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ikatzhorse2005

Bewertungen

Insgesamt 206 Bewertungen
Bewertung vom 21.05.2023
Das Licht im Rücken
Lüpkes, Sandra

Das Licht im Rücken


ausgezeichnet

Das Licht im Rücken ein Roman von Sandra Lüpkes
„Abrakadabra, Simsalabim!“
Dana kniet sich auf den Hocker und reißt erstaunt die Augen auf. Meister Barnack kann ja zaubern! Er taucht schneeweiße Blätter in eine Flüssigkeit. Sie schwimmen vor Danas Nase in der Schüssel, und plötzlich erscheinen darauf Menschen. Milan und sie selbst. Ohne dass irgendjemand irgendetwas berührt. Aus dem Nichts tauchen hellgraue Umrisse auf, die wie die Landkarte in der Schule aussehen. Aus Südamerika wird in einer Sekunde Milans Hüfte oder seine Stirn, auf die ein Schatten fällt. Aus der Antarktis geht sein rechtes Auge hervor oder die Falte seiner Hose.
„Das ist wirklich faszinierend!“, findet auch Milan, der dafür zuständig ist, die fertigen Bilder zum Trocknen an die Leine zu hängen. S.127
Geschichte erzählen und die Bilder fest in Erinnerung behalten, das gelingt der Autorin anhand ihrer Erzählung rund um die Familie Leitz und der Entstehungsgeschichte der Leica. Schwarz-weiße Dokumente der Geschichte erzählen das Schicksal zweier Familien in der Zeit von 1914 bis 1945. Die schwierigen Umstände und politischen Gegebenheiten durchdringen private und geschäftliche Belange der Protagonisten. Fiktion und Wahrheit, Erdachtes und Realität greifen wie Zahnräder eng ineinander. Das vorliegende Werk ist nicht rein schwarz und weiß, sondern besticht durch die vielen Grauschattierungen zwischen den Zeilen.
Sandra Lüpkes schreibt in flüssiger und ergreifender Form, sodass man sich sehr gut in die jeweilige Situation und an den Handlungsort hineinversetzt fühlt. Die grundlegenden Beschreibungen zur Kameratechnik und Fotografie wechseln sich zwischen fachlichen Kenntnissen und poetischen Beschreibungen beim Entstehen der Fotos ab. Dazwischen finden sich die einzelnen Figuren mit ihren charakterlichen Unterschieden und dem differenzierten Umgang mit den zeitlichen Gegebenheiten und Schwierigkeiten auf Basis historischer Tatsachen.
Elise hat mich hier besonders beindruckt. Das Bild 1 auf der inneren Umschlagseite zeigt sie so, wie ich sie mir vorstelle, fest und forsch. Die geschriebenen Zeilen zeigen an gewissen Stellen eine andere Seite von ihr. Die Autorin versteht es ausgezeichnet diese beiden Seiten zu verknüpfen. Daher ist es wohl eine Frage der Perspektive und die Antworten finden sich oftmals dazwischen.
Die hochwertige und liebevolle Aufmachung des Buches hat mir sehr gut gefallen. Die Fotografien der Umschlagsseiten und zum Anfang der einzelnen Abschnitte erweitern den Blickwinkel, sind eine hilfreiche Abwechslung und machen das Gelesene greifbar.
Fazit: Mir hat der Ausflug in die Anfänge des 20. Jahrhunderts mit dem Erfindergeist und Wissensdurst sehr gut gefallen. Sandra Lüpkes schreibt großartige, historische Romane, wobei man immer etwas dazulernen kann!

