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Fee04
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Bayern

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Insgesamt 134 Bewertungen
Bewertung vom 15.11.2023
Die Einladung (MP3-CD)
Fitzek, Sebastian

Die Einladung (MP3-CD)


sehr gut

„Die Einladung“ von Sebastian Fitzek wurde in 8 Stunden 55 Minuten spannend und eindringlich gesprochen von Simon Jäger.
(Argon -Hörbuchverlag)
Der Aufbau ist genial, Fitzek versteht es mit jedem Kapitel den Hörer zu fesseln. Simon Jäger hat mit seiner Stimm-/Tonlage die Charaktere sehr intensiv und realistisch werden lassen. Seine Sprechweise ist perfekt für diesen Thriller geeignet.
Das Hörbuch /Buch ist flüssig, sprachlich auf hohem Niveau und die Spannung wird durchgehend gehalten. Themen wie Missbrauch, Suizid und Mobbing sind beinhaltet.
Marla Lindberg ist hochintelligent, leidet jedoch unter einer Gesichtsblindheit und hat aufgrund dieser Problematik und einem vermeintlich schockierenden Erlebnis in einer verlassenen Geburtsklinik ihren geliebten Job gekündigt. Jahrelange Psychotherapie haben ihr klargemacht, dass ihr Gehirn ihr in Extremsituationen Streiche spielt und alles nur fiktiv war. Nun verkümmern ihre Fähigkeiten in Jobs, für die Marla absolut überqualifiziert ist.
Marla wird zum Klassentreffen eingeladen und nur ein Zusatz auf der Einladung lässt sie in die Berge fahren. Verspätet kommt sie dort an und muss feststellen, dass dort etwas nicht stimmt. Leere Teller und Gläser stehen im Haus, die Zimmer sind bezogen und doch fehlt von Ihren Klassenkameraden jede Spur.

Die Protagonistin Marla wird sehr gut und ausführlich beschrieben. Die weiteren Protagonisten sind teilweise etwas blass gezeichnet, ohne viel Hintergrund, augenscheinlich nur dazu da, die Täterschaft zu erweitern. Die teilweise überzogenen Handlungen der Nebendarsteller:in in der Berghütte lassen sich nicht immer nachvollziehen, dafür sind die Charaktere zu oberflächlich. Dies tut der Story keinen Abbruch, gefesselt rätselt man als Zuhörer mit und versucht die einzelnen Fäden zu verbinden.

Das Highlight am Ende war raffiniert durchdacht und ich habe es nicht erahnen können.
Unterhaltung und Spannung pur! Eine klare Hör-/Leseempfehlung!

Bewertung vom 10.11.2023
Das Hotel am Fuße des Vulkans
Maynard, Joyce

Das Hotel am Fuße des Vulkans


sehr gut

„Das Hotel am Fuße des Vulkans“ von Joyce Maynard ist eine unglaublich berührende Geschichte über Irene, deren Leben sie aufgrund verschiedener Schicksalsschläge spontan in einen Bus steigen lässt.
Ihr Leben erscheint Irene sinnlos -ihre Mutter wurde vor Jahren bei einem Bombenanschlag getötet, ihr Sohn und ihr Mann kamen bei einem Verkehrsunfall ums Leben - und sie ist nicht in der Lage zu sterben.
Sie kann nur in einen Bus steigen und das Leben hinter sich lassen. Nach einer langen Fahrt, als Irene in La Llorona in einem Hotel am Fuße des Vulkans ankommt, lernt sie das Leben wieder in all seinen Facetten wahrzunehmen.

„Was man über schwere Zeiten wissen muss: Wenn du unten angekommen bist, kann es nur noch besser werden.“ (Seite 10)

Stück für Stück, inspiriert von der Natur, den Vögeln und den Menschen von dem verzauberten Anwesen „La Esperanza“ und den Weisheiten der Besitzerin Leila, kommt die Lebensfreude zurück. Ihr Drang zu malen wird groß und Irene lernt wieder, sich anderen Menschen zu öffnen und die Liebe zu erleben.

