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R. S.

Bewertungen

Insgesamt 170 Bewertungen
Bewertung vom 08.10.2023
Lichtspiel
Kehlmann, Daniel

Lichtspiel


sehr gut

Virtuos erzählter Roman über G. W. Pabst

Daniel Kehlmanns neuer Roman stellt den einst gefeierten und heute weniger bekannten deutschen Regisseur Georg Wilhelm Pabst ins Rampenlicht, um ihn dann wieder in den Schatten zu stellen, entsprechend seiner Rolle als Regisseur hinter der Kamera.
Erzählt aus verschiedenen Perspektiven, darunter z.B. die von Pabsts Frau Trude, seinem Sohn Jakob und die seines Assistenten, wird nicht nur ein interessantes Porträt von G. W. Pabst, sondern auch von der damaligen Zeit gezeichnet.

Am Anfang des gewohnt virtuos erzählten Romans steht jedoch der fiktive Franz Wilzek, der mit Pabst zusammen gearbeitet hat und eine bedeutende Rolle im Falle des verschollenen Pabst Film "Der Fall Molander" gespielt hat.
Danach taucht man in die 30er- und 40er-Jahre des 20. Jahrhunderts ein. Zunächst emigriert Pabst nach Hollywood und versucht dort sein Glück, jedoch sein Film "A Modern Hero" scheitert krachend. Er kehrt nach Österreich zurück, um dort sich um seine kranke Mutter auf Schloss Dreiturm zu kümmern. Währenddessen versucht Goebbels Pabst für sich gewinnen, damit er Filme für Nazideutschland dreht. Zunächst versucht Pabst nicht dem Werben von Goebbels nachzugeben, doch mit Kriegsbeginn ändert sich seine Einstellung diesbezüglich.

Ähnlich rasant geschrieben wie ein spannendes Drehbuch, zieht die Handlung, in der geschickt tatsächliche Ereignisse zu einer fiktiven Geschichte verwoben werden, den Lesenden in ihren Bann.
Anfangs noch leicht verwirrend setzen sich nach und nach die einzelnen Erzählperspektiven zu einer Geschichte zusammen, in der es um Kunst, Macht und auch um die Frage nach Verantwortung geht.
Darf man im Namen der Kunst auch für ein menschenverachtendes Regime arbeiten oder wird dadurch das eigene künstlerische Werk unwiderruflich beschmutzt? Beim Lesen stellt man sich diese Fragen, ohne dabei so richtig eine Antwort darauf zu bekommen, wie G. W. Pabst darüber gedacht hat, denn der Roman lässt die Gedanken und Gefühle von Pabst seltsam außen vor. Allen anderen Charaktere sind greifbarer als die Hauptfigur des Romans selbst.

Hätte Kehlmann es geschafft, Pabst noch mehr hervortreten zu lassen, hätte "Lichtspiel" ein großartiges Werk werden können, so ist es besonders sprachlich und stilistisch immer noch großartig, aber inhaltlich hat es nicht die Wucht, die ich mir erwartet habe.
Dennoch hat mir "Lichtspiel" ein tolles Lesevergnügen bereitet und ist nicht nur für Fans von Kehlmann lesenswert.

1 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 08.10.2023
Mrs Potts' Mordclub und der tote Bräutigam / Mord ist Potts' Hobby Bd.2 (eBook, ePUB)
Thorogood, Robert

Mrs Potts' Mordclub und der tote Bräutigam / Mord ist Potts' Hobby Bd.2 (eBook, ePUB)


gut

Einem Mordclub, dem es an Schwung und Charme fehlt

Mrs. Potts Mordclub ermittelt wieder und die 78-jährige Rentnerin Judith, die 40-jährige Becks, Frau des örtlichen Pfarrers und Suzie, jetzt Moderatorin bei Marlow FM, kommen zusammen, um den Mord an Sir Peter Bailey aufzuklären. Sir Peter hatte Judith zu seiner Feier einen Tag vor seiner Hochzeit eingeladen, weil er befürchtete von seinem Sohn umgebracht zu werden. Neben Judith sind auch Suzie und Becks auf der Feier, die durch Sir Peters Tod ein jähes Ende findet. Sir Peters Leiche wurde in einem verschlossenen Raum aufgefunden, auch gab es keine Zeugen. Die Polizei glaubt nicht an einen Mord und so ermitteln die drei und sammeln Hinweise auf den Täter.