Bewertung vom 12.05.2023
Dunkel der Himmel, goldhell die Melodie / Die Dresden Reihe Bd.1
Stern, Anne

Dunkel der Himmel, goldhell die Melodie / Die Dresden Reihe Bd.1


ausgezeichnet

Dunkel der Himmel, goldhell die Melodie ein Roman von Anne Stern (Rowohlt Verlag)
Dorothea saß am Flügel, der in der Mitte des Salons stand. Sie hob im Spiegel den Kopf und lächelte ihrer Mutter zu. Elise dagegen war ganz in die Musik vertieft. Sie schritt mit der Geige am Kinn durchs Zimmer, lehnte sich an den Flügel, jedoch ohne ihrer Schwester über die Schulter auf die Noten zu sehen. Stattdessen wiegte sie sich zu den Klängen der Sonate und fuhr mit dem Bogen auf und ab, unbeirrt und sicher wie im Traum. Dann nahm sie wieder ihre Wanderung auf, und die Finger flogen über den Hals der Violine, griffen entschieden und firm in die Saiten und drückten sie auf das schwarze Griffbrett. Die Geige sang und jauchzte in ihren Händen. S.116
Die junge Elise Spielmann lebt diese Leidenschaft, sie liebt die Musik und träumt davon Violinistin zu werden. Doch in einer Zeit, die diesen Wünschen einer Frau nach Selbstbestimmung, geleitet von ihrem Talent, noch kritisch gegenüber steht, rückt dieses Ziel in weite Ferne. Auch in Dresden um 1841 prägen Männer und deren Meinungen das Bild der gehobenen Gesellschaft und des Bürgertums rund um Konventionen, Standesdünkel und Moral. Nach wie vor hält der männliche Teil der Gesellschaft die Zügel fest in der Hand. Daher dürfen neben Elises starken Willen, ihre aufkeimenden Gefühle zu dem jungen Malergehilfen Christian Hildebrand, der sich an der Semperoper verdingt, nicht weiter befeuert werden. Zu groß ist die Gefahr, dass sie alles verliert, was ihr lieb und teuer ist, einschließlich ihrer Familie. Es ist eine schwere Etappe für Frauen, eine Zeit der Kompromisse und des Zurücksteckens sowie des Arrangierens und der Etikette.
Ob es Elise gelingt, ihrem Gefühl folgen zu können, beschreibt Anne Stern in gekonnt flüssiger Erzählweise. Dabei achtet sie auf zeitliche Floskeln und historische Gegebenheiten.
Des Weiteren erzählt sie vom Schauspiel, den großen Akteuren und Komponisten mit ihren fantastischen musikalischen Werken dieser Zeitepoche. Es gelingt die fesselnde Erzählung und die kleinen Geschichten mit vielen historisch hervorragend recherchierten Details zu verknüpfen.
Die Figuren sind lebhaft und greifbar. Man hofft und bangt mit ihnen, möchte sie schütteln und verliert sich beim Lesen in ihrer Geschichte. Und immer wieder steht die Semperoper als Handlungsort in der Hauptrolle. Die Autorin gibt Einblicke in die verschiedensten Aufgaben und Arbeiten rund um diesen Schauplatz.

Der Tittel ist passend und rundet das Cover ab. Der Blick der Titelfigur hat mich in ihren Bann gezogen und ich habe jede Zeile dieses wundervollen Romans genossen. Lehrreich, lesenswert, spannend und abwechslungsreich. Eine Hommage an die Musik, die Liebe und an Dresden und die Semperoper!

Bewertung vom 07.05.2023
Mit dem Mut zur Liebe
Lind, Hera

Mit dem Mut zur Liebe


weniger gut

Mit dem Mut zur Liebe ein Roman nach einer wahren Geschichte von Hera Lind (Knaur)

Der Roman beginnt mit Szenen aus dem 2. Weltkrieg und der Bombardierung Dresdens sowie den Schilderungen der Nachkriegszeit, als der Hauptprotagonist Dieto (Dieter Kretschmar) 4 Jahre alt ist. Vorrangig dreht sich die Geschichte um das Überleben der kleinen Familie. Dazu gehören neben Dieto, die Mutter, sein älterer Bruder Manfred und seine Schwerster Inge. Der Vater gilt als vermisst und kehrt später zu seiner Familie zurück. Dieser Teil, einschließlich der Gräueltaten, nehmen einen großen Raum ein. All das darf nicht in Vergessenheit geraten! Jedoch waren mir die einzelnen Szenen, einschließlich der Vergewaltigung, gekoppelt an diesen einfachen Schreibstil, einfach zu viel. Laut Klappentext erwartete ich eine Geschichte, die 1957 beginnt. Dieser Strang beginnt endlich, nachdem Dieto Johanna (Jo) kennenlernt. Es entwickelt sich eine Liebe, die ewig währt und für die beide, zahlreiche Hindernisse überstehen müssen.

