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R. S.

Bewertungen

Insgesamt 168 Bewertungen
Bewertung vom 08.10.2023
Die Akte Madrid / Lennard Lomberg Bd.2
Storm, Andreas

Die Akte Madrid / Lennard Lomberg Bd.2


ausgezeichnet

Kurzweiliger Kunstkrimi

3.5 von 5

Ein surrealistisches Gemälde wird gestohlen, womit für Lomberg eine Reise nach Spanien und in die eigene Vergangenheit beginnt. Bei dem entwendeten Gemälde handelt es sich um eines, dass den deutschen Verteidigungsminister in starke Bedrängnis bringen könnte, wenn nämlich bekannt werden würde, wie er in den Besitz davon gekommen ist. Denn eng verbunden mit dem Gemälde sind politische Verstrickungen bis in höchste Ebenen und Korruption, die bis in die Franco-Diktatur in Spanien zurückreichen, in denen auch der Vater des Verteidigungsministers seine Hände mit im Spiel hatte. Lomberg beginnt im Auftrag des Ministers zu ermitteln und wird dabei von seiner Tochter, seiner Sekretärin und der Kriminalrätin und seiner Liebespartnerin Röhm tatkräftig unterstützt.

Ähnlich wie im ersten Band der Reihe, gibt es parallel zur Handlung im Jahr 2016 mehrere Rückblicke in die Vergangenheit, in denen man mehr über die Geschichte des Gemäldes kennenlernt und was es mit den politischen Verstrickungen alles auf sich hat. Und das sind einige. Beginnend mit der Künstlergruppe rund um Dali, über die Nazi-Zeit, die Franco-Diktatur in Spanien bis in tief in die 1960er-Jahre hinein, wird eine spannende Geschichte vor historischem Hintergrund gesponnen, die so oder so ähnlich auch wirklich sich hätte ereignen können.

Dank kurzer Kapitel und wechselnder Erzählperspektiven baut "Die Akte von Madrid" nach und nach Spannung auf und man wird schnell in das Mysterium rund um das verschwundene Bild hineingezogen. Unterbrochen wird der Lesefluss jedoch hie und da durch den etwas zu beschreibenden und ausschweifenden Erzählstil, wodurch der Krimi sich eher wie eine gut erzählte Geschichte mit Kriminalelementen liest. Fans des ersten Bandes werden trotzdem auf ihre Kosten kommen.

Insgesamt ist "Die Akte von Madrid" ein gut durchdachter Krimi, dessen Stärke in der Vermischung von Kunst-, Krimi- und historischen Elementen liegt. Eine gute Charakterdarstellung sowie ein eingängiger und leicht zu lesender Schreibstil tun ihr Übriges. Am Ende löst sich der Fall für mich zwar etwas zu einfach und zufällig, aber die Entwicklungen im Epilog machen neugierig auf den dritten Band.

Bewertung vom 30.09.2023
Ich, Sperling
Hynes, James

Ich, Sperling


sehr gut

Bedrückend und fesselnd zugleich

In dem überraschend fesselnden Roman "Ich, Sperling" begleitet man einen Sklavenjungen unbekannten Alters, unbekannter Herkunft und unbekannten Namens von seiner frühen bis mittleren Kindheit, wie er zunächst als Haushaltssklave und dann als Kinderprostituierte im heutigen Cartagena in einer Taverne lebt. Als er Jahrzehnte später aus Großbritannien schreibt, erinnert sich Sperling an sein damaliges Leben.

Dank der ausführlichen bildlichen Beschreibung bekommt man ein Gefühl für den Ort und die Zeit, in der das Buch spielt. Der begrenzte Lebens- und Handlungsraum von Sperling erwacht zum Leben, wenn er sich in den Straßen von Karthago Nova bewegt oder in den engen und bedrückenden Wänden des Bordells, in dem er lebt. Manchmal hindert jedoch der bildhafte Erzählstil die Handlung am Vorankommen, besonders am Anfang dauerte es etwas, bis die Geschichte wirklich in Gang kommt.