Kurzweilige und humorvolle Unterhaltung habe ich mir vom zweiten Buch der Reihe erhofft, doch leider konnte mich der neue Fall für Mrs. Potts Mordclub nicht so richtig überzeugen.
Anfangs geht es noch hoch her, denn der Mord an Sir Peter Bailey lässt nicht lange auf sich warten. Doch als es dann an die Ermittlungsarbeit der drei Damen geht, verliert der Kriminalroman zunehmend an Schwung und verliert sich unnötigen Nebensächlichkeiten und Gesprächen. Mit einem verschlossenen Mordzimmer und einer angespannten Familiendynamik, die die ganze Zeit über brodelt und ein paar überraschenden Wendungen, weiß der Kriminalfall durchaus für spannende Momente zu sorgen, auch wenn die Struktur des Verbrechens schon zu Beginn des Buches ziemlich offensichtlich ist. Enttäuschenderweise können die drei Damen diesmal jedoch nicht so richtig überzeugen, besonders Judith fand ich mit zunehmender Buchlänge leicht nervig und irritierend. Sie waren alle drei nicht so charmant wie im ersten Band und mischten sich meiner Meinung nach auch zu sehr in das Leben anderer ein.

Ein Mordfall, der alle Zutaten für einen spannenden und unterhaltsamen Krimi hatte, aber zu viele Seiten brauchte, um von dem diesmal weniger charmanten Mrs. Pott Mordclub aufgelöst zu werden, so präsentierte sich "Mrs Potts' Mordclub und der tote Bräutigam" für mich.

Bewertung vom 08.10.2023
Die Akte Madrid / Lennard Lomberg Bd.2
Storm, Andreas

Die Akte Madrid / Lennard Lomberg Bd.2


ausgezeichnet

Kurzweiliger Kunstkrimi

3.5 von 5

Ein surrealistisches Gemälde wird gestohlen, womit für Lomberg eine Reise nach Spanien und in die eigene Vergangenheit beginnt. Bei dem entwendeten Gemälde handelt es sich um eines, dass den deutschen Verteidigungsminister in starke Bedrängnis bringen könnte, wenn nämlich bekannt werden würde, wie er in den Besitz davon gekommen ist. Denn eng verbunden mit dem Gemälde sind politische Verstrickungen bis in höchste Ebenen und Korruption, die bis in die Franco-Diktatur in Spanien zurückreichen, in denen auch der Vater des Verteidigungsministers seine Hände mit im Spiel hatte. Lomberg beginnt im Auftrag des Ministers zu ermitteln und wird dabei von seiner Tochter, seiner Sekretärin und der Kriminalrätin und seiner Liebespartnerin Röhm tatkräftig unterstützt.

Ähnlich wie im ersten Band der Reihe, gibt es parallel zur Handlung im Jahr 2016 mehrere Rückblicke in die Vergangenheit, in denen man mehr über die Geschichte des Gemäldes kennenlernt und was es mit den politischen Verstrickungen alles auf sich hat. Und das sind einige. Beginnend mit der Künstlergruppe rund um Dali, über die Nazi-Zeit, die Franco-Diktatur in Spanien bis in tief in die 1960er-Jahre hinein, wird eine spannende Geschichte vor historischem Hintergrund gesponnen, die so oder so ähnlich auch wirklich sich hätte ereignen können.