Fazit: Berührt haben mich die Zuversicht, die Dieto und Jo ihrem Leben geben, beider Zusammenhalt und der Wunsch nach Freiheit sowie Selbstbestimmung.
Schade finde ich, dass der Zufall Dietos Naivität immer wieder zur Seite steht. Daher büßt die Geschichte einiges an Glaubwürdigkeit ein. Leider konnte mich der bescheidene Schreibstil der Autorin nicht überzeugen. Manches klingt wie aus einem Kinderbuch, anspruchslos mit zahlreichen Verniedlichungen. Somit war ein Spannungsaufbau selten möglich. Schade! Solch ein bewegendes Thema, welches schwach umgesetzt wurde.

Meine Erwartungen wurden nicht erfüllt und ich bin von der simplen Geschichte enttäuscht.

Bewertung vom 16.04.2023
Das Leben schwer nehmen ist einfach zu anstrengend - Vorwort von Lars Amend
Sideropoulos, Susan

Das Leben schwer nehmen ist einfach zu anstrengend - Vorwort von Lars Amend


ausgezeichnet

Das Leben schwer nehmen ist einfach zu anstrengend ein positiver Ratgeber von Susan Sideropoulos (Gräfe und Unzer)
„Wir verpassen so viele Möglichkeiten, weil wir im richtigen Moment mit den falschen Gedanken beschäftigt sind.“ S.71
Das Leben ist viel zu kurz, um miesepetrich durch die Welt zu laufen! Und wie blickst du am Ende deines Lebens selbst auf dich? Bist du zufrieden und im Einklang mit dir? Oder hättest du manches einfach leichter genommen und damit die Unwegsamkeiten leichter umschiffen können? Welche Menschen und Wegbegleiter tun mir gut und was bremst mich aus?
Susan Sideropoulos nimmt mich schon auf dem Cover mit ihrer Fröhlichkeit gefangen. Diese positive Leichtigkeit zieht sich durch die gesamte Lektüre. In 4 großen Abschnitten betrachtet sie die Menschen mit ihrer Sicht auf die Dinge, gibt Tipps und streut philosophische Anregungen in den Text ein. Der durchweg unbeschwerte, klare Schreibstil gibt Raum zum Nachdenken und zur Selbstreflektion.
Die liebevolle Gestaltung umrahmt den Text und animiert mich, das Büchlein immer wieder zur Hand zu nehmen. Dabei lese ich keinesfalls in der chronologischen Reihenfolge, sondern blättere zu den Passagen, die gerade zu meiner Stimmung passen. Wenn ich Lust habe, beantworte ich die Fragen, die mir die Autorin in ihren Lieblingstag-Checklisten oder bei der Gedanken-Challenge stellt. Ich finde dort Platz, um meine Gedanken zu vermerken.
Susan Sideropoulos hat sich sehr viel Mühe gemacht, um mich als Leserin mit auf diese und irgendwie auch auf ihre Reise mitzunehmen.

Fazit: Ich finde es schwierig, für dieses Buch im allgemeinen und herkömmlichen Sinne, eine Bewertung abzugeben. Es ist Geschmackssache, doch ist für jeden etwas dabei, um die Stimmung anzuheben. Für mich ist dieses Buch ein positiver Begleiter, der weniger zur Selbsthilfe oder als Ratgeber fungiert, sondern zum Nachdenken und Glücklichsein stimmt. Leben wir einfach mehr im Hier und Jetzt und genießen es!