"Ich, Sperling" ist eine gut geschriebene, atmosphärische und teils auch deprimierende Lektüre.
Sperling durchbricht an einer Stelle die vierte Wand und sinniert darüber, dass wahrscheinlich niemand jemals seine Gedanken lesen wird, was meiner Meinung nach das Thema dieses Romans, die völlige Hoffnungslosigkeit, auf den Punkt bringt. Es gibt kein Happy End, keine Antworten auf die offenen Fragen, wodurch der Schluss des Buches im Vergleich zum Rest des Buches etwas abfällt.
Die verschiedenen Charaktere sind mehr oder weniger komplex, was aber auch an der gewählten Erzählperspektive aus der Sicht von Sperling liegen könnte. Bedingt dadurch, dass man das Alter von Sperling nicht weiß, fällt es oft schwer, die Geschehnisse zeitlich einzuordnen, was teils für Verwirrung sorgt.
Es ist kein leichter Roman, er schreckt nicht davor zurück, das harte Leben eines Sklavenjungen in einem antiken römischen Bordell darzustellen. Doch so schrecklich manche Szenen auch sind, so fliegt man ähnlich wie ein Sperling über die Dächer von Rom fliegt durch die Seiten des Romanes.

Fazit: Ein toller historischer Roman aus der Sicht eines Sklavenjungen im alten römischen Reich, der trotz kleiner Schwächen im Erzähltempo und der Charakterdarstellung, zu überzeugen und zu berühren weiß.

Bewertung vom 30.09.2023
Ingenium
Trussoni, Danielle

Ingenium


weniger gut

Verworren und langatmig - ein fesselndes Rätsel sieht anders aus

Träume, Rituale, Puzzles, Rätsel, Porzellanpuppen, Gebetskreise, ein zweigeschlechtlicher Gott, das Gottesrätsel, künstliche Intelligenz, Quantenphysik und ehe man sich versieht, steht die Zukunft des Universums und der Menschheit auf dem Spiel.
Wer dabei noch den Überblick behält und nicht verwirrt zurückbleibt, der könnte Gefallen an "Ingenium" finden.
Mir war es jedoch zu verworren, die unterschiedlichen Puzzleteile (verschiedene Handlungsstränge, Wendungen und Botschaften) fügten sich für mich nicht zu einem kompletten Puzzle zusammen.

Der Anfang des Buches hat noch neugierig gemacht.
Zu Beginn lernt man Mike Brink kennen, einen Rätselersteller, bei dem nach einer traumatischen Hirnverletzung das Savant-Syndrom diagnostiziert wurde. Diese seltene Krankheit erlaubt es ihm, Muster in allem zu sehen, und verleiht ihm die einzigartige Fähigkeit, Rätsel bzw. Puzzle zu konstruieren und zu lösen. Auf Veranlassung eines Psychiaters wird er in ein Frauengefängnis im Bundesstaat New York gerufen, dessen Patientin Jess Price kein Wort mehr gesprochen hat, seit sie wegen des Mordes an ihrem Freund verhaftet wurde. Doch nun hat Jess eine Nachricht für Mike, die ihn in ein komplexes altes Rätsel und ein tödliches Spiel mit höchstem Einsatz verwickelt.

Durch die Einbeziehung von Auszügen aus Jess' Tagebuch und Briefen, die ein mysteriöser Puppenmacher vor mehr als hundert Jahren geschrieben hat, wird zu Anfang Spannung aufgebaut. Doch dann kamen immer mehr verschiedene Handlungsstränge und Nebenschauplätze hinzu, bis alles unglaublich verworren und esoterisch wird. Was als Rätselabenteuer mit faszinierenden historischen Elementen beginnt, entwickelt sich schnell zu einer verworrenen Handlung mit Quantenphysik, künstlicher Intelligenz und verschiedenen religiösen Aspekten. Alles interessante Themen - aber sie gehören nicht alle in die Handlung dieses Buches. Es schien, als würde Trussoni immer wieder neue Ideen einführen und dann die vorherigen Ideen sofort wieder verwerfen.
Außerdem sind die Charaktere sehr flach. Zu keinem Zeitpunkt sind sie als dreidimensionale Personen greifbar. Sie bleiben farblos und blass und das trotz interessanter Hintergrundgeschichten. Ebenso konnte die Liebesgeschichte und wie sie zustande kommt, nicht überzeugen, von den problematischen Aspekten einmal abgesehen.
Anteil daran hatte auch der sehr beschreibende Schreibstil. "Show, don't tell" scheint der Autorin nicht wirklich ein Begriff zu sein.