Dank kurzer Kapitel und wechselnder Erzählperspektiven baut "Die Akte von Madrid" nach und nach Spannung auf und man wird schnell in das Mysterium rund um das verschwundene Bild hineingezogen. Unterbrochen wird der Lesefluss jedoch hie und da durch den etwas zu beschreibenden und ausschweifenden Erzählstil, wodurch der Krimi sich eher wie eine gut erzählte Geschichte mit Kriminalelementen liest. Fans des ersten Bandes werden trotzdem auf ihre Kosten kommen.

Insgesamt ist "Die Akte von Madrid" ein gut durchdachter Krimi, dessen Stärke in der Vermischung von Kunst-, Krimi- und historischen Elementen liegt. Eine gute Charakterdarstellung sowie ein eingängiger und leicht zu lesender Schreibstil tun ihr Übriges. Am Ende löst sich der Fall für mich zwar etwas zu einfach und zufällig, aber die Entwicklungen im Epilog machen neugierig auf den dritten Band.

Bewertung vom 30.09.2023
Ich, Sperling
Hynes, James

Ich, Sperling


sehr gut

Bedrückend und fesselnd zugleich

In dem überraschend fesselnden Roman "Ich, Sperling" begleitet man einen Sklavenjungen unbekannten Alters, unbekannter Herkunft und unbekannten Namens von seiner frühen bis mittleren Kindheit, wie er zunächst als Haushaltssklave und dann als Kinderprostituierte im heutigen Cartagena in einer Taverne lebt. Als er Jahrzehnte später aus Großbritannien schreibt, erinnert sich Sperling an sein damaliges Leben.

Dank der ausführlichen bildlichen Beschreibung bekommt man ein Gefühl für den Ort und die Zeit, in der das Buch spielt. Der begrenzte Lebens- und Handlungsraum von Sperling erwacht zum Leben, wenn er sich in den Straßen von Karthago Nova bewegt oder in den engen und bedrückenden Wänden des Bordells, in dem er lebt. Manchmal hindert jedoch der bildhafte Erzählstil die Handlung am Vorankommen, besonders am Anfang dauerte es etwas, bis die Geschichte wirklich in Gang kommt.

"Ich, Sperling" ist eine gut geschriebene, atmosphärische und teils auch deprimierende Lektüre.
Sperling durchbricht an einer Stelle die vierte Wand und sinniert darüber, dass wahrscheinlich niemand jemals seine Gedanken lesen wird, was meiner Meinung nach das Thema dieses Romans, die völlige Hoffnungslosigkeit, auf den Punkt bringt. Es gibt kein Happy End, keine Antworten auf die offenen Fragen, wodurch der Schluss des Buches im Vergleich zum Rest des Buches etwas abfällt.
Die verschiedenen Charaktere sind mehr oder weniger komplex, was aber auch an der gewählten Erzählperspektive aus der Sicht von Sperling liegen könnte. Bedingt dadurch, dass man das Alter von Sperling nicht weiß, fällt es oft schwer, die Geschehnisse zeitlich einzuordnen, was teils für Verwirrung sorgt.
Es ist kein leichter Roman, er schreckt nicht davor zurück, das harte Leben eines Sklavenjungen in einem antiken römischen Bordell darzustellen. Doch so schrecklich manche Szenen auch sind, so fliegt man ähnlich wie ein Sperling über die Dächer von Rom fliegt durch die Seiten des Romanes.

Fazit: Ein toller historischer Roman aus der Sicht eines Sklavenjungen im alten römischen Reich, der trotz kleiner Schwächen im Erzähltempo und der Charakterdarstellung, zu überzeugen und zu berühren weiß.

Bewertung vom 30.09.2023
Ingenium
Trussoni, Danielle

Ingenium


weniger gut

Verworren und langatmig - ein fesselndes Rätsel sieht anders aus

Träume, Rituale, Puzzles, Rätsel, Porzellanpuppen, Gebetskreise, ein zweigeschlechtlicher Gott, das Gottesrätsel, künstliche Intelligenz, Quantenphysik und ehe man sich versieht, steht die Zukunft des Universums und der Menschheit auf dem Spiel.
Wer dabei noch den Überblick behält und nicht verwirrt zurückbleibt, der könnte Gefallen an "Ingenium" finden.
Mir war es jedoch zu verworren, die unterschiedlichen Puzzleteile (verschiedene Handlungsstränge, Wendungen und Botschaften) fügten sich für mich nicht zu einem kompletten Puzzle zusammen.