Bewertung vom 10.04.2023
Die Radfahrerin
Leonard, Susanna

Die Radfahrerin


gut

Die Radfahrerin Annie Londonderry ein Roman von Susanna Leonard

Alonso Peck hielt das Columbia-Fahrrad fest, damit Annie auf den Sattel steigen konnte.
„Wie klein und zierlich sie ist“, sagte Peter Goldberg mit leiser Stimme, in der für John unüberhörbar ein besorgter, fast ein wenig mitleidiger Unterton schwang. S. 167

Die Autorin lässt sich 170 Seiten Zeit, ehe Annie Londonderry, alias Annie Kopchovsky mit ihrem Fahrrad zu dieser unsäglichen Weltreise aufbricht. Geschuldet ist dieses Unterfangen einer Wetter von Männern im Jahr 1894, im Kaminzimmer eines Bostoner Herrenclubs, der mit einem Handschlag besiegelt wird. Dies ergibt sich, da sich das männliche Geschlecht größtenteils erhaben über die Frauen stellt. Zu fast unerfüllbare Wettbedingungen glauben sie nicht an den Mut und die Intelligenz eines weiblichen Wesens. Einzig Professor John Dowe glaubt an das weibliche Geschlecht und geht diese Wette, angesichts des hohen Preisgeldes mit einem mulmigen Gefühl, mit dem Geschäftsmann Samuel Thatcher ein.
Der unterschwellige Spürsinn fürs Geschäft und den Erfolg vor Augen wird durch diese Grundstimmung im Romans begleiten. So flunkert die liebe Annie angesichts winkender Geschäftsmodelle und lügt am Ende bis sich die Balken biegen. Wie es dazu kommt, dass Annie die Frau ist, die zu den angegebenen Wettbedingungen die Welt umrunden will, beschreibt Susanna Leonard auf den ersten 170 Seiten. Der Rest des Romans handelt von der Reise dieser taffen Frau und ihren Unterstützern, wie sie Berühmtheit erlangt und sich ihr Leben durch diese Erlebnisse ändert. Dabei bleibt die Autorin vage, manche Fragen bleiben offen und der Fantasie des Lesers überlassen.

Einige Nebenfiguren waren für mich interessanter und charakterlich besser dargestellt, als die Hauptprotagonistin selbst. Der Schreibstil, gerade zu Anfang, hat mich abgeholt und ich konnte der Geschichte flüssig folgen. Auch Annies Beweggründe erschienen mir dabei logisch. Der Mittelteil konnte mich nicht begeistern, da Annie mit den Unwahrheiten zu Übertreibungen neigte und der Hauptschwerpunkt auf der Reklame und Werbearbeit lag. Somit verlor ich tatsächlich die Leselust darüber. Doch erarbeitete die Autorin das Bild der Protagonistin anhand wahrer Begebenheiten. Daher gab ich der Hauptfigur noch eine Chance und beendete das Buch. Die Reiseberichte traten hier wieder in den Vordergrund nur mit dem offenen Ende bleibt ein Rest an Sehnsucht nach Aufklärung rund um Annie und ihre Familie. Gerade über die Familienmitglieder hätte ich im Laufe der Geschichte und am Ende gern noch mehr erfahren.

Fazit: Eine Frau. Ein Fahrrad. Einmal um die Welt. Ich habe es gelesen. Für mich ist es kein Buch für ein zweites Mal.