Während der Zeit in dem Hotel kommen die unterschiedlichsten Menschen mit verschiedenen Anliegen. Viele verarbeiten ihre Schicksalsschläge und Tragödien an diesem verzauberten Ort und bringen Abwechslung in den Alltag.

Traurige Ereignisse lassen Irene zur Eigentümerin des Hotels werden. Aufgrund einer hohen Versicherungssumme kann sie das Personal weiterhin bezahlen und vor allem die dringend anstehenden Renovierungsarbeiten in Auftrag geben.
Ein alter Bekannter der Vorbesitzerin, das Personal ist nicht begeistert von dem Mann, bietet Irene seine handwerklichen Dienste an. Und Irene setzt ihr Vertrauen in ihn, bis er wie ein Bruder für sie wird. Und doch lassen manche Aktionen ihre Intuition aufhorchen. Kann Irene diese wahrnehmen? Ist er nun wirklich ein Freund?

Die Charaktere sind eindrucksvoll und stark gezeichnet, die Landschaft wird intensiv, schillernd und bunt beschrieben, ebenso sind die Nebencharaktere authentisch und klar. Die Hotelanlage verzaubert den Leser mit den vielen, wunderschön beschriebenen Details und die Handlung zieht den Leser in den Bann.

Der Mittelteil ist etwas langatmig, man kann schon einiges erahnen und doch wird man aufgrund des fesselnden Schreibstil sehr gut unterhalten. Das Buch ist tiefsinnig, ergreifend, traurig und voller Hoffnung, Zuversicht und Zusammenhalt.

Das Dorfleben und die Armut werden genau so authentisch beschrieben, wie die Emotionen der Gäste im Hotel. Was die Natur den Menschen in dem kleinen Dorf beschert ist unglaublich zerstörerisch und man lernt mit dieser Geschichte, die Naturgewalten anzunehmen und auch wie wichtig es ist, sich gegenseitig zu unterstützen und zu helfen.
Irene lernt viel in ihrer Zeit als Hotelbesitzern, viele Themen wurden in dieser Geschichte angeschnitten u.a. Trauerbewältigung, Selbstfindung, Freundschaft, Zusammenhalt und Hoffnung, Vertrauen und einige Umweltthemen.

Wir sollten uns an dem erfreuen, was wir haben, statt traurig zu sein, wenn es vorbei ist (s.168)

Die verschiedenen Geschichten von Irene verknüpfen sich und zuletzt lösen sich alle Fragen auf. Ein sehr schöner Roman, absolut empfehlenswert, voller Wärme und Poesie.

Mein Fazit aus dieser Geschichte:

Das Leben mit seinen Tragödien und Schicksalsschlägen anzunehmen und weiterhin das positive und Schöne im Leben zulassen.

Bewertung vom 06.11.2023
Sehr blaue Augen (MP3-Download)
Morrison, Toni

Sehr blaue Augen (MP3-Download)


sehr gut

„Sehr blaue Augen“ von Toni Morrison war 1970 ihr Debütroman.
Sie macht mit ihrem Roman die Auswüchse des anhaltenden Rassismus, Sexismus und Patriarchat sichtbar.

Gelesen wird das Hörbuch mit einer Dauer von 7 Stunden und 13 Minuten
von Abak Safaei-Rad, und einem Nachwort von Alice Hasters.

Ihr Debütroman steckt voller Weisheit, Offenbarung und die Präzision der Charaktere wurde unglaublich detailliert ausgearbeitet.

In einer Kleinstadt in Ohio lebt Pecola Breedlove, ein junges Mädchen, dass sich blonde Haare und blaue Augen wünscht, genau wie der bekannte Kinderstar Shirley Temple.
Pecola möchte so gerne hübsch sein und das Schönheitsideal wird mit blonden Haaren, blauen Augen und heller Haut beschrieben.