Der Anfang des Buches hat noch neugierig gemacht.
Zu Beginn lernt man Mike Brink kennen, einen Rätselersteller, bei dem nach einer traumatischen Hirnverletzung das Savant-Syndrom diagnostiziert wurde. Diese seltene Krankheit erlaubt es ihm, Muster in allem zu sehen, und verleiht ihm die einzigartige Fähigkeit, Rätsel bzw. Puzzle zu konstruieren und zu lösen. Auf Veranlassung eines Psychiaters wird er in ein Frauengefängnis im Bundesstaat New York gerufen, dessen Patientin Jess Price kein Wort mehr gesprochen hat, seit sie wegen des Mordes an ihrem Freund verhaftet wurde. Doch nun hat Jess eine Nachricht für Mike, die ihn in ein komplexes altes Rätsel und ein tödliches Spiel mit höchstem Einsatz verwickelt.

Durch die Einbeziehung von Auszügen aus Jess' Tagebuch und Briefen, die ein mysteriöser Puppenmacher vor mehr als hundert Jahren geschrieben hat, wird zu Anfang Spannung aufgebaut. Doch dann kamen immer mehr verschiedene Handlungsstränge und Nebenschauplätze hinzu, bis alles unglaublich verworren und esoterisch wird. Was als Rätselabenteuer mit faszinierenden historischen Elementen beginnt, entwickelt sich schnell zu einer verworrenen Handlung mit Quantenphysik, künstlicher Intelligenz und verschiedenen religiösen Aspekten. Alles interessante Themen - aber sie gehören nicht alle in die Handlung dieses Buches. Es schien, als würde Trussoni immer wieder neue Ideen einführen und dann die vorherigen Ideen sofort wieder verwerfen.
Außerdem sind die Charaktere sehr flach. Zu keinem Zeitpunkt sind sie als dreidimensionale Personen greifbar. Sie bleiben farblos und blass und das trotz interessanter Hintergrundgeschichten. Ebenso konnte die Liebesgeschichte und wie sie zustande kommt, nicht überzeugen, von den problematischen Aspekten einmal abgesehen.
Anteil daran hatte auch der sehr beschreibende Schreibstil. "Show, don't tell" scheint der Autorin nicht wirklich ein Begriff zu sein.

"Ingenium" macht für mich den Eindruck, dass versucht wurde, etwas Kluges und Rätselhaftes zu schreiben, dass dann in einem verwirrenden und langatmigen Mix aus Thriller, Fantasy, Science Fiction und Mystery endete und dabei keinem Genre so richtig gerecht wird.
Auch von Spannung kann keine Rede sein. Trotz der zahlreichen Wendungen und endlosen übernatürlichen und mysteriösen Fäden fehlt der Nervenkitzel.
Die stilistischen Probleme, zusammen mit einigen Handlungslücken und der chaotischen Natur der zu vielen Handlungsstränge machen "Ingenium" zu einer enttäuschenden, wenig fesselnden Lektüre und nicht zu dem anfangs erwartenden spannenden Rätsel.

Bewertung vom 30.09.2023
Tief im Schatten / Hanna Ahlander Bd.2
Sten, Viveca

Tief im Schatten / Hanna Ahlander Bd.2


sehr gut

Eiskalte Spannung am Polarkreis

Es ist Ferienzeit im Wintersportort Are. Die weiße und friedliche Idylle wird jedoch von einem männlichen Leichenfund gestört. Die Leiche des ehemaligen Skirennfahrers Johan Andersson weist starke Misshandlungen auf und scheint zu Lebzeiten keine bekannten Feinde gehabt zu haben. Hanna und Daniel übernehmen die Ermittlungen in dem Mordfall und finden sich bald in einem Vermisstenfall, in dem es um Leben und Tod geht, wieder.

