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Goch9
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Goch

Bewertungen

Insgesamt 54 Bewertungen
Bewertung vom 19.05.2021
Fritz und Emma (eBook, ePUB)
Leciejewski, Barbara

Fritz und Emma (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Herzzerreißend und tröstlich zugleich
Der neue Pfarrer Jakob Eichendorf und seine Frau Marie erleben die ersten Wochen in Jakobs neuer Gemeinde Oberkirchbach sehr unterschiedlich. Jakob fühlt sich endlich angekommen, während Marie sich abgeschnitten von Arbeit und kulturellem Leben sieht.
Jetzt steht die 750 Jahresfeier an. Nach anfänglichem Fremdeln stürzt Marie sich in die Planung und Vorbereitung der Feierlichkeiten. Nun bietet sich die Gelegenheit die Menschen, Alteingesessene genauso wie Neuhinzugezogene, kennenzulernen.
Marie und auch wir Leser lernen Fritz und Emma kennen, ihren Liebes-wie auch ihren Leidensweg.



Ich weiß „Herzzerreißend und tröstlich zugleich“ ist ein Zitat aus der Buchpräsentation, aber ich finde es so passend, dass ich keine andere Überschrift finden konnte.

Der Roman ist soooo schön und hat mich soooo berührt, dass ich ganz begeistert meinem Mann vom Inhalt des Buches erzählt habe. Seine Reaktion: Liebe, Abschied, Krieg, psychische Folgeschäden, Verwüstung, Trennung…….was findest du daran schön und berührend?
Ja, das Leben von Fritz und Emma war hart und auch das Leben von Marie ist kein Zuckerschlecken und all die anderen Dorfbewohner vereinsamen.
Dass die Erzählung herzzerreißend und tröstlich ist, haben wir nur der Autorin zu verdanken.

Leider muss ich immer wieder feststellen, dass mir sehr positive Rezensionen irgendwie schwerfallen, weil ich nicht erklären kann, warum mich dieser Roman so überzeugt hat. Normalerweise hätte mich das Thema „eine Liebe über siebzig Jahre andauernd“ abgeschreckt. Aber schon bei der Leseprobe hat mich dieser Roman angefasst, so dass ich weiterlesen wollte. Ich wurde nicht enttäuscht. Eine rührige, eigentlich zwei rührige Liebesgeschichten werden mitfühlend erzählt, ohne ins triviale oder kitschige abzurutschen.

Man kann diesen Roman sogar als aufmunternden Appell an kleine scheintote Dörfer sehen.
Hey, es braucht nur ein „bisschen“ Eigeninitiative, um ein Dorf wieder aufleben zu lassen. So wie Marie es bewerkstelligt hat, könnte es auch in anderen Dörfern gelingen. Es muss nicht immer gleich eine 750-Jahr-Feier sein. Ich glaube, das Zauberwort ist da wohl die Verjüngung des Vereinslebens und Aktivierung möglichst vieler Einwohner.

Um auf Fritz und Emma zurückzukommen, welch eine wundervolle Liebesgeschichte!

Ich werde gleich nach anderen Büchern von Barbara Leciejewski suchen, denn ich liebe ihren Schreibstil und ihre Art Geschichten zu erzählen.

Bewertung vom 19.05.2021
Lange Schatten über der Côte d'Azur / Kommissar Duval Bd.8
Cazon, Christine

Lange Schatten über der Côte d'Azur / Kommissar Duval Bd.8


weniger gut

Schatten der Vergangenheit

Im jüdischen Teil des historischen und landschaftlich wunderschön angelegten Friedhofs Le Grand Jas wird die Leiche eines unbekannten jungen Mannes gefunden. Erst nach Veröffentlichung seines Fotos gelingt es Kommissar Duval und seine Kollegen Simon Wolff zu identifizieren. Simon Wolff betreute in Cannes seinen jüdischen Großvater Jakob Silberstern.
Welches Motiv hatte der Mörder oder die Mörderin, Rache, Gier, Antisemitismus?

Die Staatsanwaltschaft sieht den Mord keinesfalls als antisemitische Gewalttat. Kommissar Duval ist anderer Ansicht, schafft sich damit einige Probleme und das obwohl zu Hause auch kein ruhiges und entspannendes Heim ist. Die kleine Julie hält ihre Eltern mit ihren kommenden Zähnchen auf Trapp.