Bewertung vom 26.03.2023
Einfach Urlaub
Paul, Stevan

Einfach Urlaub


ausgezeichnet

Einfach Urlaub-Rezepte, die den Sommer feiern eine kulinarische Reise von Stevan Paul (Brandstätter Verlag)
Schnelle Ajvar-Pasta mit Creme Fraiche
Nach einer langen Fahrt und dem Bezug der Ferienwohnung hat niemand Lust, lang am Herd zu stehen. Gefragt sind aber neue Energie und ein warmes Essen. Die Paprika-Pasta ist ungefähr so schnell fertig, wie die Nudeln zum Garen brauchen. So fängt guter Urlaub an! S.29
Am liebsten wäre ich gleich losgezogen, mit dem Wohnmobil, in eine gemütliche Ferienwohnung oder mit dem Zelt, egal wie und egal wohin, nur dieses Buch nehme ich garantiert mit! Diese liebevolle, bebilderte Lektüre macht einfach Lust auf auf den Sommer. Nur leider spielt im Moment das Wetter nicht so mit. Egal, ich lese mich ein und möchte den Text zwischen den hellblauen Buchdeckeln mit dem witzigen Cover gar nicht mehr aus der Hand legen.
Stevan Paul nimmt uns mit in die Ferien. Das dazugehörige Equipment liefert er uns in lockeren Texten, praktischen Tipps und unheimlich lecker klingenden Rezepten. Diese werden mit einer Zutatenliste und der Anleitung zur Zubereitung, den Angaben, wie lange dieses Gericht benötigt um soundsoviel Personen satt zu bekommen sowie den abrundenden Ratschlägen, wie die Speise beim hungrigen Gast noch besser rüber kommt, gespickt. Besonders gut gefallen mir die „Gut zu wissen Tipps“ und „Upgrates“ zu den schnell angerichteten Köstlichkeiten.
Die Zeiten sind übersichtlich gestaltet und der fröhliche Urlaubsberater gliedert sich in Vorabinformationen, einen großen Rezeptteil und ein Rezeptregister. Die Rezepte reichen vom „Ankommen am ersten Abend“ über „Rezepte ohne Kochen“ und „die ganz schnelle Nummer“ bis hin zum „Grillen“ und „Durstlöscher“ für den „süßen Sommer“. Dabei setzt der Autor auf Leichtigkeit und Einfachheit ohne zusätzlichen Schnickschnack.
Die lebendigen Fotografien von Vivi D`Angelo runden diesen lebensfrohen Reisebegleiter perfekt ab.
Fazit: Vielen Dank für dieses wunderbare Buch! Es wird in keinem Urlaub mehr fehlen und geht zukünftig mit auf Reisen. In der alljährlichen Ferienroutine macht Stevan Paul Lust zum Ausprobieren. Dieses hochwertige Buch ist mehr als eine Abhandlung von Zubereitungsmöglichkeiten, denn es macht einfach Gute Laune!

Bewertung vom 26.03.2023
Melody
Suter, Martin

Melody


ausgezeichnet

Melody ein Roman von Martin Suter (Diogenes Verlag)
„Und Sie? Lieben Sie Geschichten?“
Tom musste kurz überlegen. Dr. Stotz ließ ihm keine Zeit zu antworten.
„Ein guter Anwalt sollte der Dichtung mehr verpflichtet sein als der Wahrheit.“
Tom hatte die Antwort. „Ja. Ich mag Geschichten.“
„Seien Sie froh. Ich werde Ihnen nämlich viele erzählen, fürchte ich.“ S.30
Der Autor entführt uns in die Villa nach Zürich. Dort lebt der reiche und gebrechliche Dr. Peter Stotz, ehemals Politiker, Milizoffizier und erfolgreicher Geschäftsmann. Dieser stellt den jungen Tom Elmer mit den gewünschten juristischen Vorkenntnissen ein, um seinen Nachlass in Ordnung zu bringen und um Wichtiges von Unwichtigem zu trennen. Dabei stößt er auf Ungereimtheiten und Geheimnisse. Er stellt sich die Frage, ob sein Chef der ist, für den er sich auszugeben scheint. In einem intellektuellen Schlagabtausch am Kamin und zwischen gut gereiften alkoholischen Köstlichkeiten erzählt Dr. Stotz von der attraktiven Frau auf den Gemälden, die jeden Raum der Villa zieren. Ein rätselhaftes Verschwinden, eine Suche in der Wahrheit und Fiktion zu verschwimmen scheinen.
Die Halbwahrheiten des betagten Herren brodeln unter der Oberfläche. Das was er zu vertuschen hofft, sucht sich unnachgiebig seinen Weg an die Oberfläche. Gepaart mit einem einzigartigen Schreibstil, der die Charaktere nach und nach entblättert, baut sich eine subtile Spannung auf. Dabei erzählt Martin Suter von Klischees, die das überspitzte durch seine offene Erzählkunst legitimieren. Man lässt sich gern mitziehen, von Anfang an, bis das Ganze in einer überraschenden Auflösung endet.
Letztendlich stellt man sich die Frage: „Was bleibt am Ende eines Lebens?“ und kommt doch zu dem Schluss, dass eben nicht alles käuflich ist.
Fazit: Das war mein erster Suter und mit Sicherheit nicht mein letzter. Ich fühlte mich bestens unterhalten und intellektuell angesprochen. Denn die Art und Weise der Gespräche und der ganzen Geschichte haben etwas faszinierend Anziehendes! Die Details schnörkellos und die Pointe auf den Punkt. Es macht Freude, den Gesprächen zu folgen, ohne lästigen Schnickschnack dafür mit Wortwitz, der einen zum Schmunzeln bringt.