Wie aus dem ersten Band gewohnt, sorgen kurze Kapitel, die aus wechselnden Perspektiven erzählt werden, dafür, dass die Spannung konstant hochgehalten wird. Zudem tragen zahlreiche Wendungen bzw. neue Handlungsentwicklungen dazu bei, dass es schwerfällt, mit dem Lesen aufzuhören.
Dazu kommt eine gut durchdachte und überzeugende Krimihandlung, die einen bis zum Ende hin zu fesseln weiß.
Die Autorin schafft es außerdem gut, die Gefühle der handelnden Charaktere sowie die Stimmungen einzufangen, wodurch ein atmosphärischer und fesselnder Krimi entsteht. Dabei hält sie gut die Waage zwischen Einblicken in das Privatleben der einzelnen Personen und den Ermittlungen. Man fühlt sich regelrecht in die kalte Landschaft von Are versetzt und kann Daniels Schwierigkeiten Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen sowie Hannas schwieriges Verhältnis zu ihrer Mutter gut nachvollziehen.

Weniger gut gefallen hat mir, dass zum einend durch die wechselnden Perspektiven manche Handlungsaspekte leicht wiederholt wurden, was jedoch beides nicht zu großartigen Abstrichen im Spannungsaufbau führt. Zum anderen ist die Handlung in der Gegenwart im Präsens geschrieben, woran ich mich anfangs erst gewöhnen musste.

Wer schon Gefallen am ersten Band gefunden hat, den wird auch der zweite Band der packend erzählten Polarkreis-Krimi-Reihe rund um die beiden Ermittler Hanna und Daniel begeistern. Auch Fans gut geschriebener atmosphärischer Krimis mit Spannung bis zum Schluss werden mit "Tief im Schatten" auf ihre Kosten kommen.

Bewertung vom 30.09.2023
Schwarzvogel / Fredrika Storm Bd.1
Skybäck, Frida

Schwarzvogel / Fredrika Storm Bd.1


gut

Kurzweiliger Schwedenkrimi

An einem kalten Wintermorgen beobachtet eine ältere Frau, wie eine junge Frau auf das dünne Eis eines Sees läuft. Das Eis bricht ein und die Frau ertrinkt. Es stellt sich heraus, dass die junge Frau neu in Harlösa ist und niemand sie näher zu kennen scheint. Die ältere Frau, die das Einbrechen der Frau beobachtet hat, ist die Großmutter der Polizistin Fredrika Storm. Frederika ist nach einem Vorfall bei ihrer vorherigen Polizeibehörde wieder in ihr Heimatdorf zurückgekehrt. Gemeinsam mit ihrem neuen Kollegen Henry Calment nimmt Fredrika die Ermittlungen auf. Doch schnell werden die Ermittlungen für Fredrika verkompliziert, denn es kommen Hinweise auf, die auf dunkle Geheimnisse in ihrer eigenen Familiengeschichte hindeuten. Ihr an sich schon schwieriges Verhältnis zu ihrer Familie wird dadurch noch mehr belastet.
Bekommt Fredrika nun endlich Antworten auf die Frage, warum ihre Mutter vor 20 Jahren aus dem Dorf verschwand? Gibt es eine Verbindung zwischen dem Verschwinden ihrer Mutter und der toten Frau?