"Ingenium" macht für mich den Eindruck, dass versucht wurde, etwas Kluges und Rätselhaftes zu schreiben, dass dann in einem verwirrenden und langatmigen Mix aus Thriller, Fantasy, Science Fiction und Mystery endete und dabei keinem Genre so richtig gerecht wird.
Auch von Spannung kann keine Rede sein. Trotz der zahlreichen Wendungen und endlosen übernatürlichen und mysteriösen Fäden fehlt der Nervenkitzel.
Die stilistischen Probleme, zusammen mit einigen Handlungslücken und der chaotischen Natur der zu vielen Handlungsstränge machen "Ingenium" zu einer enttäuschenden, wenig fesselnden Lektüre und nicht zu dem anfangs erwartenden spannenden Rätsel.

Bewertung vom 30.09.2023
Tief im Schatten / Hanna Ahlander Bd.2
Sten, Viveca

Tief im Schatten / Hanna Ahlander Bd.2


sehr gut

Eiskalte Spannung am Polarkreis

Es ist Ferienzeit im Wintersportort Are. Die weiße und friedliche Idylle wird jedoch von einem männlichen Leichenfund gestört. Die Leiche des ehemaligen Skirennfahrers Johan Andersson weist starke Misshandlungen auf und scheint zu Lebzeiten keine bekannten Feinde gehabt zu haben. Hanna und Daniel übernehmen die Ermittlungen in dem Mordfall und finden sich bald in einem Vermisstenfall, in dem es um Leben und Tod geht, wieder.

Wie aus dem ersten Band gewohnt, sorgen kurze Kapitel, die aus wechselnden Perspektiven erzählt werden, dafür, dass die Spannung konstant hochgehalten wird. Zudem tragen zahlreiche Wendungen bzw. neue Handlungsentwicklungen dazu bei, dass es schwerfällt, mit dem Lesen aufzuhören.
Dazu kommt eine gut durchdachte und überzeugende Krimihandlung, die einen bis zum Ende hin zu fesseln weiß.
Die Autorin schafft es außerdem gut, die Gefühle der handelnden Charaktere sowie die Stimmungen einzufangen, wodurch ein atmosphärischer und fesselnder Krimi entsteht. Dabei hält sie gut die Waage zwischen Einblicken in das Privatleben der einzelnen Personen und den Ermittlungen. Man fühlt sich regelrecht in die kalte Landschaft von Are versetzt und kann Daniels Schwierigkeiten Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen sowie Hannas schwieriges Verhältnis zu ihrer Mutter gut nachvollziehen.

Weniger gut gefallen hat mir, dass zum einend durch die wechselnden Perspektiven manche Handlungsaspekte leicht wiederholt wurden, was jedoch beides nicht zu großartigen Abstrichen im Spannungsaufbau führt. Zum anderen ist die Handlung in der Gegenwart im Präsens geschrieben, woran ich mich anfangs erst gewöhnen musste.

Wer schon Gefallen am ersten Band gefunden hat, den wird auch der zweite Band der packend erzählten Polarkreis-Krimi-Reihe rund um die beiden Ermittler Hanna und Daniel begeistern. Auch Fans gut geschriebener atmosphärischer Krimis mit Spannung bis zum Schluss werden mit "Tief im Schatten" auf ihre Kosten kommen.