Schnell wird dem Leser klar, dass „Lange Schatten über der Côte D’Azur“ nichts mit Sonne und Schatten zu tun hat. Diese „Lange Schatten“ sind wohl die Schatten der Vergangenheit. Das war mir am Anfang nicht klar und somit erwartete ich einen mediterranen Krimi, weshalb mich das Buch ziemlich enttäuscht zurücklässt.

Für mich war das kein richtiger Krimi. Es entwickelte sich kein Spannungsbogen. Manchmal hatte ich das Gefühl, dass Duval von seiner Partnerin, aus einen mir nicht bekannten Grund, in eine Geschichtsaufarbeitung gedrängt wurde, die weder er noch ich als Leser in diesem Maße wollten.

Der geschichtliche Exkurs, der nicht zur Lösung des Falls beitrug, war einerseits zu oberflächlich, um die wirkliche Stimmung und Situation in der damaligen Zeit wiederzugeben. Andererseits war er zu ausführlich, um neben der Krimihandlung zu stehen. Er hat sie immer wieder verdrängt. Die Dialoge zwischen Duval und Annie waren unnötig aggressiv. Duval wusste nichts von den unrühmlichen Festnahmen durch französische Polizisten, es interessierte ihn auch nicht sonderlich, worüber Annie sich immer wieder aufregte.

Der geschichtliche Hintergrund war nur emotional wichtig, um die Figur des Jakob Silberstern zu verstehen, sowie die Ursache der Erpressung nachzuvollziehen. Dafür nahm er aber viel zu viel Platz in diesem Buch ein.

Die Lösung des Falles folgt nach dem zweiten Mord etwas abrupt und überraschend, aber nachvollziehbar und stimmig.

Im Grunde finde ich es schon wichtig, dass über die Zeit und über die Judenverfolgung durch französischer Polizisten geschrieben wird, aber bitte nicht in Rahmen eines Krimis, der auch noch als "Mediterranes Lesevergnügen mit Nervenkitzel" beworben wird.

Bewertung vom 07.05.2021
Das Erbe der Schwestern / Der Schönheitssalon Bd.1
Elias, Nora

Das Erbe der Schwestern / Der Schönheitssalon Bd.1


ausgezeichnet

Authentisch und unterhaltsam

Helena Rosenberg kehrt nach Jahren der Abwesenheit wieder zu ihrem Geburtshaus ins Berlin der 1925er Jahre zurück. Ihr Vater, Inhaber einer Apotheke an der Friedrich Straße, ist gestorben und hat ihr und ihrer Halbschwester Charlotte, von deren Existenz Helene erst jetzt erfahren hat, je zur Hälfte das Erbe festgelegt.

Das Erbe, bestehend aus Haus und Apotheke, ist belastet mit einem riesigen Berg Schulden. Charlotte ist nicht begeistert dieses Erbe auch noch mit ihrer Schwester teilen zu müssen.


„Ein mitreißender Roman über eine aufregende Zeit, in der alles möglich war.“

Diesem Zitat kann ich mich vollkommen anschließen. Ich habe den Roman in vier Tagen gelesen und warte jetzt ungeduldig auf die Fortsetzung.

Nora Elias hat sehr kurzweilig und geschickt die Geschichte des Mädchens aus der Provinz mit dem aufregenden Leben im Berlin der 20er Jahre verknüpft. Die Hektik und die Aufbruchsstimmung dieser Zeit hat sie gekonnt mit eingewoben. Auch die Stimmen der Endsieg-Befürworter und die seelischen Schäden des Krieges finden ihren Platz in der Geschichte.

Wer Babylon Berlin gesehen hat, fühlt sich in diesem Roman gleich wieder zu Hause, nur mit dem Unterschied, dass wir jetzt die gehobene Schicht kennenlernen. Die Protagonisten gehören nicht zum Adel, aber bemühen sich wenigstens dem Geldadel nah zu kommen.

Charlotte und ihre Freundin Paula haben nicht viel Geld, Charlotte sogar so viel Schulden, dass sie eigentlich nicht weiß, wie es weiter gehen soll, aber sie lassen es sich im Berliner Nachtleben gut gehen und von flüchtigen Bekanntschaften aushalten. Wenn man nicht alles einsetzen will und als leichtes Mädchen gelten will, ist ihr Vergnügen sehr riskant.