Bewertung vom 26.03.2023
Die Bibliothek der Hoffnung
Thompson, Kate

Die Bibliothek der Hoffnung


ausgezeichnet

Die Bibliothek der Hoffnung ein Roman von Kate Thompson (Knaur Verlag)
„Hören Sie den Opernsänger, der sich nebenan einsingt? Er tritt heute Abend auf. Nächste Woche gibt das Ballett vom Sadler`s Wells hier ein Gastspiel.“
„Du meine Güte! Kultur, Bücher und eine richtige Gemeinschaft. Wenn das Leben unter der Erde so viel zu bieten hat, sollte ich vielleicht selbst hierherziehen.“
Clara fing an, sich zu entspannen. Sie redete über nichts lieber als über den Shelter und seine Bewohner. Sie waren eine Gemeinschaft, wenn auch eine sonderbare, hier in der U-Bahn, wo niemand irgendwohin fuhr. S.28
Clara Button errichtet mit Hilfe ihrer Freundin und Assistentin Ruby Munroe eine unterirdische Bibliothek in den Tunneln der stillgelegten U-Bahn-Station Bethnal Green. Sie retten eine Vielzahl an Büchern vor den Fliegerbomben in einer unwirklichen Zeit des Krieges. In Claras und Rubys Büchern und deren Geschichten finden die Menschen einen Zufluchtsort, Ablenkung und Hoffnung, die sie so dringend benötigen. Derweilen versuchen die beiden Frauen den Londonern ein wenig Normalität und Aufmunterung entgegen zu bringen.
Dieser Roman basiert auf wahren Begebenheiten, daher ist er, gepaart mit dem eindringlichen, wunderbaren Schreibstil, so ergreifend! Die Autorin verbindet Fakten und Fiktion in eine liebevollen und emotionalen Erzählung. Die einzelnen Protagonisten öffnen sich der empathischen Zuhörerin und diese Erlebnisse und erzählten Begebenheiten berühren zutiefst.
Kate Thomson schafft Spannung und Vielfalt durch die abwechselnden Erzählungen aus der Perspektive der beiden Frauen Clara und Ruby. Man ist hautnah dabei und erlebt die unterschiedlichsten Charaktere mit ihren warmherzigen, humorvollen und ergreifenden Schicksalen. Der flüssige Schreibstil lässt die Zeit vergessen und Seite um Seite blättert sich dahin. Die Kapitel haben eine angenehme Länge. Dabei haben mir besonders gefallen die einleitenden Worte und Zitate der einzelnen Kapitel gefallen.
„Ich hüte das Tor zur Vergangenheit, teile mein Wissen über die Schätze unserer Bücher, damit andere sie entdecken können, Ich mache Glückserlebnisse möglich.“ Mareike Doleschal, Bibliothekarin beim Shakespeare Birthplace Trust in Statford-upon-Avon
Fazit: „Die Bibliothek der Hoffnung“ hat mir recht emotionale Lesestunden beschert und sich ganz sacht in mein Herz geschlichen. Sie spendet Trost, Zuversicht und Hoffnung, ohne dabei kitschig zu wirken. Die sympathischen Akteure bereichern das Leseerlebnis.
Angehalten durch die erzählte, authentische Geschichte wollte ich gern mehr über die Ereignisse der unterirdischen Bibliothek erfahren. Lesen bildet und macht glücklich!