Bewertung vom 30.09.2023
Schwarzvogel / Fredrika Storm Bd.1
Skybäck, Frida

Schwarzvogel / Fredrika Storm Bd.1


gut

Kurzweiliger Schwedenkrimi

An einem kalten Wintermorgen beobachtet eine ältere Frau, wie eine junge Frau auf das dünne Eis eines Sees läuft. Das Eis bricht ein und die Frau ertrinkt. Es stellt sich heraus, dass die junge Frau neu in Harlösa ist und niemand sie näher zu kennen scheint. Die ältere Frau, die das Einbrechen der Frau beobachtet hat, ist die Großmutter der Polizistin Fredrika Storm. Frederika ist nach einem Vorfall bei ihrer vorherigen Polizeibehörde wieder in ihr Heimatdorf zurückgekehrt. Gemeinsam mit ihrem neuen Kollegen Henry Calment nimmt Fredrika die Ermittlungen auf. Doch schnell werden die Ermittlungen für Fredrika verkompliziert, denn es kommen Hinweise auf, die auf dunkle Geheimnisse in ihrer eigenen Familiengeschichte hindeuten. Ihr an sich schon schwieriges Verhältnis zu ihrer Familie wird dadurch noch mehr belastet.
Bekommt Fredrika nun endlich Antworten auf die Frage, warum ihre Mutter vor 20 Jahren aus dem Dorf verschwand? Gibt es eine Verbindung zwischen dem Verschwinden ihrer Mutter und der toten Frau?

"Schwarzvogel" ist ein atmosphärischer Kriminalroman und der Auftakt einer neuen Reihe um die Ermittler Fredrika Storm und Henry Calment.
Der Erzähstil des Kriminalromans ist flüssig und bildhaft und sorgt dank der unterschiedlichen Erzählperspektiven und kurzen Kapitel, dass sich das Buch schnell wegliest.
Anfangs noch etwas gemächlich, nimmt die Handlung nach und nach an Fahrt auf und gewinnt vor allem zum Ende hin deutlich an Spannung.
Gut gefallen hat mir die lebendige Landschafts- und Charakterbeschreibung. Die Autorin schafft es gekonnt, das Leben und die Mentalität in einer schwedischen Kleinstadt einzufangen. Die verschiedenen Charaktere und ihre Beziehungen untereinander werden auf glaubwürdige Art und Weise geschildert, sodass die Figuren insgesamt glaubwürdig, sympathisch, lebendig und vielschichtig wirken. Besonders Fredrika und Henry sind gut ausgearbeitet. Man lernt beide näher kennen und man merkt schnell, dass beide facettenreiche Charaktere zu sein scheinen. Vieles wird zwar nur angedeutet, wodurch aber die Neugier geweckt wird, in den folgenden Bänden mehr über die beiden als Einzelperson und wie sich beide als Team weiterentwickeln werden, zu erfahren.

Einzig die Handlung konnte mich nicht ganz überzeugen. Besonders die Tatsache, dass Fredrika trotz möglicher familiärer Verstrickungen lange in die Ermittlungsarbeit eingebunden ist, ist wenig glaubwürdig. Auch sorgen ihre Alleingänge zwar für Spannung, stehen aber nicht gerade für Professionalität. Realistisch sieht anders aus.
Was mir auch weniger gut gefiel war, dass zum Ende hin, manches sich zu einfach auflöste. Plötzlich brachen Leute ohne wirklich ersichtlichen Grund ihr langes Schweigen und der Fall löste sich wie aus Zauberhand. Ein paar mehr Seiten hätten dem Krimi am Ende sicherlich gutgetan. Immerhin macht eine Entwicklung am Ende neugierig auf den nächsten Band.

Wer auf der Suche nach einem kurzweiligen Krimi mit stimmungsvoller und authentischer Landschafts- und Charakterbeschreibung ist und ein neues vielversprechendes Ermittler-Team kennenlernen will, macht mit "Schwarzvogel" sicherlich nicht viel falsch.