"Schwarzvogel" ist ein atmosphärischer Kriminalroman und der Auftakt einer neuen Reihe um die Ermittler Fredrika Storm und Henry Calment.
Der Erzähstil des Kriminalromans ist flüssig und bildhaft und sorgt dank der unterschiedlichen Erzählperspektiven und kurzen Kapitel, dass sich das Buch schnell wegliest.
Anfangs noch etwas gemächlich, nimmt die Handlung nach und nach an Fahrt auf und gewinnt vor allem zum Ende hin deutlich an Spannung.
Gut gefallen hat mir die lebendige Landschafts- und Charakterbeschreibung. Die Autorin schafft es gekonnt, das Leben und die Mentalität in einer schwedischen Kleinstadt einzufangen. Die verschiedenen Charaktere und ihre Beziehungen untereinander werden auf glaubwürdige Art und Weise geschildert, sodass die Figuren insgesamt glaubwürdig, sympathisch, lebendig und vielschichtig wirken. Besonders Fredrika und Henry sind gut ausgearbeitet. Man lernt beide näher kennen und man merkt schnell, dass beide facettenreiche Charaktere zu sein scheinen. Vieles wird zwar nur angedeutet, wodurch aber die Neugier geweckt wird, in den folgenden Bänden mehr über die beiden als Einzelperson und wie sich beide als Team weiterentwickeln werden, zu erfahren.

Einzig die Handlung konnte mich nicht ganz überzeugen. Besonders die Tatsache, dass Fredrika trotz möglicher familiärer Verstrickungen lange in die Ermittlungsarbeit eingebunden ist, ist wenig glaubwürdig. Auch sorgen ihre Alleingänge zwar für Spannung, stehen aber nicht gerade für Professionalität. Realistisch sieht anders aus.
Was mir auch weniger gut gefiel war, dass zum Ende hin, manches sich zu einfach auflöste. Plötzlich brachen Leute ohne wirklich ersichtlichen Grund ihr langes Schweigen und der Fall löste sich wie aus Zauberhand. Ein paar mehr Seiten hätten dem Krimi am Ende sicherlich gutgetan. Immerhin macht eine Entwicklung am Ende neugierig auf den nächsten Band.

Wer auf der Suche nach einem kurzweiligen Krimi mit stimmungsvoller und authentischer Landschafts- und Charakterbeschreibung ist und ein neues vielversprechendes Ermittler-Team kennenlernen will, macht mit "Schwarzvogel" sicherlich nicht viel falsch.

Bewertung vom 22.09.2023
Cleopatra und Frankenstein
Mellors, Coco

Cleopatra und Frankenstein


weniger gut

Oberflächlicher und langweiliger Blick auf eine Liebesbeziehung

Cleo ist Mitte 20, eine englische Künstlerin, die versucht, in New York Fuß zu fassen. Frank ist Mitte 40, ein erfolgreicher amerikanischer Werbefachmann. Die beiden treffen sich zufällig in der Silvesternacht 2006 und beginnen eine stürmische Liebesbeziehung - "Cleopatra und Frankenstein" (entsprechend ihre Spitznamen füreinander) erzählt die Geschichte ihrer Beziehung. Aber nicht nur die wird erzählt, sondern auch die von Zoe,

Franks jüngere Halbschwester; die von Quentin, Cleos schwulen, drogenabhängigen Freund; die von Anders, Franks Geschäftspartner und Freund oder die von Eleanor, Franks neue Mitarbeiterin.

Der flüssig erzählte Roman ist hierbei eher Charakterstudie, als handlungsorientiert, was genau eines der Probleme für mich an diesem Buch war, denn die Autorin schaffte es für mich nicht die Charaktere interessant zu machen, die meine Aufmerksamkeit fesseln konnten. Beide Protagonisten sind weitgehend unsympathisch, was auch nicht gerade den Reiz an der Handlung erhöht.
Dadurch dass sich die Geschichte nicht auf die Liebesbeziehung zwischen Cleo und Frank fokussiert, sondern auch die anderen Charaktere zu Wort kommen, bleibt alles an der Oberfläche und die Handlung entwickelt zu keinem Zeitpunkt wirkliche Tiefe. Die Charaktere sind blass und teils ziemlich stereotyphaft dargestellt. Das Leben all dieser Menschen, ihre Gefühle und die Ereignisse, an denen sie teilnehmen, fühlen sich schal an, wie ein Déjà-vus und nicht wie eine zusammenhängende Geschichte.