Auch Helena ist vielen Gefahren ausgesetzt, aber sie geht ihren eigenen Weg. Sie lässt sich von den finanziellen Problemen nicht entmutigen und kreiert ihre eigene Kosmetik.
Mehr möchte ich hier nicht verraten, nur soweit, es ist richtig lesenswert.

Bewertung vom 01.05.2021
Stürme des Lebens / Die Insel der Wünsche Bd.1
Jessen, Anna

Stürme des Lebens / Die Insel der Wünsche Bd.1


gut

Bittersüß

Hamburg 1887. Tina Tiedkens arbeitet als Blumenmädchen im Hamburger Hafen um mit den wenigen Pfennigen, die sie verdienen kann, ihre 12-köpfige Familie zu unterstützen. Zahlreiche Geschwister, mehr verhungernd als lebendig, einen Vater, der sein Bein bei einem Arbeitsunfall verloren hat und somit auch seine Arbeit und seinen Lebensmut, machen es scheinbar unmöglich diesem Elend zu entfliehen.

Und doch bietet sich Tine eine Möglichkeit. Mit etlichen Hindernissen und unter größtmöglichen Schwierigkeiten bricht sie in eine neue Welt auf, nach Helgoland.



Die Beschreibung zu diesem Buch, dem ersten Teil einer Trilogie, hat in mir Erwartungen geweckt, die das Buch leider nicht erfüllen konnte.

Ich erwartete einen historischen Roman über die letzten ca. 150 Jahre Helgolands. Die Übernahme oder auch Übergabe der Insel von britischer in deutscher Hand, ihre Rolle während der Weltkriege und so weiter. Natürlich wird in einem historischen Roman immer auch die Geschichte einer Protagonistin oder eines Protagonisten erzählt, oft eine fiktive Geschichte, aber immer geschichtlich angelehnt.

Hier haben wir jetzt die bittersüße Geschichte einer mutigen Frau, deren Aufstieg, Mut und Durchhaltevermögen sehr detailliert beschrieben wird, während im Hintergrund die Insel den Besitzer oder auch Besatzer wechselt.

Märchenhaft ist Tinas Geschichte, für mich ist sie zu märchenhaft und naiv.

Vielleicht haben im 19. Jahrhundert Blumenmädchen aus dem ärmsten Hafenviertel Hamburgs solche Karrieren erlebt und sind in die höhere Gesellschaft aufgestiegen, aber so naiv und weltfremd wie Tina sind die sicherlich nicht gewesen.

Auch wenn die Geschichte Helgolands sicher noch einige interessante Aspekte bereithält, werde ich mir Teil 2 und 3 dieser Trilogie schenken. Es gibt sicher viele zufriedenen Leser, die Bücher über märchenhafte Beziehungen und Karrieren lieben und schlecht geschrieben ist der Roman nicht. Es ist nur nicht mein Geschmack, sorry.

Bewertung vom 27.04.2021
Rot wie Feuer / Vanitas Bd.3
Poznanski, Ursula

Rot wie Feuer / Vanitas Bd.3


sehr gut

Rot wie blutig

Carolin Bauer, ehem. Anna Piroth, entkommt in Wien mit knapper Not ihren Verfolgern, dem Karpin-Clan. Jetzt bleibt ihr nur noch die Flucht nach vorne. Sie fährt nach Frankfurt, in die Höhle der Löwen. Sie kann ihr Leben nicht länger auf der Flucht verbringen. Sie muss endlich Robert ausfindig machen und gegen den Clan kämpfen.

All ihr Wissen und ihre Erfahrung mit dem Karpin-Clan sollten ihr ermöglichen, die Mitglieder gegeneinander auszuspielen und Andrej zur Rückkehr nach Frankfurt zu zwingen.



Puh, der Thriller ist heftig. Ich habe bereits die beiden Vorgänger, „Schwarz wie Erde“ und „Grau wie Asche“ gelesen und glaubte mich an den härteren Stil dieser Trilogie gewöhnt zu haben, aber dieser Teil ist brutaler, blutiger und grausamer als die ersten Beiden.