Bewertung vom 22.09.2023
Cleopatra und Frankenstein
Mellors, Coco

Cleopatra und Frankenstein


weniger gut

Oberflächlicher und langweiliger Blick auf eine Liebesbeziehung

Cleo ist Mitte 20, eine englische Künstlerin, die versucht, in New York Fuß zu fassen. Frank ist Mitte 40, ein erfolgreicher amerikanischer Werbefachmann. Die beiden treffen sich zufällig in der Silvesternacht 2006 und beginnen eine stürmische Liebesbeziehung - "Cleopatra und Frankenstein" (entsprechend ihre Spitznamen füreinander) erzählt die Geschichte ihrer Beziehung. Aber nicht nur die wird erzählt, sondern auch die von Zoe,

Franks jüngere Halbschwester; die von Quentin, Cleos schwulen, drogenabhängigen Freund; die von Anders, Franks Geschäftspartner und Freund oder die von Eleanor, Franks neue Mitarbeiterin.

Der flüssig erzählte Roman ist hierbei eher Charakterstudie, als handlungsorientiert, was genau eines der Probleme für mich an diesem Buch war, denn die Autorin schaffte es für mich nicht die Charaktere interessant zu machen, die meine Aufmerksamkeit fesseln konnten. Beide Protagonisten sind weitgehend unsympathisch, was auch nicht gerade den Reiz an der Handlung erhöht.
Dadurch dass sich die Geschichte nicht auf die Liebesbeziehung zwischen Cleo und Frank fokussiert, sondern auch die anderen Charaktere zu Wort kommen, bleibt alles an der Oberfläche und die Handlung entwickelt zu keinem Zeitpunkt wirkliche Tiefe. Die Charaktere sind blass und teils ziemlich stereotyphaft dargestellt. Das Leben all dieser Menschen, ihre Gefühle und die Ereignisse, an denen sie teilnehmen, fühlen sich schal an, wie ein Déjà-vus und nicht wie eine zusammenhängende Geschichte.

Auch die Handlung an sich konnte mich nicht wirklich fesseln, wirkliche Überraschungsmomente blieben aus. Die Geschichte, so wie sie erzählt wird, ist vorhersehbar und hinterlässt keinen bleibenden Eindruck beim Lesen. Langweilig und nichtssagend, dass ist der Eindruck, der leider bleibt. Schnell weiß man, wie sich die Beziehung von Cleo und Frank entwickeln wird und welche Rolle welcher Charakter einnehmen wird. Zudem sind nicht alle Textpassagen gleich fesseln und ziehen sich etwas.

Nach all den Vorschußlorbeeren habe ich mir einfach mehr erwartet. "Cleopatra und Frankenstein" ist nicht schlecht geschrieben und beginnt vielversprechend, aber verliert sich bald in Oberflächlichkeiten und Banalitäten. Außerdem versucht es zu literarisch und ästhetisch zu erscheinen, dadurch wirkt es aber mehr gekünstelt als glaubhaft.
Insgesamt eher enttäuschend als verzaubernd.

Bewertung vom 03.09.2023
Der Totengräber und der Mord in der Krypta / Inspektor Leopold von Herzfeldt Bd.3
Pötzsch, Oliver

Der Totengräber und der Mord in der Krypta / Inspektor Leopold von Herzfeldt Bd.3


sehr gut

Gruseliger Spuk in Wien - fesselnd und atmosphärisch erzählt

Mit dem dritten Band der „Totengräber“-Reihe rund um den Inspektor Leopold von Herzfeldt und dem Totengräber Augustin Rothmayer taucht man in ein Wien Ende des 19. Jahrhunderts ein, indem gerade der Séancen und der Spiritismus en vogue sind.
Als ein ermordeter Gelehrter in einer Gruft unter dem Stephansdom aufgefunden wird, der sich unbeliebt bei Anhängern des Spiritismus gemacht hat, da er versuchte Schwindler aufzudecken, wird auch Leopold in diese spirituellen gesellschaftlichen Kreise gezogen. Schnell kommt der Verdacht auf, dass es sich bei dem Mörder um einen Geist handelt. Doch Leopold versucht einen kühlen und klaren Kopf zu behalten und den Mörder unter den Lebenden zu finden. Was jedoch einfacher gesagt ist als getan. Zudem kriselt es zwischen ihm und Julia und dann ist da noch seine Mutter zu Besuch.
Parallel dazu wird Augustin durch seine Adoptivtochter auf das Verschwinden von Waisenkindern aufmerksam gemacht und ehe sich beiden versehen, befinden sich Augustin und Leopold auf einer gefährlichen Mörderjagd, bei der sie tief in menschliche Abgründe eintauchen.