Die Geschichte wird aus unterschiedlichen Perspektiven erzählt.
Gleich zu Beginn wird mitgeteilt, dass Pecola, aufgewachsen in Armut und Elend,
ein Kind von ihrem Vater bekommt. Und wie hässlich das kleine Mädchen ist, in ihrer Gemeinde gemieden, von den Eltern nicht beachtet.

Die Geschichte erzählt welche Auswirkungen der Selbsthass, die Gewalt in den Familien und Colorism hat. Colorism ist ein Thema, selbst in schwarzen Gemeinden. Was ist schön und begehrlich? Werden hellere Menschen bevorzugt? Schwarze mit hellerem Hautton sind näher am Schönheitsideal und auch heute ist diese Einstellung / Ansicht noch aktuell.
Hier stellt sich in dem Roman die Frage, ob nur „schöne“ Menschen ein Anrecht auf Schutz, Würde und Anerkennung haben. Steht dies nicht allen Mädchen, Frauen und generell allen Menschen zu?

Feinfühlig, ehrlich und detailliert beschreibt die Autorin die Geschichte von Pecola, den sexuellen Übergriffen, der Ausgrenzung. Auch zeigt es uns die Demütigung von weißen Menschen, den tief eingegrabenen Rassismus und die Diskriminierung gegenüber Frauen.

Missbrauch und Inzest wird beschrieben und Pecola, stellvertretend für viele schwarze Mädchen, steht eine unglaublich düstere und schwere Zukunft bevor.
Die Opfer bleiben aufgrund des Rassismus in seiner allumfassenden Form in ihrem Zorn und ihrer Wut ohnmächtig zurück und lassen dies häufig an den schwächeren Personen der Familie oder Gemeinde aus. Hier trifft es hauptsächlich die Frauen und Kinder.

Die Charaktere werden sehr intensiv und schonungslos ehrlich beschrieben, die Absichten der Protagonisten werden erklärt und auch die Vorgeschichte mancher Charaktere wurde bildlich beschrieben.

Die Ausarbeitung der Sprache, selbst in den tiefsten Abgründen war klar, deutlich und immer wertschätzend ohne abzuwerten.
Tiefgründig holt uns die Autorin zum
Thema Rassismus ab und stellt uns Colorism in der schwarzen Gemeinschaft vor.

Ihre Romane wurden als Nischenliteratur bezeichnet, weil sie nur über schwarze Figuren schreibt. Liegt es an der unbequemen Wahrheit über das Thema Rassismus?

Sie legt in dieser Erzählung die Erniedrigung offen und spricht Wahrheiten aus, um die tief eingegraben Rassismen zu erkennen und loszuwerden.

„Sehr blaue Augen“ gibt schwarzen Mädchen einen Raum um mit Selbsthass, Minderwertigkeitsgefühl und Ausgrenzung abzuschließen.
Menschlichkeit wird in diesem Roman großgeschrieben und die Sicht auf
die Gesellschaftsformen geschärft.

Toni Morrison geht es in dieser Erzählung über die Verteidigung der Würde schwarzer Mädchen, um Anerkennung, Resilienz und Zerbrechlichkeit.
Das Buch zeigt auf, es geht weder um Opfer noch um Helden.

Hörenswerter Klassiker in aktueller Übersetzung.

Bewertung vom 31.10.2023
Diamantnächte
Rød-Larsen, Hilde

Diamantnächte


sehr gut

„Diamantnächte“ von Hilde Rod-Larsen erzählt von einer Frau, die gesehen werden möchte.
Es geht um die Frage: „Wie geht es dir eigentlich?“

Agnete war immer schon eine stille Beobachterin, im Erwachsenenalter wird sie dafür sogar bezahlt. Ihr Wunsch war es schon immer, gesehen zu werden.