Auch die Handlung an sich konnte mich nicht wirklich fesseln, wirkliche Überraschungsmomente blieben aus. Die Geschichte, so wie sie erzählt wird, ist vorhersehbar und hinterlässt keinen bleibenden Eindruck beim Lesen. Langweilig und nichtssagend, dass ist der Eindruck, der leider bleibt. Schnell weiß man, wie sich die Beziehung von Cleo und Frank entwickeln wird und welche Rolle welcher Charakter einnehmen wird. Zudem sind nicht alle Textpassagen gleich fesseln und ziehen sich etwas.

Nach all den Vorschußlorbeeren habe ich mir einfach mehr erwartet. "Cleopatra und Frankenstein" ist nicht schlecht geschrieben und beginnt vielversprechend, aber verliert sich bald in Oberflächlichkeiten und Banalitäten. Außerdem versucht es zu literarisch und ästhetisch zu erscheinen, dadurch wirkt es aber mehr gekünstelt als glaubhaft.
Insgesamt eher enttäuschend als verzaubernd.

Bewertung vom 03.09.2023
Der Totengräber und der Mord in der Krypta / Inspektor Leopold von Herzfeldt Bd.3
Pötzsch, Oliver

Der Totengräber und der Mord in der Krypta / Inspektor Leopold von Herzfeldt Bd.3


sehr gut

Gruseliger Spuk in Wien - fesselnd und atmosphärisch erzählt

Mit dem dritten Band der „Totengräber“-Reihe rund um den Inspektor Leopold von Herzfeldt und dem Totengräber Augustin Rothmayer taucht man in ein Wien Ende des 19. Jahrhunderts ein, indem gerade der Séancen und der Spiritismus en vogue sind.
Als ein ermordeter Gelehrter in einer Gruft unter dem Stephansdom aufgefunden wird, der sich unbeliebt bei Anhängern des Spiritismus gemacht hat, da er versuchte Schwindler aufzudecken, wird auch Leopold in diese spirituellen gesellschaftlichen Kreise gezogen. Schnell kommt der Verdacht auf, dass es sich bei dem Mörder um einen Geist handelt. Doch Leopold versucht einen kühlen und klaren Kopf zu behalten und den Mörder unter den Lebenden zu finden. Was jedoch einfacher gesagt ist als getan. Zudem kriselt es zwischen ihm und Julia und dann ist da noch seine Mutter zu Besuch.
Parallel dazu wird Augustin durch seine Adoptivtochter auf das Verschwinden von Waisenkindern aufmerksam gemacht und ehe sich beiden versehen, befinden sich Augustin und Leopold auf einer gefährlichen Mörderjagd, bei der sie tief in menschliche Abgründe eintauchen.

Gewohnt atmosphärisch und spannend erzählt, dauert es nicht lange, bis man von der gut konstruierten und unterhaltsamen, aber auch teils düsteren Geschichte mitgerissen wird.
Hierbei schafft der Autor es auch gekonnt, die Balance zwischen Unterhaltung bzw. privaten Momenten der Hauptpersonen und einer fesselnden Krimihandlung zu halten. Zudem werden auch geschickt historische bekannte Personen in das fiktionale Handlungsgeschehen eingebunden, sodass man sich durchaus vorstellen könnte, dass dies sich alles so hätte ereignen können.
Ebenso wird ein glaubhaftes und teils bedrückend realistisches Bild der damaligen Gesellschaft und einiger historischer Entwicklungen gezeichnet, wobei man das ein oder andere Mal schlucken muss, wenn man weiß, dass man manches nicht so weit von der Realität entfernt war bzw. welche Rolle sie im 20. Jahrhundert spielten.

Auch wenn das Erzähltempo am Anfang noch etwas gemächlich ist, nimmt die Handlung dann nach und nach an Fahrt auf, sodass man schon bald das Buch nicht mehr aus der Hand legen will. Wechselnde Erzählperspektiven, zahlreiche Wendungen und falsche Fährten halten die Spannung hoch und gipfeln in einem überzeugenden Ende. Der Epilog macht zudem schon Lust darauf, wie es weitergehen könnte.