Auch die Art und Weise wie Carolin in diesem Band kämpft und sich wehrt, ich will darauf nicht näher eingehen um nicht zu spoilern, aber das ist eine andere Dimension. Mich begeisterte in den vorangegangenen Thrillern immer die Raffinesse, mit der Carolin bzw. Frau Podnanski Probleme löste und Gefahren umging. Auch hier setzt sie ihren Verstand und ihre Phantasie ein, aber…

Naja, wer Härte, Brutalität und Blut nicht so gut abkann, der sollte eigentlich Thriller meiden, aber bisher war Frau Podnanski eine Thriller Autorin, die nicht so viel Blut und Brutalität benutzte. Vielleicht kommt sie da ja wieder hin. Ich würde es mir wünschen.

Der Spannungsbogen macht es dem Leser aber unmöglich, das Buch bei Seite zu legen, egal ob gewalttätig oder blutig.

Im Laufe der Jahre habe ich alle Bücher von Ursula Podnanski, auch die Jugendbücher, mit Begeisterung gelesen und hoffe, dass noch viele folgen.

Bewertung vom 25.04.2021
Sommernacht
Foley, Lucy

Sommernacht


ausgezeichnet

Starker Thriller


Julia Keegan und Will Slater, Aufsehenerregendes, gutaussehendes und erfolgreiches Paar, zelebrieren ihre durchgestylte Hochzeit auf einer unbewohnten irischen Insel.
Die Hochzeitsfeierlichkeiten werden nicht nur von einem heftigen Gewittersturm nd Stromausfällen sabotiert, sondern auch von Lügen, überraschenden Wahrheiten, Verletzungen und Geheimnissen.

Kann das gutgehen?




Am Anfang hat mir der ständige Wechsel zwischen Gegenwart und den Geschichten der einzelnen Protagonisten gestört. Ich fühlte mich irgendwie gebremst und musste mich dem Rhythmus der Erzählerin angleichen.

Der Spannungsbogen wurde aber gleich mit der ersten Situationsschilderung ziemlich hoch angesetzt, was mich am Anfang auch etwas ungeduldig machte. Statt zu stagnieren oder abzuflachen, stieg der Spannungsbogen stetig. Ich konnte das Buch fast nicht mehr aus der Hand legen und wenn man nicht las, kreisten die Gedanken um das Gelesene.

Zu der Handlung möchte ich nichts sagen, um nicht zu spoilern. Nur so viel, sie ist Hammer, auch ein bisschen gruselig und das Ende atemberaubend.

Ein MUSS für jeden Thriller-Liebhaber.

Bewertung vom 25.04.2021
Jaffa Road
Speck, Daniel

Jaffa Road


ausgezeichnet

Danke, endlich Geschichte(n) aus verschiedenen Perspektiven


„Drei Familien, drei Generationen, drei Kulturen – und ein gemeinsames, bewegendes Schicksal“
Nina Zimmerman, Enkelin des als verschollen geltenden Moritz Reincke, wird von einem italienischen Notar aufgefordert nach Palermo zu kommen um ihr Erbe anzutreten. In Palermo trifft sie nicht nur auf ihre jüdische Tante Joelle, sondern auch auf Elias Bishara, Palästinenser aus Jaffa.
Statt Antworten wirft dieses Zusammentreffen immer mehr Fragen auf.


Viele gutrecherchierte historische Romane haben meinen geschichtlichen Horizont immer mal wieder etwas erweitert, aber keiner hat mich bisher so überrascht, gefesselt und mir ein neues tiefes Verständnis für die nicht zu lösende Situation im Nahen Osten vermittelt.

1956 geboren, bin ich mit den explosiven und kriegerischen Auseinandersetzungen aufgewachsen. Als deutsche Schülerin ist mir im Geschichtsunterricht über die Eisenzeit, das Mittelalter bis hin zum 2. Weltkrieg und der Judenverfolgung Wissen vermittelt worden. Weder in Geschichte noch im Politik-Unterricht wurde die Gegenwartsgeschichte beleuchtet. In der gymnasialen Oberstufe um 1974 hätte man das eigentlich erwarten können. In den Nachrichten konnte man verfolgen, dass der Staat Israel gegründet wurde, dass viele Überlebende der Judenverfolgung eine neue Heimat („das gelobte Land“) fanden und die Palästinenser sich gegen diesen neuen Staat wehren.