Selbst, das ist ein Wort, das nur in der Mehrzahl existieren dürfte. Doch obwohl jeder von uns viele ist, ist es möglich, sich als Kontinuum ein und desselben zu fühlen. Und meine Aufgabe besteht darin, den Menschen dabei zu helfen. S.109

Agnete ist mit ihrer Tochter allein zu Hause. Ihr Mann ist von Herbst bis Weihnachten auf Reisen und Agnete ergreift die Gelegenheit ihre Geschichte zu erzählen. Auch wenn sie nicht genau weiß, wie sie dies machen soll, ist es notwendig. Ihr Körper rebelliert, seit Monaten fallen ihr die Haare aus.

Der Roman ist in drei Abschnitte unterteilt; im ersten Abschnitt erzählt uns die Protagonistin Agnete in der ICH-Perspektive von ihrer Zeit als Studentin. Sie lernt Jenny kennen und deren
Vater Christoph, einen ausgebildeten Psychologen.

Erzähle nichts über dich selbst, ehe man dir eine Frage stellt. Oft kommt diese Frage nie. Das gilt für Männer und Frauen. (S.26)

Der Schmerz ist tragisch, Agnete kann es nicht erzählen. In Abschnitt zwei wechselt die Geschichte. Erzählt wird in der Dritten Person; Agnete wird zu Marianne, ihre Freundin Jenny zu Sarah und der Vater Christoph wird Alexander, der Seelenklempner.
Er hält für seine Patientin immer ein weißes Laken und eine Couch bereit. Marianne hat den ersten sexuellen Kontakt mit ihm und konnte doch nichts über sich erzählen. Ihre Freundschaft zu Sarah endet und doch bleibt der toxische Kontakt zu Alexander.

Wenn die kleine Lampe in ihrem Inneren die Welt zum Funkeln bringt wie Diamanten, muss sie vorsichtig versuchen, das Licht zu dämpfen und sei es nur ein bisschen, aber sie darf auf keinen Fall versuchen, es immer weiter aufzudrehen, weiter und weiter und weiter, bis die Birne durchbrennt. Dann wird es sich anfühlen, als würde es nie wieder hell werden, als wäre die Lampe für immer zerstört. Die vorige Nacht war eine solche Diamantnacht gewesen. (s.102)


Im dritten Abschnitt wechselt der Erzählstil wieder zurück.
Die Protagonistin versucht Christoph nun schlicht C genannt aus ihrem Leben zu verbannen und doch kann sie sich ihm und dem weißen Laken - ist es immer dasselbe?- nicht entziehen.
Sie versucht mit der Erzählung, dem Schreiben, das Erlebte zu verarbeiten, ihre Gedanken, Gefühle und Verhaltensweisen zu reflektieren.
Die Frage „Wie geht es dir?“ möchte die Protagonistin analysieren und ihre psychischen Probleme lösen.

Es gleicht einer Liebeshandlung. Bei diesen Worten wird mir unwohl, jetzt, da ich weiß, was Liebe ist. (S.185)

Die Autorin hat die Gedanken und Gefühle der Protagonist:in sehr gut beschrieben, unklar war zunächst, in welche Richtung die Erzählung führt. Psychologisch gut aufgebaut, plätschert die Erzählung der jungen Agnete abwechseln zwischen der Vergangenheit und Gegenwart. Der Gedanke, an andere Frauen, die auf der Couch lagen und deren Körper Hilferuf um Hilferuf abgaben wurden nicht beachtet. Erst in der Gegenwart, als ihre Haare fielen, fielen auch die Gesichter.

Die körperliche Veränderung lag außerhalb ihrer Kontrolle und doch war der Parasit endlich besiegt.

Ein außergewöhnliches Leseerlebnis wurde von der Autorin mit ihrem schlichten Schreibstil, den tiefgründigen Passagen und kurzen Kapiteln geschaffen.

Bewertung vom 29.10.2023
Denk an mich, wenn du stirbst
Hillier, Jennifer

Denk an mich, wenn du stirbst


ausgezeichnet

“Denk an mich, wenn du stirbst” von Jennifer Hillier, gesprochen von Rebecca Veil ist ein Thriller der Extraklasse. Emotional, fesselnd, spannend und mit unerwarteten Wendungen.