Gewohnt atmosphärisch und spannend erzählt, dauert es nicht lange, bis man von der gut konstruierten und unterhaltsamen, aber auch teils düsteren Geschichte mitgerissen wird.
Hierbei schafft der Autor es auch gekonnt, die Balance zwischen Unterhaltung bzw. privaten Momenten der Hauptpersonen und einer fesselnden Krimihandlung zu halten. Zudem werden auch geschickt historische bekannte Personen in das fiktionale Handlungsgeschehen eingebunden, sodass man sich durchaus vorstellen könnte, dass dies sich alles so hätte ereignen können.
Ebenso wird ein glaubhaftes und teils bedrückend realistisches Bild der damaligen Gesellschaft und einiger historischer Entwicklungen gezeichnet, wobei man das ein oder andere Mal schlucken muss, wenn man weiß, dass man manches nicht so weit von der Realität entfernt war bzw. welche Rolle sie im 20. Jahrhundert spielten.

Auch wenn das Erzähltempo am Anfang noch etwas gemächlich ist, nimmt die Handlung dann nach und nach an Fahrt auf, sodass man schon bald das Buch nicht mehr aus der Hand legen will. Wechselnde Erzählperspektiven, zahlreiche Wendungen und falsche Fährten halten die Spannung hoch und gipfeln in einem überzeugenden Ende. Der Epilog macht zudem schon Lust darauf, wie es weitergehen könnte.

Nicht nur Fans der Reihe und des Autors kommen hier auf ihre Kosten, auch Freunde von gut erzählten historischen Krimis mit Unterhaltungscharakter werden ihre Freude an dem Krimi haben.

Bewertung vom 03.09.2023
Mit kalter Präzision / Die Sabine Yao-Reihe Bd.1
Tsokos, Michael

Mit kalter Präzision / Die Sabine Yao-Reihe Bd.1


sehr gut

Packender und fachlich überzeugender Thriller stammend aus der Feder von Tsokos

"Mit kalter Präzision" ist ein realistischer und solider Auftakt einer neuen True-Crime-Reihe von Michael Tsokos.
Protagonistin der vielversprechenden neuen Reihe ist Dr. Sabine Yao aus Berlin, dem ein oder anderem schon aus vorherigen Reihen des Autors bekannt. Tätig in der BKA-Einheit "Extremdelikte", ermittelt Yao in ihrem ersten Fall und der hat es gleich in sich. Zum einen dürfen den Ermittler keine Fehler unterlaufen, zum anderen tauchen Unstimmigkeiten in Bezug auf den Todeszeitpunkt des Opfers auf. Opfer ist die Frau eines bekannten und angesehenen Schönheitschirurg Roderich Kracht, dessen Kunden und Freunde Politiker und prominente Persönlichkeiten sind. Dementsprechend werden schnelle Ermittlungserfolge erwartet. Kracht scheint, als Täter nicht infrage zu kommen, hat er doch ein hieb- und stichfestes Alibi. Doch dann passen Totenstarre und Todeszeitpunkt nicht übereinander und auch weitere Todesfälle scheinen in Verbindung mit dem Fall zu stehen. Schnell wird Yao klar, dass sie es mit einem perfiden, kaltblütigen und medizinisch gut bewanderten Serienmörder zu tun hat, der ihr eine lebensgefährliche Falle stellt.

Wie von Tsokos gewohnt, strotzen seine Rechtsmedizinkrimis von medizinischen und kriminalistischen Fachwissen gepaart mit einem flüssigen und gut beschreibenden spannenden Schreibstil. Und genau das macht auch den Reiz an ihnen auf. Man weiß, dass man einen gut durchdachten Krimi/Thriller geliefert bekommt, bei dem man gleichzeitig noch was dazulernen kann.
Unterhaltung mit Bildungswert.