Bewertung vom 26.02.2023
Meine Bar in Italien
Maiwald, Stefan

Meine Bar in Italien


ausgezeichnet

Meine Bar in Italien – Warum uns der Süden glücklich macht von Stefan Maiwald Molden Verlag
Wie schafft er das?
Mit einer Herangehensweise an die Arbeit, über die Stoiker nur bewundernd staunen würden.
Das Geheimnis lautet: Bruno arbeitet unermüdlich.
Aber nie gestresst. Er zuckt einfach die Achseln und legt los. S.26
Der Autor erzählt kleine Anekdoten von unterschiedlichsten Protagonisten Italiens in kurzen Abschnitten. Dabei zieht er am Ende immer eine Lebensart bzw. Lebensweisheit aus deren Tun und Wirken heraus. Mal sind es Fragen zur inneren Haltung, wie bei Bruno, mal typische Charakterstärken sowie kulinarische Höhepunkte, die Stefan Maiwald gekonnt und flüssig dahinerzählt.
Der lebendige Schreibstil hat mich überaus gut unterhalten. Diese Reise macht Lust auf einen Besuch im sonnigen Italien, speziell in Grado, wobei man selbst in Pinos Bar einkehren möchte.
Dieses Büchlein erzählt von den verschiedensten Künsten zu Leben um dieses Dasein nicht all zu ernst zu nehmen und zu genießen. Die kurzweiligen Abschnitte laden ein, gern mehrmals gelesen zu werden.
Lasst euch darauf ein, lasst die Gedanken reisen und nehmt das Leben leicht! Ihr habt es euch verdient!

Bewertung vom 27.11.2022
Zeit der Sehnsucht / Die Töchter der Ärztin Bd.1
Sommerfeld, Helene

Zeit der Sehnsucht / Die Töchter der Ärztin Bd.1


ausgezeichnet

Die Töchter der Ärztin Zeit der Sehnsucht ein Roman von Helene Sommerfeld (dtv)
„Was können Sie?“, fragte er.
Sie legte ihm die Dokumente vor, die ihren Abschluss bewiesen. Sie waren ins Englische übersetzt worden. Dann fragte sie zurück: „Was braucht das Krankenhaus?“
Sein Lächeln wurde breiter. „Vielleicht jemanden wie Sie. Das werden wir herausfinden.“ S.115
Die Reihe rund um die Ärztin Ricarda Thomasius habe ich mit Begeisterung gelesen. Daher war es für mich ein absolutes Muss auch die weiterführende Geschichte von Ricardas Töchtern Henriette, genannt Henny und Antonia, Toni zu lesen.
Die Handlung erstreckt sich entlang der 20iger Jahre zwischen Berlin und Ostafrika. Dank des lebendigen und bildhaften Schreibstils der Autoren haben mir die beiden eindrücklichen Erzählungen sehr gut gefallen. Die Charaktere befeuern die Geschichte und fördern die Leselust. Gerade Tonis Suche nach den familiären Wurzeln und dem Verstehen der eigenen Vergangenheit sind sehr interessant. Regionale Probleme Afrikas und dienstliche Hürden erschweren das Ausleben von Tonis ungebremster Abenteuerlust.
Durch die abwechselnde Erzählweise bekommt man einen wunderbaren Eindruck dieser Zeit und von beiden Schauplätzen.
Ein Wiedersehen mit Ricarda und Siegfried hat mich sehr gefreut. Liest man durch die verschiedene Sicht auf die Dinge, die Unterscheide der Generationen deutlich heraus.
Die Worte fliegen nur so dahin und die Geschichte endet mit einem Cliffhänger für Band 2 der Töchter der Ärztin und Thomasius- Schwestern: Zeit der Hoffnung.
Fazit: Gute Unterhaltung und uneingeschränkte Leseempfehlung!