“Lebst du noch” liest Marin auf ihrem Handy. Die Nachricht ist von ihrem besten Freund Sal.
Marin ist sich nicht sicher; vor über einem Jahr wurde ihr vierjähriger Sohn Sebastian in einem Einkaufszentrum vom Weihnachtsmann entführt, weil sie nicht aufgepasst hat.
Bis zu diesem Tag hatte Marin alles, eine intakte Beziehung, einen absolut tollen Job, Geld und ihr Wunschkind Sebastian.

Die Polizei hat die Suche nach dem vermissten Kind aufgegeben und Marin hat heimlich eine Privatdetektivin engagiert. Es muss jemand nach ihrem Sohn suchen.

Sie besucht eine Selbsthilfegruppe in einem Hinterzimmer, die ihr wohl mehr schadet, als Resultate bringt. Bis die Detektivin mitteilt, dass ihr Mann seit einem halben Jahr eine Affäre hat. Das Mädchen ist Mitte zwanzig, hat rosa Haare und Marin hasst sie. Sie hat bereits ihren Sohn verloren, ihren Mann wird sie nicht kampflos aufgeben.

Ihr langjähriger Freund Sal ist immer für Marin da, er hilft ihr durch die schwere Zeit. Er liebt Marin seit dem College, als sie ein Paar waren.
Als Marin ihren zukünftigen Mann Derek kennenlernte, waren Sal und sie wieder mal getrennt und Sal konnte es nicht fassen, dass sie nicht mehr zu ihm zurückkam.
Alles was ihnen geblieben ist, ist die mehr als 20jährige Freundschaft.
Und diese ist für Marin nun mehr als wertvoll. Sal hat zwielichtige Kontakte, welche “Probleme” lösen. Und diesen Kontakt stellt er nun her….

Die Sprecherin hat die Stimmungen der Protagonisten perfekt eingefangen und dem Leser mitgegeben, das Hörspiel ist fesselnd, dramatisch und spannend zugleich. Die Protagonisten wurden alle sehr detailliert gezeichnet, auch die Selbsthilfegruppe wurde sehr gut beschrieben, der Verlust eines Kindes behutsam und einfühlsam dem
Leser nahegelegt.
Der Schmerz, die Trauer, der Verlust, die Angst und Verzweiflung war spürbar und ging unter die Haut. Auch die Hoffnung hat immer wieder Samen gesät und das Verständnis und Mitgefühl für die Betroffenen, wurde durch den absolut gelungenen Schreibstil der Autorin beim Leser hervorgehoben.

Die Story ist perfekt ausgedacht, erst zuletzt fügt sich alles und man wird ungläubig in die Abgründe des Bösen gezogen. Liebe und Hass sind sehr nah beieinander.

“Lebst du noch” sind die letzten Worte, die Marin hört.

Ein empfehlenswertes Hörbuch, unglaublich intensiv und mitreißend gesprochen.
Ein perfekter Thriller, der emotional unter die Haut geht.

Bewertung vom 28.10.2023
Damals im Sommer
Gottschick, Florian

Damals im Sommer


sehr gut

„Damals im Sommer“ von Florian Gottschick beschreibt eine wundervolle, melancholische Geschichte über zwei Brüder, das Erwachsenwerden und das Outen in jungen Jahren.

Der leichte Schreibstil trifft den Leser mit einer Wucht, die Geschichte wurde in ihrer Kürze intensiv, gefühlvoll und ergreifend geschrieben.

Die Verbindung zwischen den Brüdern ist voller Herzenswärme. Fer, der muskulöse, vorlaute und ältere Bruder verspottet und gängelt gerne. Der 15 jährige Bruder bewundert Fer, fällt jedoch immer wieder auf dessen Scherze herein.