Daniel Speck hat dieses Drama, diese Katastrophe, mit den Familiengeschichten dreier Kulturen, die eng miteinander verbunden waren, sichtbar und begreifbar gemacht. Er zeigt auf, dass wir nur unser eigenes Elend sehen und das Elend anderer ausblenden. Dadurch, dass jede Familie, jüdisch, deutsch oder aus Palästina stammend, ihr Schicksal beleuchten konnte, ergibt sich für uns Leser ein vielfältiges neues Bild.

Auch die Bezeichnung „Araber“ hat eine neue Dimension. Mir war bisher nicht bekannt, dass es christliche, jüdische und islamische Araber gibt. Auch die Palästinenser spalten sich in Juden, Christen und Moslems auf. Und wer machte sie zu Feinden?

Die Frage kann dieser Roman natürlich nicht beantworten, aber die fiktiven und realen Geschichten, die Daniel Speck erzählt, zeigen das Elend und den Untergang vieler Menschen meist verursacht durch wenige Fanatiker, die unglücklicherweise Macht erlangten.

Ein super Buch, das jeder lesen sollte, denn unterhaltsamere Aufklärung kann ich mir nicht vorstellen.

Bewertung vom 06.04.2021
Sylt auf unserer Haut
Thesenfitz, Claudia

Sylt auf unserer Haut


sehr gut

Ein Glücksroman?


Maja und Robert verbringen wie jedes Jahr ihren 14-tägigen Urlaub in einer Ferienwohnung auf Sylt. Sie sind 26 Jahre verheiratet, die Kinder sind aus dem Haus, alles ist Routine und irgendwie auch langweilig.

Dieses Jahr wird die Routine allerdings durch des Aufenthalt eines „nervigen“ Kollegen von Robert in der Nachbarwohnung unterbrochen. Bernd, der Kollege bringt mit seiner jungen Partnerin, mit seiner Harley und mit seinem lockeren Lebensstil Schwung und Abwechslung ins Haus.


Was ist ein Glücksroman? Soll er mich als Leser*in glücklich machen oder darf ich das Glück anderer beobachten, nachahmen und in mich aufnehmen?

Die Leseprobe zu diesem Roman hat mich voll überzeugt. Da wird die echte, leider nahezu alltägliche Lebenssituation einer sich auseinander gelebten Ehe nach 26 Jahren unterhaltsam beschrieben. Ich, Norderney-Fan, 64 Jahre alt, 38 Jahre verheiratet, Mutter 3er erwachsener Söhne, konnte die Gedanken von Maja und Robert gut nachvollziehen. Ich wurde neugierig. Was wird in dieser festgefahrenen Situation passieren?

Zweidrittel des Buches habe ich regelrecht verschlungen, war vielleicht auch glücklich. Da wurde von einer Frau erzählt, die große Probleme und Sehnsüchte hat und mit sehr viel Mut versucht für sich und ihrem Partner eine Lösung zu erreichen. Aber trotz ihres großen Mutes konnte sie weder ihren Mann ändern oder bewegen noch ihr Leben glücklich gestalten.

Bis hierhin wurde eine starke, aber auch von leichter Hand geschriebene, lebensechte Geschichte erzählt.

Sorry, aber das Ende fühlte sich für mich konstruiert an.

Mir ist völlig klar, dass es sich um eine fiktive Geschichte handelt und es kein Ratgeber sein soll, aber muss es gleich in einem Märchen enden? Irgendwie lässt mich der Roman nicht glücklich, sondern enttäuscht zurück.

Bewertung vom 07.03.2019
Eisige Tage / Seiler und Novic Bd.1
Pohl, Alex

Eisige Tage / Seiler und Novic Bd.1


sehr gut

Ein toter Anwalt im Straßengraben beschäftigt die smarte Leipziger Kommissarin Hanna Seiler und ihren eigenwilligen Kollegen Milo Nivic. Michail Jegorowitsch Malinowski starb nicht durch den Autounfall sondern er ist erschossen worden. Was wie ein Routinemordfall beginnt, mausert sich schnell zu einem Pädophilen -und Mädchenhandel-Fall, der in die unmittelbare Rotlicht-und Schutzgeld-Unterwelt führt.

Die Welt des Verbrechens beginnt vor unserer Haustür........


