bevor er seiner Berufung ins Kloster folgte. Ist die Tote seine verschwundene Frau? Was weiß Sulien Blount, der jüngere Sohn der Familie von Longner Manor, die das Stück Land stiftete, über die Leiche? Seit er aus dem geplünderten Kloster Ramsey Abbey fliehen konnte und sein Noviziat abgebrochen hat, verhält er sich merkwürdig. Kein leichter Fall für Bruder Cadfael und Sheriff Hugh Beringar …

„Bruder Cadfael und das Geheimnis der schönen Toten“ ist ein clever konstruierter Krimi, in dem Cadfael neben dem rätselhaften Todesfall eine tragische Familiengeschichte aufdeckt. Der historische Hintergrund des Bürgerkriegs ist mit der Plünderung von Ramsey Abbey und dem anarchischen Treiben von Geoffrey de Mandeville in den Fenlands, das den jungen Sulien nach Hause treibt, von Ellis Peters wieder sehr geschickt eingebaut. Wie gewohnt schafft sie es mit wenigen treffenden Worten die handelnden Personen sehr genau zu beschreiben, sei es der der Welt entrückte Ruald, der völlig im Glauben aufgeht, oder die seit Jahren von Schmerzen geplagte, trotz Siechtums aber willensstarke Lady Donata, Mutter des Verdächtigen Sulien. Wie es Cadfael gelingt, die Puzzleteilchen zusammenzusetzen und das Rätsel um die Tote zu lösen ist wieder äußerst lesenswert!

Bewertung vom 19.06.2020
Die Zeitmaschine

Die Zeitmaschine


sehr gut

Der Science Fiction-Klassiker „Die Zeitmaschine“ von H.G. Wells als spannende, moderne Hörspiel-Adaption – das ist dem Label Folgenreich gelungen.

Die Geschichte des 1895 veröffentlichten Romans wurde gründlich entstaubt und die Rahmenhandlung vom Ende des 19. Jahrhunderts in die 1970er Jahre verlegt. Nachdem im ersten Teil der genialen Wissenschaftler Jack sein geheimes Projekt, die Zeitmaschine, vorgestellt hat und von einer „Beweis-Reise“ aus dem Jahr 802.701 völlig verstört zurückkam, wird hier in Teil 2 die unglaubliche Geschichte dieser Zeitreise erzählt: Wie Jack sich in einer vermeintlich idyllischen Zukunft mit dem Eloi-Mädchen Weena anfreundet, wie er hinter das Geheimnis der Eloi und Morlocks kommt und wie er seine von den Morlocks verschleppte Zeitmaschine zurückgewinnen muss …

Auch wenn man die Geschichte schon kennt: Dank der modernen Adaption, den hervorragenden Sprechern (v.a. Hans-Georg Panczak, der deutschen Stimme von Luke Skywalker, in der Hauptrolle) und der mit klugem Sounddesign technisch und dramaturgisch perfekten Umsetzung ist „Die Zeitmaschine“ ein spannendes Hörspiel. Man fiebert mit Jack mit und hofft, dass es vielleicht doch ein glücklicheres Ende als in der literarischen Vorlage gibt. Der einzige Kritikpunkt an diesem empfehlenswerten Hörspiel ist die Aufteilung der Geschichte in zwei Teile. Aber das ist wohl dem Reihencharakter geschuldet.

Bewertung vom 19.06.2020
Die Zeitmaschine

Die Zeitmaschine


sehr gut

In der Science Fiction-Literatur gibt es ein paar frühe Werke, die jeder Fan des Genres kennt, dazu zählt mit Sicherheit „Die Zeitmaschine“ von H.G. Wells.

Die Geschichte des 1895 veröffentlichten Klassikers dürfte weitgehend bekannt sein: Ein junger Forscher entwickelt eine Zeitmaschine, reist weit in die Zukunft und begegnet dort zwei degenerierten Menschenarten, den kindlich-naiven Eloi und den lichtscheuen, monsterartigen Morlocks.