Es war eine Schmach, als kleiner Bruder einer Maschine aus Raffinesse und List ausgesetzt zu sein. Wie töricht, an das Gute im Menschen zu glauben (s.32)

Trotz des Konkurrenzkampfes kann man die innige Bindung der beiden Brüder spüren.

In einem Sommerurlaub in den 90er Jahren lernen die beiden Brüder den ruhigen Franzosen Filip kennen. Der Jüngere ist sofort von dem muskulösen Jungen mit dem schönen Lächeln fasziniert.

Die drei jungen Erwachsenen verbringen gemeinsam die Tage am Strand und beim Wandern.
In der letzten Nacht vor Filips Abreise verbringen der Ich-Erzähler und Filip eine gemeinsame Nacht.

„Jetzt mache ich mich auf die Reise - in meine Seele hinein und hinaus in die Welt“ (s.110)

Der junge Teenager wird nach dieser Nacht erwachsen, er ist euphorisch und melancholisch zugleich. Wann wird er Filip wiedersehen? Ist sein Mut bereits groß genug um sich zu outen?
Die Verbindung der beiden Jugendlichen bleibt über SMS und Emails erhalten und
doch spürt man die Entfernung und Entfremdung. Filip tut dem jungen Mann auf Dauer nicht gut, sein Leben wird geprägt von den Momenten am Pc. Seine schulischen Leistungen lassen nach und er kappt die Verbindung.

Und dann erfährt er etwas schier unglaubliches und die Ereignisse und Geschehnisse prägen sein Leben.

Der Autor zeichnet feinfühlig ein Porträt der beiden Brüder, die Konkurrenz und Liebe zueinander, das verwirrende Verhältnis innerhalb der dysfunktionalen Familie und das distanzierte Verhältnis zu ihrer Mutter, einer wundervollen Frau, die mit Kindern nicht das geringste anfangen kann.

Die erste Liebe, sexuelle Abenteuer, Erfahrungen mit dem eigenen Körper und die Sehnsucht nach einem Körper, einem Kuss, einer Umarmung. Romantisch, wehmütig, traurig und voller Emotionen beschreibt der Autor die Erfahrungen des Ich-Erzählers. Sehr authentisch und detailliert werden die Protagonisten und Orte beschrieben. Der Wechsel zwischen den Zeiten fesselt und lässt mich als Leser das Buch kaum aus der Hand legen.

Ein wundervolles coming of age und coming out Buch, das ich sehr empfehlen kann.

Bewertung vom 23.10.2023
Das achte Haus
Segtnan, Linda

Das achte Haus


gut

„Das Achte Haus“ von Linda Segtnan entstand durch Nachforschungen zu einem Stadtrundgang, bei welchem die Autorin auf einen alten, ungelösten Mordfall stieß.
Im Mai 1948 verschwindet die neunjährige Birgitta Sivander. Zuletzt wurde das Mädchen in der Nähe des Sportplatzes gesehen. Am nächsten Morgen wird sie tot in einem Graben im Wald gefunden.
Siebzig Jahre später recherchiert die Autorin akribisch zu Birgittas Schicksal. In dem Buch wird die aufwendige Recherche dargelegt, verwoben mit ihrem Privatleben. Der Cold Case fesselt Linda und während ihre Schwangerschaft immer weiter fortschreitet, dringt der Fall immer mehr in ihr Leben.
Linda bringt ein Mädchen zur Welt, vernachlässigt ihren erstgeborenen Sohn Sam und dringt immer tiefer in die Akten der damaligen Ermittlungen ein. Zwischen ihren eigenen Gedanken, Gefühlen und Ängsten, lässt sie ihre spirituellen Erfahrungen in das Buch einfließen.
Der Debütroman wird in zwei Zeitsprüngen und drei Teilen untergliedert.
Es werden neue Erkenntnisse aufgedeckt, die Autorin zeigt auf, dass bei den früheren Ermittlungen nicht allen Unklarheiten nachgegangen wurde. Auch sind jugendliche Straftäter nicht befragt worden und die Nachlässigkeit der damals ermittelnden Beamten wird offensichtlich.
Ein 14jähriger Junge war der Hauptverdächtige, seine Schuld konnte jedoch nicht bewiesen werden und es wurde wohl nicht detailliert ermittelt.
Die Autorin ist besessen von dem Fall, sie vernachlässigt ihre Kinder und schreibt sich selbst in die Geschichte. Sie spürt Geister und hat mittlerweile auch eine Geister-App installiert.
Für die Recherche und Darlegung der Fakten zu dem ungelösten Mordfall ist die Ausarbeitung ihres Privatlebens zu intensiv und nicht notwendig.
Sehr interessant wurde das Leben des Mädchens, der Ablauf vor dem Tathergang und die einzelnen Erinnerungen der weiteren Nebenprotagonisten ausgearbeitet.
Der Ort des Geschehens wurde bildlich dargestellt, als Leser konnte ich mich mit den Beschreibungen sehr gut zurechtfinden.
Ein wundervolles Andenken an das ermordete Mädchen.