Dieser Kriminalroman kommt für mich kalt und düster daher.

Direkt der Beginn mit dem gruseligem Verbrechen im Gefangenenlager vermittelt den Eindruck, dass der Leser es mit geschundenen und in tiefster Seele verletzten Tätern und Opfern zu tun bekommt. Es wird auch deutlich gezeigt, wie unterschiedlich die verletzten Seelen ihr zukünftiges Leben angegangen sind.

Die beiden Ermittler machen einen guten Eindruck und befruchten sich gegenseitig weil sie unterschiedlicher eigentlich nicht sein können. Irritierend empfand ich aber, dass Hanna ihren Kollegen intensiv beobachtet, analysiert und einschätzt. Zwischenzeitlich hatte ich den Eindruck, dass Milo strafversetzt wurde und Hanna seine Tauglichkeit und Teamfähigkeit bewerten soll.

Durch die mehrfachen Rückblenden erklärt sich dann einiges selbst.

Der Kriminalfall ist schon tricky, lange Zeit undurchsichtig, aber letztlich logisch und nachvollziehbar gelöst.

Trotz der Rückblenden und privaten Einblendungen erscheinen mir die Ermittler noch etwas blass. Da dieser Roman der Beginn einer neuen Reihe ist, wird der Autor sicher noch detaillierter nachzeichnen.

Fazit: Solider Krimi. Ich bin neugierig, wie es weitergeht.

Bewertung vom 31.01.2019
Der Verrat
Sandberg, Ellen

Der Verrat


ausgezeichnet

Sie sind Schwestern, die unterschiedlicher nicht sein könnten.
Pia, die Älteste, führt ein geordnetes und wohlhabendes Leben an der Seite ihres Mannes Thomas von Manthey, 73 Jahre, den anerkanntesten Winzer im Saarland.
Birgit, die Mittlere, gescheitert als Lehrerin, führt den Antiquitätenhandel ihrer Eltern weiter und betätigt sich als Mittlerin zwischen ihren beiden Schwestern.
Nane, die Jüngste, verlässt nach zwanzig Jahren das Gefängnis auf Bewährung. Sie ist die Chaotin der Familie. Vor zwanzig Jahren hat sie einen Menschen ermordet.
Von Nanes Freilassung fühlt sich Pia bedroht.

Wow, was für eine Familiengeschichte. In ihrer unnachahmlichen Art hat Frau Sandberg, die ja sonst spannende Krimis schreibt, eine faszinierende Familiengeschichte für uns entblättert. Genauso wie man eine Rose entblättert, in dem man immer wieder rundherum ein Blatt entfernt, so wurde in verschiedenen Zeitebenen, von verschieden Personen ein Blatt nach dem anderen entfernt und uns eine neue Einsicht ermöglicht. Der Spannungsbogen wurde dabei immer hoch gehalten, so dass ich kaum Möglichkeiten hatte, das Buch aus der Hand zu legen. Gelesen habe ich es an vier Wochentagen, an den ich eigentlich keine Zeit habe lange zu lesen. Ausgelesen hatte ich es dann nachts um drei oder so. Ich war so müde, aber das Buch hat mich immer wieder wach gehalten.
Die Geschichte ist schier unglaublich. In den Lesepausen hat sie mich unentwegt beschäftigt, weil ich überlegt habe, was denn noch alles im Geheimen liegt und nicht an Licht kommen darf.
Da im Laufe der Geschichte einzelne Lebensabschnitte aller Schwestern beleuchtete wurden sind mir eigentlich alle Charaktere an Herz gewachsen. Ich habe dann mal mit der einen, mal mit der anderen Schwester gebangt. Auch die chaotische Nane ist immer nachvollziehbarer rüber gekommen. Bis auf Birgit haben die Schwestern zum großen Teil ihre Geschichte aus ihrer Sicht schildern können. Ich glaube, dass diese Erzählweise für größere Ein- und auch Übersicht geführt hat.
Alle Achtung, dass die Autorin bei dem ganzen Lügengeflecht nicht den Überblick verloren hat und immer nur einen kleinen Teil Preis gegeben hat um den Leser bis zum Schluss im Unklaren zu lassen.
Bravo, mich hat’s gefesselt und mir hat’s sehr gut gefallen.