Dank der unterschiedlichen Perspektiven, darunter auch die von Dr. Paul Herzfeld und die des Täters, wird schnell Spannung aufgebaut und man gewinnt ein vielschichtiges Bild der verschiedenen handelnden Personen und der Handlung.
Mit Dr. Sabine Yao hat der Autor eine interessante, sympathische und vielschichtige Protagonistin geschaffen, die in den nächsten Bänden bestimmt noch an Kontur gewinnen wird.

Kurze Kapitel und eine gut konstruierte und wendungsreiche Handlung sorgen dafür, dass es schwerfällt, mit dem Lesen aufzuhören.
Einzig eine atmosphärisch düstere Thrillerstimmung kommt nicht so richtig auf, dazu ist der Erzählstil etwas zu beschreibend.

Trotzdem konnte der erste Band der Reihe mich begeistern und ich bin schon gespannt, auf weitere Fälle mit Dr. Sabine Yao.
Allein schon das geballte rechtsmedizinische Wissen und die realistische Darstellung der Ermittlungsarbeit machen die True-Crime-Thriller von Tsokos lesenswert.

Wer auf der Suche nach einem blutigen, atmosphärisch düsteren Thriller ist, wird hier eher nicht fündig.
Wer hingegen einen realistischen und fachlich gut recherchierten Thriller lesen will, der flüssig und packend geschrieben ist, kommt mit "Mit kalter Präzision" auf seine Kosten.

Bewertung vom 23.08.2023
Eine glückliche Familie
Kabler, Jackie

Eine glückliche Familie


weniger gut

Ein fesselnder und realistisch überzeugender Thriller sieht anders aus

Beths Mutter ist verschwunden und hat ihren Mann und ihre zehnjährige Tochter zurückgelassen. Beth hat ihr ganzes Leben lang darum gekämpft, diesen Schmerz zu überwinden. Jetzt, dreißig Jahre später, hat Beth, eine geschiedene Mutter von zwei Kindern, eine erfolgreiche Karriere, viele Freunde und ist glücklich. Als ihre Mutter Alice wieder vor ihrer Haustür auftaucht und eine neue Beziehung zu Beth aufbauen will, kann sich Beth nichts Schöneres vorstellen. Doch dann beginnen seltsame Dinge in Beths Leben zu passieren...

Mit "Einer glückliche Familie" habe ich mich von Beginn an schwergetan. Es ist ein unglaubwürdiges Familiendrama mit ein paar Thrillerelementen. Mein Hauptproblem beim Lesen der schleppend, teils zu ausschweifend erzählten und vorhersehbaren Handlung war vor allem, dass mich noch die anfangs interessant klingende Geschichte in ihrer Umsetzung überzeugen konnte, noch dass ich mit der Protagonistin zu irgendeinem Zeitpunkt warm wurde.

Die Ich-Erzählerin Beth ist auf Dauer anstrengend. Sie zweifelte ständig an sich selbst, ist von Schuldgefühlen geplagt, aufgrund eines Vorfalls im Grundschulalter und fühlt sich unwürdig geliebt zu werden. Ihre ständige Litanei ist auf Dauer einfach nur nervig.
Und dann erst ihre Reaktion als ihre verschwundene Mutter Alice nach 30 Jahren plötzlich wieder auftaucht, ist alles andere als realistisch. Wenn man seine lang vermisste Mutter nach 30 Jahren an der Türschwelle vorfindet, ist man da nicht überrascht? Stellt man ihr da nicht tausend Fragen oder macht ihr irgendwelche Vorwürfe, da sie nie versucht hat, sich zu melden oder Kontakt aufzunehmen? Stattdessen heißt Beth sie mit offenen Armen willkommen, ohne großartige Fragen zu stellen und auch ihre Alarmglocken fangen nicht an zu schrillen aufgrund des zwielichtigen Verhaltens von Alice. Stattdessen macht sich Beth ständig Sorgen, dass ihre Mutter sie wieder verlassen wird.