Bewertung vom 18.10.2023
Yoga Town
Speck, Daniel

Yoga Town


ausgezeichnet

„Yoga Town“ von Daniel Speck ist eine ergreifende Liebesgeschichte
und eine spirituelle Reise.

Der Roadtrip nach Indien wird abwechselnd aus den Jahren 1968 und 2019 erzählt.

Lucy, Yogalehrerin in Berlin und ihr liebevoller Vater Lou machen sich gemeinsam auf die Suche nach ihrer Mutter Corinna, die plötzlich verschwunden ist. Der strukturierten, depressiven, stilvollen und charismatischen Corinna sieht es jedoch gar nicht ähnlich einfach zu verschwinden.
Nur eine Postkarte weist den beiden den Weg nach Indien.

Ein Roadtrip für Lou in eine wilde und ungestüme Vergangenheit mit Geschichten, die nicht erzählt werden wollen. Tochter Lucy steckt gerade selbst in einer Lebenskrise und ist sich nicht sicher, was diese Reise in die Vergangenheit bringt.

Und doch machen sich Lou und Lucy auf den Weg.

Lou, sein Bruder Marc und seine Freundin Marie brechen spontan nach Indien auf; es ist 1968, der Weg zur Freiheit, zur Erleuchtung, einem gewaltlosen Leben, Meditation und der Antwort, warum der Buddha lächelt.

„Awake, sleep no more!“
Yogananda
(Pos. 781, 7.Kapitel)

Der Traum der damaligen Generation „Love, Peace and Freedom“ mit welchem sie die Gesellschaft verändern wollten, war eine riesige Welle, die alle Hippies Richtung Indien spülte.

Die drei Suchenden treffen auf dem Trail Corinna und verbringen gemeinsam eine unglaublich intensive Zeit in Rishikes. In dem Ashram bei dem Pop-Guru Maharishi und den Beatles verbringen die jungen Menschen ihre Zeit, leben mit der Musik und sind im Einklang mit Körper und Geist; entweder durch Meditation oder Drogen. Jeder erlebt auf seine Art diese unfassbare Zeit.
Bis etwas schreckliches passiert und alle Stillschweigen bewahren.

2019: Lou und Corinna wollten nie mehr nach Indien, die beiden waren mit dem Land und der Kultur unglaublich vertraut und doch blieb Indien eine „Büchse der Pandora“ welche man fest verschlossen halten sollte.
Warum gerade jetzt Indien? Und warum erzählt Lou immer nur Bruchstücke aus der Vergangenheit? Für Lucy ein Puzzle, das es zu lösen galt.
Vielleicht ist dies der Schlüssel auf ihrem Weg. Und vor allem, wo ist Corinna?

Lucy ist geübt in Verdrängung und der Annahme, dass sich die meisten Probleme nicht lösen lassen. Sie verdrängt auch den Bruch zu ihrem Mann Adnan und den Kindern.