Das Label Folgenreich hat die spannende Zeitreise gründlich entstaubt und als modernes Hörspiel in zwei Teilen umgesetzt. Die Rahmenhandlung wurde vom Ende des 19. Jahrhunderts in die 1970er Jahre verlegt. Dem genialen Wissenschaftler Jack wird unterstellt, Forschungsgelder zu unterschlagen. Um zu beweisen, dass die finanziellen Mittel tatsächlich in ein Projekt fließen, zeigt er seinen Freunden Cabbs und Peter seine geheim gehaltene, bahnbrechende Erfindung: eine Zeitmaschine. Im ersten Teil erklärt er den beiden (und damit auch dem Hörer) anhand eines Prototyps die Maschine, muss weitere Beweise erbringen und lädt sie und zwei weitere Forscher zu einem Abendessen ein. Bei diesem Dinner kommt er in derangiertem Zustand von einer Zeitreise ins Jahr 802.701 mit einer unglaublichen Geschichte zurück …

Die leider erst in Teil 2 erzählt wird. Das ist mein einziger Kritikpunkt an dieser gelungenen, modernen Adaption. Aber das ist wohl dem Reihencharakter geschuldet (es wurden noch mehr Werke von H.G. Wells bei Folgenreich veröffentlicht). Ansonsten: Top-Hörspiel mit hervorragenden Sprechern, klugem Sounddesign und dramaturgisch perfekter Umsetzung.

Bewertung vom 05.06.2020
Auerhaus
Bjerg, Bov

Auerhaus


ausgezeichnet

„Our house, in the middle of our street
Our house, in the middle of our …“

Bov Bjergs 2014 erschienene Coming-of-Age-Geschichte „Auerhaus“ entwickelte sich zu einem Überraschungsbestseller. Der heiter-melancholische WG-Roman über die Jugend und das Erwachsenwerden in der schwäbischen Provinz der 80er Jahre ist auch als mitreißendes Hörspiel vertont worden.

Der Gymnasiast Frieder hat versucht, sich umzubringen. Damit das nicht wieder passiert, zieht er nach seiner Entlassung aus dem „Schwarzen Holz“, der örtlichen Psychiatrie, mit ein paar Freunden in das Haus des verstorbenen Großvaters. Seine Freunde wollen Frieder Halt geben, doch eigentlich hat jeder seine eigenen Sorgen: Der Ich-Erzähler Höppner flieht vor dem „F2M2“ (fieser Freund meiner Mutter) zu Hause und bringt seine Freundin Vera mit, die Streberin Cäcilia bricht aus dem überbehütenden Elternhaus aus, Harry ist schwul und Pauline ist eine Bekannte Frieders aus der Anstalt, die als Pyromanin passenderweise in den Heustadel zieht. Von einem Nachbarn wird diese ungewöhnliche WG wegen des dauernd aus der Anlage scheppernden Madness-Hits „Auerhaus“ genannt. Natürlich gibt es in der von der Dorfgemeinschaft argwöhnisch beäugten WG wilde Partys; nächtelange Gespräche stehen genauso auf der Tagesordnung wie regelmäßige Diebestouren im örtlichen Supermarkt. Doch wird es den Freunden auf dem Weg zum Abi tatsächlich gelingen, Frieder von einem weiteren Selbstmordversuch abzuhalten?

Bov Bjergs lakonische Erzählstimme hat mir schon beim Lesen des Romans gut gefallen; im Hörspiel wird dieser Ton und die Stimmung der Schüler-WG zwischen Euphorie und Melancholie perfekt transportiert. Auch den erstklassigen Sprechern ist es zu verdanken, dass die berührende Geschichte so authentisch und frisch herüberkommt. Und natürlich klingt immer wieder der titelgebende Song „Our House“ an. Ein Hörspiel, das es schafft, einen mühelos wieder in die eigene Jugend zurück zu versetzen, mit all ihren Höhen und Tiefen.

Bewertung vom 05.06.2020
Elefant
Suter, Martin

Elefant


sehr gut

In Martin Suters Bestseller „Elefant“ wird es für den Schweizer ungewohnt märchenhaft: Ein kleiner rosa Dickhäuter verzaubert nicht nur die Hörer.