Zudem weiß man nach schon nach weniger als der Hälfte des Buches, wohin die Reise gehen wird. Wer spannende Wendungen in der spannungsarmen und wenig temporeichen Handlung erwartet, wird bitterlich enttäuscht. Zwar werden zum Ende hin verschiedene Geheimnisse und Lügen enthüllt, wirklich schocken oder überraschen, konnte mich jedoch keine davon.

Die Inhaltsangabe von "Eine glückliche Familie" verspricht einen fesselnden Thriller, doch der Inhalt könnte nicht weiter davon entfernt sein. Ein unglaubwürdiger Handlungsverlauf und wenig überzeugende Charaktere verbunden mit einem langatmigen Erzählstil lassen den Thriller zu einem Reinfall werden.

Bewertung vom 21.08.2023
Der Vorweiner
Bjerg, Bov

Der Vorweiner


gut

Ein dystopischer Blick, der nicht ganz überzeugen kann

Ende des 21. Jahrhunderts ist von Europa nur noch Resteuropa übrig, in dem auch Deutschland aufgegangen ist. Die Bevölkerung ist in eine Nieder- und eine Oberschicht gegliedert. Die Oberschicht ist nicht mehr in der Lage Gefühle zu zeigen und stellt deswegen Vorweiner, Trauergastarbeiter, in ihren Dienst, die auch bei den ihnen mit ihm Haus leben. Die Vorweiner übernehmen die Aufgabe öffentlich Trauer zu zeigen, für diejenige Person, für die sie tätig sind. Sie sind selbst Flüchtlinge, die nach Resteuropa wollen, da ihre eigenen Länder von Bürgerkriegen und Naturkatastrophen zerstört wurden.
Einblicke in diese gefühllose dystopische Welt erhält man durch die Protagonisten des Romanes A wie Anna, ihrem Vorweiner und B wie Berta.
Berta erzählt aus ihrer Perspektive die Geschichte ihrer Mutter Anna, wodurch man auch das Leben und die Gesellschaft an sich im Resteuropa kennenlernt. Das Leben und die Gesellschaft sind von Zerstreuung, fehlender Emotionalität und Grausamkeiten, die keinen wirklich mehr berühren, geprägt.

Auch wenn der eigenwillige und etwas abstruse Roman in einer fernen Zukunft spielt, besitzen die angesprochenen Themen, wie Flüchtlingskrise und Fake-News, Aktualitätsbezug.
Anfangs liest sich Bjergs dystopischer Blick auf Deutschland, Europa und die restliche Welt noch interessant, doch mit zunehmender Seitenzahl wirken manche Romanelemente ermüdend.
Die einzelnen Kapitel sind ähnlich eines Filmskripts aufgebaut und so bekommen die verschiedenen Erzählstränge auch einen episodenhaften Charakter. Das führt dazu, dass der Roman inhaltlich oberflächlich bleibt und sich eher in Belanglosigkeiten verliert. Es soll wahrscheinlich die emotionale Verarmung der Gesellschaft widerspiegeln, ein flüssiger Lesefluss, der das Interesse an der Geschichte hochhält, entsteht dadurch nicht gerade.
Darüber hinaus waren mir manche Textpassagen auch zu derb formuliert oder erschlossen sich mir auch nicht so wirklich in ihrem Sinn. Vielleicht ist es aber auch genau der Sinn der Handlung, dass sie stellenweise keinen Sinn ergibt...

Die Stärke des Romanes liegt für mich in seiner, wenn auch etwas befremdlichen, dystopischen Version und in seinen einzelnen starken Szenen, die jedoch leider nicht im Gesamtpaket überzeugen konnten.

"Der Vorweiner" ist ein sprachlich und inhaltlich gewagter Roman, der eine interessante dystopische Welt beschreibt. Er fängt stark an, verliert sich dann aber enttäuschenderweise etwas in Absurditäten und Belanglosigkeiten, sodass er es nicht schafft sein ganzes Potenzial auszuschöpfen.
Stilistisch und sprachlich ist der Roman durchaus interessant, jedoch fehlt mir die emotionale Wucht und die inhaltliche Stärke, die ich mir erhofft habe.