Ein Moment, in dem Lucy die Erfahrung von „Bewusstsein“ erlebt hat, bringt ihr geordnetes Leben komplett durcheinander. Nichts ist, wie es zuvor war.
Und Lucy verzehrt sich nach diesem Gefühl, dieser Erfahrung.
Und das schlimmste, sie konnte sich nach dieser Erfahrung nicht mehr mit sich und ihrem Leben identifizieren.

Zwei Generationen, der Weg zum Bewusstsein und zum „Peace of mind“ werden hier unglaublich bildlich,intensiv und farbig gezeichnet. Höhen und Tiefen wechseln sich ab, genau wie die Zeitsprünge von 1968 zu 2019 und zurück. Der Autor hat den Hippie Trail mit seinen leichten und schwierigen Wegen unglaublich lebendig und leicht gezeichnet. Und doch ist nicht immer alles Gold was strahlt, die inneren Leiden sind schwer, die Hoffnung schwängert jeden Luftzug auf dem Weg nach Indien auf ein anders, freies Leben. Die Musik der 60er Jahre klingt durch die Seiten. Als Leser ist man direkt in Indien, die Gerüche, die Komposition und das Gras benebelt die Sinne.

„Gandhis Worte: Es gibt keinen Weg zum Frieden, Frieden ist der Weg.“
begleitet uns durch den bewegenden Roman.

Daniel Speck hat mit seinen Protagonisten großartige Charaktere gezeichnet. Der Roman zeichnet sich durch die verschiedenen Formen von Liebe aus. Einer Reise nach Innen, in die Vergangenheit und zur Zukunft.
Was eine Familie ausmacht und wofür es sich lohnt zu leben.

„ Und dafür, niemand mehr zu werden, weil man schon alles war.“
(Pos. 3028, 23.Kapitel)

Ein unglaubliches Meisterwerk von einem begnadeten Erzähler.

2 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 11.10.2023
Der Hund ohne Namen
Krauser, Uwe

Der Hund ohne Namen


ausgezeichnet

„Der Hund ohne Namen“ von Uwe Krauser wurde wunderschön von Franziska Frey illustriert.

Ein berührendes Kinderbuch über einen ganz besonderen Hund.

Neun kleine Hundebabys werden in einer Scheune geboren. Acht schneeweiße, weiche, flauschige Welpen und ein grauer Welpe mit stumpfen Fell und nur drei Beinchen.

Die Hundemutter ist sehr stolz auf alle Welpen und behandelt alle gleich. Der kleine graue Welpen kann nicht mit den Geschwistern herumtollen, er ist dafür zu langsam. Seine Traurigkeit darüber wird unglaublich berührend beschrieben. Als die Zeit des Abschieds von der Mutter naht, wünscht sich der kleine Hund einen Menschen, der ihm ein sicheres Zuhause gibt und ihn liebt.
Niemand jedoch möchte diesen „anderen“ Hund mitnehmen, bis Luca mit seinen Eltern die Scheune betritt.
Er bemerkt sofort, dass der kleine graue Welpe etwas besonderes ist und möchte ihn mitnehmen.

Das Kinderbuch bringt eine klare, leicht verständliche Botschaft zu den kleinen und großen Menschen. „Jeder ist gut, so wie er ist.“
Die herzerwärmende Geschichte berührt nicht nur Kinder. Die bezaubernden Illustrationen von Franziska Frey unterstreichen diese liebevolle Geschichte.

Es geht vor allem darum, dass Anderssein nichts schlechtes ist. Der Autor lehrt durch diese Geschichte über Freundschaft, Zuneigung und Liebe den Kindern, dass jeder auf seine Art besonders ist.

Bereits für Kinder ab 3-4 Jahren geeignet; die großen, eindrucksvollen Zeichnungen mit den abgestimmten Farben und die kurzen Texte sind auch sehr gut für Erstleser geeignet.

Eine klare Leseempfehlung für dieses unglaublich schöne Buch, auch bestens als Geschenk geeignet.