Als der Zürcher Obdachlose Schoch in seiner Höhle den Mini-Elefant zum ersten Mal sieht, denkt er an eine alkoholbedingte Vision. Doch das kleine Tier ist echt, und als er es versehentlich mit giftigen Pflanzen füttert und zur Gassen-Tierärztin Valerie zur Behandlung bringen muss, merkt diese sofort, dass sie es hier mit dem Produkt einer Genmanipulation zu tun hat. Doch woher kommt das Tier? Während die beiden ihren kleine Zögling in der herrschaftlichen Villa von Valeries verstorbenen Eltern verstecken, machen sich Sabus Schöpfer, der Genforscher Roux, und seine chinesischen Geldgeber auf die Suche nach dem verschwundenen Geschöpf. Schließlich sehen sie in dem Genexperiment ein unglaublich wertvolles Produkt. In vielen Rückblenden erzählt Suter, wie der kleine Elefant geschaffen wurde, wobei ein heruntergekommener Zirkus im Zürcher Oberland eine wichtige Rolle spielt, und wie der burmesische Elefantenflüsterer Kaung mit der Unterstützung eines Tierarztes das für ihn heilige Tier verstecken konnte. Doch welche Überlebenschancen hat das putzige Tier überhaupt? Wird es Kaung gelingen, ihn in seine Heimat Myanmar zu bringen?

Mit „Elefant“ läuft Martin Suter wieder zur Bestform auf: Der wissenschaftliche Hintergrund des Romans ist fundiert recherchiert, die Geschichte zieht einen beim Hören zum einen wegen der märchenhaften Hauptfigur in den Bann, zum anderen ist Suters Aufbau der Geschichte und sein Sprachstil gewohnt routiniert und packend. Bei der Figurenzeichnung ist die Einteilung in Gut und Böse etwas zu schablonenhaft, aber die Helfer des kleine rosa Wunders sind durchwegs sympathische Charaktere mit Identifikationspotential. Und mit dem routinierten Gert Heidenreich als Sprecher ist „Elefant“ beste Unterhaltung.

Bewertung vom 02.06.2020
Percy Jackson erzählt: Griechische Göttersagen
Riordan, Rick

Percy Jackson erzählt: Griechische Göttersagen


sehr gut

Vor einigen Jahren wollte ich die griechischen Götter- und Heldenmythen schon mal als Lesung erleben und Gustav Schwabs „Sagen des klassischen Altertums“ anhören. Ganz ehrlich: Ich bin nicht weit gekommen, sowohl die Sprache als auch der Rezitator haben mich ermüdet. Mit dem an ein jugendliches Publikum gerichteten Hörbuch „Percy Jackson erzählt: Griechische Göttersagen“ habe ich den Geschichten um antike Götter eine neue Chance gegeben – und mich bestens unterhalten.
Natürlich ist der Ansatz ein ganz anderer: Rick Riordan lässt seinen Romanhelden Percy Jackson, der ja kein geringerer als der Sohn des Poseidons ist, in seinem für diese Jugendbuch-Reihe typischen witzig-ironischen Ton über die Schöpfungsgeschichte und die Verwandtschaft erzählen. Ganz salopp und – soweit möglich – kurz und knapp berichtet der jugendliche Halbgott im Kapitel „Der Anfang und überhaupt“ von Chaos, Gaia und Uranus, widmet deren Kindern, den Titanen, das Kapitel „Das goldene Zeitalter des Kannibalismus“, kommt schließlich zu den Olympiern und stellt bekannte Götter wie Demeter, Ares, Hermes, Aphrodite usw. in eigenen Kapiteln vor. Das ist nicht große Literatur, gibt aber dem jugendlichen Zielpublikum die Gelegenheit, ganz unverkrampft die griechischen Göttersagen kennenzulernen. Besonders durch Marius Claréns (u.a. deutsche Stimme von Tobey Maguire und Jake Gyllenhaal) erfrischende Interpretation des Stoffes wird hier sehr amüsant Allgemeinwissen vermittelt.