Nicht nur Fans der Reihe und des Autors kommen hier auf ihre Kosten, auch Freunde von gut erzählten historischen Krimis mit Unterhaltungscharakter werden ihre Freude an dem Krimi haben.

Bewertung vom 03.09.2023
Mit kalter Präzision / Die Sabine Yao-Reihe Bd.1
Tsokos, Michael

Mit kalter Präzision / Die Sabine Yao-Reihe Bd.1


sehr gut

Packender und fachlich überzeugender Thriller stammend aus der Feder von Tsokos

"Mit kalter Präzision" ist ein realistischer und solider Auftakt einer neuen True-Crime-Reihe von Michael Tsokos.
Protagonistin der vielversprechenden neuen Reihe ist Dr. Sabine Yao aus Berlin, dem ein oder anderem schon aus vorherigen Reihen des Autors bekannt. Tätig in der BKA-Einheit "Extremdelikte", ermittelt Yao in ihrem ersten Fall und der hat es gleich in sich. Zum einen dürfen den Ermittler keine Fehler unterlaufen, zum anderen tauchen Unstimmigkeiten in Bezug auf den Todeszeitpunkt des Opfers auf. Opfer ist die Frau eines bekannten und angesehenen Schönheitschirurg Roderich Kracht, dessen Kunden und Freunde Politiker und prominente Persönlichkeiten sind. Dementsprechend werden schnelle Ermittlungserfolge erwartet. Kracht scheint, als Täter nicht infrage zu kommen, hat er doch ein hieb- und stichfestes Alibi. Doch dann passen Totenstarre und Todeszeitpunkt nicht übereinander und auch weitere Todesfälle scheinen in Verbindung mit dem Fall zu stehen. Schnell wird Yao klar, dass sie es mit einem perfiden, kaltblütigen und medizinisch gut bewanderten Serienmörder zu tun hat, der ihr eine lebensgefährliche Falle stellt.

Wie von Tsokos gewohnt, strotzen seine Rechtsmedizinkrimis von medizinischen und kriminalistischen Fachwissen gepaart mit einem flüssigen und gut beschreibenden spannenden Schreibstil. Und genau das macht auch den Reiz an ihnen auf. Man weiß, dass man einen gut durchdachten Krimi/Thriller geliefert bekommt, bei dem man gleichzeitig noch was dazulernen kann.
Unterhaltung mit Bildungswert.

Dank der unterschiedlichen Perspektiven, darunter auch die von Dr. Paul Herzfeld und die des Täters, wird schnell Spannung aufgebaut und man gewinnt ein vielschichtiges Bild der verschiedenen handelnden Personen und der Handlung.
Mit Dr. Sabine Yao hat der Autor eine interessante, sympathische und vielschichtige Protagonistin geschaffen, die in den nächsten Bänden bestimmt noch an Kontur gewinnen wird.

Kurze Kapitel und eine gut konstruierte und wendungsreiche Handlung sorgen dafür, dass es schwerfällt, mit dem Lesen aufzuhören.
Einzig eine atmosphärisch düstere Thrillerstimmung kommt nicht so richtig auf, dazu ist der Erzählstil etwas zu beschreibend.

Trotzdem konnte der erste Band der Reihe mich begeistern und ich bin schon gespannt, auf weitere Fälle mit Dr. Sabine Yao.
Allein schon das geballte rechtsmedizinische Wissen und die realistische Darstellung der Ermittlungsarbeit machen die True-Crime-Thriller von Tsokos lesenswert.

Wer auf der Suche nach einem blutigen, atmosphärisch düsteren Thriller ist, wird hier eher nicht fündig.
Wer hingegen einen realistischen und fachlich gut recherchierten Thriller lesen will, der flüssig und packend geschrieben ist, kommt mit "Mit kalter Präzision" auf seine Kosten.